Cruiser im Sommer 2017
Es ist nun ja so: Fast in jedem Coming Out Film gehen die Protagonisten früher oder später BADEN! Das machen sie wirklich und fast immer. Warum ist dem so? Unser Autor versucht unser Sommerthema mehr oder weniger wissenschaftlich anzugehen und kommt zu erfrischenden Erkentnisen. Ausserdem: Mario Puntillo, der tapfere Schneider und weitere spannende Portraits und...unser Sommerwettbewerb mit grossartigen Preisen. Kein Sommer ohne unser Gewinnspiel: Dieses Jahr haben wir Wettbewerbspreise, die dich umhauen. Hier gehts zum Gewinnspiel.
Es ist nun ja so: Fast in jedem Coming Out Film gehen die Protagonisten früher oder später BADEN! Das machen sie wirklich und fast immer. Warum ist dem so? Unser Autor versucht unser Sommerthema mehr oder weniger wissenschaftlich anzugehen und kommt zu erfrischenden Erkentnisen.
Ausserdem: Mario Puntillo, der tapfere Schneider und weitere spannende Portraits und...unser Sommerwettbewerb mit grossartigen Preisen.
Kein Sommer ohne unser Gewinnspiel: Dieses Jahr haben wir Wettbewerbspreise, die dich umhauen. Hier gehts zum Gewinnspiel.
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cruiser
DAS
Sommer 2017 CHF 7.50
GRÖSSTE
SCHWEIZER
GAY-MAGAZIN
Slippery Subjects:
Warum in Coming-
Out-Filmen so
oft gebadet wird
Porno
Spielraum für Diversität?
Trans*
Fotografischer Annäherungsversuch
Altern mit HIV
Sterben war gestern
Super-Sommer-Wettbewerb
Wettbewerbspreise,
die dich umhauen
3
gaycity.ch
Editorial
Liebe Leser
Diese Ausgabe kommt mit einem Poster: Ganz in der bekannten «Bravo»-Tradition werden wir künftig
den guten alten «Starschnitt» wieder einführen. Unser Superheld ist die neue erste Figur der
#undetectable Kampagne der AIDS-Hilfe Schweiz. Bis es dann aber zum «Starschnitt» kommt,
dauert es noch einige Monate. Länger dauert es auch, bis wir nach dieser Doppelnummer «Sommer»
wieder zurück sind. Und damit die cruiserlose Zeit keine glücklose ist: Wir haben auf der Rückseite des Posters unseren
Knaller-Sommerwettbewerb, mit Preisen, die schlichtweg umwerfend sind. Genauso umwerfend wie unsere Hauptgeschichten:
Wir gehen der Frage nach, warum in Coming-out-Filmen so oft gebadet wird (Leute, es ist die Sommerausgabe!) und
wagen uns ans diffizile Thema «Porno». Das wird aber ganz züchtig, dafür hochspannend betrachtet. Viel Spass beim Lesen
und bis zum 1. September!
Herzlich; Haymo Empl Chefredaktor
inhalt
4 Sommerthema Slippery Subjects
8 Portrait Mario Puntillo
21 Kolumne Mirko!
22 Portrait Wolfgang Ohlert
Where to go in the little big city
10 Special Sommerposter
11 Special Wettbewerb
25 Serie Homosexualität in
Geschichte und Literatur
28 Forschung HIV und Alter
2
1
4
3
5
MOUSTACHE
Die Sauna für Männer
Engelstrasse 4
www.moustache.ch
(Nachtsauna jeden Fr / Sa)
HUUSMAA
Kafi – Reschti – Bar
Badenerstrasse 138
044 241 11 18
www.huusmaa.ch
Sa & So Brunch 10:00 – 15:00
LES GARÇONS
Bar/Tanzbar
Kernstrasse 60
www.garcons.ch
Täglich geöffnet ab 18.30 Uhr
MÄNNERZONE
Shop & Bar
Kernstrasse 57
www.maennerzone.ch
MAENNERZONE.CH
MED. DENT.
