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Dialog - Franziskaner Mission

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011 — <strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen<br />

<strong>Dialog</strong> mit anderen Religionen und Kulturen — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 2011<br />

Das Unsagbare berühren<br />

Zen und Mystik im <strong>Franziskaner</strong>kloster Dietfurt<br />

Seit nun mehr als 30 Jahren wird in<br />

Dietfurt die Zen-Meditation gepflegt.<br />

Was in den 1970er und 1980er Jahren<br />

vielleicht noch als vorübergehende<br />

Modeerscheinung angesehen wurde,<br />

hat sich mittlerweile nachhaltig<br />

bewährt. Denn das, was in Dietfurt<br />

architektonisch gelungen ist, ein<br />

<strong>Franziskaner</strong>kloster aus dem 16. Jahrhundert<br />

mit einer im japanischen Stil<br />

erbauten Meditationshalle und Kapelle<br />

zu verbinden, das ist auch auf geistiger<br />

Ebene geglückt.<br />

Der erste große Brückenbauer<br />

zwischen Ost und West, Zen-<br />

Meditation und christlicher<br />

Mystik war der Jesuitenpater<br />

Hugo Enomiya Lassalle. Seine<br />

Arbeit wird in Dietfurt erfolgreich<br />

weitergeführt, und sie<br />

trägt auch heute weiter reiche<br />

Früchte. Hier machen sich Menschen<br />

immer wieder gemeinsam<br />

auf den Weg, um in Versenkung<br />

und Meditation, in Stille und<br />

im gemeinsamen intensiven<br />

Schweigen ihr Leben zu ordnen,<br />

zu klären. Gestärkt und neu<br />

orientiert, kehren sie dann in<br />

ihren Alltag zurück, um sich den<br />

Aufgaben ihres Lebens zu stellen.<br />

So ist das <strong>Franziskaner</strong>kloster<br />

und Meditationshaus für viele<br />

Frauen und Männer zu einer<br />

geistigen Heimat geworden, die<br />

ganz unterschiedliche Weltanschauungen<br />

mitbringen und die<br />

von verschiedenem Alter und<br />

verschiedener sozialer Herkunft<br />

sind. Gerade in der Stille, im<br />

Schweigen und in der Versenkung<br />

kommt es auch zu einem<br />

<strong>Dialog</strong> des Glaubens, so paradox<br />

das auch klingen mag. Gerade<br />

dort, wo das »Unsagbare« und<br />

das »Unfassbare« selbst berührt<br />

werden kann, wird dazu der<br />

Boden bereitet. Das möchte eine<br />

begriffliche und theologische<br />

Auseinandersetzung keinesfalls<br />

Zen-Meister Othmar Franthal bei der Meditation im <strong>Franziskaner</strong>kloster Dietfurt<br />

