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Collegium Logicum – Logische Grundlagen der Philosophie und

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Mo<strong>der</strong>ne Logik <strong>und</strong> <strong>Philosophie</strong> 35<br />

Gebrauch/Erwähnungs-Fehler nennen (engl. use/mention slur-over). 18<br />

G. W. Leibniz hat ein berühmtes Kriterium für die Identität formuliert.<br />

Im lateinischen Original lautet es ([158]: 156): Eadem sunt quorum unum potest<br />

substitui alteri salva veritate (Zwei Dinge sind gleich, wenn eines für das an<strong>der</strong>e<br />

unter Erhaltung <strong>der</strong> Wahrheit ersetzt werden kann). Lei<strong>der</strong> findet sich hier genau<br />

die Vermengung von Ausdrücken <strong>und</strong> Bezugsobjekten, die Wittgenstein<br />

kritisiert: Es sind Ausdrücke, die in einem Satz füreinan<strong>der</strong> ersetzt werden können,<br />

<strong>und</strong> nicht Gegenstände. Allerdings läßt sich dieser Gebrauch/Erwähnungs-<br />

Fehler korrigieren, ohne die Existenz <strong>der</strong> Gleichheitsrelation in Frage zu stellen.<br />

Dazu beginnen wir damit, aus dem Leibniz-Zitat ein Prinzip im Sinne <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Logik zu extrahieren, <strong>und</strong> ignorieren zunächst die Objekt/Namen-<br />

Problematik. Die Bedingung <strong>der</strong> Ersetzbarkeit ist so zu interpretieren, daß sie<br />

ausnahmslos <strong>und</strong> stets gelten soll, d.h. das eine Ding kann das an<strong>der</strong>e je<strong>der</strong>zeit<br />

in allen Kontexten ersetzen, ohne daß die Wahrheitswert tangiert wird.<br />

Statt von Kontexten wollen wir “ontologischer” von Eigenschaften sprechen;<br />

dann sagt die Identitätsbedingung, daß das eine Objekt in einer jeden Instanz<br />

<strong>der</strong> Subsumtionsbeziehung mit einer Eigenschaft an die Stelle des an<strong>der</strong>en Objekts<br />

treten kann, ohne die Subsumtion zu stören. Kurz gesagt lautet jetzt das<br />

Kriterium:<br />

(19) Stimmen zwei Objekte in allen ihren Eigenschaften überein, so sind<br />

sie gleich.<br />

Dies ist die bekannte identitas indiscernibilium, die Gleichheit des Ununterscheidbaren.<br />

Sie ist ein Korollar <strong>der</strong> metaphysischen Überzeugung, daß zwei<br />

Substanzen als identisch anzusehen sind, wenn sie durch keine Eigenschaft voneinan<strong>der</strong><br />

“getrennt”, d.h. unterschieden werden können. Hierin drückt sich ein<br />

Ökonomie-Prinzip aus: eine Welt mit zwei verschiedenen Dingen, die sich jedoch<br />

in ihren Eigenschaften vollkommen gleichen, entspränge einem red<strong>und</strong>anten<br />

Schöpfungsplan, <strong>der</strong> nach Leibniz auszuschließen ist.<br />

Wir paraphrasieren nun (19) in einer Explizitfassung (20a), die zwar noch<br />

umgangsprachlich formuliert ist, aber die logische Struktur deutlich macht;<br />

diese ist unter (20b) angefügt. Ferner kürzen wir das Kriterium <strong>der</strong> Ununterscheidbarkeit<br />

im Vor<strong>der</strong>glied von (20b), nämlich das Zutreffen <strong>der</strong>selben Eigenschaften,<br />

durch die Relation Indisc(x, y) ab <strong>und</strong> erhalten so die übersichtliche<br />

Version (20c).<br />

(20) a. Für alle Objekte x <strong>und</strong> y gilt: wenn für alle Eigenschaften F<br />

gilt, daß F auf x dann <strong>und</strong> nur dann zutrifft, wenn F auf y<br />

zutrifft, so ist x gleich y. 19<br />

b. ∀x∀y (∀F (F x ↔ F y) → x = y)<br />

c. ∀x∀y (Indisc(x, y) → x = y)<br />

18Zu <strong>der</strong> für die Logik wesentlichen Unterscheidung von Gebrauch <strong>und</strong> Erwähnung siehe<br />

Kapitel 1.<br />

19Wenn eine gegebene Eigenschaft als ein beliebiger, aber “fester” Parameter betrachtet<br />

wird, wie das in <strong>der</strong> Prädikatenlogik <strong>der</strong> ersten Stufe ausschließlich <strong>der</strong> Fall ist, benutzen<br />

wir zu ihrer Mitteilung die Buchstaben ‘P ’, ‘Q’, usw.; hier benötigen wir dagegen eine Eigenschaftsvariable<br />

für eine generelle Aussage über alle Eigenschaften, mit dem zweitstufigen<br />

Variablensymbol ‘F ’ (siehe Kapitel 20.)

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