Das lesen Sie in der Januarausgabe - Quartier-Anzeiger Archiv
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Fortsetzung von Seite 13<br />
Mauch: (lacht) Alle haben e<strong>in</strong>e Wohnung,<br />
teilweise an sehr schöner Lage. Pro<br />
Jahr ziehen <strong>in</strong> Zürich 40 000 Personen<br />
um. Es ist also nicht so, dass sich die<br />
Leute überhaupt nicht mehr bewegen<br />
können, weil sie ke<strong>in</strong>e neue Wohnung<br />
f<strong>in</strong>den. Aber es ist e<strong>in</strong>e Tatsache, dass jemand<br />
ohne dickes Portemonnaie, <strong>der</strong> auf<br />
dem freien Markt e<strong>in</strong>e Wohnung suchen<br />
muss, Schwierigkeiten hat etwas zu f<strong>in</strong>den.<br />
Deshalb haben wir von <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
auch den Auftrag erhalten, den<br />
Anteil <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Wohnungen<br />
von heute e<strong>in</strong>em Viertel – was übrigens<br />
e<strong>in</strong> sehr guter Wert ist und <strong>der</strong> sozialen<br />
Durchmischung und damit <strong>der</strong> Lebensqualität<br />
dient – zu erhöhen, und zwar bis<br />
2050 auf e<strong>in</strong>en Drittel. Der Stadtrat betreibt<br />
bei <strong>der</strong> angespannten Situation auf<br />
dem Wohnungsmarkt heute auch e<strong>in</strong>e<br />
sehr aktive Wohnpolitik.<br />
Mit <strong>der</strong> neuen Bau- und Zonenordnung<br />
hat <strong>der</strong> Stadtrat jedoch die Privaten wie<br />
auch die Baugenossenschaften gegen<br />
sich aufgebracht. Damit haben <strong>Sie</strong> wohl<br />
nicht gerechnet.<br />
Mauch: Ich b<strong>in</strong> tatsächlich etwas überrascht,<br />
wenn auch aus sehr unterschiedlichen<br />
Gründen. Wir werden nun die E<strong>in</strong>wendungen<br />
zur öffentlich aufgelegten<br />
Bau- und Zonenordnung sehr sorgfältig<br />
prüfen. Ich habe mit beiden Seiten gesprochen.<br />
Ihre Motive für die Ablehnung<br />
und ihre Anliegen s<strong>in</strong>d völlig verschieden.<br />
Von Seiten <strong>der</strong> Privaten wird moniert,<br />
dass die Stadt ke<strong>in</strong>e quasi Gratis-<br />
Aufzonungen macht, damit mehr gebaut<br />
werden kann. Son<strong>der</strong>n dass sie sagt:<br />
Wenn ihr aufzonieren wollt, dann wollen<br />
wir mit euch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kooperative Planung<br />
e<strong>in</strong>steigen. Damit bekommt die Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
auch etwas vom Mehrwert, den<br />
die privaten Grundeigentümer dank <strong>der</strong><br />
höheren Ausnützung erhalten. Genau<br />
dieser Punkt wird von den Genossenschaften<br />
jedoch nicht bestritten. <strong>Das</strong>s<br />
nämlich jemand etwas von dem, was er<br />
dank <strong>der</strong> Mehrausnützung se<strong>in</strong>es Grundstücks<br />
bekommt, <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit wie<strong>der</strong><br />
zurückgeben soll.<br />
Sehen <strong>Sie</strong> e<strong>in</strong>e Möglichkeit, die Anliegen<br />
<strong>der</strong> Privaten und Genossenschaften mit<br />
e<strong>in</strong>er Überarbeitung <strong>der</strong> BZO unter e<strong>in</strong>en<br />
Hut zu br<strong>in</strong>gen<br />
Leutenegger: Ne<strong>in</strong>. Für mich geht die<br />
neue Bau- und Zonenordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
völlig verkehrte Richtung. Ich b<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
nationalrätlichen Raumplanungskommission<br />
und habe mich jahrelang mit diesem<br />
Thema befasst. Alle politischen Parteien<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz s<strong>in</strong>d sich heute e<strong>in</strong>ig,<br />
dass es <strong>in</strong> den Städten e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Verdichtung<br />
braucht, um die Grünflächen<br />