KLAAS FRIEDEL
Heinrichstrasse 239
Mit Tram ab 4/13/17 bis Escher-Wyss-Platz
www.swissdentalcenter.ch
043 444 74 00
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7
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BEAUTY LOUNGE
FOR MEN
Haarentfernung, Kosmetik,
Anti-Aging und Bodyforming
Kalkbreitestrasse 42
www.marciomf.ch
079 533 41 01
CHECKPOINT
Gesundheitszentrum
Konradstrasse 1
www.checkpoint-zh.ch
044 455 59 10
DANIEL H.
Bar-Restaurant
Müllerstrasse 51
8004 Zürich
044 241 41 78
www.danielh.ch
PARACELSUS
Apotheke & Drogerie
Langstrasse 122
paracelsus@bluewin.ch
044 240 24 05
Interesse in diesem
Inserat aufgeführt zu sein?
Anfragen an:
info@zbiro.ch
10
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14
LEONHARDS-
APOTHEKE
Stampfenbachstr. 7
www.leonhards.apotheke.ch
044 252 44 20
MACHO
City Shop
Häringstrasse 16
www.macho.ch
PARAGONYA
Wellness Club
Mühlegasse 11
www.paragonya.ch
PREDIGERHOF
bistro – bar
Mühlegasse 15
www.predigerhof.ch
TIP TOP BAR
Die Schlager Bar
Seilergraben 13
www.tip-top-bar.ch
Dienstag – Samstag ab
18.30 Uhr
15
16
17
CRANBERRY
Bar
Metzgergasse 3
www.cranberry.ch
INFINITY
Bar + Lounge auf zwei Etagen
Zähringerstrasse 11
8001 Zürich
www.infinity-bar.ch
Täglich geöffnet ab 17 Uhr
ANORY
Massagen, Haarentfernung,
Skincare und Beratungen.
Winterthurerstrasse 70
8006 Zürich
www.anory.ch 043 810 09 22
impressum
CRUISER MAGAZIN PRINT
ISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)
Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.media
Infos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.ch
Chefredaktor Haymo Empl | Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl
Bildredaktion Haymo Empl, Nicole Senn. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber.
Art Direktion Nicole Senn | www.nicolesenn.ch
Agenturen SDA, DPA, Keystone
Autor_Innen Vinicio Albani, Anne Andresen, Yvonne Beck, Haymo Empl, Andreas Faessler,
Benjamin Hampel, Birgit Kawohl, Andreas Lehner, Moel Maphy, Martin Mülheim, Michi Rüegg,
Nathan Schocher, Alain Sorel, Peter Thommen
Korrektorat | Lektorat Birgit Kawohl
Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.ch
Christina Kipshoven | Telefon +41 (0) 31 534 18 30
WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare
13 news National & International
16 Kolumne Michi Rüegg
17 Porno Spielraum für Diversität?
20 Kultur Buchtipp
Druck Druckerei Konstanz GmbH
Wasserloses Druckverfahren
REDAKTION UND VERLAGSADRESSE
Cruiser
Clausiusstrasse 42, 8006 Zürich
redaktion@cruisermagazin.ch
Telefon 044 586 00 44 (vormittags)
30 Ratgeber Dr. Gay
31 Kolumne Peter Thommen
32 Flashback Cruiser vor 30 Jahren
33 Marktplatz Kleinanzeigen
Haftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende
Angaben auf www.cruisermagazin.ch
Der nächste Cruiser erscheint am 1. September 2017
Wir vom Cruiser setzen auf eine grösstmögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität
sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum Eingriffe
in die Formulierungen unserer Autor_Innen in Bezug auf diese Bereiche. Die von
den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen
Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden entsprechend implizit eingesetzt,
der Oberbegriff Trans* beinhaltet die entsprechenden Bezeichnungen gemäss
Medienguide «Transgender Network Schweiz». Um es kurz zu machen: Im Cruiser
schreiben die Menschen als solche.
CRUISER Sommer 2017
4 Slippery
Subjects
Slippery
Subjects
5
Warum Kino-Coming-outs öfters
baden gehen
Eine Untersuchung von
über 160 Coming-out-
Filmen bringt Erstaunliches
zu Tage: In jedem
dritten Film gibt es
mindestens eine Szene,
in deren Verlauf eine
oder mehrere der
Hauptfiguren schwimmen
gehen. Warum
eigentlich?
von Martin Mühlheim
C
oming-out-Filme gibt es mittlerweile
viele, und entsprechend unterschiedlich
kommen sie daher: leichtfüssigkomisch
wie der britische Klassiker
Beautiful Thing (1996), eher nachdenklich
wie das brasilianische Kleinod Seashore
(2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so
im israelischen Drama Du sollst nicht lieben
(2009), das in der ultraorthodoxen Gemeinde
in Jerusalem spielt.
