Rundbrief 1 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV
Rundbrief 1 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV
Rundbrief 1 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
30<br />
Zur Information:<br />
Im letzten <strong>Rundbrief</strong> haben wir das Konzept für<br />
ein Modellprojekt „Community Care – Leben in<br />
Nachbarschaft bis ins hohe Alter“ veröffentlicht.<br />
Nach Bewilligung eines Förderantrages durch<br />
das Deutsche Hilfswerk ist das Projekt Anfang<br />
Juni mit drei Mitgliedseinrichtungen in drei<br />
Bundesländern gestartet. Beteiligt sind das<br />
Nachbarschaftsheim Schöneberg in Berlin, das<br />
Quäker-Nachbarschaftsheim in Köln und das<br />
Nachbarschaftshaus Wiesbaden.<br />
Leserbrief zu <strong>Rundbrief</strong> 2/2004<br />
Karl-Fried Schuwirth, langjähriger Leiter des Nachbarschaftshauses<br />
Wiesbaden und seit Januar 2005 frischgebackener<br />
„Ruheständler“ hat uns als Reaktion auf<br />
das o.g. Konzept das folgende Papier geschickt, das er<br />
hiermit zur Diskussion stellt.<br />
ANIA*<br />
Aktives Netzwerk im Alter<br />
Gerade habe ich den Ruhestand erreicht.<br />
Mit 63 Jahren bin ich durchaus noch nicht so ruhebedürftig,<br />
wie es meine derzeitige Freizeit hergibt.<br />
Statistisch gesehen liegen ca. 15 Jahre vor mir, in denen<br />
ich viele Möglichkeiten haben, mich zu engagieren<br />
und aktiv Aufgaben zu übernehmen. Dazu bin ich<br />
auch bereit, wenn sie wirklich sinnvoll sind.<br />
Danach kommen dann – statistisch gesehen – weitere<br />
15 Jahre auf mich zu, in denen ich zunehmend<br />
auf Hilfe angewiesen sein werde. Zunächst werden<br />
es Kleinigkeiten sein, die ich von anderen brauchen<br />
werde, später wird dann fremde Hilfe Grundlage zum<br />
Überleben werden.<br />
Heute habe ich all das, was ich später brauche, kann es<br />
aber nicht einbringen.<br />
Später werde ich auf all das angewiesen sein, was ich<br />
jetzt habe, aber nicht einbringen kann.<br />
Ganz klar ist das ein Problem unserer Gesellschaft.<br />
– Ein wirklich großes Problem! - Vielleicht das größte,<br />
das auf unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren<br />
zukommt.<br />
Menschenwürdiges Altern war schon immer eine Herausforderung<br />
an die Gesellschaft. Zu jeder Zeit konnte<br />
man die Menschlichkeit einer Gesellschaft daran messen,<br />
wie sie mit Kindern und alten Menschen umgeht.<br />
Bisher war klar: Die Jungen sorgen für die Alten, so<br />
wie früher die Eltern für die Kinder gesorgt haben. Der<br />
„Generationenvertrag“ war die Grundlage, nicht nur<br />
für die Rente.<br />
Schon immer war dies eine hohe moralische Anforderung<br />
für die Familien ebenso wie für die alten<br />
Menschen. Oft erforderte sie außergewöhnlich hohe<br />
Belastungen für die Familien – ebenso wie für die<br />
alten Menschen. Fast in jeder Familie gibt es dazu eindrucksvolle<br />
Geschichten.<br />
Die Zukunft aber wird hier völlig neue Maßstäbe setzen.<br />
In Zukunft wird die Bewältigung des menschenwürdigen<br />
Alterns ein weit größeres Problem werden, als<br />
wir es uns derzeit vielleicht vorstellen können.<br />
Alle Modelle, wie früher Menschen alt werden konnten,<br />
versagen<br />
- heute und in Zukunft - beim Blick z.B. auf die<br />
• sich entwickelnde Alterspyramide und die<br />
Bevölkerungsprognosen<br />
• Bedürfnisse der Menschen mit steigender<br />
Lebenserwartung<br />
• Tragfähigkeit von Familien und deren Bestand<br />
• Entwicklung von Haushaltsgröße und Verbindlichkeit<br />
von Lebensgemeinschaften<br />
• Wohnkultur und Wohnbedürfnisse von Alten<br />
und Jungen<br />
• Kostenentwicklung von Serviceleistungen<br />
(z.B. für Haushilfe und Pflege)<br />
• Rentenprognosen und deren Finanzierung.<br />
Das Potenzial, hier gegenzusteuern, liegt keinesfalls in<br />
der weiteren Belastung der Jungen.<br />
Es ist aber da. Es liegt brach und ist ungenutzt.<br />
Viele, leider allzu viele sind es, deren berufliche Perspektive<br />
am Ende ist, die keine Möglichkeit sehen, beizutragen<br />
zur Verbesserung ihres derzeitigen Lebensstandards,<br />
zur Verbesserung ihrer Lebensperspektive<br />
und zur Verbesserung ihrer Altersversorgung.<br />
Es müsste für sie eine Möglichkeit geben, dieses<br />
brachliegende Potenzial einzubringen, also heute etwas<br />
Sinnvolles tun um damit Vorsorge zu treffen für<br />
morgen.<br />
Hier kommt ANIA.<br />
Die Vision eines aktiven Netzwerkes im Alter – einer<br />
Altersvorsorge, nicht durch finanzielle Absicherung<br />
sondern durch Einbindung in ein Netz gegenseitiger<br />
Hilfe zu unterschiedlichen Zeiten. Ein Netzwerk, in das<br />
man sich einbringen kann durch persönlichen Einsatz<br />
- zu einer Zeit, wo für angemessen dosierte „Nachbarschaftshilfe“<br />
die Voraussetzungen stimmen:<br />
• verfügbare Zeit<br />
• Verfügung über Kenntnisse, Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten, die gefragt sind<br />
• Beweglichkeit und gesundheitliche Fitness<br />
• Verlässlichkeit und Bindung „mit Maß“<br />
um Vorsorge zu treffen für eine Zeit, in der all das notwendig<br />
gebraucht wird.