Dialog - Franziskaner Mission
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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011 — <strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen<br />
<strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011<br />
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»Verrückt, dieses Deutschland!«<br />
Was Bolivianer und Deutsche voneinander lernen können<br />
Philipp Bolik, 19, stammt aus<br />
Germering bei München. Nach<br />
seinem Abitur hat er ein Jahr in der<br />
bolivianischen Kleinstadt Concepción<br />
verbracht und dort im Rahmen des<br />
»weltwärts«-Freiwilligendienstes bei<br />
den <strong>Franziskaner</strong>n mitgearbeitet.<br />
Seine Hauptaufgaben bestanden<br />
darin, die Partnerschaft zwischen der<br />
Katholischen Landjugendbewegung<br />
in Bayern und der Jugend in Bolivien<br />
zu vertiefen sowie die Jugendlichen<br />
von Concepción an den Umgang<br />
mit dem Computer heranzuführen.<br />
Dazu gehörte die Einrichtung eines<br />
Internetcafés und eines Jugendkinos.<br />
Auszüge aus Briefen, die er während<br />
dieser Zeit nach Hause geschrieben<br />
hat, spiegeln seine Erfahrung wider,<br />
dass beide Kulturen, die deutsche und<br />
die bolivianische, ihre Faszination<br />
haben – und dass die Menschen aus<br />
beiden Teilen der Welt voneinander<br />
lernen können.<br />
Einige Monate nach meiner<br />
Ankunft in Bolivien habe ich<br />
bereits einige Erfahrungen<br />
gesammelt und fühle mich der<br />
ganzen südamerikanischen Kultur<br />
gar nicht mehr so fremd. Die<br />
schlimmsten »Durststrecken«<br />
waren bisher immer mit einer<br />
Krankheit verbunden. Wenn<br />
man körperlich in schlechter<br />
Verfassung ist, hat man oftmals<br />
auch keinen Nerv für die<br />
»Macken« der anderen. Und<br />
die fallen einem neben den<br />
faszinierenden Seiten an einer<br />
anderen Kultur eben auch auf.<br />
Zurzeit bin ich intensiv mit der<br />
Vorbereitung für den Austausch<br />
zwischen der Katholischen Landjugendbewegung<br />
in Bayern und<br />
acht Jugendlichen aus Bolivien<br />
beschäftigt.<br />
Neulich hatten wir das erste<br />
Vorbereitungsseminar hier in<br />
Concepción. Wir haben dabei<br />
über Deutschland, Bolivien und<br />
die kulturellen Unterschiede<br />
zwischen beiden Ländern<br />
»In Deutschland ist man pünktlich«: Mauro, der die Neuigkeiten der Pfarrei übers Radio in die abgelegenen<br />
Dörfer sendet, war beim Weltjugendtag in Köln dabei und fand damals so manches seltsam.<br />
gesprochen, und ich habe dabei<br />
meinen bolivianischen Freunden<br />
die ersten Grundkenntnisse in<br />
Deutsch vermittelt. Lucas kann<br />
jetzt schon recht gut »Verzeihung<br />
bite wo is das Badd« sagen.<br />
Abends werde ich mittlerweile<br />
immer mit einem freundlichen<br />
»Gute Nackt« verabschiedet.<br />
Typisch deutsch!<br />
Als wir über Deutschland<br />
gesprochen haben, erfuhr ich,<br />
was die Teilnehmer des Seminars<br />
mit Deutschland verbinden.<br />
Eine kleine Auswahl: viele Autos,<br />
entwickelte, supergroße, wunderbare<br />
Städte, viele Einwohner,<br />
attraktive Deutsche (), Leute<br />
mit goldenem Haar und heller<br />
Haut.<br />
Mauro, der Mann von<br />
unserem Gemeinde-Radio, der<br />
fast alles kann und der schon<br />
beim Weltjugendtag 2005 in<br />
Köln mit von der Partie war, hat<br />
uns dann noch seine Eindrücke<br />
von Deutschland geschildert.<br />
Er meinte, die Deutschen seien<br />
direkter, unabhängiger, solidarischer,<br />
ordentlicher, systematischer,<br />
strikter, aber auch<br />
einsamer. Er fand es höchst<br />
befremdlich, dass er ein paar<br />
Stunden allein in einem Haus<br />
war. Ohne Kinder, ohne Großmutti,<br />
ohne Frau, die die Wäsche<br />
wäscht und kocht, ohne Hunde,<br />
ohne Hühner …<br />
In Deutschland kann man<br />
dem Busfahrer auch nicht einfach<br />
sagen, wo er anhalten soll, sondern<br />
es gibt feste Bushaltestellen.<br />
Verrückt, dieses Deutschland.<br />
Als Hauptratschlag gab Mauro<br />
den anderen mit auf den Weg,<br />
jetzt schon mal anzufangen, ihre<br />
