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Schwarzem Meer, Irak und Iran. Allerdings war das Dönerfleisch<br />

aus der Gegend um die anatolische Stadt Bursa besonders<br />

bekannt, da die dort – auf mit Tymian bewachsenen<br />

Weiden – grasenden Tiere, dem für Döner ursprünglich<br />

verwendeten Fleisch einen unverwechselbaren Geschmack<br />

verliehen. Dabei handelte es sich stets um Hammel- oder<br />

Lammfleisch; Schweinefleisch dagegen war tabu. Bereits<br />

im 18. Jahrhundert wird in Reiseberichten über Anatolien<br />

berichtet, dass auf waagrechten, sich drehenden Spießen<br />

Hammelfleisch gebraten wurde. Auch der preußische Generalfeldmarschall<br />

Helmut Karl Bernhard von Moltke – 1835<br />

bis 1839 als militärischer Berater in der Türkei tätig – berichtet<br />

vom Essen eines Kebab.<br />

Nun spielt es ja zunächst einmal keine Rolle, ob Fleisch<br />

auf einem Rost, in der Pfanne oder über einem rotierenden<br />

Spieß gegrillt wird. Die eigentlich bahnbrechende Erfindung<br />

aber war, den Grill von der Waagerechten in die Senkrechte<br />

zu verlegen und das bekannte Hammelfleisch auf einen aufrechten<br />

Spieß durch beständiges Drehen – seinerzeit noch<br />

mit der Hand – zu braten. Wie so oft bei Küchenneuerungen<br />

gibt es keinen wirklichen „Erfinder“, wenn auch viele Namen<br />

genannt werden.<br />

Soweit, so gut. Dennoch handelte es sich seinerzeit in der<br />

Türkei noch keineswegs um den handlichen Snack wie er<br />

heute in Deutschland und anderswo in Europa so beliebt<br />

ist, sondern um ein vollständiges Tellergericht. Die Unterlage<br />

bildete üblicherweise gewürfeltes Brot, eine scharfe<br />

Joghurtsauce mit reichlich Knoblauch sowie Tomaten, auf<br />

die das gewürzte, gegrillte Fleisch in kleinen Stücken gelegt<br />

wurde. Darüber kam ein großzügiger Schwenk zerlassener<br />

Butter. Als Beilage reichte man Reis. Das ist bis heute so geblieben;<br />

den Döner im Fladenbrot findet man selbst in einer<br />

Millionenstadt wie Istanbul nur äußerst selten.<br />

Deutsch-türkische Esskultur<br />

Aber wie kam das Dönerfleisch in Deutschland vom Teller<br />

ins Brot? Es war Anfang der 1970er Jahre, in einer Zeit also,<br />

als Tausende von Türken als Gastarbeiter in Deutschland ihr<br />

Glück versuchten, viele davon in der Gastronomie. So auch<br />

der junge Kadir Nurmann, der 1971 in Berlin am Bahnhof<br />

Zoo einen Imbiss-Stand eröffnete und auf seinem mit glühender<br />

Holzkohle gefüllten Grill das Dönerkebab-Fleisch<br />

am Drehspieß zubereitete und dabei auf Kunden wartete.<br />

Was in der Türkei als vollständiges und gehaltvolles Hauptgericht<br />

durchaus beliebt ist, musste doch auch in Deutschland<br />

funktionieren. Tat es aber nicht, vielleicht deshalb, weil<br />

im schnelllebigeren Deutschland niemand Zeit und Muße<br />

fand, im Arbeitsalltag eine ausgiebige Mahlzeit zu sich zu<br />

nehmen. Schon damals boomte in Deutschland der Markt<br />

des schnellen Essens, der sich an die Arbeitsaufteilung und<br />

die sich verändernden Familienstrukturen anpassen konnte.<br />

Es war und ist eben das Kennzeichen von Fast Food-Gerichten,<br />

dass dabei das Essen zu einer eher beiläufigen Angelegenheit<br />

wird. Man isst, wenn man gerade Hunger hat oder<br />

einfach nur Appetit auf etwas, das sich in kürzester Zeit vor<br />

den eigenen Augen herstellen lässt. Und so kam der junge<br />

Türke Nurmann – so heißt es – zu dem Schluss, dass Essen<br />

in Deutschland schmecken soll, aber eben auch schnell<br />

gehen muss. Daraus entwickelte der türkische Gastarbeiter<br />

ein geradezu innovatives Stück türkisch-deutscher Esskultur,<br />

indem er ein türkisches Gericht vom Drehspieß in ein<br />

Fladenbrot steckte und somit eine Art Döner-Sandwich zum<br />

Mitnehmen kreierte. Eilige Berufstätige, Teenies, Kinder kamen<br />

und nahmen den „neuen“ Döner begeistert an – der<br />

136 ı Originalarbeiten Deutsche Lebensmittel-Rundschau ı 104. Jahrgang, Heft 3, 2008

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