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Rundbrief 1 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV

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Fachtag: Potenziale des Alters<br />

18<br />

kamen. „Sie konnten einfach zur Tür hereinspazieren,<br />

wo sie in einem kleinen Nachbarschafts-Museum alles<br />

ansehen, anfassen, oft sogar riechen können. Und<br />

sie können darüber reden und auch eigene Aspekte<br />

einbringen und mitmachen.“ Die Menschen kommen<br />

auch, weil sie hier Wertschätzung erfahren. Sie können<br />

hereinkommen und eine Tasse Tee trinken – und sich<br />

einfach als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Und nicht<br />

etwa als Teil einer separierten Gruppe alter Leute an<br />

einem separierten Ort.<br />

„Bei uns gibt es etwa 60 Ehrenamtliche, die alle ältere<br />

Menschen im Alter zwischen 55 und 80 Jahren sind.“<br />

Jeder hat eine feste Zeit in der Woche, zu der sie oder<br />

er kommt und bei all den verschiedenen Aktivitäten<br />

hilft und mitmacht. Sie leiten in diesen festen Zeiten<br />

in einer kleinen Gruppe gemeinsam das Zentrum. Einige<br />

von ihnen arbeiten auch in Schulen und nehmen<br />

am Unterricht teil.<br />

In den letzten 5 Jahren hat sich Pam Schweitzer darauf<br />

konzentriert, speziell mit zwei Gruppen von alten<br />

Leuten zu arbeiten: die eine sind ältere Menschen von<br />

ethnischen Minderheiten; die andere Gruppe sind<br />

Demenzkranke, die noch in ihren Familien leben oder<br />

auch bei anderen Menschen. Sie erinnern sich sehr<br />

wohl an Dinge, die lange zurückliegen, und wenn diese<br />

Erinnerungen auf Interesse stoßen und für andere<br />

wertvoll sind, haben sie das Gefühl, dass sie noch immer<br />

etwas zu geben haben und dass sie noch Teil der<br />

Gemeinschaft sind.<br />

„London ist eine sehr bunt durchmischte multi<strong>kulturelle</strong><br />

Stadt. Und da gibt es jetzt auch sehr viele ältere<br />

Leute. Manche Menschen sehen das als Problem an.<br />

Für andere wiederum ist gerade das eine Chance.“ Es<br />

wurden Theaterstücke entwickelt von alten Leuten<br />

aus ethnischen Minderheiten, von denen nicht alle<br />

Englisch sprechen, gemeinsam mit jungen Leuten,<br />

und zwar mit sehr viel Erfolg. Es sind afrikanische alte<br />

Menschen in die Schulen gegangen, angetan mit ihren<br />

prachtvollen bunten Gewändern, um dort davon<br />

zu erzählen, wie das war, in einem afrikanischen Dorf<br />

aufzuwachsen. Sie haben den Kindern von der Bedeutung<br />

ihrer afrikanischen Namen erzählt. Es gibt so<br />

viel Erfahrungsaustausch und sehr viel Lebenswissen<br />

zu vermitteln, und das ist für das Identitätsgefühl der<br />

Kinder sehr wichtig.<br />

„Das Leben kann für alte Menschen sehr einsam sein,<br />

besonders für solche aus ethnischen Minderheiten.<br />

Wir haben in London sehr viele Treffpunkte für die<br />

verschiedensten Gruppen geschaffen. Dort treffen<br />

sie auf Menschen, mit denen sie die gleichen Erfahrungen,<br />

die gleichen Vorlieben für Essen oder Musik<br />

teilen. Viele gehen da hin, um sich geborgen zu fühlen<br />

– und dann gehen sie auch irgendwann raus, um<br />

Kinder zu treffen, Weiße, Leute aus unterschiedlichen<br />

Kulturen. Schritt für Schritt geht das vor sich. Und es<br />

verändert Einstellungen und Haltungen gegenüber<br />

dem Fremden.“ Die Menschen empfinden es nach<br />

solchen Begegnungen eher als positiv, in einer multi<strong>kulturelle</strong>n<br />

Gesellschaft zu leben.<br />

Da Pam Schweitzer nun vor der Tatsache steht, in<br />

allernächster Zeit selber zu den Alten und Rentnern<br />

zu gehören, fragt sie sich, ob irgendjemand sie dann<br />

noch brauchen wird. Wem kann sie dann etwas von<br />

ihrer vielen Zeit geben Und welche Qualitäten sollte<br />

ein Ort haben, an dem sie ihre Zeit einbringen möchte<br />

Sie könnte sich vorstellen, dass sie zunächst mal<br />

nur ein bisschen machen würde, um zu sehen, ob es<br />

ihr gefällt. Sie würde sich nicht sofort verpflichten<br />

wollen, für die nächsten zehn Jahre jeden Tag dort zu<br />

verbringen. Und sie würde zwar einerseits gern etwas<br />

Neues machen – aber es wäre auch schön, wenn ihre<br />

speziellen Fähigkeiten gefragt wären. Und sie hätte<br />

sehr gern auch junge Menschen um sich, nicht immer<br />

nur Alte. Sie möchte neue Freundschaften schließen.<br />

Ein bisschen Verantwortung tragen wäre gut – aber<br />

nicht zu viel. „Und ich glaube, ich würde da, wo ich<br />

arbeite, auch gern etwas zu sagen haben. Das würde<br />

mir das Gefühl geben, dass ich wirklich ein Teil wäre<br />

von dieser Organisation, in der ich arbeite.“ Etliche<br />

andere Dinge wären ihr noch wichtig, wie etwa, alle<br />

Reisekosten erstattet zu bekommen, wenn sie für die<br />

Organisation unterwegs wäre; oder auch dass sie umsonst<br />

Tee trinken und ein Sandwich essen dürfte. Und<br />

sie möchte, wenn sie eine regelmäßige Verpflichtung<br />

eingeht, nicht darauf festgenagelt bleiben, sondern<br />

Dinge selber entwickeln und eigene Initiativen ergreifen<br />

können. Mit anderen Worten: „Ich würde als Ehrenamtliche<br />

in einer Organisation ein Albtraum sein.“<br />

Und während sie den Zuhörerinnen ihren Konflikt<br />

darstellt, viele Jahre mit Ehrenamtlichen gearbeitet zu<br />

haben und jetzt bald vielleicht selber eine von ihnen<br />

zu sein, kommt sie lachend zu der Erkenntnis: „Ich<br />

glaube, ich will gar nicht als Ehrenamtliche arbeiten.<br />

Ich werde lieber am London-Marathon teilnehmen<br />

und ein ganzes Jahr darauf verwenden, mich dafür zu<br />

trainieren.“

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