Dialog - Franziskaner Mission
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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011 — <strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen<br />
<strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011<br />
Die Botschaft von Assisi<br />
Christen wollen Werkzeuge des Friedens sein<br />
Für eine gute Zukunft aller Menschen auf der Welt: Friedensgebet 1986 in Assisi<br />
An die Adresse von 60 christlichen<br />
Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften<br />
und Weltreligionen gerichtet, vermittelt<br />
uns die Rede von Papst Johannes<br />
Paul II. beim ersten großen ökumenischen<br />
Friedensgebet im Jahr 1986<br />
eine klare Vorstellung von dem wahren<br />
Geist von Assisi. Er sagte damals:<br />
»Zum ersten Mal in der<br />
Geschichte sind wir zusammengekommen,<br />
um – jede und jeder<br />
auf seine Weise – an jenem Ort zu<br />
Zeugen des Friedens zu werden,<br />
an dem der heilige Franziskus<br />
uns ein Beispiel hierfür gegeben<br />
hat ... Allein die Tatsache, dass<br />
wir aus verschiedenen Teilen der<br />
Welt nach Assisi gekommen sind,<br />
ist schon ein Zeichen für den<br />
gemeinsamen Weg, auf den die<br />
Menschheit gerufen ist. Entweder<br />
wir lernen, in Frieden und Harmonie<br />
zusammenzugehen, oder wir<br />
treiben auseinander und ruinieren<br />
uns selbst und die anderen.«<br />
Was war der Auslöser für dieses<br />
historische Ereignis Was hat<br />
Johannes Paul II. dazu bewogen,<br />
ausgerechnet Assisi für dieses<br />
Treffen zu wählen Was genau<br />
geschah während der Veranstaltung<br />
Was hat sich seitdem in<br />
Sachen Frieden getan Was ist<br />
von dem kommenden Treffen<br />
am 27. Oktober 2011 zu erwarten<br />
Und was hat das alles mit<br />
unserem eigenen Leben zu tun<br />
Lassen Sie uns diese Fragen kurz<br />
im Licht des Evangeliums und<br />
des franziskanischen Auftrags<br />
beantworten.<br />
Beweggründe<br />
Vielleicht waren es vier Gründe,<br />
die Johannes Paul II. dazu geführt<br />
haben, zu dem Treffen 1986 in<br />
Assisi einzuladen: 1. die aktuelle<br />
gewaltsame Zerrissenheit der<br />
Welt, 2. der prophetische Appell<br />
zu Frieden und Versöhnung des<br />
Zweiten Vatikanischen Konzils,<br />
3. das prophetische Zeugnis des<br />
heiligen Franziskus und 4. das<br />
Wirken des Heiligen Geistes.<br />
Vorgeschichte<br />
In der Zeit vor besagtem Oktober<br />
1986 erlebte der Papst eine Welt,<br />
die von kultureller, religiöser,<br />
politischer und wirtschaftlicher<br />
Gewalt heimgesucht wurde. In<br />
seinem eigenen Heimatland Polen<br />
erwachte die Freiheitsbewegung<br />
»Solidarität«, die gewaltsam<br />
unterdrückt wurde. Krieg und<br />
Gewalt herrschten in Nordirland,<br />
im Sudan, in Zentral- und Südafrika,<br />
auf den Philippinen, in<br />
Indien, Pakistan, Afghanistan,<br />
Tibet und anderswo auf der Welt.<br />
Eine steigende Anzahl nuklearer<br />
Tests führte Anfang und Mitte<br />
der 1980er Jahre zu Spannungen<br />
zwischen den Ost- und Westmächten.<br />
Der blutige Konflikt<br />
zwischen Israelis und Palästinensern<br />
ließ zahlreiche unschuldige<br />
Opfer beklagen. In Lateinamerika<br />
herrschte in vielen Ländern<br />
politische Gewalt, die Menschenrechte<br />
wurden mit Füßen getreten.<br />
Johannes Paul II. erlebte also<br />
eine Welt, die zielstrebig auf ihre<br />
Selbstzerstörung zusteuerte. In<br />
diesem Umfeld einer »Kultur des<br />
Todes« spielten auch die Religionen<br />
eine unrühmliche Rolle und<br />
waren weit davon entfernt, ein<br />
positives Beispiel abzugeben.<br />
Eine wichtige Inspirationsquelle<br />
für das Treffen war sicher<br />
auch das Zweite Vatikanische<br />
Konzil mit seinen Dokumenten<br />
über die Kirche in der Welt von<br />
heute, über ihr missionarisches<br />
Wirken und über ihr Verhältnis<br />
zu den anderen Konfessionen<br />
und Religionen. Diese Erklärungen<br />
ermutigten die Kirche<br />
voran zugehen in einer Welt, die<br />
ein Beispiel an Führung, Vision,<br />
Anteilnahme und Liebe brauchte.<br />
Auf all seinen Reisen ermutigte<br />
der Papst die Christen zu ökumenischem<br />
und interreligiösem<br />
<strong>Dialog</strong> und setzte auch selbst<br />
in diese Richtung ein Zeichen,<br />
indem er sich 1986 mit dem<br />
Dalai Lama und in den Jahren<br />
darauf auch mit muslimischen<br />
und hinduistischen Führern traf,<br />
um gemeinsam nach Wegen<br />
