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Glückauf - Windhoff Bahn

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HOL DING<br />

Ge orgs ma ri en hüt te Un ter neh mens grup pe<br />

Der Frühling naht, die Tage<br />

werden heller – die Stimmung<br />

in Deutschland jedoch<br />

bleibt düster. Und auch die<br />

Frage bleibt: Was hilft der deutschen<br />

Volkswirtschaft<br />

Dabei geht es nicht um Wissen<br />

oder Können; es geht um die Einstellung und das eigene<br />

Verhalten. Die Deutschen haben sich so sehr ans Jammern<br />

gewöhnt, dass sie nicht fassen können, wie krank<br />

das eigene System wirklich ist. Fakt ist: Wenn alles so<br />

bleibt, wie es ist, wird der Lebensstandard in Deutschland<br />

in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken.<br />

Für den nötigen Aufschwung gibt es kein Patentrezept.<br />

Aber ich wehre mich gegen die Behauptung,<br />

komplizierte Probleme könne man nicht mit einfachen<br />

Ideen lösen. Es bedarf nicht einmal neuer Regelungen,<br />

Gesetze oder gar „Reformen“. Ich bin davon überzeugt,<br />

dass gute Rezepte zugleich oft simple Vorschläge sind,<br />

die von Menschen kommen, die nicht lamentieren, sondern<br />

handeln.<br />

Unsere heutigen Probleme bestehen zu einem guten<br />

Teil darin, dass wirtschaftliche Tugenden, die uns in<br />

früheren Zeiten nach vorne gebracht haben, jahrzehntelang<br />

bewusst ignoriert wurden.<br />

Angst vor der Zukunft<br />

Nach Angaben des Bielefelder Meinungsforschungsinstituts<br />

EMNID haben 36 Prozent der Deutschen Angst vor<br />

der Zukunft. 40 Prozent der Berufstätigen haben vielerlei<br />

Ängste. Glücklich scheint dagegen, wer nicht oder<br />

nicht mehr arbeitet: Bei den Nicht-Berufstätigen sind es<br />

nur 32 Prozent, die Ängste haben. Lapidar stellt EMNID<br />

fest: „Vor dem Hintergrund der schlechten Arbeitsmarktlage<br />

und der Verunsicherung durch Reformen<br />

wird Angst zu einem dominierenden Lebensgefühl.“<br />

Eine EU-weite Umfrage ergab, dass sich 47 Prozent<br />

der Bewohner hierzulande gut fühlen, während es in<br />

Frankreich 60, in den Niederlanden, Spanien und England<br />

70, in Irland sogar über 80 Prozent sind. Nur im<br />

Sich-schlecht-Fühlen ist unser Land Europameister: 20<br />

Prozent sind es hier, in den Niederlanden zum Beispiel<br />

nur 5 Prozent.<br />

Offen gestanden: Diese Ergebnisse bereiten mir<br />

Angst, wenn ich sie mit dem Optimismus anderswo vergleiche.<br />

Beeindruckend sind zum Beispiel der unerhörte<br />

Vorwärtsdrang und der feste Wille der Chinesen, zu<br />

einer der führenden Wirtschaftsmächte der Welt aufzusteigen.<br />

In der schlechten Stimmung der Bevölkerung schlägt<br />

sich aber auch das ständige Jammern vieler Repräsentanten<br />

der Eliten in der Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Medien nieder. Wenn Menschen tagtäglich hören, dass<br />

Deutschland am Abgrund steht und keine Chance hat<br />

– wer will es ihnen verdenken, dass sie selbst verängstigt<br />

und verunsichert sind.<br />

Deutschland wird allzu oft schlechter geredet, als<br />

es ist. Sieht man die Gesamtheit aller Lebensumstände<br />

an, ist es in kaum einem vergleichbar großen Industrieland<br />

besser als in Deutschland. Wir müssen also unsere<br />

Stärken entwickeln und nicht unsere Schwächen bejammern.<br />

Allzu viel Skepsis<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es das deutsche<br />

