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Zielgen-Anreicherung Paperwelt<br />

p53 als Trigger der<br />

Chromothripsis bei Krebs<br />

Rausch T, Jones DT, Zapatka M, Stütz AM, Zichner T, Weischenfeldt J, Jäger N, Remke M, Shih D,<br />

Northcott PA, Pfaff E, Tica J, Wang Q, Massimi L, Witt H, Bender S, Pleier S, Cin H, Hawkins C, Beck C,<br />

von Deimling A, Hans V, Brors B, Eils R, Scheurlen W, Blake J, Benes V, Kulozik AE, Witt O, Martin D,<br />

Zhang C, Porat R, Merino DM, Wasserman J, Jabado N, Fontebasso A, Bullinger L, Rücker FG, Döhner<br />

K, Döhner H, Koster J, Molenaar JJ, Versteeg R, Kool M, Tabori U, Malkin D, Korshunov A, Taylor<br />

MD, Lichter P, Pfister SM, Korbel JO. (2012): Genome Sequencing of Pediatric Medulloblastoma<br />

Links Catastrophic DNA Rearrangements with TP53 Mutations. Cell, doi: 10.1016/j.cell.2011.12.013<br />

Erst seit Kurzem ist bekannt, dass Krebs durch explosionsartig in einem einzigen Schritt auftretende<br />

chromosomale Umlagerungen entstehen kann. Was allerdings hinter dem Chromothripsis genannten<br />

Phänomen steckt, lag bislang im Dunkeln. Korbel und Kollegen haben bei der Sequenzanalyse<br />

des Genoms von Patienten mit Sonic Hedgehog-Medulloblastom nun erstmals zeigen können, dass<br />

eine Mutation im Tumorsuppressorprotein p53 stark mit der Chromothripsis korreliert. In dieser<br />

Tumorart tritt der neue Krebsmechanismus bei 30% der Patienten auf. Nun soll untersucht werden,<br />

ob und in welchen Tumorarten der neuentdeckte Mechanismus eine Rolle spielt.<br />

