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Rundbrief 1 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV

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Fachtag: Potenziale des Alters<br />

24<br />

Sicherheit eine Mischung aus Betreuungs-Organisationen<br />

und Nachbarschaftshilfe brauchen,“ meint Herr<br />

Rehberg. „Berlin ist ja schon eine Stadt, in der man gut<br />

alt werden kann. Aber diese Ansätze müssen ausgebaut<br />

und vernetzt werden.“ Und er fügt hinzu: „Wenn<br />

wir den Bestand unserer Wohnungen zukunftsfähig<br />

machen wollen, dann brauchen wir mehr Komfort.<br />

Das heißt, ein größeres Badezimmer, in dem alte Menschen<br />

sich ungefährdet bewegen können. Oder auch<br />

der Anbau eines Aufzugs, wo es bezahlbar ist.“ Natürlich<br />

haben alle Nutzen von baulichen Verbesserungen,<br />

nicht nur die Älteren. Und genau darum geht es Herrn<br />

Rehberg: „Um mehr Komfort in allen Lebensaltern“.<br />

Michael Freiberg, Stadtrat für Gesundheit, Berlin-Neukölln:<br />

Das Alter hat etwas Verbindendes,<br />

denn das wird jeder spüren.<br />

Es gibt niemanden, den es nicht<br />

einholt, und das ist die Basis, auf<br />

der sich Jung und Alt gemeinsam<br />

finden können. „Wer mich<br />

immer wieder fasziniert, das ist meine Mutter – seitdem<br />

sie Rentnerin ist, hat sie kaum noch Zeit. Das ist<br />

beachtlich, und es zeigt das Engagement, das in ihr<br />

steckt.“ Für Herrn Freiberg stellt sich am Ende der Tagung<br />

die Frage: „Was bestätigt sich für mich, was habe<br />

ich hier gelernt“<br />

Zunächst ist da die Tatsache, dass Menschen ab einem<br />

gewissen Alter nicht als separierte Gruppe zu<br />

sehen sind, sondern sie sind ein Teil der Gesellschaft.<br />

„Ich glaube auch, dass gerade die Generationsvermischung<br />

enorme Gewinne bringen kann. Wenn Jüngere<br />

mit älteren Menschen zusammen sind, entsteht<br />

gegenseitiges Verständnis und auch Verantwortungsgefühl<br />

für einander. Und das gibt auch Wärme für<br />

einander. In der heutigen Zeit, wo wir oft sehr isoliert<br />

leben, ist das ein ganz wichtiger Punkt.“<br />

Wenn man von Würde im Alter spricht, dann liegt die<br />

nicht nur in guter Pflege, sondern vor allem in der<br />

Teilhabe an der Gesellschaft. Und in diesem Zusammenhang<br />

ist es notwendig, dass Projekte von alten<br />

Menschen verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen<br />

haben und nicht jedes Jahr von neuem um die<br />

Existenz ihrer Unternehmungen bangen müssen. „Seniorenarbeit<br />

in meinem Sinne, in einem sehr breiten,<br />

aktiven Sinne, braucht verlässliche Rahmendaten.“<br />

Besonders bei der Unterstützung von Selbsthilfe ist<br />

diese langfristige Sicherheit notwendig. „Wir haben<br />

es in Neukölln geschafft, die Selbsthilfezentren und<br />

Nachbarschaftshäuser auf gesunde Beine zu stellen,<br />

um diese Verlässlichkeit zu organisieren.“ Der Staat<br />

hat dabei lediglich die Aufgabe, die Grundlagen für<br />

diese <strong>Arbeit</strong> abzusichern. Herr Freiberg findet es verblüffend,<br />

wie viele ältere Menschen das Internet benutzen.<br />

Die Benutzung von Menschen über 60 Jahren<br />

ist höher als die jeder anderen Altersgruppe. Und es<br />

gibt sehr zahlreiche Beispiele wie das eines 79jährigen<br />

Mannes, der sich in diesem Alter einen Computer<br />

gekauft und einen Einsteigerkurs belegt hatte. Und<br />

hier wird deutlich, dass im Alter enorme Kräfte und<br />

Potenziale stecken. Herr Freiberg sieht es sogar so,<br />

dass im Alter ein enormer Gewinn für die Gesellschaft<br />

steckt, Fähigkeiten und Talente, die bis jetzt noch ungenutzt<br />

vergeudet werden. „Die Senioren haben der<br />

Gesellschaft etwas zu geben. Das sollten wir auf den<br />

Weg bringen.“<br />

Dr. Christian Hanke, Sozialstadtrat Berlin-Mitte:<br />

In den Augen Dr. Hankes<br />

redet man über Selbst-verständlichkeiten,<br />

wenn man<br />

über Potenziale des Alters<br />

spricht. Dennoch entspricht<br />

diese Sichtweise offensichtlich<br />

nicht der gesellschaftlichen<br />

Realität, denn das „allgemeine Bild von alten<br />

Menschen ist sehr einseitig. Es ist geprägt nur von Defiziten.“<br />

Darüber hinaus definiert sich die Gesellschaft<br />

über Erwerbstätigkeit. Das führt in vielen Bereichen<br />

sofort zu Problemen: beim ehrenamtlichen Engagement,<br />

bei <strong>Arbeit</strong>slosigkeit und eben auch im Hinblick<br />

auf ältere Menschen. „Diese Bilder, die wir im Kopf haben,<br />

müssen wir kritisch hinterfragen, und so können<br />

wir durch diese Veranstaltung vielleicht auch eine Tür<br />

aufstoßen, die bisher noch fest verschlossen ist.“<br />

Über die offenbar gängige Definition von Alter als „50<br />

plus“ ist Dr. Hanke etwas verärgert. „Bald sind wir dann<br />

bei 40 plus, und dann bin ich auch gleich mit im Boot.<br />

Wir müssen aufpassen, dass diese Abgrenzung nicht<br />

zu beliebig wird. Es ist ein Unterschied, ob man 50, 60<br />

oder 80 Jahre alt ist. Dazwischen liegen doch noch<br />

ganze Generationen.“<br />

Die Frage „Was wissen wir eigentlich von den Senioren“<br />

beantwortet der Stadtrat sich gleich selbst: „Das<br />

ist dürftig.“ Es gibt zwar einige allgemeine Untersuchungen.<br />

Aber für die <strong>sozial</strong>räumliche Betrachtung,<br />

für die <strong>Arbeit</strong> in Nachbarschaftszentren bringen die<br />

kaum etwas. Statt dessen stärken sie nur wieder die<br />

Einäugigkeit im Blick auf das Alter. Denn man kann<br />

sofort die Zahl der Arztbesuche, der Krankenhausaufenthalte<br />

oder der Todesursachen nachschauen. Aber<br />

offenbar gibt es große Schwierigkeiten, die Bedürfnisse<br />

und Interessen von alten Leuten zu erfahren: „Welches<br />

Bildungsniveau und welche Fähigkeiten gibt es<br />

hier im Stadtteil“<br />

Natürlich sollte die <strong>Arbeit</strong> von und mit alten Menschen<br />

finanziell konsolidiert sein. „Aber bei der notwendigen<br />

Haushaltsstabilisierung sind wir ja schon<br />

froh, wenn wir Mindeststandards halten können. Das<br />

heißt, wir sind von Staats wegen darauf angewiesen,<br />

mit bürgerlichem Engagement Netzwerke und Strukturen<br />

zu erhalten.“ Seniorenpolitik muss Selbstbestimmung<br />

und Selbstorganisation der älteren Generation<br />

garantieren, also gilt es auch für die Politik, sich<br />

umzuorientieren.

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