Angesichts solcher Unterschiede erstaunt
es umso mehr, mit welcher Regelmässigkeit
uns Coming-out-Filme Jungs oder
Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in
Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte
man das natürlich als Zufall oder Nebensächlichkeit
abtun. Bei genauerem Nachdenken
zeigt sich allerdings, dass sich gleich
mehrere Gründe für diese erstaunliche Häufigkeit
finden lassen.
Nackte Haut ohne allzu viel Sex
Eine erste, nur scheinbar oberflächliche Erklärung
ist, dass (halb)entblösste Körper
sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern
auch auf Filmpostern und DVD-Covern äusserst
gut machen. Schwimmszenen bieten
ein perfektes Alibi für das Zeigen von nackter
Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.
Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei
Filmen mit jungen Protagonisten – aufpassen
muss: «Sex sells» mag zwar zutreffen,
aber allzu explizite Sexszenen können
schnell mal zu hohen Altersfreigaben führen.
Dies wiederum möchten Filmemacher
in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18
freigegeben sind, lassen sich nämlich weniger
einfach vermarkten. Auf Amazon.de
zum Beispiel werden Filme mit Altersfreigabe
18 nur an nachweislich volljährige Personen
verkauft – und gerade für Comingout-Filme,
die sich auch an ein junges Publikum
richten, ist dies sicher kein wünschenswerter
Effekt.
Filme, die erst ab 18
freigegeben sind, lassen
sich nämlich weniger
einfach vermarkten.
Schwimmszenen bieten hier eine perfekte
Kompromisslösung: Man kann nackte
Haut filmisch ansprechend inszenieren, dabei
aber allzu heisse Techtelmechtel tugendhaft
vermeiden (beispielsweise, indem der
Wasserspiegel immer über der Gürtellinie
bleibt, wie im niederländischen Film Jongens,
2014). Um das Rezept knapp zusammenzufassen:
Man nehme eine grosszügige
Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Prise
Sex – und um Himmels Willen kein Körnchen
Porno.
Eingetaucht ins Triebleben
Man täte den lesBischwulen FilmemacherInnen
aber unrecht, wenn man ihre erzählerischen
Entscheidungen allein auf finanzielles
Kalkül reduzieren wollte. Es gibt
nämlich auch ästhetisch-symbolische Gründe,
die Schwimmszenen für das Genre interessant
machen.
Da wäre zunächst die Funktion des
Wassers als Symbol für das Unbewusste.
Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens
seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebnatur
des Menschen zu tun – und so erstaunt es
nicht, dass Hauptfiguren auf der Suche nach
ihrer sexuellen Identität sozusagen symbolisch
in die Tiefen des Unbewussten eintauchen
müssen, um ihr gleichgeschlechtliches
Begehren zu entdecken.
Figuren in der Schwebe
Darüber hinaus hat die Filmwissenschaftlerin
Franziska Heller in ihrem Buch über die
Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass
schwimmende Figuren immer wieder als
«schwebende Körper» inszeniert werden: oft
in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus
dem sonst zielstrebig voranschreitenden
Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wiederum
ist eine wunderbare visuelle Metapher
für die Phase kurz vor dem Coming-out:
Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber
auch noch nicht ganz in der neuen Identität
angekommen. Ein Film macht das Schweben
sogar explizit zum Thema: In Kinder Gottes
aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neurotisch-verklemmten
Johnny, wie befreiend
das «Floating» im Meer sein kann.
Neben der Inszenierung von Schwebezuständen
und dem Wasser als Symbol für
das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔
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CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
6 Slippery
Slippery 7
Subjects
Subjects
Ohne zu viel zu verraten: Sie bleiben nicht am Beckenrand … (Szene aus Heute gehe ich allein nach Hause)
Es gibt mehrere Gründe, die Schwimmszenen für Coming-Out-Filme attraktiv machen – und
gerade deshalb sind sie so überraschend häufig.