r<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den Agglomerationen zu erhalten<br />
und die Zersiedelung zu stoppen.<br />
Was aber jetzt <strong>der</strong> Zürcher Stadtrat mit<br />
se<strong>in</strong>em Beschluss macht, e<strong>in</strong> Geschoss<br />
praktisch zu streichen, ist e<strong>in</strong>e Abzonung<br />
im grossen Ausmass. Zuerst das sogenannte<br />
«Zürcher Untergeschoss», das eigentlich<br />
e<strong>in</strong> Erdgeschoss ist, wegnehmen<br />
und es dann unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er<br />
Zustimmung zu e<strong>in</strong>er sogenannten kooperativen<br />
Planung wie<strong>der</strong> zurückgeben<br />
ist doch nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>e Form von<br />
behördlicher Willkür gegenüber den<br />
Hausbesitzern o<strong>der</strong> den Grundeigentümern.<br />
<strong>Das</strong> führt geradeaus zu e<strong>in</strong>er kalten<br />
Teilenteignung, mit <strong>der</strong> Folge, dass<br />
tausende von Quadratmetern Wohnfläche<br />
verloren gehen und <strong>der</strong> Druck auf die<br />
Agglomeration steigt. <strong>Das</strong> geht doch<br />
nicht! Ich weiss nicht, ob sich Frau<br />
Mauch bewusst ist, was das heisst. Mit<br />
<strong>der</strong> negativen Voranwendung riskieren<br />
wir, dass dr<strong>in</strong>gend benötigte Wohnbauten<br />
nicht realisiert werden. E<strong>in</strong>e Abzonung<br />
führt also zu e<strong>in</strong>er weiteren Zunahme <strong>der</strong><br />
Wohnungsnot, dabei sollten wir doch<br />
dafür sorgen, dass genug neuer Wohnraum<br />
entsteht. Die BZO, wie sie vorliegt,<br />
hat im Geme<strong>in</strong><strong>der</strong>at jedenfalls ke<strong>in</strong>e<br />
Mehrheit, ziehen <strong>Sie</strong> sie doch bitte<br />
zurück.<br />
Hat <strong>der</strong> Stadtrat bei <strong>der</strong> BZO die Handbremse<br />
zu fest angezogen<br />
Mauch: Je<strong>der</strong> sieht, dass heute viel gebaut<br />
wird <strong>in</strong> Zürich. 4500 Wohnungen<br />
Schriftliche Zusatzfrage:<br />
Ja o<strong>der</strong> Ne<strong>in</strong> zu Tempo 30 auf dem<br />
kurzen, schmalen und unübersichtlichen<br />
Teilstück <strong>der</strong> Witikonerstrasse<br />
Mauch: Ganz klar Ja.<br />
Leutenegger: Eher Ne<strong>in</strong>.<br />
s<strong>in</strong>d momentan im Bau. Der Stadtrat hat<br />
nicht die Handbremse gezogen, son<strong>der</strong>n<br />
zu Gunsten <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit die Hand<br />
auf den Mehrwert bei den Aufzonungen<br />
gelegt. Auch wir wollen verdichten. Die<br />
neue BZO bietet Platz für 115 000 zusätzliche<br />
E<strong>in</strong>wohner und 160 000 weitere<br />
Arbeitsplätze. Aber wir wollen mit<br />
Qualität verdichten und die <strong>Quartier</strong>strukturen<br />
erhalten. Die negative Voranwendung<br />
wird uns übrigens vom Kanton<br />
vorgeschrieben. Ich habe jedoch Verständnis<br />
für die Haltung von Herrn Leutenegger<br />
als Grundbesitzer...<br />
Leutenegger: ...das hat doch damit<br />
nichts zu tun. Ich b<strong>in</strong> persönlich <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />
Weise betroffen. Aber <strong>Sie</strong> zonen ab<br />
und vernichten Wohnraum...<br />
Mauch: ...es geht um qualitativ gute<br />
Wohnungen...<br />
Leutenegger: ...und wollen nachher die<br />
Eigentümer auf dem Verhandlungsweg<br />
dazu br<strong>in</strong>gen, die Kostenmiete e<strong>in</strong>zuführen,<br />
darum geht es...<br />
Mauch: ...ne<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n darum, den<br />
<strong>Quartier</strong>strukturen Sorge zu tragen. Aber<br />
wie gesagt, wir werden die E<strong>in</strong>wendungen<br />
ernsthaft prüfen und es kann se<strong>in</strong>,<br />
dass e<strong>in</strong> Teil davon tatsächlich aufgenommen<br />