Wirtschaftswunder, das von der ganzen Welt bestaunt<br />

wurde, heute dagegen ruft der Blick auf die deutsche<br />

Wirtschaft hierzulande eher Skepsis hervor.<br />

Nicht nur ausländische Beobachter merken, dass<br />

sich etwas verändert hat, vor allem wir merken es. Und<br />

dies ist beileibe keine neue Erkenntnis. In seiner Berliner<br />

Rede vom 26. April 1997 sagte der damalige Bundespräsident<br />

Roman Herzog:<br />

„Eine von Ängsten erfüllte Gesellschaft wird unfähig<br />

zu Reformen und damit zur Gestaltung der Zukunft.<br />

Angst lähmt den Erfindergeist, den Mut zur Selbstständigkeit,<br />

die Hoffnung mit den Problemen fertig zu werden.“<br />

Es klingt paradox: Je nötiger Reformen werden,<br />

umso mehr wächst die Angst vor ihnen. Diese Angst<br />

wird aber nur dann schwinden, wenn die Vorteile von<br />

Reformen zumindest in Ansätzen sichtbar werden. Optimismus<br />

und Zuversicht lassen sich nicht verordnen – sie<br />

bleiben jedoch die Grundlagen für den Erfolg.<br />

Dazu werden wir wieder akzeptieren müssen, dass<br />

Arbeit ein wesentlicher Bestandteil unseres Menschseins<br />

LEIT AR TI KEL<br />

Aufbruch oder Stillstand –<br />

Wie kommt die Wirtschaft in Deutschland wieder in Fahrt<br />

ist. Wer sich nur dem Müßiggang hingibt, wer Arbeit<br />

lediglich als lästige Unterbrechung der Freizeit empfindet,<br />

wird unzufrieden bleiben.<br />

Derzeit sind über fünf Millionen Menschen in<br />

Deutschland auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Das<br />

ist die höchste Arbeitslosenzahl seit Bestehen der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Von den 25 Mitgliedsländern<br />

der EU sind nur noch die Arbeitslosenquoten in Spanien,<br />

der Slowakei und Polen höher.<br />

Fast haben wir uns an derartige Horror-Zahlen<br />

gewöhnt. Doch das ist im Vergleich so, als müssten Berlin<br />

und Hamburg komplett vom Rest des Landes unterhalten<br />

werden. Ein Zustand, der nicht auf Dauer tragbar<br />

ist. Gabor Steingart, Leiter des Hauptstadtbüros des<br />

SPIEGEL, sieht das Hauptübel darin, dass sich die Arbeit<br />

„ins Ausland, ins Illegale, ins Private verlagert hat“.<br />

Was können wir daraus lernen<br />

Erstens:<br />

Wir müssen um jeden noch verbliebenen<br />

Arbeitsplatz kämpfen<br />

Der Spruch „They never come back“ gilt für einmal<br />

geschlagene Box-Champions ebenso wie für industrielle<br />

Arbeitsplätze, die ins Ausland verlagert wurden. Wir<br />

dürfen uns nicht darauf beschränken, hierzulande nur<br />

noch vermeintlich „anspruchsvolle“ Tätigkeiten auszuüben,<br />

während „niederwertige“ Arbeit in Asien erledigt<br />

wird. Viel zu oft haben wir erlebt, dass zuerst die Hilfsarbeiter<br />

und dann die Facharbeiter gehen – am Schluss<br />

folgen die Entwicklungsingenieure.<br />

Vor ein paar Tagen erst konnte man lesen, dass<br />

Siemens rund 1.000 Software-Entwickler einstellen<br />

wolle, die für den heimischen Markt und das weltweite<br />

Geschäft tätig sein werden. Der Wermutstropfen daran:<br />

Es geht um Arbeitsplätze in Bombay und nicht in Berlin!<br />

Das Münchener ifo-Institut schätzt, dass deutsche<br />

Firmen bereits rund 2,6 Millionen Arbeitsplätze im<br />

Ausland betreiben. Für die Unternehmen mag dies<br />

durchaus sinnvoll sein – galt es doch bisher als Stärke<br />

der deutschen Wirtschaft, im Ausland zu investieren<br />

und damit natürlich auch dort Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Aber das Nachsehen hat der deutsche Arbeitsmarkt.<br />

