UNICEF-Studie
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ster: „Hoffnungsvolle Kinder, die wirklich sozial eingebunden waren in ihren Klassen<br />
– die hatten Freundschaften geknüpft, die waren gut in der Schule – und trotzdem<br />
konnten die Eltern dem Druck nicht standhalten und sind untergetaucht.“ 38<br />
2.2.4. Straftaten<br />
Ein Teil der Familien scheitert an den Bedingungen der Altfallregelung, weil ein<br />
Familienmitglied Straftaten begangen hat, die mit mehr als Geldstrafen von 50<br />
Tagessätzen geahndet wurden. Auch Praktikerinnen und Praktiker, die den Ausschluss<br />
von Kriminellen aus der Altfallregelung grundsätzlich für vertretbar hielten,<br />
kritisierten in den Gesprächen, dass die geltenden Bestimmungen häufig die<br />
Falschen träfen. Die Altfallregelung schließt neben demjenigen, der die Straftat<br />
begangen hat, alle in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitglieder von<br />
einer Aufenthaltserlaubnis aus – was mehrere Gesprächspartner als „Sippenhaft“<br />
bezeichneten.<br />
Die einschlägige Verwaltungsvorschrift des Bundesinnenministeriums verweist<br />
zum einen auf das Prinzip, dass minderjährige Kinder das aufenthaltsrechtliche<br />
Schicksal der Eltern teilen, zum anderen darauf, dass „auf Grund der häuslichen<br />
Gemeinschaft ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder“ nicht<br />
auszuschließen sei. Eine ganze Familie fällt auch dann aus der Regelung, wenn<br />
eines der Kinder eine entsprechende Straftat begangen hat. Der Verwaltungsvorschrift<br />
zufolge sei dann „der Ausschluss der Eltern im Hinblick auf ihre Aufsichtsund<br />
Erziehungspflicht gerechtfertigt“. 39<br />
Darüber hinaus betrachten viele soziale Fachkräfte die verhältnismäßig niedrig<br />
liegende Grenze von 50 Tagessätzen als in der Praxis zu starr. Ausländerbehörden<br />
hätten keinen Spielraum, den Charakter der Straftat zu beurteilen. Die Regelung<br />
erlaube keine Unterscheidung zwischen einem, der ein schweres Delikt begangen<br />
habe, und einem, der zweimal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft worden<br />
sei – die Grenze der fünfzig Tagessätze könne in beiden Fällen überschritten sein.<br />
Die Regelung berücksichtige ebenso wenig, ob es sich um eine länger zurückliegende<br />
Rechtsverletzung handele, der keine weitere Straftat gefolgt sei, oder eine<br />
fortwährende Tendenz zum Rechtsbruch erkennbar sei.<br />
Folgenreich sei in dem Zusammenhang, dass die strengen rechtlichen Beschränkungen<br />
des Flüchtlingsdaseins viele Fallstricke böten, besonders wenn Menschen<br />
ihnen über viele Jahre hinweg unterlägen. So berichtete eine in der Nähe der niederländischen<br />
Grenze tätige Sozialarbeiterin von vielen Asylbewerbern, die nach<br />
einer „Verletzung der Residenzpflicht“ ihren Rat suchten. Gegenüber der unmittelbar<br />
an der Grenze liegenden Unterkunft der Asylbewerber befinde sich auf der<br />
niederländischen Seite ein Supermarkt, in dem viele Bewohner der deutschen Sei-<br />
34 <strong>UNICEF</strong>-<strong>Studie</strong> Roma 2010