Sehnsucht nach Ebene II - Hagen Ruhr.2010
Sehnsucht nach Ebene II - Hagen Ruhr.2010
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unabgeschlossener, fortdauernder Prozess verstanden, der sich nicht durch möglichst<br />
hohe Konsistenz auszeichnet. Kennzeichen gelingender Identität ist dabei, dass<br />
Menschen alltäglich auf kreative Weise aus vielfältigen und widersprüchlichen<br />
Orientierungsrahmen ein für sie stimmiges Muster entwickeln. Dabei muss gerade für<br />
Migranten der zweiten Generation, die nicht an den Orten ihres transnationalen Bezugs<br />
aufgewachsen sind, bedacht werden, dass kulturelle Einflüsse unter anderem durch die<br />
Familie oder den Freundeskreis gegeben sind. 93 Grundsätzlich machen auch soziale<br />
Zuschreibungen 94 und – wie bei Hilgers bereits angesprochen – Anerkennung 95 durch<br />
andere einen Teil der Identitätsbildung aus.<br />
4 Erinnerung/<strong>Sehnsucht</strong><br />
Im nächsten Ausschnitt wird das persönliche oder biographische Erinnern insbesondere<br />
im Hinblick auf die Frage der Identität dargestellt. Darauf folgen Reflexionen zum<br />
Zusammenhang zwischen Gefühlen und (leiblich-sinnlicher) Erinnerung sowie zu<br />
<strong>Sehnsucht</strong>.<br />
4.1 Das bewusste persönliche Erinnern<br />
Die Form des persönlichen 96 bzw. biographischen Erinnerns, bei der bewusst die eigene<br />
Vergangenheit rekonstruiert und verbalisiert wird, bezeichnet die<br />
Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann als Ich-Gedächtnis. Dabei ist wesentlich,<br />
dass wir eine Erzählung unseres Lebens konstruieren, die wir anderen oder auch uns<br />
selbst mitteilen können. Hierbei werden die Erinnerungen geordnet und ihnen wird<br />
Bedeutung zugewiesen, was entscheidend für unsere Identitätsbildung ist und<br />
Perspektiven für die Zukunft bereitstellt. 97 Die Germanistin Gabriele Michel beschreibt<br />
diesbezüglich das biographische Interview als eine Situation, die für die<br />
Auseinandersetzung mit der eigenen Identität prädestiniert ist, und fasst das Erzählen<br />
der Lebensgeschichte ebenfalls als (Re-)Konstruktion der Identität des Sprechenden<br />
93 Vgl.: Hermann, Thomas/Hanetseder, Christa: „Jugendliche mit Migrationshintergrund: heimatliche,<br />
lokale und globale Verortungen“. In: Bonfadelli, Heinz et al. (Hg.): Medien und Migration. Europa als<br />
multikultureller Raum. Wiesbaden, 2007, S. 238 f.<br />
94 Vgl.: Frieben-Blum (Hg.), 2000, S. 232.<br />
95 Vgl.: Greverus, 1979, S. 161 f.<br />
96 Hierbei ist ‚persönlich‘ dahingehend konnotiert, dass es sich um Erinnerungen handelt, die sich auf<br />
einen einzelnen Menschen beziehen. Gerade in der Interviewsituation bei <strong>Sehnsucht</strong> <strong>nach</strong> <strong>Ebene</strong> <strong>II</strong> zeigt<br />
sich jedoch, inwiefern diese Vorgänge von anderen beeinflusst werden.<br />
97 Vgl.: Assmann, Aleida: „Wie wahr sind unsere Erinnerungen“. In: Welzer, Harald et al. (Hg.):<br />
Warum Menschen sich erinnern können. Fortschritte der interdisziplinären Gedächtnisforschung.<br />
Stuttgart, 2006, S. 95 f.<br />
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