Zweitens:<br />

Wir brauchen neue Arbeitsplätze – vor allem<br />

durch Innovationen<br />

Ich will hier nicht über Bio-Nano- oder IT-Technik reden<br />

– davon verstehe ich zu wenig. Aber in allen Produktions-<br />

und Dienstleistungsbereichen bedarf es innovativer<br />

Anstrengungen der Wirtschaft – zu erreichen durch<br />

mehr Forschung und Entwicklung und entsprechende<br />

Investitionen. Nur so können wir auch im internationalen<br />

Wettbewerb langfristig bestehen und nur so sind<br />

qualifizierte Arbeitsplätze für gut ausgebildete Arbeitnehmer<br />

gesichert.<br />

Aber: In Deutschland müssen auch Menschen<br />

mit geringer Qualifikation aktuell wieder die Chance<br />

bekommen, den Lebensunterhalt mit ihrer eigenen<br />

Hände Arbeit zu bestreiten. Da ist Hartz IV ein wichtiger,<br />

wenn auch leider nur ein kleiner Schritt in die richtige<br />

Richtung.<br />

Die Agenda 2010 des Bundeskanzlers ist der aktive<br />

Versuch, Deutschland wieder in Form zu bringen.<br />

Denn viel zu lange wurden wir mit Versprechungen wie<br />

„Die Rente ist sicher!“ abgespeist. Der „unver-Blüm-te“<br />

Nutzen der katholischen Soziallehre ist leider gering.<br />

Immerhin hat die heutige Bundesregierung etliche<br />

Regularien gestrichen. So kann die Vereinfachung des<br />

Meisterbriefs auf der Habenseite der Regierung verbucht<br />

werden.<br />

Drittens:<br />

Wir brauchen längere und flexiblere Arbeitszeiten<br />

Unter dem Schlagwort der „Arbeitszeitverkürzung“<br />

haben sich die produktiven Stunden eines Arbeitnehmers<br />

hierzulande seit 1950 kontinuierlich verringert,<br />

während die Löhne im gleichen Zeitraum wesentlich<br />

schneller gestiegen sind. Die tarifliche Jahresarbeitszeit<br />

in der Gesamtwirtschaft betrug 1950 2.309 Stunden,<br />

gut 50 Jahre später (2002) nur noch 1.443 Stunden<br />

– die Jahresarbeitszeit ist also um 37,5 % gesunken.<br />

Heute brauchen wir flexible<br />

Arbeitszeiten. Den Weg dahin<br />

haben wir längst beschritten.<br />

Damit haben wir eine zusätzliche<br />

Chance, den neuen Wettbewerbern<br />

auf der Welt Paroli zu bieten<br />

und das Abschmelzen unserer<br />

noch verbliebenen Arbeitsplätze zu stoppen.<br />

Die 40-Stunden-Woche darf überhaupt kein Tabu<br />

sein – sie wird in etlichen Bereichen schon praktiziert.<br />

Eine schlagartige und generelle Einführung der 40-<br />

Stunden-Woche käme zum Beispiel für den öffentlichen<br />

Bereich in Frage, damit Bearbeitungszeiten für Anträge<br />

usw. herabgesetzt würden.<br />

Viertens:<br />

Bildung bleibt das Fundament unserer<br />

Wissensgesellschaft<br />

Lange Zeit war unser Bildungssystem das bevorzugte<br />

Spielfeld von Gesellschaftsveränderern verschiedenster<br />

Couleur: Heute müssen wir erkennen, dass es als Spielmasse<br />

viel zu kostbar ist. Wir haben hierzulande Gerechtigkeit<br />

mit Gleichheit verwechselt.<br />

Bildung ist besser als Dummheit, ist aber auch nicht<br />

zum Nulltarif zu haben: If you think that education is<br />

expensive – try ignorance! Ich bin sicher, dass die Einführung<br />

einer Studiengebühr langfristig sowohl die Effizienz<br />

