Dialog - Franziskaner Mission
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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011 — <strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen<br />
<strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011<br />
Unter einem Dach<br />
Friedliches Zusammenleben in Ostafrika<br />
Nairobi, die Hauptstadt Kenias, gilt als<br />
Drehscheibe Ostafrikas. Mit drei Millionen<br />
Einwohnern zeigt sie internationales<br />
Gepräge und starke Gegensätze<br />
zwischen Arm und Reich: modernste<br />
Hochhäuser im Zentrum und etliche<br />
Elendsviertel an der Peripherie.<br />
Eine Statistik der Bevölkerung<br />
Ostafrikas zählt 53,3 % Christen,<br />
34,5 % Muslime und 12,2 % Mitglieder<br />
anderer Religionen. Sie alle haben ihre<br />
Kirchen, Moscheen oder Tempel und<br />
leben weitgehend friedlich miteinander,<br />
wie der folgende Beitrag von<br />
Ostafrika-<strong>Mission</strong>ar Heinrich Gockel<br />
zeigt.<br />
Eines Tages besuchte mich Herr<br />
Fernandes, Inder und Mitglied<br />
der Theosophischen Gesellschaft<br />
Nairobis und fragte: »Können<br />
Sie uns einen Vortrag über<br />
Franziskus und seinen Sonnengesang<br />
halten« Er informierte<br />
mich über Ziele und Mitglieder<br />
der Gemeinschaft: »Wir wollen<br />
Selbstlosigkeit und Nächstenliebe<br />
fördern und sind offen für<br />
alle Menschen, ohne Unterscheidung<br />
von Rasse, Nationalität,<br />
Glauben oder Geschlecht.«<br />
Gern nahm ich die überraschende<br />
Einladung an und<br />
machte mich an dem vereinbarten<br />
Abend auf den Weg in das<br />
Zentrum in Parklands. An der<br />
Toreinfahrt stand das Hinweisschild:<br />
»Theosophical Society<br />
of Kenya«. An den Wänden des<br />
Vortragssaales hingen große<br />
Porträts ihrer Gründer, ferner<br />
die Symbole der Weltreligionen,<br />
darunter auch das Kreuz und<br />
der Name »Jesus«.<br />
Franzsikanermissionar Hermann Borg (re) mit Guru Swami Swaroopananda in Nairobi, Kenia.<br />
Etwa 30 Teilnehmende hatten<br />
sich eingefunden: Frauen und<br />
Männer, Afrikaner, Europäer und<br />
Inder; sie waren Buddhisten,<br />
Christen, Hindus, Juden, Muslime<br />
oder Sikhs.<br />
Der Abend begann mit einer<br />
stillen Besinnung, einem gemeinsamen<br />
Gebet und einer kurzen<br />
Einführung durch den Vorsitzenden.<br />
Während des Vortrags<br />
erlebte ich aufmerksame Zuhörer.<br />
Anschließend gab es Fragen und<br />
weiterführende Kommentare.<br />
Pünktlich nach einer Stunde<br />
schloss das Treffen so, wie es<br />
begonnen hatte: mit einem<br />
gemeinsamen Gebet.<br />
Weitere Vortragsabende über<br />
die historische Begegnung zwischen<br />
Franziskus und dem Sultan,<br />
über das interreligiöse Friedens-<br />
gebet mit dem Papst und Vertretern<br />
der Weltreligionen in Assisi<br />
sowie über die Auferstehung Jesu<br />
folgten. Bei einer anderen Zusammenkunft<br />
ging es um Gebet und<br />
Meditation in den verschiedenen<br />
Religionen, wobei eine Inderin die<br />
islamische, eine Engländerin die<br />
buddhistische und ich die christliche<br />
Sicht darstellte.<br />
Alle Abende waren bereichernde<br />
Begegnungen mit den<br />
Werten und Überzeugungen<br />
anderer Religionen. Sie öffneten<br />
mir den Blick über meine<br />
gewohnten Grenzen hinweg und<br />
machten mir wieder einmal deutlich,<br />
dass wir <strong>Franziskaner</strong> nicht<br />
für uns selbst da sind, sondern<br />
für die anderen. Und zu diesen<br />
anderen zählen eben auch die<br />
anderen Religionen.<br />
Gegenseitige Hilfe<br />
Gelungene Beispiele friedlichen<br />
Miteinanders bezeugen auch folgende<br />
vier Berichte aus Ostafrika.<br />
Bruder Juvenal, ein junger<br />
<strong>Franziskaner</strong> aus Ruanda, der in<br />
Uganda sein Noviziat gemacht<br />
und in Nairobi Theologie studiert<br />
hat, erinnert sich:<br />
»In Mbarara (Uganda) hatten<br />
wir muslimische Nachbarn.<br />
Einige kamen manchmal zu uns<br />
in den Konvent zum Essen. Wenn<br />
wir Hilfe brauchten, haben wir sie<br />
erhalten. Es gab kein Misstrauen<br />
zwischen uns; die Begegnungen<br />
waren freundlich.<br />
In Nairobi erteilte ich während<br />
des Theologiestudiums<br />
Firmunter richt. Der Vater eines<br />
