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Recht - DLR Online

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hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes<br />

Lebensmittel haben kann, nicht als pharmakologisch<br />

an. Und so kommt Dr. Rehmann in seinem<br />

Vortrag zu dem Schluss, dass nach Auswertung<br />

dieser Gerichtsurteile folgender Cocktail von<br />

Kriterien zur Feststellung einer pharmakologischen<br />

Wirkung oder Eigenschaft maßgeblich sein kann:<br />

nennenswerte Beeinflussung des Stoffwechsels,<br />

die Wirkungen gehen über das hinaus, was die<br />

normale Nahrungsaufnahme im menschlichen<br />

Körper ausgelöst werden kann,<br />

die Erheblichkeitsschwelle ist überschritten,<br />

eine gezielte Steuerung von Körperfunktionen<br />

von außen ist beabsichtigt (gezielt = Indikation?),<br />

keine Einordnung auf Verdacht, das Erzeugnis<br />

muss wirklich die Funktion der Verhütung<br />

oder Heilung besitzen,<br />

dazu Anwendung des aktuellen Standes der<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse (z. B. Arzneimittel-Monographien),<br />

ein potenzielles Gesundheitsrisiko ist kein Beleg<br />

für eine pharmakologische Wirkung.<br />

Die Urteile seien jedoch zu widersprüchlich und zu<br />

wenig konkret, um die bestehenden <strong>Recht</strong>sunsicherheiten<br />

auszuräumen.<br />

Dr. Gerd Kraibichler, Leitung Marketing und<br />

Business Development, CAPSUGEL Colmar, beschäftigte<br />

sich anschließend mit den praktischen<br />

Auswirkungen der Gerichtsentscheide auf die<br />

Vermarktungsmöglichkeiten von Nahrungsergänzungsmitteln.<br />

Während das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts<br />

zu hochdosiertem Vitamin E aus<br />

Herstellersicht in Deutschland im Vergleich zu anderen<br />

EU-Ländern die Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für interessante Kombinationspräparate sehr einschränkt,<br />

