Dialog - Franziskaner Mission
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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011 — <strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen<br />
<strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011<br />
Japaner in Brasilien<br />
Gegenseitige Wertschätzung zweier Kulturen<br />
<strong>Franziskaner</strong> in Marokko<br />
Leben unter Muslimen<br />
18<br />
Shintoistenpriesterin bei einem japanischen Fest in<br />
Curitiba, Paraná, Brasilien<br />
Vor 100 Jahren kamen die ersten<br />
Japaner nach Brasilien: auf der Suche<br />
nach Arbeit und einer neuen Heimat.<br />
Gut die Hälfte von ihnen ließ sich<br />
taufen, so dass es heute in Brasilien<br />
mehr katholische Japaner gibt als in<br />
Japan selbst. Wenn viele von ihnen<br />
nun auf der Suche nach Arbeit die<br />
Reise in die umgekehrte Richtung<br />
antreten, bringen sie ihren Glauben<br />
mit nach Japan. Und prägen dort das<br />
Gesicht der Kirche.<br />
Als <strong>Franziskaner</strong> stehe ich<br />
zusammen mit meinen Mitbrüdern<br />
natürlich ganz besonders<br />
in dieser Tradition. Mein Leben<br />
und Wirken ist von der täglichen<br />
Begegnung mit Menschen<br />
aus einem anderen Kulturkreis<br />
geprägt. Ich bin in der brasilianischen<br />
Japaner-Seelsorge tätig,<br />
einem gemeinnützigen Verein, der<br />
es sich zur Aufgabe gemacht hat,<br />
Japanern und japanisch-stämmigen<br />
Brasilianern zur Seite zu stehen.<br />
Priester, Ordensleute und Laien<br />
verrichten ihren Dienst in diesem<br />
Verein Hand in Hand.<br />
Wertschätzen und<br />
geschätzt werden<br />
Es gibt viele Japaner in Brasilien. Die<br />
ersten kamen am 18. Juni 1908 hier<br />
an, inzwischen leben rund anderthalb<br />
Millionen Menschen aus Japan<br />
oder mit japanischen Vorfahren in<br />
unserem Land. Mehr als die Hälfte<br />
von ihnen ist getauft, so dass es jetzt<br />
mehr katholische Japaner in Brasilien<br />
gibt als in Japan. In Japan selbst sind<br />
es nämlich nur gut 400.000.<br />
Die Japaner leisten einen wichtigen<br />
Beitrag zur brasilianischen<br />
Gesellschaft. Sie sind ein Vorbild an<br />
Fleiß, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit.<br />
Ihr Lebensstil unterscheidet sich<br />
von dem brasilianischen in vielerlei<br />
Hinsicht: intellektuell und kulturell<br />
ebenso wie in Bezug auf Kunst und<br />
Politik. Die Japaner schätzen ihr<br />
Leben in Brasilien sehr – und werden<br />
auch von den Brasilianern sehr<br />
geschätzt.<br />
Gegenseitiger Respekt<br />
In Brasilien sind 29 Priester in der<br />
Seelsorge für die japanischstämmige<br />
Bevölkerung tätig. Einige der Seelsorger<br />
haben selbst japanische<br />
Vorfahren, andere sind Brasilianer,<br />
und ein Franzose ist auch mit<br />
dabei. Außerdem unterstützen<br />
uns 94 Ordensschwestern.<br />
Es gibt auch viele Brasilianer, die<br />
nach Japan gehen, um dort Geld zu<br />
verdienen, die sogenannten »Dekasseguis«.<br />
Diese in Brasilien übliche<br />
Bezeichnung leitet sich aus den beiden<br />
japanischen Verben »deru« und<br />
»kassegu« ab und bedeutet soviel<br />
wie »weit von zu Hause weggehen,<br />
um zu arbeiten«. Sie werden in Japan<br />
von elf brasilianischen Priestern und<br />
einigen Ordensschwestern begleitet.<br />
Das japanische Stadtviertel Liberdade in São Paulo<br />
Viele Japaner pflegen auch hier in<br />
Brasilien weiter ihre religiösen Bräuche.<br />
Sie sagen: »Japaner in Japan sind<br />
Buddhisten, Japaner in Brasilien: Katholiken.«<br />
In unserem Land werden die<br />
verschiedenen Religionen und Konfessionen<br />
in stillschweigendem gegenseitigen<br />
Respekt praktiziert, und man<br />
tut viele Dinge gemeinsam. Wir haben<br />
zum Beispiel alle den 100. Geburtstag<br />
der Ankunft der ersten Japaner<br />
in Brasilien gefeiert, und überhaupt<br />
sind Feste aller Art immer eine gute<br />
Gelegenheit zur Begegnung.<br />
Alécio Broering ofm<br />
Bruder Alécio ist Mitglied der brasilianischen<br />
<strong>Franziskaner</strong>provinz. Er hat drei Jahre in Japan<br />
studiert und war 20 Jahre Präsident der brasilianischen<br />
Japaner-Seelsorge.<br />
Japanplatz in Curitiba, Paraná, Brasilien<br />
Schule für Kinder mit Down-Syndrom<br />
Der <strong>Dialog</strong> mit den Muslimen<br />
gehört zum franziskanischen<br />
Charisma, zum franziskanischen<br />
Auftrag. Die Wurzel dieser guten<br />
Tradition liegt in der Begegnung<br />
zwischen dem Sultan und Franziskus<br />
im Jahr 1219, der daraufhin<br />
einige seiner Mitbrüder nach<br />
Marokko schickte, um dort mit den<br />
Muslimen zu leben. Dass Franziskus<br />
dies nicht als vorübergehenden,<br />
sondern als dauerhaften Auftrag<br />