Firmlings war Muslim. Jedes Mal,<br />
wenn ich die Familie besuchte,<br />
wurde ich von beiden Eltern<br />
freundlich aufgenommen. Sie<br />
schätzten mich als <strong>Franziskaner</strong><br />
und meinen Einsatz als Katechet.<br />
Der Vater sagte, es sollte keine<br />
Feindschaft geben zwischen<br />
Muslimen und Christen, da<br />
wir alle an denselben Gott und<br />
Schöpfer glauben.<br />
Auch in Ruanda habe ich<br />
nie von Spannungen zwischen<br />
Christen und Muslimen gehört.<br />
In Schulen und Universitäten sind<br />
Studierende beider Glaubensgemeinschaften<br />
vertreten, die<br />
Beziehungen sind unkompliziert<br />
und herzlich. Wenn es Schwierigkeiten<br />
gibt, ist die Grundlage<br />
selten religiöser Natur. Muslime<br />
und Katholiken besuchen<br />
gemeinsam Krankenhäuser oder<br />
Gefängnisse. Da beide Gemeinschaften<br />
an ein Leben nach dem<br />
Tod glauben, sind sie überzeugt:<br />
Man kommt nicht wegen der<br />
Religion in den Himmel, sondern<br />
wegen praktizierter Nächstenliebe.«<br />
Gemeinsame Feste<br />
George, Student aus Tansania,<br />
berichtet: »Ich wurde in Bukoba<br />
geboren und wuchs in meiner<br />
Nachbarschaft zusammen mit<br />
Muslimen und Lutheranern auf.<br />
Wann immer ein Fest gefeiert<br />
wurde, luden wir uns gegenseitig<br />
zum Essen ein: Wir gingen zu<br />
unseren muslimischen Nachbarn<br />
zum Fastenbrechen (›Id-ul-Fitr‹)<br />
und sie kamen an Weihnachten<br />
oder Ostern zu uns. Wir nahmen<br />
auch gemeinsam an Hochzeiten<br />
und Beerdigungen teil, ohne<br />
nach der Religionszugehörigkeit<br />
zu fragen. Allgemein hieß es:<br />
›Es gibt einen Gott und verschiedene<br />
Religionen.‹<br />
Mein Vater war Schulleiter<br />
an einer muslimischen Schule<br />
und legte genauso großen Wert<br />
da rauf, dass die musli mischen<br />
Schüler am Freitagsgebet teilnahmen,<br />
wie darauf, dass die<br />
katholischen Schüler den Sonntagsgottesdienst<br />
mitfeierten.«<br />
Schwester Florence, kenianische<br />
<strong>Franziskaner</strong>in, arbeitet<br />
seit einigen Jahren in Tansania<br />
und bestätigt die gegenseitige<br />
Verbundenheit der verschiedenen<br />
Glaubensgemeinschaften auch<br />
dort: »In Tansania leben Christen<br />
und Muslime in Harmonie<br />
zusammen; Krankenhäuser sind<br />
unterschiedslos für alle da; jeder<br />
hat ein Recht auf Arbeit und wird<br />
angestellt je nach Qualifikation.<br />
Frauen kleiden sich oft so, dass<br />
man nicht sieht, wer Christin<br />
oder Muslimin ist. Und an großen<br />
kirchlichen Anlässen, wie<br />
zum Beispiel einer katholischen<br />
Bischofsweihe, nehmen auch<br />
Muslime selbstverständlich teil.«<br />
Religiöser <strong>Dialog</strong> in der Familie<br />
Dr. Peter Tindo, <strong>Franziskaner</strong> aus<br />
dem Sudan, schreibt: »Ich wurde in<br />
eine Gemeinschaft mit vielen Kulturen<br />
und Religionen hineingeboren.<br />
Man findet bei uns nicht selten in<br />
einer Familie Christen, Animisten<br />
und Muslime unter einem Dach. In<br />
einer Familie kann ein Ehepartner<br />
Christ und der andere Muslim sein,<br />
auch die Kinder können verschiedenen<br />
Religionen angehören. Auf<br />
diese Weise wird in vielen Familien<br />
der <strong>Dialog</strong> konkret praktiziert und<br />
gelebt.«<br />
Gesellschaftliche<br />
Herausforderungen<br />
Diese Zeugnisse aus Kenia,<br />
Tansania, Uganda, Ruanda und<br />
dem Sudan zeigen: Friedliches<br />
Zusammenleben von Christen,<br />
Muslimen und Angehörigen anderer<br />
Religionen ist möglich und wird<br />
in diesen afrikanischen Ländern<br />
gelebt. Jedoch gibt es – trotz<br />
aller Erfolge – immer wieder auch<br />
Herausforderungen hinsichtlich<br />
religiöser Toleranz und Chancengleichheit<br />
für alle. Diese müssen<br />
offen und fair angegangen werden,<br />
um religiösen und sozialen Frieden<br />
in Ostafrika dauerhaft zu bewahren.<br />
Heinrich Gockel ofm<br />
Pater Heinrich ist Mitarbeiter der <strong>Franziskaner</strong><br />
<strong>Mission</strong> mit Schwerpunkt Afrika. Er was 21<br />
Jahre als <strong>Mission</strong>ar in Kenia tätig.<br />
Interreligiöses Treffen mit Vertretern der franziskanischen Familie und muslimischen Scheichs in Nairobi<br />
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