sind die Urteile zu OPC und Knoblauch für<br />

Innovationen förderlich. Allerdings sind die Widersprüchlichkeiten<br />

bei der Einstufung von Wirkungen<br />

als pharmakologisch oder physiologisch wegen der<br />

damit verbundenen <strong>Recht</strong>sunsicherheiten für die<br />

Hersteller inakzeptabel. Nachdem sich inzwischen<br />

herausgestellt hat, dass weder die Wissenschaft,<br />

noch die <strong>Recht</strong>sprechung hier Klarheit schaffen<br />

können, sieht es Dr. Kraibichler nun als Aufgabe der<br />

Politik, klare Regeln und Grenzen zu setzen.<br />

Anschließend beschäftigten sich beide Referenten<br />

mit der geplanten Festlegung von Höchst- und<br />

Mindestmengen für Vitamine und Mineralstoffe in<br />

Nahrungsergänzungsmitteln. Eine EU-weite Einigung<br />

bis 2009 wird für möglich gehalten, ein Orientierungspapier<br />

der Kommission zur Vorgehensweise<br />

liegt bereits vor. Es ist davon auszugehen,<br />

dass nach dem Prinzip der „better regulation“ nur<br />

für Vitamine und Mineralstoffe mit Risikopotenzial<br />

Höchstmengen festgelegt werden. Dabei soll es<br />

keine Unterscheidung nach Bevölkerungs- und<br />

Verbrauchergruppen geben. Für die vorgesehene<br />

Berücksichtigung der üblichen Aufnahme durch<br />

eine normale Ernährung bei der Höchstmengenfestlegung<br />

fehlen allerdings aufbereitete Daten auf<br />

europäischer Ebene. Daher wird möglicherweise in<br />

einem pragmatischen Ansatz auf aktuelles nationales<br />

Datenmaterial aus Großbritannien und Irland<br />

zurückgegriffen. Bei der Festlegung von Mindestmengen<br />

ist vor allem der Schutz vor Täuschung<br />

angesprochen: ist der Stoff wirklich relevant, oder<br />

soll er nur die Liste der Nährstoffe verlängern?<br />

Dr. Hans Verhagen, Member NDA Panel, EFSA,<br />

and Head Centre for Nutrition and Health, National<br />

Institute for Public Health and the Environment<br />

(RIVM), BA Bilthoven – Niederlande, stellte anhand<br />

von Beispielen irreführender Werbung zunächst die<br />

Gründe dar, die in der EU zum Erlass der ClaimsV<br />

führten. Er erläuterte die Ergebnisse des Passclaim-Projekts<br />

(Process for the Assessment of<br />

Scientific Support for Claims on Foods) von 2001<br />

bis 2005, in dem Industrie und Forschung gemeinsam<br />

Anforderungen an die wissenschaftliche<br />

Sicherung von Werbeaussagen erarbeitet hatten.<br />

Zunächst ist das beworbene Lebensmittel/der<br />

Lebensmittelbestandteil klar zu charakterisieren.<br />

Alle verfügbaren Daten (positive und negative)<br />

über die zu bewerbende Wirkung müssen ausgewertet<br />

werden und nach ihrer Evidenz gewichtet<br />

werden. Goldstandard sind Interventionsstudien<br />

am Menschen, jedoch können Sie nach Art der beworbenen<br />

Wirkungen auch Beobachtungsstudien<br />

ausreichen. Tierversuchen oder in vitro-Versuche<br />

können zwar andere Ergebnisse unterstützen,<br />

sie sind aber für sich allein nicht ausreichend für<br />

eine wissenschaftliche Sicherung. Die Ergebnisse<br />

Dr. Hans Verhagen, National Institute for Public<br />

Health and the Environment BA Bilthoven –<br />

Niederlande<br />

dieses Projekts waren eine wichtige Vorarbeit für<br />

die anstehenden Überprüfungen von Werbeaussagen<br />

nach der ClaimsV.<br />

Dr. Verhagen stellte anschließend die wesentlichen<br />

Regelungsinhalte der neuen ClaimsV vor, insbesondere<br />

die Klassifizierung von Claims nach nährwertbezogenen<br />

Werbeaussagen (Angaben oder<br />

Vergleiche zum Gehalt an Stoffen) und gesundheitsbezogenen<br />

Werbeaussagen. Unter gesundheitsbezogenen<br />

Werbeaussagen versteht man zum<br />

einen funktionsbezogene Angaben (positive Beeinflussung<br />

von Körperfunktionen, Psyche oder Verhalten,<br />

Gewichtsreduktion und Gewichtskontrolle),<br />

zum anderen Angaben zur Reduzierung eines<br />

Krankheitsrisikos. Nicht unter den Regelungsinhalt<br />

der ClaimsV fallen Werbeaussagen zur Vorbeugung,<br />

Behandlung und Heilung von Krankheiten,<br />

diese sind weiterhin bei Lebensmitteln verboten.<br />

Aktuell wurden die nationalen Listen mit Zulassungsanträgen<br />

für funktionsbezogene Werbeaussagen<br />

nach Art. 13 der Claims-Verordnung erstellt<br />

und an die EFSA zur Überprüfung weitergereicht.<br />

Als nächstes sind die Zulassungsanträge für gesundheitsbezogene<br />

Werbeaussagen nach Art. 14<br />

zu bearbeiten.<br />

Die EFSA hat zwar die Aufgabe, eingereichte Unterlagen<br />

zu prüfen und eine Stellungnahme dazu<br />

abzugeben. Sie entscheidet jedoch weder über die<br />

Zulässigkeit einer Werbeaussage, noch über den<br />

für die fehlenden Substantiierung erforderlichen<br />

Evidenzgrad. Diese Entscheidungen fallen auf der<br />

politischen Ebene. Wie hoch dort die Messlatte angelegt<br />

wird, ist noch nicht abzusehen.<br />

Prof. Dr. Andreas Hahn, Leiter Abteilung Ernährungsphysiologie<br />

und Humanernährung, Institut<br />

für Lebensmittelwissenschaft, Universität Hannover,<br />

beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem<br />

Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Jura und<br />

Politik bei der wissenschaftlichen Substantiierung<br />

von Claims. Welcher Evidenzgrad für erforderlich<br />

angesehen wird, bleibt letztendlich eine politische<br />

Entscheidung, die Wissenschaft kann lediglich<br />

Informationen für diese Entscheidung liefern. Er<br />

plädierte dafür, hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

anzuwenden und das geforderte<br />

Evidenzniveau von der Art der Werbeaussage<br />

abhängig zu machen. S. E. ist das Evidenzniveau<br />

„wahrscheinlich“ nach WHO/FAO i. d. R. in vielen<br />

Fällen ausreichend. Jedoch gilt: je anspruchsvoller<br />

und innovativer die vorgesehene Werbeaussage<br />

ist, umso spezifischer sollten die Daten sein.<br />

Auslegungssache ist, was allgemein anerkannte<br />

oder akzeptierte wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

sind. Prof. Dr. Hahn warnte davor, zu hohe Anforderungen<br />

an den wissenschaftlichen Konsens zu<br />

stellen, denn Wissenschaft lebe vom Disput. Es sei<br />

oft eine Frage des Standpunktes eines Gutachters,<br />

ob er Studien als methodisch gut anerkennt und<br />

146 ı Informationen Deutsche Lebensmittel-Rundschau ı 104. Jahrgang, Heft 3, 2008

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