eines Studiums erhöhen als auch unsere bewährte<br />

duale Ausbildung noch weiter aufwerten wird. Natürlich<br />

muss – zum Beispiel durch Darlehens- und Stipendienprogramme<br />

– qualifizierte Bildung für alle zugänglich<br />

bleiben.<br />

Bildungspolitik beginnt bekanntermaßen nicht erst<br />

an den Universitäten. Eine solide Schulbildung und eine<br />

gute Berufsausbildung bleiben das Fundament unserer<br />

Wissensgesellschaft, die das Treibmittel unserer Wirtschaft<br />

erzeugt: Innovationen.<br />

Fünftens:<br />

Konkurrenzfähige Energiepreise durch Energie-Mix<br />

Damit wir diese Innovationen auch umsetzen können,<br />

sind wir auf konkurrenzfähige Energiepreise angewiesen.<br />

Noch gibt es 30 Prozent Strom aus Kernenergie,<br />

der allerdings in den nächsten Jahren ersetzt werden<br />

soll. Die Zukunft liegt im Dunkeln: Auch die ehrgeizigsten<br />

Offshore-Pläne werden nicht mehr als zehn Prozent<br />

des deutschen Energiebedarfs decken können.<br />

Mit uns konkurrierende Schwellenländer setzen folgerichtig<br />

auf eigene Rezepte und auf einen ausgewogenen<br />

Mix aus allen Energieträgern. Das sollten auch wir<br />

tun, und zwar einschließlich Kernenergie!<br />

Nach der hoffnungsvoll gestarteten Liberalisierung<br />

der Strommärkte, die vielen Unternehmen ab der<br />

zweiten Hälfte der neunziger Jahre endlich konkurrenzfähige<br />

Preise bescherte, stehen wir heute wieder am<br />

Ausgangspunkt. Die Verteuerung der Primärenergie<br />

(Kohle, Öl, Gas) sowie Subventionen für regenerative<br />

Energien haben die Preise massiv in die Höhe getrieben.<br />

Das Strom-Oligopol funktioniert besser denn je.<br />

Für alle energieintensiven Industrien stellt sich damit<br />

die Frage, ob wir in Deutschland weiter produzieren<br />

können.<br />

Sechstens:<br />

Wir müssen gegen Schwarzarbeit angehen<br />

In diesem Zusammenhang betrachten viele das „Steuer-<br />

oder Gesundheitssystem“ nur am Rande, dabei ist es<br />

das zentrale Thema. Denn es gibt Bereiche in Deutschland,<br />

die kräftig und sogar recht eindrucksvoll wachsen,<br />

zum Beispiel die so genannte Schattenwirtschaft.<br />

Schwarzarbeit ist Verrat an uns allen. Im Jahr 2003<br />

erreichte sie ein Volumen von 370 Milliarden Euro. Sie<br />

hat längst ungeahnte Dimensionen angenommen – der<br />

Bundeshaushalt im gleichen Jahr betrug nur rund 260<br />

Milliarden Euro. Das Schlimme daran: Das gesamte illegal<br />

geleistete Arbeitsvolumen entspricht nach seriösen<br />

Berechnungen mittlerweile 5,5 Millionen Arbeitsplätzen<br />

– und damit mehr, als wir derzeit Arbeitslose haben!<br />

Siebtens:<br />

Entlastung der Arbeit von arbeitsfremden<br />

Sozialbeiträgen<br />

Der Faktor Arbeit wird sich auch in Deutschland wieder<br />

rechnen, wenn er künftig nur noch mit den Sozialbeiträgen<br />

belastet wird, die direkt mit der Ausübung der<br />

Tätigkeit zu tun haben. Rente und Gesundheit müssen<br />

deshalb stärker auf ein Kapitalmodell umgestellt werden.<br />

glück auf · 1/2005 ............ 2

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