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Kolumne CRUISER Edition Mai 2011<br />
Gottes freie Natur,<br />
eine Wanderung<br />
für Athe<strong>ist</strong>en.<br />
Von Michi Rüegg<br />
Der Sommer steht vor der Tür, und genau dorthin<br />
zieht es uns, nämlich raus, ins Grüne, nach<br />
den jüngsten Erfolgen an der Urne wahlweise<br />
auch ins Grünliberale.<br />
Drum machen wir heute eine Wanderung. Wir<br />
fahren mit dem Tram Nummer 11 ins Leutschenbachquartier<br />
zum Schweizer Fernsehen,<br />
wo wir mit etwas Glück die eine oder andere<br />
frei lebende Schwuppe entdecken, die dort im<br />
medialen Dickicht haust. Dann spazieren wir<br />
der Glatt entlang, wo wir malerische Orte für<br />
Outdoor-Sex erspähen, doch angesichts der vielen<br />
flanierenden Mitmenschen verzichten wir<br />
auf diese, unsere Passion. Hingegen freuen wir<br />
uns auf den Bibelweg, auf dessen Pfad wir uns<br />
schon bald begeben.<br />
Die Geschichte des Chr<strong>ist</strong>entums beginnt in<br />
Dübendorf, macht kurz vor dem Greifensee in<br />
Fällanden kehrt und endet wiederum in Dübendorf.<br />
Texttafeln führen den Spaziergänger<br />
sprichwörtlich Schritt für Schritt durch die<br />
beiden Testamente. Der Bibelweg <strong>ist</strong> somit die<br />
symbolhafte Pforte ins sektendurchtränkte<br />
Zürcher Oberland. Der von Evangelikalen besonders<br />
beliebte Teil des oberen Glatttals, der<br />
Bezirk Hinwil mit seinem beengenden Tösstal,<br />
beginnt zwar erst nach Uster. Doch unser Bibelweg,<br />
den wir schon nach wenigen Kilometern<br />
lieb gewonnen haben, we<strong>ist</strong> uns die Richtung zu<br />
den vielen Freikirchen, den Nestern der chr<strong>ist</strong>lichen<br />
Taliban.<br />
Vorbei am beschaulichen Nacktbadeplatz bei<br />
der Kläranlage am Greifensee wandern wir<br />
durchs Aathal in die Stammlande der Eidgenössisch<br />
Demokratischen Union (EDU), die in<br />
einzelnen Gemeinden rekordhohe Stimmenanteile<br />
macht. Nur hier durchbricht die beherzte<br />
Partei das Quorum von 5% Wählerstimmen,<br />
weswegen sie fünf Nasen ins 180-köpfige Kantonsparlament<br />
entsenden darf. Die EDU verbindet<br />
Gott und Vaterland in einer Mischung,<br />
die zwischen Nächstenliebe und Hexenverbrennung<br />
pendelt. Einer ihrer grössten Gräuel<br />
sind wir, die Homosexuellen. Oder Sodomiten,<br />
wie man uns in diesen Kreisen gerne nennt.<br />
Schlimm genug, dass wir unsere gotteslästernden<br />
Partnerschaften reg<strong>ist</strong>rieren dürfen, jetzt<br />
fällt es uns auch noch ein, Kinder adoptieren zu<br />
wollen. Da hört nun jeder Spass auf. Denn, wenn<br />
der Pullermann in den Popo flutscht, <strong>ist</strong> Satan<br />
nicht weit, das weiss jeder anständige Chr<strong>ist</strong>enmensch.<br />
Und in einem solchen Umfeld soll kein<br />
Nachwuchs aufwachsen, und überhaupt, denken<br />
die, wir wollen ja bloss eigene Kinder, damit<br />
wir sie bequemer missbrauchen können.<br />
Zoologisch betrachtet, <strong>ist</strong> die EDU der natürliche<br />
Feind der Schwulen und Lesben. Zwar kein<br />
Fressfeind, aber immerhin ein Feind. Und in<br />
Zeiten wie diesen, wo wir immer seltener von<br />
Poliz<strong>ist</strong>en angepöbelt werden und uns kaum<br />
mehr jemand im Tram böse Blicke zuwirft,<br />
wenn wir Händchen halten, wo man sogar am<br />
Arbeitsplatz offen <strong>schwul</strong> sein darf, ohne umgehend<br />
entlassen zu werden und die Todesstrafe<br />
nicht einmal mehr für Mord, geschweige denn<br />
für Analverkehr gilt, in solchen Zeiten tut es<br />
manchmal ganz gut, einen treuen Feind zu haben.<br />
Denn Freunde haben wir ja schon genug,<br />
auf Facebook zumindest.<br />
Über all diese Dinge denken wir nach – wir haben<br />
alle Zeit der Welt dafür – wenn wir vorbei<br />
an Bauerndörfer um den Bachtel herum nach<br />
Steg und von dort aufs Schnebelhorn steigen,<br />
den höchsten Punkt (1292m.ü.M.) im Kanton<br />
Zürich. Und dort oben auf dem Gipfel, mit einer<br />
phänomenalen Rundsicht über Zürich, das Toggenburg<br />
und den Thurgau, erspähen wir zwischen<br />
wiederkäuendem Schweizer Braunvieh<br />
aufs Neue wunderschöne Plätzchen für den gepflegten<br />
Outdoor-Sex, wenn wir doch nur nicht<br />
allein wären (Wanderung unternommen im<br />
Juli 2010, mit Blasen, leider nur an den Füssen).<br />
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