LABORWELT:<br />

Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse<br />

Korbel:<br />

Vor rund einem Jahr beschrieb die Arbeitsgruppe<br />

um Peter Campbell im britischen<br />

Cambridge einen neuartigen Mechanismus<br />

der Krebsentstehung namens „Chromothripsis“.<br />

Dabei kommt es zu einer geradezu explosionsartigen<br />

Umlagerung großer Teile des Erbguts<br />

einer zuvor gesunden Zelle – Ergebnis ist die<br />

Entwicklung von Krebs. Nach Erscheinen der<br />

Studie von Campbell blieb jedoch unklar, welche<br />

zellulären Mechanismen Chromothripsis bewirken,<br />

oder ob es genetische Prädispositionen<br />

für sie gibt. Unsere Forschung hat in diesem<br />

Zusammenhang zu sehr interessanten, neuen<br />

Erkenntnissen geführt. Bei kindlichen Hirntumoren<br />

fanden wir, dass eine Mutation im Gen<br />

für das Protein p53 Chromothripsis auslöst. p53<br />

wird auch „Wächter des Genoms“ genannt,<br />

denn das Protein sorgt normalerweise dafür,<br />

dass gesunde Zellen bei Erbgutschäden die<br />

Zellteilung einstellen – Krebs kann nicht mehr<br />

entstehen. Wir vermuten, dass p53-Mutationen<br />

diesen Schutzmechanismus ausschalten, so<br />

dass es zur Chromothripsis und Krebsentstehung<br />

kommen kann. Allerdings ist auch denkbar,<br />

dass p53-Mutationen die explosionsartigen<br />

Umlagerungen direkt auslösen.<br />

LABORWELT:<br />

Was war der Ausgangspunkt Ihrer Forschung<br />

Korbel:<br />

Vor einigen Jahren stellte ein Kollege von uns –<br />

Andreas Kulozik, leitender Arzt an der Heidelberger<br />

Universitäts-Kinderklinik – bei einem kleinen<br />

Mädchen, dass an einem Sonic Hedgehog- (SHH)<br />

Medullo blastom erkrankt war, eine erbliche<br />

Veränderung im p53-Gen fest. Im Rahmen des<br />

Internationalen Krebsgenom-Konsortiums<br />

(ICGC, www.icgc.org) ist meine Arbeitsgruppe an<br />

der molekularen Aufklärung der Entstehung von<br />

Medulloblastomen beteiligt. Als wir, gemeinsam<br />

mit Wissenschaftlern um Peter Lichter und Stefan<br />

Pfister vom Deutschen Krebsforschungszentrum,<br />

begannen, am EMBL die weltweit ersten<br />

vollständigen Genomsequenzen von kindlichen<br />

Tumoren zu erzeugen, erschien uns der Fall des<br />

Heidelberger Mädchens als ein vielversprechender<br />

Ansatzpunkt. Bei der Analyse ihres Genoms<br />

trauten wir zuerst unseren Augen nicht: Wir<br />

sahen Muster im Genom, die auf explosionsartige<br />

Umlagerungen hindeuteten, wie sie<br />

vorher noch nicht in Hirntumoren beschrieben<br />

worden waren. Schnell wurde uns klar, dass wir<br />

neue Einblicke in die Krebsentstehung durch<br />

Chromothripsis gewonnen hatten.<br />

LABORWELT:<br />

Wie sind Sie experimentell vorgegangen<br />

Korbel:<br />

Im Anschluss an die Analyse des Erbguts des<br />

Mädchens unterzogen wir Tumorproben von<br />

98 Medulloblastomen einer Erbgutanalyse. In<br />

13 der 98 Proben entdeckten wir das für Chromothripsis<br />

typische Chromosomen-Chaos. In<br />

allen 13 Tumoren fand sich ein verändertes p53<br />

Gen, während wir bei Patienten mit normalem<br />

p53 nicht explosionsartige Veränderungen<br />

festgestellt haben.<br />

LABORWELT:<br />

Wo liegen die biologische Relevanz Ihrer<br />

Ergebnisse oder mögliche Anwendungen<br />

Korbel:<br />

Wir prüfen derzeit, ob wir künftig bei allen<br />

Patienten mit SHH-Medulloblastomen nach<br />

erblichen p53-Mutationen suchen sollen. Liegt<br />

Dr. Jan Korbel<br />

Dr. Jan Korbel ist als Gruppenleiter innerhalb<br />

der Abteilung Genome Biology des<br />

EMBL in Heidelberg tätig. Der Spezialist für<br />

genomische Strukturvariationen promovierte<br />

2005 – nach Studium der Biotechnologie<br />

an der TU Berlin – an der HU Berlin<br />

und am EMBL in Heidelberg. Als Post-Doc<br />

forschte Korbel in Dr. Mark Gersteins Labor<br />

an der Yale University in New Haven. 2008<br />

kehrte er zurück ans EMBL. Der Genomicsund<br />

Bioinformatikexperte arbeitet in internationalen<br />

Großprojekten mit, wie dem<br />

1000 Genomes-Projekt oder dem Internationalen<br />

Cancer Genome Consortium.<br />

eine solche Mutation vor, so haben die Betroffenen<br />

ein erheblich erhöhtes Krebsrisiko – ohne<br />

davon zu wissen. Entdecken wir einen erblichen<br />

p53-Defekt, so können wir engmaschige<br />

Früherkennungsuntersuchungen empfehlen,<br />

um mögliche Tumoren in einem besser behandelbaren<br />

Stadium zu entdecken und so die<br />

Heilungschancen signifikant zu verbessern.<br />

Ein weiterer Grund spricht dafür, bei Patienten<br />

mit SHH-Medulloblastomen nach erblichen<br />

p53-Mutationen zu fahnden: Liegt eine solche<br />

Mutation vor, so ist besondere Vorsicht bei der<br />

Wahl der Behandlungsmethoden geboten, denn<br />

Strahlentherapie und auch einige Zyto statika<br />

wirken, indem sie das Erbgut schädigen. Bei<br />

Menschen mit vererbtem p53-Defekt ist die<br />

DNA-Reparatur jedoch in allen Körperzellen<br />

beeinträchtigt, so dass therapiebedingte DNA-<br />

Schädigungen leicht zu weiteren Tumoren<br />

führen könnten.<br />

LABORWELT:<br />

Wie gehen Ihre Arbeiten jetzt weiter<br />

Korbel:<br />

Wir werden auch in anderen Krebsarten nach<br />

Merkmalen von Chromothripsis suchen, mit<br />

dem Ziel, weitere genetische Faktoren zu erkennen,<br />

die bei diesem Phänomen eine Rolle spielen.<br />

Chromothripsis führt zu ausgesprochen aggressiven<br />

Tumoren, deshalb halten wir es für sehr<br />

wichtig, den molekularen Mechanismus vollständig<br />

aufzuklären. Wir erhoffen, dadurch den<br />

Weg für bessere diagnostische Verfahren oder<br />

neue Krebstherapieformen frei zu machen.<br />

26 | 13. Jahrgang | Nr. 1/2012 LABORWELT

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