ansah, lässt sich aus der Tatsache<br />
schließen, dass er ganz konkrete<br />
Kriterien dafür festlegte, wie das<br />
Leben seiner Mitbrüder in einer<br />
muslimischen Umwelt aussehen<br />
sollte.<br />
<strong>Dialog</strong> als Auftrag der Kirche<br />
Welche Bedeutung dem interreligiösen<br />
<strong>Dialog</strong> in der jüngeren Geschichte<br />
beigemessen wird, zeigen neben den<br />
Dokumenten des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils die Antrittsenzyklika<br />
»Ecclesiam Suam« von Papst Paul VI.<br />
aus dem Jahr 1964 sowie das Friedensgebet<br />
1986 von Papst Johannes Paul II.<br />
mit Vertretern der Weltreligionen in<br />
Assisi. Der interreligiöse <strong>Dialog</strong> muss als<br />
eins der größten Anliegen der Kirche<br />
angesehen werden. Es ist wichtig, dass<br />
sich Vertreter verschiedener Religionen<br />
und Konfessionen über wichtige Fragen<br />
von Glaube und Gesellschaft ausein-<br />
andersetzen – und dass sie ihr gemeinsames<br />
Streben nach einem guten, friedlichen,<br />
solidarischen Leben für alle auch<br />
im gemeinsamen Gebet zum Ausdruck<br />
bringen. Dass als Ort für dieses Treffen<br />
Assisi gewählt wurde, unterstreicht die<br />
Bedeutung von Franziskus und seinen<br />
Ordensbrüdern als Friedensapostel.<br />
Glaubhaft Zeugnis ablegen<br />
Die franziskanische <strong>Mission</strong> in Marokko<br />
ist dem Geist von Assisi ganz dicht auf<br />
der Spur. Kürzlich hat sie noch einmal<br />
ganz neue Aktualität erlangt. Die Enzyk<br />
lika »Redemptoris Missio« (RM 55-77)<br />
und das Dokument »<strong>Dialog</strong> und Verkündigung«<br />
unterstreichen das Gewicht<br />
des interreligiösen <strong>Dialog</strong>s in der Sendung<br />
der Kirche als »Weg in Richtung<br />
Reich Gottes«. Es ist manchmal ein<br />
schwieriger Weg, wie auch im Falle der<br />
<strong>Mission</strong> in Marokko. Aber es ist »der<br />
einzige Weg, glaubhaft Zeugnis abzulegen<br />
für Christus und einen großen<br />
Dienst an den Menschen zu vollbringen«<br />
(RM 57). Die <strong>Mission</strong> in Marokko<br />
ist eine vielleicht kleine, aber doch<br />
reale Brücke zwischen Christentum und<br />
Islam, zwischen Katholiken und Muslimen,<br />
zwischen Orient und Okzident.<br />
Das Evangelium<br />
ins Leben übersetzen<br />
<strong>Franziskaner</strong> versuchen, unter den Menschen,<br />
die dem Islam folgen, lebendiges<br />
Evangelium zu sein. Seit den Tagen<br />
des heiligen Franziskus besteht ihre<br />
Sendung darin, dem Evangelium Leben<br />
zu verleihen: durch ihr Da- und Mitsein<br />
für die Menschen, durch ihr Tun, durch<br />
ihre Predigt.<br />
Die <strong>Mission</strong> in Marokko beruht auf<br />
einem für die Mitmenschen geöffneten<br />
Herzen. Sie beruht auf einem von<br />
Respekt und Liebe geprägten Gebet,<br />
das vom Leben übersetzt wird. Und sie<br />
beruht auf einem <strong>Dialog</strong>, der auf einem<br />
tiefen Glauben basiert.<br />
Normalerweise äußern sich all<br />
diese Aufgaben nicht auf glänzende,<br />
besonders hervorstechende Weise.<br />
Meistens besteht die Herausforderung<br />
darin, einen ganz bescheidenen Dienst<br />
zu leisten an Menschen, die beherbergt<br />
werden möchten, die jemanden<br />
suchen, der ihnen zuhört oder der sie<br />
begleitet.<br />
Durch ihre Art, unter Muslimen<br />
zu leben, machen die <strong>Franziskaner</strong><br />
die lebendige Gegenwart Christi und<br />
seiner Kirche sichtbar. Daher ist die<br />
<strong>Mission</strong> in Marokko vor allem für die<br />
Armen da. Arm sind die Menschen, die<br />
von der <strong>Mission</strong> profitieren, und arm<br />
sind in der Regel auch die, zu denen<br />
die <strong>Mission</strong> in Verbindung tritt.<br />
Diese <strong>Mission</strong> ist das Abbild<br />
eines Bruders, der zwischen anderen<br />
Menschen durch die Welt geht. In<br />
diesem Fall handelt es sich um einen<br />
Weg durch ein Land der sogenannten<br />
Dritten Welt. Marokko ist komplett<br />
vom Islam geprägt, die Kirche ist<br />
dort eine Fremde. Angesichts ihrer<br />
ökonomischen, politischen, sozialen<br />
und religiösen Bedeutungslosigkeit<br />
wird sie in dem nordafrikanischen<br />
Staat bestenfalls toleriert. Und doch:<br />
Der heilige Franziskus schickte seine<br />
Mitbrüder unter die Muslime, um auch<br />
sie die Liebe Gottes, die Christus gelebt<br />
und gepredigt hat, erfahren zu lassen.<br />
Sich hierfür einzusetzen, ist Auftrag der<br />
<strong>Franziskaner</strong> bis heute.<br />
Jorge Lázaro de Souza ofm<br />
Bruder Jorge ist brasilianischer <strong>Franziskaner</strong> und<br />
hat viele Jahre in Marokko gelebt.<br />
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