Pünktlichkeit zu »trainieren« …<br />
Absage mit einem Lächeln<br />
Ich fühle mich sehr wohl hier,<br />
aber manchmal ärgere ich mich<br />
auch. Zum Beispiel, wenn ich<br />
daran denke, dass ich vor vier<br />
Monaten einen Fußschemel zum<br />
Gitarre spielen bestellt habe.<br />
Jeden Tag bin ich in die Werkstätten<br />
gegangen, um nach dem<br />
Fortschritt zu fragen, und mir<br />
wurde jeden Tag mit einem großen<br />
»Hola Felipe! Cómo estás«<br />
(»Hallo Philipp, wie geht’s«) und<br />
einem breiten Lächeln gesagt, ich<br />
solle am nächsten Tag wiederkommen.<br />
Nach zwei Wochen hab<br />
ich’s aufgegeben. Jetzt dienen<br />
mir eine Bibel und ein Stück Holz<br />
dazu, meinen Fuß zu stützen. Auf<br />
ein Schachspiel warte ich auch<br />
schon zwei Monate.<br />
Warum machen das die<br />
Bolivianer Warum sagen sie<br />
nicht einfach: »Für deine lustigen<br />
Ideen mit Fußschemel und<br />
Schachspiel haben wir einfach<br />
keine Zeit oder Lust.« Ich glaube,<br />
es liegt daran: Für Bolivianer<br />
bedeutet eine direkte Absage<br />
einen herben Gesichtsverlust für<br />
den Bittsteller. Dieses Aufschieben<br />
beziehungsweise diese Form der<br />
indirekten Absage (»otro día« –<br />
»ein andermal« oder »mañana«<br />
– »morgen«) dient dazu, dem<br />
anderen seinen Respekt zu erweisen<br />
und die Harmonie nicht zu<br />
gefährden. Für Deutsche ist das<br />
eher befremdlich, sie sind direkter<br />
und formulieren ihre Anliegen<br />
offener. Aber mittlerweile komme<br />
ich mit dieser Art ganz gut klar.<br />
Man muss es einfach wissen.<br />
Was wir voneinander<br />
lernen können<br />
Faszinierend finde ich: Die<br />
Bolivianer aus dem Tiefland sind<br />
immer entspannt. Sie genießen<br />
den Moment. Zeit ist hier nicht<br />
Geld, sondern einfach da, und an<br />
morgen wird erst über morgen<br />
gedacht. Die Menschen hier<br />
leben einfach und glücklich,<br />
obwohl sie sehr arm sind. Ich<br />
frage mich deshalb: Können<br />
Mittelseite<br />
»Der eine Geist und die Vielfalt der Religionen«<br />
war das Thema einer Indienreise,<br />
die Pater Francis Kaviyil von der <strong>Mission</strong>szentrale<br />
der <strong>Franziskaner</strong> in Bonn Anfang<br />
des Jahres 2011 mit einer Pilgergruppe aus<br />
Deutschland durchgeführt hat. Es kam zu<br />
vielfältigen interkulturellen Begegnungen<br />
wir Europäer nicht ganz viel von<br />
ihnen lernen Es gibt zwar einige<br />
Lebensbereiche, die in Deutschland<br />
ganz klar weiter entwickelt<br />
sind: das Gesundheitswesen, die<br />
Art der Ernährung, die Bildung,<br />
die Infrastruktur, das politische<br />
System und die Wirtschaft. Aber<br />
was das Wir-Gefühl angeht, der<br />
Zusammenhalt in den Familien,<br />
die Gelassenheit in allen<br />
Lebenslagen oder der gelebte<br />
Glaube im Alltag: Hier könnten<br />
wir Nordeuropäer sicher ganz<br />
viel »Entwicklungshilfe« von den<br />
Lateinamerikanern brauchen.<br />
Ich bin mir sicher, dass der<br />
Austausch von deutschen und<br />
bolivianischen Jugendlichen<br />
beim Weltjugendtag in Madrid<br />
eine wertvolle Erfahrung für<br />
beide Parteien wird und dass<br />
wir Deutschen genauso viel<br />
von den Bolivianern wie diese<br />
von uns lernen können.<br />
Philipp Bolik<br />
Philipp Bolik ist Ende Juli 2011 von seinem<br />
einjährigen »weltwärts«-Freiwilligendienst<br />
bei den <strong>Franziskaner</strong>n in Concepción,<br />
Bolivien, zurückgekehrt. Ab dem kommen<br />
den Wintersemester wird er an der<br />
TU München Bauingenieurwesen studieren.<br />
»Verzeihung bite wo is das Badd« – Deutschunterricht mit Philipp Bolik<br />
Jugendliche im neu eingerichteten Internetcafé von Concepción<br />
zwischen der deutschen Reisegruppe und<br />
der indischen Bevölkerung. Auch ein interreligiöses<br />
Podiumsgespräch in Neu Delhi<br />
stand auf dem Programm. Eine ähnliche Reise<br />
ist vom 5. Januar bis 27. Januar 2012 geplant.<br />
Nähere Informationen bei P. Francis unter<br />
Tel. 02 28/9 53 54 31. >><br />
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