abwerten, mindern oder schmälern,<br />

vielmehr scheint mir diese<br />

tiefe Erfahrung des »Unfassbaren«<br />

und des »Unsagbaren« so etwas<br />

wie eine Voraussetzung für alles<br />

weitere Hinterfragen zu sein. Vor<br />

diesem Hintergrund mag auch<br />

die Zen-Praxis in Dietfurt angesehen<br />

werden.<br />

Zen als intensive Erfahrung<br />

Natürlich ist es schwer, ja geradezu<br />

unmöglich, in Begriffe zu<br />

fassen, was Zen ist bzw. welche<br />

Erfahrungen ich persönlich damit<br />

gemacht habe.<br />

Folgende Worte vermitteln<br />

jedoch möglicherweise eine<br />

Ahnung, in welche Richtung es<br />

gehen kann: Geh in die Stille,<br />

und Du wirst Dich dort finden<br />

... Geh zu Dir, und Du wirst Gott<br />

dort finden ... Geh zu Gott, und<br />

Du wirst Dich mitten in der Welt<br />

wieder finden ...!<br />

Zen ist ja nichts anderes als<br />

das Leben selbst ...<br />

Zen-Erfahrung heißt, das Leben<br />

in seiner ganzen Unergründlichkeit<br />

und Tiefe »wahrzunehmen«.<br />

Bei der Zen-Meditation berühre<br />

ich das »Unfassbare«, das<br />

»Unsagbare« – bzw. lasse ich<br />

mich vom »Unsagbaren« und<br />

»Unfassbaren« berühren ...<br />

Es ist wie ein Ankommen<br />

bzw. Heimkommen in einem<br />

ganz tiefen Sinn. Alle »Vorstellungen«<br />

im eigentlichen Sinn<br />

des Wortes fallenlassen ...,<br />

loslassen ... und »einfach<br />

gegenwärtig sein«.<br />

Es ist buchstäblich in der<br />

»Gegenwart« des »Gegenwärtigen«<br />

zu sein ... und genau hier<br />

muss auch die Sprache enden<br />

... und Du kannst dich dann nur<br />

noch in Erfurcht zu verbeugen<br />

beginnen ...<br />

Die zeitlose Ewigkeit<br />

Christlich ausgedrückt und<br />

gedeutet, bedeutet dies, sich<br />

hier der Ursprungserfahrung<br />

unseres Glaubens selbst zu<br />

öffnen. In der Heiligen Schrift<br />

sagt Gott ja von sich selbst,<br />

als er von Moses gefragt wird<br />

»Wer bist Du, nenne mir Deinen<br />

Namen«: »Ich bin da.« Gottes<br />

Wesen ist das »DA SEIN«. Gottes<br />

Wesen ist, so gesehen, die zeitlose<br />

Ewigkeit, die das DA SEIN<br />

selbst durchdringt. HIER, JETZT,<br />

NUN. Die Frage ist nur, ob<br />

wir dies erkennen bzw. auch<br />

erfahren können<br />

Das uranfängliche Angesicht<br />

Die Zen-Meditation will uns auf<br />

diese Ebene des Daseins führen,<br />

die kein Entstehen und kein Vergehen<br />

kennt. Meister Mumon,<br />

einer der alten Zen-Meister<br />

schreibt: Weder beschrieben<br />

kann es werden, noch gemalt.<br />

Kein Lob kann es erreichen. Hör<br />

auf, es mit dem Kopf begreifen<br />

zu wollen. Das uranfängliche<br />

Angesicht ist nie verborgen.<br />

Selbst wenn die Welt zugrunde<br />

geht, bleibt Es unzerstörbar.<br />

Und die christliche Mystik<br />

weiß: In der eigenen Tiefe, dort,<br />

wo die wahre Gottähnlichkeit<br />

der menschlichen Natur verborgen<br />

ist, wo sich seine hohe<br />

Berufung offenbart, dort sieht<br />

der Mensch das, was demjenigen,<br />

der nicht in sein eigenes<br />

Herz »hinabgestiegen« ist,<br />

vollkommen unbekannt bleibt.<br />

Erfahrung zählt mehr<br />

als Wissen<br />

Im tiefsten Grund seines Wesens<br />

findet sich der Mensch selbst<br />

als gottebenbildlicher Geist, als<br />

unsterbliche Person schaut er<br />

bildlos Gott.<br />

Natürlich ist es eigentlich<br />

müßig, über solch tiefe Erfahrungen<br />

des Ursprünglichen zu<br />

sprechen oder zu schreiben, da<br />

es sich niemals in Worte fassen<br />

lässt. Das gesagte bzw. geschriebene<br />

Wort kann bestenfalls ein<br />

Fingerzeig sein, der versucht,<br />

auf den Mond selbst zu weisen.<br />

Bleibe also nicht bei diesem<br />

Finger stehen ... du musst den<br />

Mond selbst am Himmel schauen<br />

... Selbst ein Tropfen Erfahrung<br />

ist mehr wert als ein Meer von<br />

Wissen …<br />

So heißt es im Zen.<br />

Den Geschmack des Zen kosten<br />

Auch diese Zeilen können also<br />

bestenfalls ein Ansporn sein, sich<br />

selbst auf den Weg zu machen,<br />

um den Geschmack des Zen<br />

selbst zu kosten. Denn das Lesen<br />

und Betrachten von Kochbüchern<br />

und Rezepten macht ja bekanntlich<br />

noch nicht satt.<br />

Othmar Franthal<br />

Zen-Meister und Leiter des Meditationshauses<br />

St. Franziskus in Dietfurt<br />

Othmar Franthal wurde1956 in Vorau<br />

(Österreich) geboren und hat vom<br />

20. Lebensjahr an regelmäßige Zen geübt;<br />

geschult wurde er von Prof. Nagaya,<br />

P. Lassalle, P. Viktor Löw, Kubota Jiun Roshi<br />

(Kamakura) und Yamada Ryoun Roshi<br />

(Tokyo). 1997 hat er die Lehrerlaubnis<br />

erhalten und wurde 2006 von Yamada<br />

Ryoun Roshi als Zenmeister (Jun-shike<br />

Associate Zen Master) autorisiert und<br />

anerkannt.<br />

Der Garten des <strong>Franziskaner</strong>klosters Dietfurt: Die ruhige, idyllische Lage trägt zur inneren Sammlung bei.<br />

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