UNICEF-Studie
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Auch andere soziale Fachkräfte berichteten, dass ein großer Teil der Kinder und<br />
Jugendlichen den Kosovo nicht als ihr Land betrachtetet. Eine junge Romni aus<br />
Stuttgart erklärte: „Stell Dir vor - seit zwanzig Jahren bist Du hier. Du kennst Dein<br />
Land nicht mehr. Für uns ist Deutschland unser Land.“ 119<br />
3.7. Ein Beispiel unter vielen: Familie X. aus Ahaus<br />
Spricht man in deutschen Städten mit ausreisepflichtigen Minderheitenangehörigen<br />
aus dem Kosovo, trifft man bei aller Besonderheit des Einzelfalles immer wieder auf<br />
ähnliche Zusammenhänge. Die Lage der Familie X. aus dem nordrhein-westfälischen<br />
Ahaus nahe der niederländischen Grenze ist in mancher Hinsicht repräsentativ<br />
für die Situation eines beträchtlichen Teils der ausreisepflichtigen Roma, Ashkali<br />
und Ägypter. Sie zeigt, wie auch integrierte Familien an den Hürden der Altfallregelung<br />
scheitern, wie gering der Stellenwert des Kindeswohls in der Praxis sein kann<br />
und welche psychischen und sozialen Folgen der Abschiebedruck hat.<br />
Das Ehepaar Vedat und Serij X. hat vier Kinder: Die Söhne Senaid, 18 Jahre, Senjur,<br />
15, Erduan, 7, und die Tochter Altenesa, 9. Familie X. lebt seit 18 Jahren in<br />
Deutschland. Der älteste Sohn kam im Alter von sechs Monaten ins Land, die anderen<br />
drei Kinder sind in Deutschland geboren. Der jüngste Sohn Erduan leidet<br />
unter starkem Asthma.<br />
Vater Vedat X. ist seit zehn Jahren berufstätig und bezog in dieser Zeit nur einmal<br />
wenige Monate Sozialhilfe, nachdem sein damaliger Arbeitgeber Insolvenz angemeldet<br />
hatte. Seit dem Jahr 2008 arbeitet Herr X. als Pulverbeschichter bei einer Firma<br />
in Ahaus. Seine Frau Serij ist als Reinigungskraft in einem Gesundheitszentrum<br />
beschäftigt. Die Tochter besucht in Ahaus die Grundschule, zwei Söhne die Don-<br />
Bosco-Förderschule, der älteste Sohn Senaid absolviert eine Berufsvorbereitung.<br />
Menschen, die die Familie seit Jahren kennen, beschreiben sie als mustergültig<br />
integriert. Das zeige sich auch darin, dass Herr X. trotz der auf drei Monate befristeten<br />
Duldungen, die für viele Arbeitgeber ein rotes Tuch sind, seit Jahren in<br />
Arbeit steht. Wie Vedat X. berichtet, frage ihn sein Chef vor jedem Fristablauf, ob<br />
er weiter mit ihm rechnen könne und halte ihn trotz der Unsicherheit in der Firma,<br />
weil er seine Arbeit schätze.<br />
Von gelungener Integration sprechen auch die Leiterin der Don-Bosco-Schule und<br />
der dort tätige Schulsozialarbeiter. Die Eltern, so berichten beide, kümmern sich<br />
um den Schulerfolg ihrer Kinder, besuchen die Elternsprechtage und pflegen auch<br />
sonst engen Kontakt zur Schule. Auch sprachlich ist die Integration vorangeschritten:<br />
Untereinander sprechen die Kinder Deutsch, mit den Eltern sowohl Romanes<br />
als auch Deutsch. Mutter Serij X. besuchte an der Don-Bosco-Schule zwei Jahre<br />
lang einen Deutschkurs für Erwachsene.<br />
<strong>UNICEF</strong>-<strong>Studie</strong> Roma 2010 57