Tod und Wiedergeburt zu erwähnen. Das
christliche Taufritual ist eines von vielen religiösen
und mythischen Beispielen, in denen
das Ein- und Wiederauftauchen aus
dem Wasser als Zeichen für den Tod einer
alten und die Geburt einer neuen Identität
steht. Dieses Bild passt auch bestens zu Coming-out-Filmen:
Wenn beispielsweise der
noch ungeoutete Protagonist in Sommersturm
(2004) nach einem Streit mit seinem
besten Heterofreund ins düstere Wasser
springt, sieht das beinahe aus, als ob er er-
trinken würde: ein symbolischer Tod. Als er
dann zum Glück doch wieder auftaucht,
wartet am Ufer bereits eine Gruppe schwuler
Jungs, bei denen er eine neue Heimat findet
– als sozusagen frischgeborener Homo.
ten lassen Familie, Schulkameraden und
überhaupt alles Vertraute hinter sich, um irgendwo
im Wald oder an einem abgelegenen
Strand jenen Teil ihrer selbst ausleben können,
den konservative Geister gern als widernatürlich
bezeichnen: gleichgeschlechtliches
Begehren. Die idyllische Umgebung solcher
Schwimmszenen suggeriert nun aber, ganz
im Gegenteil, dass Homosexualität weder
verwerflich noch dekadent ist, sondern sich
natürlich-harmonisch in eine schöne, unverfälschte
Welt einfügen lässt.
Der springende Punkt ist nun nicht zu
behaupten, dass alle genannten Aspekte bei
jeder einzelnen Coming-out-Schwimmszene
relevant seien. Bei bestimmten Filmen mag es
primär um nackte Haut gehen, andere betonen
vielleicht das Thema Natürlichkeit, und
eine dritte Gruppe konzentriert sich womöglich
auf schwebende Körper oder das Motiv
von Tod und Wiedergeburt. Uns interessiert
hier aber nicht der filmische Einzelfall, sondern
die Häufigkeit von Schwimmszenen innerhalb
eines ganzen Filmgenres. Und diese
Häufigkeit lässt sich nun gut erklären: Gerade
weil Schwimmszenen aus vielen verschiedenen
Gründen attraktiv sind, kommen sie immer
und immer wieder vor.
Zwei Typen von Coming-out
Dies lässt sich am besten zeigen, wenn man
zwei Untergruppen von Coming-out-Filmen
unterscheidet. Auf der einen Seite stehen Filme
wie Get Real (1998) oder Der heimliche
Freund (2014), in denen die Hauptfiguren
noch auf der Suche nach der eigenen sexuellen
Identität sind. Auf der anderen Seite ha-
SEILERGRABEN 13 8001 ZÜRICH WWW.TIP-TOP-BAR.CH
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
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Natürlich schwul
Eine vierte Funktion von Schwimmszenen
hat mit einem rhetorischen Gegensatzpaar zu
tun. Viele Filme stellen der einengenden sozialen
Umgebung ihrer Hauptfiguren die freie
und befreiende Natur gegenüber. Protagonisben
wir Geschichten wie Was du nicht sagst
(2012), sie handeln von schwulen Protagonisten,
die ein Doppelleben führen: Man(n)
lebt bereits mit einem Freund, die Familie
weiss aber bisher noch nichts – und nun
droht sich das plötzlich zu ändern.
Um es gleich vorweg zu sagen:
Schwimmszenen gibt es in beiden Untergruppen.
Die Häufigkeit unterscheidet sich allerdings
deutlich. Während Filme über das Coming-out
nur in einem von zehn Fällen eine
Schwimmszene beinhalten, liegt der Anteil
bei Geschichten über die sexuelle Selbstfindung
bei beinahe 50 % – und ist somit rund
fünf Mal höher. Dies wiederum fügt sich bestens
ins entworfene Gesamtbild ein: Die Symbolik
von Tod und Wiedergeburt passt nicht
wirklich zum schwulen Mann mit Doppelleben,
aber hervorragend zum Thema Selbstfindung;
und da Filmhelden aus dieser Gruppe
tendenziell noch sehr jung sind, spielt die
Angst vor hohen Altersfreigaben mit Blick auf
das Zielpublikum eine grössere Rolle, während
es bei der anderen Gruppe um «reifere»
Themen geht und man deshalb dem eher älteren
Publikum die eine oder andere Sexszene
durchaus zumuten kann.
