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Demokratisch Handeln - Sächsisches Bildungsinstitut (SBI)

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Zur Legitimation der Demokratie<br />

Selbstzerstörung“ (2000, S. 62) zu sein. In der Politikwissenschaft hört man von der<br />

„Entzauberung der Demokratie“ oder der „defekten Demokratie“. Auch Gesine<br />

Schwan hat jüngst in ihrer Stuttgarter Heuss-Vorlesung die „Kolonisierung auch der<br />

Politik durch das Paradigma des Marktes und des ökonomischen Wettbewerbs, das<br />

(...) vordergründig eher auf die Abschaffung von Staat und Politik zielt“ (2006) als<br />

ein die Legitimationskraft der Demokratie zerstörendes Element gebrandmarkt.<br />

Was bleibt bei soviel Skepsis auf der einen Seite Erstaunlicherweise eben auch<br />

eine „andere Seite“, die durch Theorie und Praxis der bürgerschaftlichen<br />

Erneuerung der Demokratie zumindest einen Weg sucht, der einen Legitimationsgewinn<br />

partiell ermöglichen könnte. Exemplarisch für vielfältige Aktivitäten und<br />

theoretische Konzepte stehen hierbei die Bemühungen Hildegard Hamm-Brüchers<br />

und der Theodor-Heuss-Stiftung, die (gemeinsam mit vielen anderen Trägern,<br />

Akteuren und Personen) mit der „Woche der Bürgergesellschaft“ anlässlich des 50.<br />

Jahrestags unserer Verfassung am 23. Mai 1999 die Reformkapazität zivilgesellschaftlichen<br />

Engagements beschworen hat. Hamm-Brücher betont, dass „die<br />

Diskrepanz zwischen aktiven und – aus welchen Gründen auch immer – passiven<br />

Bürgern eklatant und für die Legitimation eines von Bürgern getragenen demokratischen<br />

Gemeinwesens keinesfalls befriedigend (ist). (...) Diese demokratische<br />

Bürgergesellschaft birgt ein enormes Reformpotential. Ehrenamtliches Bürgerengagement<br />

ist nämlich durch und durch konstruktiv. Es verharrt, auf welchem<br />

Felde, in welcher Lücke oder Nische auch immer es stattfindet, nicht im Protest; es<br />

ist eine Quelle sachkundiger Innovationen, das Talente für Organisation,<br />

Konzeption und Aktion weckt. Es vermag an sozialen Brennpunkten erste und neuartige<br />

Hilfe zu leisten, lässt Solidarität in neuen Formen für alle Beteiligten erfahrbar<br />

werden. Die wichtigste Wirkung ist aber diese: gemeinsames Engagement<br />

schafft Zusammenhalt, und Zusammenhalt begründet demokratische Identität“<br />

(1998, S. 71). Die Bürgergesellschaft realisiert also nicht nur eine Fülle von Aufgaben<br />

für das Gemeinwohl, sondern sie ist zugleich „ihrer Natur nach ein schöpferisches<br />

Chaos“ (Dahrendorf 2003, S. 129) und die Sphäre, in der sich Handlungsbereitschaft,<br />

Freiheit und Tätigkeit für die Gesellschaft treffen. Gerade Dahrendorf<br />

konzipiert von dieser tätigkeitsbezogenen Form bürgerschaftlichen Engagements<br />

und <strong>Handeln</strong>s das Konzept der „tätigen Freiheit“ (ebd., S. 130), das nicht alleine<br />

dem aktiven Menschen Lebensinhalt und Ziele ermöglicht, sondern vielmehr die<br />

elementare Gefahr demokratischer Systeme, sich selbst nicht mit äußerem Zwang<br />

erhalten zu können, zuwiderläuft, denn „tätige Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit.<br />

Das gilt insbesondere im öffentlichen Raum. Die Demokratie ohne<br />

Demokraten zerstört sich selbst“ (a.a.O.).<br />

Beides also ist sichtbar: Eine Legitimationskrise ebenso wie Tendenzen eines<br />

neuerlichen Legitimationsgewinns für die bürgerschaftlich fundierte Demokratie.<br />

Wohin diese ambivalente Entwicklung letztlich führt, muss zunächst offen bleiben.<br />

Sicher aber ist, dass die Stärkung der Legitimation für eine demokratische<br />

und offene Gesellschaft nicht alleine – um mit den Begriffen von Fritz Scharpf zu<br />

sprechen – vom „output“ abhängt, den sie hervorbringt, sondern auch vom<br />

„input“, von einer Perspektive „durch das Volk“, die politische Entscheidungen<br />

deshalb legitimiert, „weil sie auf wirksame Weise das allgemeine Wohl im jeweiligen<br />

Gemeinwesen fördern“ (Scharpf 1999, S. 16). Aus dieser Sicht und in Blick<br />

auf die anhaltende Dringlichkeit einer positiven Integration von Kindern,<br />

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