Das lesen Sie in der Januarausgabe - Quartier-Anzeiger Archiv
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Cor<strong>in</strong>e «e<strong>in</strong>e für alle» Mauch o<strong>der</strong><br />
Am 9. Februar fällt die Entscheidung: Behält die Sozialdemokrat<strong>in</strong> ihr Amt<br />
o<strong>der</strong> übernimmt <strong>der</strong> freis<strong>in</strong>nige Herausfor<strong>der</strong>er Der <strong>Quartier</strong>-<strong>Anzeiger</strong><br />
hat beide zu e<strong>in</strong>em Streitgespräch e<strong>in</strong>geladen. Vor dem Kam<strong>in</strong>feuer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Lounge des Hotel Storchen lieferten sie sich rout<strong>in</strong>iert und engagiert e<strong>in</strong><br />
wortreiches Rededuell über die 2014 zentralen Zürcher Wahlkampfthemen.<br />
Frau Mauch, was bedeutet <strong>der</strong> Ausgang<br />
des Kampfs um das Stadtpräsidium für<br />
die Zukunft <strong>der</strong> Stadt Zürich<br />
Cor<strong>in</strong>e Mauch: Die Frage ist, wer welche<br />
Politik im Stadtpräsidium repräsentiert.<br />
Ich stehe e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e soziale, weiterh<strong>in</strong><br />
ökologisch vorbildliche und wirtschaftlich<br />
starke Stadt Zürich, für bezahlbaren<br />
Wohnraum, e<strong>in</strong> breites Bildungsund<br />
Betreuungsangebot sowie e<strong>in</strong> vielfältiges<br />
Kulturangebot. Diese Politik will<br />
ich weiterführen.<br />
Herr Leutenegger, <strong>Sie</strong> unterschreiben das<br />
sicher auch. Trotzdem bezeichnen <strong>Sie</strong> den<br />
Kurs des Stadtrats als falsch. Wie wollen<br />
<strong>Sie</strong> als Stadtpräsident diesen Kurs so<br />
schnell und so radikal än<strong>der</strong>n, wie <strong>Sie</strong> es<br />
heute for<strong>der</strong>n<br />
Filippo Leutenegger: Es geht nicht um<br />
e<strong>in</strong>e radikale Än<strong>der</strong>ung. Die Aufzählung<br />
des Wunschkonzerts von Frau Mauch<br />
zeigt ja, dass sie alles will, aber nicht alles<br />
bezahlen kann, weil das unmöglich<br />
ist. Mir geht es um e<strong>in</strong>e realistische Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Stadt Zürich. Im Moment<br />
geht es uns sehr gut, aber wir laufen <strong>in</strong><br />
die falsche Richtung. Wir geben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
nächsten Zeit viel mehr aus, als wir e<strong>in</strong>nehmen.<br />
Ich plädiere daher für e<strong>in</strong>e Korrektur,<br />
nicht e<strong>in</strong>e radikale Än<strong>der</strong>ung. Wir<br />
leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em direktdemokratischen<br />
Konkordanzsystem und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Mehrheits- und Oppositionssystem, da<br />
müssen die vorhandenen Kräfte entsprechend<br />
repräsentiert werden. Es geht darum,<br />
das für 2014 und die folgenden Jahre<br />
geplante extreme Ausgabenwachstum<br />
herunterzufahren und nicht darum, zu<br />
sparen o<strong>der</strong> weniger auszugeben.<br />
Im Gegensatz zu früheren Stadtratswahlen<br />
spricht niemand von e<strong>in</strong>er Richtungswahl<br />
und schon gar nicht von e<strong>in</strong>er<br />
Schicksalswahl.<br />
Leutenegger: In <strong>der</strong> Schweiz gibt es ke<strong>in</strong>e<br />
Schicksalswahlen. Unser System<br />
zeichnet sich aus durch langsame Korrekturen.<br />
Rot-Grün ist heute mit sieben<br />
Stadträten auch vom Wähleranteil her<br />
krass übervertreten. <strong>Das</strong> müssen wir korrigieren.<br />
Vor allem aber braucht es e<strong>in</strong>e<br />
nachhaltige Korrektur im Bereich des Bezahlbaren.<br />
Es ist s<strong>in</strong>nlos, e<strong>in</strong> Wunschkonzert<br />
zu veranstalten und überall Versprechungen<br />
zu machen, welche die Stadt<br />
nicht bezahlen kann. Doch <strong>der</strong> Stadtrat<br />
vermeidet es tunlichst, uns noch vor den<br />
Wahlen klaren We<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zuschenken und<br />
bekannt zu geben, wie die Rechnung<br />
2013 aussieht und wie er die Defizite bis<br />
2017 aus <strong>der</strong> Welt schaffen will. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
sogar mit Steuererhöhungen.<br />
Da b<strong>in</strong> ich ganz klar dagegen.<br />
Wie ist das mit dem klaren We<strong>in</strong> und den<br />
Steuererhöhungen<br />
Mauch: Die Stadt hat verschiedene E<strong>in</strong>nahmequellen.<br />
Die Steuern machen rund<br />
e<strong>in</strong>en Drittel des Haushalts aus. Die Stadt<br />
braucht das Geld um Dienstleistungen für<br />
die Bevölkerung und die Wirtschaft zu<br />
erbr<strong>in</strong>gen. Wie die jüngste Bevölkerungsbefragung<br />
zeigte, werden diese Leistungen<br />
sehr geschätzt. Der f<strong>in</strong>anzielle Spielraum<br />
ist aber vor allem wegen <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzkrise<br />
enger geworden. Seit 2008 fehlen<br />
uns jährlich 400 Millionen Franken<br />
Steuern von den Grossbanken. Wir haben<br />
uns jedoch vorher zum Glück Reserven<br />
für schwierige Zeiten angelegt und mit<br />
