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Collegium Logicum – Logische Grundlagen der Philosophie und

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Mo<strong>der</strong>ne Logik <strong>und</strong> <strong>Philosophie</strong> 37<br />

(22) a. Der Abendstern steht heute am Abendhimmel.<br />

b. Der Morgenstern steht heute am Abendhimmel.<br />

c. Venus steht heute am Abendhimmel.<br />

Dies wird deutlich, wenn man für beide Namen den zugehörigen Planetennamen<br />

‘Venus’ einsetzt; siehe (22c). Läßt man dagegen das temporale Adverb ‘heute’<br />

weg, so drängt sich neben <strong>der</strong> bisherigen Lesart eine weitere in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>,<br />

die die Ersetzbarkeit zweifelhaft <strong>und</strong> die Version c) sogar falsch erscheinen läßt:<br />

(23) a. Der Abendstern steht am Abendhimmel.<br />

b. Der Morgenstern steht am Abendhimmel.<br />

c. Venus steht am Abendhimmel.<br />

Die neue Lesart vermittelt den Eindruck eines “analytischen”, d.h. rein sprachlichen<br />

Zusammenhangs zwischen dem Individuenterm ‘<strong>der</strong> Abenstern’ <strong>und</strong> dem<br />

Prädikat ‘steht am Abendhimmel’, welcher beim Übergang zu einem zwar koreferentiellen,<br />

aber mit einem an<strong>der</strong>en sprachlichen Gehalt versehenen Term wie<br />

‘Morgenstern’ o<strong>der</strong> ‘Venus’ verloren geht. Dieses Beispiel zeigt, daß das Substitutionsprinzip<br />

nur für solche Kontexte gedacht ist, in denen es lediglich darauf<br />

ankommt, welches Objekt die beiden Terme bezeichnen, ganz unabhängig von<br />

ihrem deskriptiven Gehalt. Derartige Kontexte heißen extensionale Kontexte.<br />

Dadurch, daß die Identitätslogik das Prinzip zum Axiom erhebt, wird sie zu<br />

einer extensionalen Logik, wie sie <strong>der</strong> Mathematik zugr<strong>und</strong>e liegt.<br />

Die Verbindung zur Mathematik, d.h. hier: zur Mengenlehre, ist dabei die<br />

folgende: wie oben kurz erwähnt, werden die Begriffe in <strong>der</strong> Mathematik gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

mit ihren Umfängen identifiziert. Ein Umfang, auch Extension des Begriffs<br />

genannt, ist aber eine Menge von Objekten, die nicht von <strong>der</strong> Art <strong>und</strong><br />

Weise ihrer Charakterisierung abhängt. In einer extensionalen Begriffslogik ist<br />

demnach <strong>der</strong> Begriff Lebewesen mit Herz identisch mit dem Begriff Lebewesen<br />

mit Niere, da ihre Umfänge übereinstimmen. Für zwei Mengen A <strong>und</strong> B gilt<br />

nämlich das Extensionalitätsprinzip, welches besagt, daß A gleich B ist, wenn<br />

A <strong>und</strong> B dieselben Elemente enthalten. Dieses Prinzip ist gewissermaßen ein<br />

Identitätskriterium “von unten”, im Gegensatz zu dem Leibnizschen Prinzip <strong>der</strong><br />

Gleichheit des Ununterscheidbaren, welches auf die höhertypigen Eigenschaften<br />

von Objekten rekurriert <strong>und</strong> daher ein Kriterium “von oben” ist. Als Extensionalitätsaxiom<br />

ist es eines <strong>der</strong> Axiome <strong>der</strong> ZF-Mengenlehre <strong>und</strong> lautet formal:<br />

(24) ∀x (x ∈ A ↔ x ∈ B) → A = B<br />

In <strong>der</strong> natürlichen Sprache gibt es jedoch auch nicht-extensionale Kontexte,<br />

in denen <strong>der</strong> deskriptive Gehalt von Ausdrücken für die Wahrheit <strong>der</strong> Aussage<br />

eine Rolle spielt. Russell gibt folgendes Beispiel, welches sich auf den<br />

Autor des zunächst unter einem Pseudonym veröffentlichten Romans Waverley<br />

bezieht.<br />

(25) a. Georg IV. wollte wissen, ob Scott <strong>der</strong> Autor von Waverley ist.<br />

b. Georg IV. wollte wissen, ob Scott Scott ist.

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