des Friedens zu suchen.<br />
<strong>Mission</strong> des Friedens<br />
Die dritte Inspirationsquelle für<br />
den Papst war Franz von Assisi.<br />
Diese prophetische Gestalt<br />
fordert die Welt bis heute dazu<br />
heraus, Heil(ung) und Versöhnung<br />
zu verwirklichen, selbst da,<br />
wo dies auf den ersten Blick völlig<br />
unmöglich erscheint. Franziskus<br />
wurde in einer Gesellschaft<br />
groß, in der ungerechte Herrschaftsstrukturen<br />
gewaltsam<br />
aufrecht erhalten wurden. Er<br />
selbst beteiligte sich an Akten der<br />
Gewalt, die andere Menschen das<br />
Leben kosteten, bis schließlich<br />
eine innere Krise zur radikalen<br />
Umkehr seines Lebenswandels<br />
führte. Diese Krise führte ihn zu<br />
der unerschütterlichen Überzeugung,<br />
dass die <strong>Mission</strong> der Kirche<br />
eine <strong>Mission</strong> des Friedens sei.<br />
»Pax et Bonum – Friede und Heil«<br />
war von nun an seine Devise,<br />
mit der er seine Mitmenschen<br />
begrüßte, mit der er seine Briefe<br />
unterzeichnete, vor allem aber:<br />
die er fortan durch sein Leben<br />
verwirklichte. Vor diesem Hintergrund<br />
ist auch sein Einsatz zu<br />
verstehen, mit dem er während<br />
des Fünften Kreuzzuges die<br />
beiden Vertreter der verfeindeten<br />
Lager, Sultan al-Malik al-Kamil auf<br />
muslimischer Seite und Erzbischof<br />
Pelagius auf christlicher Seite,<br />
dazu aufrief, »im Namen Gottes«<br />
das sinnlose Töten zu beenden<br />
und Frieden zu schließen.<br />
Wirken des Geist Gottes<br />
Die vierte Inspirationsquelle<br />
für Johannes Paul II. stellte der<br />
Heilige Geist dar. Als der Papst<br />
die 60 Vertreter von 32 christlichen<br />
Kirchen und kirchlichen<br />
Gemeinschaften sowie von<br />
28 nicht-christlichen Religionen<br />
einlud, den dringend notwendigen<br />
<strong>Dialog</strong> über Toleranz,<br />
Vergebung, Versöhnung und<br />
Frieden aufzunehmen, war<br />
sicher auch der Heilige Geist<br />
daran beteiligt, dass sich alle<br />
Religionsvertreter gemeinsam<br />
auf den Weg machten, Liebe<br />
gegen Hass zu säen, Vergebung<br />
gegen Verletzungen, Eintracht<br />
gegen Zwietracht. Zahlreiche<br />
kirchliche Basisgruppen haben<br />
in der Folgezeit dafür gesorgt,<br />
dass den Armen und Unterdrückten<br />
Recht verschafft wird, dass<br />
Notleidende Hilfe erhalten und<br />
dass die Schöpfung bewahrt<br />
wird. Auch ihr Engagement ist<br />
sicht bares Zeichen dafür, dass<br />
der Geist Gottes auch in der<br />
Welt von heute noch wirkt.<br />
Für uns Christen und für alle<br />
Andersgläubigen stellt es eine<br />
bleibende Herausforderung dar,<br />
gemeinsam für eine Welt zu<br />
sorgen, in der alle in Gerechtigkeit<br />
und Frieden leben können.<br />
Johannes Paul II. mahnte 1986:<br />
»Frieden ist eine Aufgabe von<br />
universaler Verantwortung. Er<br />
wird in den tausend kleinen<br />
Dingen unseres alltäglichen<br />
Lebens verwirklicht – oder<br />
verspielt.«<br />
Religion und Frieden<br />
1999 lud der Papst erneut<br />
200 Vertreter von 20 verschiedenen<br />
Religionsgemeinschaften<br />
ein, um gemeinsam für den<br />
Frieden zu beten und zu fasten.<br />
Die Worte, die er bei diesem<br />
Anlass sprach, gelten für alle, die<br />
sich als Kinder Gottes verstehen:<br />
»Religion darf niemals als Vorwand<br />
für einen Konflikt genutzt<br />
werden. Wo immer Religion zur<br />
Gewalt beiträgt, wird sie missbraucht.<br />
Religion und Frieden<br />
müssen eine unzertrennliche<br />
Einheit bilden.«<br />
Friedensarbeit<br />
Wir bereiten uns auf das<br />
25- jährige Jubiläum des historischen<br />
Treffens in Assisi vor,<br />
das wir am 27. Oktober dieses<br />
Jahres feiern werden. Im Hinblick<br />
auf dieses Ereignis hat<br />
auch Papst Benedikt XVI. alle<br />
Gläubigen dazu aufgerufen,<br />
durch ihr persönliches Leben<br />
Zeugnis für den Frieden abzulegen.<br />
Mögen wir alle, die wir<br />
uns dem Wort Gottes und der<br />
Botschaft von Assisi verpflichtet<br />
fühlen, zu Werkzeugen des<br />
Friedens werden. Auf diese Weise<br />
wollen wir dazu beitragen, dass<br />
das Reich Gottes durch gelebte<br />
Versöhnung in jedem einzelnen<br />
von uns und in allen Ländern<br />
dieser Welt Wirklichkeit wird.<br />
Michael Perry ofm<br />
Bruder Michael ist stellvertretender Leiter<br />
des <strong>Franziskaner</strong>ordens.<br />
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