dem Abbau des Milliardendefizits den<br />
städtischen Haushalt im Pr<strong>in</strong>zip saniert.<br />
Gleichzeitig haben wir seit dem Jahr<br />
2000 die Steuern um 11 Prozentpunkte<br />
gesenkt. <strong>Das</strong> bleibt 2014 so. Der Steuerfuss<br />
ist im Moment e<strong>in</strong>e Konstante.<br />
«Der Steuerfuss ist im<br />
Moment e<strong>in</strong>e Konstante»<br />
Cor<strong>in</strong>e Mauch<br />
Was heisst im Moment<br />
Mauch: Es braucht e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziellen<br />
Rahmen, <strong>in</strong>nerhalb dem wir jene Leistungen<br />
erbr<strong>in</strong>gen können, welche die Bevölkerung<br />
und die Wirtschaft von uns wollen.<br />
Deshalb f<strong>in</strong>de ich es bemerkenswert,<br />
was kürzlich im Kanton Luzern passiert<br />
ist. Der Verwaltungsratspräsident <strong>der</strong> Firma<br />
von Roll schrieb <strong>der</strong> kantonalen Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief, <strong>der</strong><br />
Steuerfuss sei für e<strong>in</strong> Unternehmen nicht<br />
das Wichtigste. Man wolle e<strong>in</strong>en angemessenen<br />
Steuerfuss, damit alle wichtigen<br />
Leistungen effizient erbracht werden<br />
könnten. Dort ist man beim Steuerwettbewerb<br />
offensichtlich sogar aus Sicht <strong>der</strong><br />
Wirtschaft zu weit gegangen.<br />
Leutenegger: Von Roll bezieht erhebliche<br />
<strong>in</strong>direkte Subventionen. Beim Steuerfuss<br />
geht es aber richtigerweise nicht nur<br />
um die absolute Höhe, son<strong>der</strong>n um das f<strong>in</strong>anzielle<br />
Gleichgewicht <strong>der</strong> grössten<br />
Stadt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz. Damit darf man<br />
nicht spielen. So wie es aussieht, werden<br />
massive Defizite auf uns zukommen. <strong>Das</strong><br />
verunsichert auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft. Und<br />
dass die Stadt das Resultat ihrer Leistungsüberprüfung,<br />
die nun schon seit e<strong>in</strong>em<br />
Jahr läuft, erst nach den Wahlen vorlegen<br />
will, ist nicht fair. Da wird <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
Sand <strong>in</strong> die Augen gestreut,<br />
die wissen möchte, was auf sie zukommt.<br />
<strong>Das</strong>s die Stadt heute noch e<strong>in</strong> Polster hat,<br />
liegt übrigens nicht an <strong>der</strong> Ausgabendiszipl<strong>in</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n an unerwartet hohen<br />
Steuererträgen.<br />
Mauch: Zu guten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
an e<strong>in</strong>em Top-Standort wie Zürich<br />
gehören auch ständige Effizienz- und<br />
Leistungsüberprüfungen. Nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />
Beispiel: Mit dem Onl<strong>in</strong>e-Versand <strong>der</strong><br />
Steuererklärungen sparen wir jährlich<br />
80 000 Franken und 28 Tonnen Papier.<br />
Wir wollen bis 2017 wie<strong>der</strong> schwarze Zahlen<br />
schreiben, ohne unser heutiges Eigenkapital<br />
von 600 Millionen aufzubrauchen.<br />
Aber auch ohne massive E<strong>in</strong>schnitte zu<br />
machen, welche die Vitalität und Attraktivität<br />
des Standorts gefährden würden.<br />
Zur Attraktivität Zürichs gehört auch das<br />
Kulturangebot. Die angekündigte<br />
Schliessung des Literaturmuseums Strauhof<br />
hat sehr viele Kulturschaffende<br />
empört. S<strong>in</strong>d <strong>Sie</strong> überrascht<br />
Mauch: Der Strauhof bleibt auch mit<br />
dem neuen Konzept e<strong>in</strong>es jungen<br />
Literatur labors e<strong>in</strong> Haus, das <strong>der</strong> Literaturför<strong>der</strong>ung<br />
gewidmet ist. Es wird <strong>in</strong><br />
Zürich weiterh<strong>in</strong> Literaturausstellungen<br />
geben, aber nicht mehr <strong>in</strong> dieser Form im<br />
Strauhof. Ich habe Verständnis dafür,<br />
dass <strong>der</strong> Entscheid literatur<strong>in</strong>teressierte<br />
Besuchende des Strauhofs nicht freut.<br />
Der f<strong>in</strong>anzielle Spielraum ist jedoch enger<br />
geworden. Wir haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kulturför<strong>der</strong>ung<br />
zwei Möglichkeiten: Entwe<strong>der</strong><br />
machen wir weiter wie bisher und verwalten<br />
nur noch, was man uns manchmal<br />
vorwirft, o<strong>der</strong> wir gestalten trotz <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />
Restriktionen etwas Neues.<br />
Dann muss man sich eben auch e<strong>in</strong>mal<br />
von etwas trennen. Ich nehme den Wi<strong>der</strong>stand<br />
gegen die Pläne des Stadtrats für<br />
e<strong>in</strong>e Neuausrichtung des Strauhofs sowie<br />
die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> dazu e<strong>in</strong>gereichten<br />
Petition ernst. Wir s<strong>in</strong>d auch offen für das<br />
Gespräch und den Gedankenaustausch<br />
zur Zukunft <strong>der</strong> Literaturför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong><br />
Zürich.<br />
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