wird. Vor allem bei den kooperativen<br />
Verfahren müssen wir dafür sorgen,<br />
dass diese speditiv abgewickelt werden<br />
und...<br />
Leutenegger: ...das geht so nicht. Den<br />
Entwurf sollten <strong>Sie</strong> zurücknehmen.<br />
Immer wie<strong>der</strong> Streit gibt es auch beim<br />
öffentlichen und privaten Verkehr, wenn<br />
aus dem Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> plötzlich e<strong>in</strong><br />
Gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wird.<br />
Mauch: Aus unserer Sicht ist das überhaupt<br />
nicht <strong>der</strong> Fall, denn wir sehen das<br />
Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Man kann den Leuten<br />
aber auch nicht das Blaue vom Himmel<br />
versprechen, denn <strong>der</strong> Raum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt<br />
Zürich ist knapp. Zudem nehmen mit<br />
dem Bevölkerungswachstum auch die<br />
Verkehrsbedürfnisse zu. Wir müssen<br />
dafür besorgt se<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> dem knappen<br />
Raum <strong>der</strong> Verkehr möglichst effizient<br />
abgewickelt wird – und das ist eben meistens<br />
<strong>der</strong> öffentliche Verkehr. Darum hat<br />
<strong>der</strong> ÖV auch e<strong>in</strong>en so hohen Stellenwert<br />
und deshalb Vortritt, und darum ist er<br />
auch <strong>in</strong>ternational anerkannt. Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> 2000 Watt-Gesellschaft wollen<br />
wir aber auch sichere und attraktive<br />
Fuss- und Velowege zur Verfügung stellen.<br />
Mit dem Masterplan Velo machen<br />
wir da e<strong>in</strong>en grossen Effort. In gewissen<br />
Situationen muss man allerd<strong>in</strong>gs Prioritäten<br />
setzen und den vorhandenen<br />
Raum so ausgestalten, dass alle Verkehrsbedürfnisse<br />
effizient und flüssig abgewickelt<br />
werden können.<br />
Setzt die Stadt die Prioritäten richtig<br />
Leutenegger: Wun<strong>der</strong>schöne Versprechungen,<br />
aber die Realität ist e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e.<br />
Die FDP hat dem Masterplan Velo ebenfalls<br />
zugestimmt. Es wird jedoch ständig<br />
versucht, auch ideologische Verkehrspolitik<br />
zu machen, <strong>in</strong>dem man Parkplätze <strong>in</strong><br />
den Aussenquartieren abbaut, Spuren verengt<br />
o<strong>der</strong> Kaphaltestellen baut, die zum<br />
Teil gar nicht nötig wären. O<strong>der</strong> man för<strong>der</strong>t<br />
den Mischverkehr und führt Tempo 30<br />
auf Durchgangstrassen e<strong>in</strong>. Witikon zum<br />
Beispiel wird genau durch solche künstliche<br />
Engpässe beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Der Verkehr <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Stadt Zürich hat jedoch dank den<br />
Umfahrungen <strong>in</strong>sgesamt um 20 Prozent<br />
abgenommen...<br />
Mauch: ...und auch dank den flankierenden<br />
Massnahmen, die <strong>der</strong> Stadtrat bis<br />
vor Bundesgericht erstritten hat...<br />
Leutenegger: ...dafür produziert man<br />
jetzt künstliche Staus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt...<br />
Mauch: ...wir produzieren ke<strong>in</strong>e Staus,<br />
son<strong>der</strong>n...<br />
Leutenegger: ...logisch, mit Tempo 30<br />
auf Durchgangsstrassen...<br />
Mauch: ...son<strong>der</strong>n wir steuern den Verkehr<br />
so, dass alle durchkommen...<br />
Leutenegger: ...da sieht man wie<strong>der</strong>, wie<br />
das Thema Verkehr emotionalisiert und<br />
ideologisiert. Aber Tempo 30 auf Durchgangsstrassen,<br />
wo <strong>der</strong> Bus durchfährt, ist<br />
nicht s<strong>in</strong>nvoll.<br />
Hier musste das Streitgespräch aus<br />
Zeitgründen abgebrochen werden.<br />
Die Fragen stellte Erik Eitle<br />
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