Spielen mit filmischen Motiven
Und wie geht es in Zukunft mit Schwimmszenen
weiter? FilmemacherInnen haben in der
Regel ein gutes Gespür für Konventionen und
Genreklischees. Wir dürfen uns also auf Filme
freuen, die dieses häufige Coming-out-
Motiv augenzwinkernd variieren oder auch
direkt parodieren. Und wir Zuschauer dürfen
Schwimmszenen gibt es in
beiden Untergruppen.
natürlich auch ein wenig mitspielen: Man organisiert
eine Gruppe eingeweihter Freunde,
wählt einen beliebigen Coming-out-Film –
und versucht dann vorauszusagen, ob und
wann es zu einer Schwimmszene kommt.
Top, die Wette gilt!
Sommer, rüchtchen und hopp hopp,
zur Erfrischung ins ip op!
DIENSTAGS BIS SAMSTAGS AB 18.30 UHR
Martin Mühlheim (39)
wuchs im Kanton St. Gallen auf und studierte
an der Universität Zürich (UZH) Englisch,
Geschichte und Filmwissenschaft. In seiner
Doktorarbeit beschäftigte er sich mit dem
Thema Heimat in der englischsprachigen
Literatur. Seit 2004 arbeitet er am Englischen
Seminar der UZH und interessiert sich neben
queeren Themen auch für Genre- und
Erzähltheorie. Darüber hinaus liegen ihm
Themen wie Migration und strukturelle
Ungleichheit am Herzen – politisch ebenso wie
akademisch. Seit 2016 lebt er in einer
Beziehung, die ihn unter anderem zum
Portugiesischlernen motiviert.
E
W H C S
T
H C A N R E Z I
MONTAG,
31. JULI 2017
GEÖFFNET.
8 Cruiser zu Besuch bei …
Cruiser zu Besuch bei … 9
Mario Puntillo
Mario Puntillo
«Ich mache keine
Wegwerfmode»
Mario Puntillo ist Schneider aus Leidenschaft. Das sieht man seiner Mode
an – und an seinen Schneiderkursen kann man diese auch erleben.
Mario Puntillo in seinem Verkaufsgeschäft in Zürich, welches auch Platz für sein Atelier bietet.
Von Haymo Empl
D
as Ladenlokal ist Atelier und umgekehrt:
Mario Puntillo steht hinter
seinem grossen Pult, welches auch
als Verkaufstresen fungiert und überlegt
sich, wie er seine Kollektionen auf die Frage
«Wie würdest du diese charakterisieren?»
beschreiben soll. Die Antwort liefert er
schliesslich nicht verbal, sondern er zeigt auf
seine Bilder, die im Ladenlokal an der Badenerstrasse
in Zürich hängen. Die Models
sind nicht die 17-Jährigen Hungerhaken wie
sonst bei Designern üblich, sondern attraktive
Menschen, denen man ansieht, dass sie
schon halbwegs begriffen haben, wie das Leben
funktioniert. Es sind starke Persönlichkeiten.
Eine Zeitung versuchte sich in der
Beschreibung seiner Werke einst mit dem
Wort «evolutiv». «Organisch wachsend»
würde es ebenso treffend beschreiben. Mario
Puntillo tut sich im Gespräch mit dem Cruiser
bei der Beschreibung seiner eigenen
Mode schwer, weder lässt sich seine Mode
noch seine Person einfach schubladisieren.
Er und seine Designs sind eher als Gesamtkonzept
zu beschreiben und zu verstehen; es
geht eine schon fast rührende Bescheidenheit
von seiner Person aus. Seine Zurückhaltung
entspricht ergo so gar nicht dem Klischee
des schrillen Designers, wie dies von
den Medien sonst gerne transportiert wird.
Nähen, nähen, nähen
Seine Mode ist tragbar, raffiniert und nur auf
den ersten Blick schlicht. Da sind Taschen in
den Jacken, in denen sich auch was verstauen
lässt, klassische Linien werden durchbrochen
und jede Naht ist ein Qualitätsbeweis.
Günstig sind die Kleider nicht – aber letztendlich
amortisiert sich der Preis, denn die
Die Mode von Mario Puntillo wirkt nur auf den ersten Blick schlicht. Bei genauerem Hinsehen
sind es raffinierte Schnitte mit vielen Details.
