UNICEF-Studie
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te einkauften. Asylbewerber, die das ebenfalls taten, hätten Strafen von einer erheblichen<br />
Zahl von Tagessätzen erhalten, offenbar ohne dass ihnen bewusst war,<br />
dass sie überhaupt rechtliche Regelungen verletzen. 40 Zwar liegt für Straftaten<br />
nach ausländerrechtlichen Bestimmungen die Grenze, an der Flüchtlinge aus der<br />
Altfallregelung fallen, erst bei 90 Tagessätzen, doch auch hier bedürfe es nach den<br />
Erfahrungen der Praktiker keiner ausgesprochenen „kriminellen Energie“, um die<br />
Grenze zu überschreiten. In einem Teil der Fälle erklärten sich, so berichteten mehrere<br />
Praktiker, die Strafhöhen auch daraus, dass Flüchtlingen häufig die Mittel für<br />
einen Rechtsbeistand fehlten und sie mangels Kenntnis des Rechtssystems ihre<br />
Möglichkeiten nicht nutzten. Manche Strafe wäre mit einer kompetenten rechtlichen<br />
Vertretung zu vermeiden gewesen.<br />
Praktikerinnen und Praktiker betonten dabei, dass Rechtsbrüche angemessen<br />
bestraft werden müssten. Weil die Frage des Aufenthaltsrechts einer Familie mit<br />
Kindern aber existentiell sei, bräuchte man im konkreten Fall mehr Raum zur Abwägung<br />
der Art des Delikts und des Integrationsstandes. Die Regelung setze viele<br />
Menschen einer Abschiebung aus, die alles andere als „notorische Kriminelle“<br />
seien und führe damit zu übermäßigen Härten.<br />
2.2.5. Kindeswohl<br />
Aus der Sicht aller befragten Fachkräfte der lokalen Sozialarbeit hat das Kindeswohl<br />
in den Entscheidungen über ein Bleiberecht ein zu geringes Gewicht. Zwar<br />
enthält die gesetzliche Altfallregelung Bestimmungen, die Familien mit Kindern<br />
begünstigen. So können die Ausländerbehörden bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis<br />
auf Probe Kinder in Ausbildung und Berufsvorbereitungsmaßnahmen<br />
bei der Berechnung des Lebensunterhalts für die Gesamtfamilie außer<br />
Betracht lassen. Familien mit Kindern sowie Alleinerziehende können außerdem<br />
auch dann eine Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten, wenn<br />
sie nur vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. 41 Zum<br />
eigenständigen Gesichtspunkt, der nach der UN-Kinderrechtskonvention vorrangig<br />
zu berücksichtigen ist, wird das Kindeswohl damit gleichwohl nicht.<br />
Auf scharfe Kritik stößt der Paragraph 104b des Aufenthaltsgesetzes. Er sieht eine<br />
Aufenthaltserlaubnis für Kinder ausreisepflichtiger Eltern zwischen 14 und 17 Jahren<br />
vor – unter der Bedingung, dass die Eltern ausreisen und die Personensorge<br />
für die Kinder sichergestellt ist. Die Regelung gilt für Kinder, die am 1. Juli 2007<br />
das 14. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens sechs Jahren legal in<br />
Deutschland gelebt haben, die deutsche Sprache beherrschen und denen die Ausländerbehörde<br />
aufgrund ihres Schulbesuchs oder einer Berufsausbildung eine<br />
„positive Integrationsprognose“ stellt. 42<br />
<strong>UNICEF</strong>-<strong>Studie</strong> Roma 2010 35