Mode von Mario Puntillo ist gedacht, um
über viele Jahre getragen werden zu können.
«Das entspricht auch dem Bedürfnis meiner
Kunden», erklärt der Schneider. «Die meisten
können mit der Wegwerfmentalität
nichts anfangen. Diesbezüglich hat sowieso
ein Umdenken stattgefunden», stellt der
48-Jährige fest. «Immer mehr Leute setzen
wieder auf Beständiges und haben von dem
Massenkonsum genug.» Seine Kollektionen
können nach Bedarf auch einem veränderten
Modeempfinden angepasst werden, er
spricht daher auch immer von «Basics», die
er kreiert und verkauft. Es ist eine One-
Man-Show, wobei die «Show» schon länger
nicht mehr Thema ist. «Ich habe mich weitestgehend
von Modezirkus verabschiedet.»
Mario erklärt: «Es gab und gibt in diesem
Geschäft schon immer die eine Fraktion, die
an den grossen Modeschauen in Paris und
Mailand präsentiert und die andere – die
wesentlich grössere – sind Leute, die hart arbeiten
und sich sehr viele Gedanken zum
Produkt machen.» Mario Puntillo zählt sich
zu den letzteren. Das heisst: Sein Handwerk
verstehen, sich vom Alltag inspirieren lassen
und nähen, nähen, nähen. Das setzt grosses
Können voraus. Der gelernte Industrieschneider
hat sich dieses Wissen im eigenen
Atelier über die Jahre on the Job angeeignet.
Aber: «Als Industrieschneider lernt
man natürlich bereits in sehr kurzer Zeit alles,
was man wissen muss, es ist eine solide
Grundlage für sämtliche späteren Tätigkeiten
in diesem Beruf. Sein Wissen wiederum
gibt der Schneider selbst auch weiter – Mario
bietet unter dem Namen «Piccoli Eroi» in
seinem Kurslokal auch Schneiderkurse an.
«Ich wurde immer wieder danach gefragt,
und daher habe ich mich dann vor einigen
Jahren entschlossen, mein Fachwissen weiterzugeben»,
erklärt der gebürtige Italiener.
In seinen Kursen lehrt er zuerst die Basics.
«Bei den Frauen wurde dieses Wissen früher
von der Mutter an die Tochter weitergegeben,
aber das ist ja schon länger nicht mehr
der Fall und daher beginne ich meistens
ganz von vorne», so Mario. Es sind aber bei
weitem nicht nur Frauen, die seine Kurse besuchen.
«Ich habe auch immer wieder Männer
in meinen Klein-Kursgruppen, egal ob
Homo oder Hetero.» In den meisten Fällen
sind es Hobbyschneider oder solche, die es
noch werden wollen – in allen Altersgruppen
und auf allen Niveaustufen.
«Piccoli Eroi» heisst auf Deutsch
«Kleine Helden». Der Name passt: «Es ist
für die meisten zuerst eine ziemliche Herausforderung,
manche waren noch gar nie
an einer Nähmaschine. Wenn meine Teilnehmer
dann ihr erstes, selbstgemachtes
Stück in den Händen halten, fühlen sie sich
effektiv wie kleine Helden.» Und verstehen
so ganz nebenbei auch, dass das Schneiderhandwerk
eine wahre Kunst ist. Eine Kunst,
die man aber erlernen kann.»
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
10 Sommer-Poster
Sommer-Special 11
#undetectable
Wettbewerb
Die Superhelden
sind da!
Diesem Cruiser liegt ein Poster bei: Der «Mr. #undetectable»
ist ein Superheld – mit einer klaren Botschaft.
Der grosse Cruiser-Super-Sommer-Wettbewerb auf unserem Poster!
Trage alle Zahlen auf dem beiliegenden Poster in der richtigen Reihenfolge ein; diesen Code gibst du auf
www.cruisermagazin.ch/sommer ein. Wenn du den Code korrekt online eingetippt hast, kannst du deinen Lieblingswettbewerbspreis
auswählen und mit etwas Glück gewinnst du diesen. Du erfährst sofort, ob du gewonnen hast.
Und das sind die Preise:
Sahak Unique Pink Jewellery: Ein handgefertigter
Herren- oder Damenring in Ag925 mit
oxidierter Oberfläche im Wert von CHF 640.–
www.sahak.ch
Pink Cloud-Reiseberatung mit Cüpli
und CHF 100.– Reisegutschein
www.pinkcloud.ch
Von Andreas Lehner
D
ie Kampagnen und Aktivitäten der
Aids-Hilfe Schweiz werden nicht im
dunklen Kämmerchen entwickelt.
Alles,was passiert, stammt aus der Strategiegruppe
MSM. Das ist eine bunte Schar
von Vertretern und Vertreterinnen aus unterschiedlichen
Organisationen. Als wir im
letzten Herbst zusammensassen und die
Kampagnen für dieses Jahr besprachen,
wurde einhellig klar, dass wir eine eindeutigere
Grafik und noch klarere Botschaften
brauchen.
In Deutschland arbeiten die Präventionsorganisationen
gerne mit richtigen Menschen.
Aber wie können wir das in der kleinen
Schweiz tun? Wir denken, dass die
Population der Männer, die Sex mit Männern
haben, bei ungefähr 85 000 Personen
liegt und damit ca. einem Zehntel der entsprechenden
Männer in unserem deutschen
Nachbarland entspricht.
Auf der Suche nach Männern, die für
unsere Kampagne Paten stehen, wurde relativ
schnell klar, dass das ein schwieriges Unterfangen
sein wird. Zwar haben wir riesige
Fortschritte gemacht, nicht zuletzt unsere
Kampagne #undetectable hat viel verändert.
So haben wir verschiedene Männer getroffen,
die kein Problem damit haben, im
schwulen Umfeld offen mit ihrem HIV-Status
umzugehen. Aber in einer Printkampagne?
Wo durch irgendwelche Zufälle auf einmal
Oma, Opa oder Eltern den eigenen Sohn
sehen? Lieber nicht.
Da wir aber doch näher an unsere Zielgruppe
kommen wollten, entwickelten wir
die Superhelden.
Bis jetzt kennen wir Starman und Mr.
#undetectable. Die Superkraft von Starman
ist das Erkennen von sexuell übertragbaren
Infektionen. Mit seiner Brille kann er Geschlechtskrankheiten
entdecken und den
Leuten die Behandlung erklären. Denn diese
Geschlechtskrankheiten können ohne Symptome
verlaufen und übertragen sich, auch
wenn Kondome getragen werden. So denken
die Männer, dass alles in Ordnung sei, dabei
geben sie munter Syphilis, Tripper oder
Chlamydien weiter. Deshalb hat Starman im
Mai zum kostenlosen Test auf diese drei
Krankheiten aufgerufen. Mit einem überwältigenden
Erfolg.
Die Pride 2017 in Zürich war eine der
grössten Prides in Zürich überhaupt. Letztes
Jahr haben wir da mit der Botschaft «#undetectable
– HIV positiv. Nicht ansteckend.»
angefangen. Es war eine schlichte typografische
Lösung. Dieses Jahr haben wir Mr. #undetectable
eingeführt. Ein junger Mann, der
dank seines Superhelden-T-Shirts die Kraft
hat, zu seiner HIV-Infektion zu stehen und
die Angst davor zu überwinden. Ziel dieser
Kampagne ist, die gesellschaftlichen Vorbehalte
HIV-positiven Menschen gegenüber zu
verkleinern. Auch die Gefühle, die viele
HIV-Positive in sich selber tragen, sollen
dank Mr. #undetectable minimiert werden.
Ein Befreiungsschlag für alle. Denn ansteckend
sind Menschen, die denken, sie seien
negativ, in Wirklichkeit aber mitten in der
sogenannten Primoinfektion sind. In dieser
Phase – meist dauert sie ungefähr drei Monate
– wird das HI-Virus am einfachsten
übertragen. Ein Mann, der nicht auf PrEP ist
und kein Kondom verwendet, kann sich
beim ersten Mal Ficken anstecken.
So ist die Superheldenfamilie auf zwei
angewachsen. Wie viele noch kommen?
#undetectable
Das wissen wir nicht. Was wir aber wissen:
Für die HIV-Testkampagne im Oktober/
November kommt der dritte ins Spiel. Vom
Auftritt her wird er eher älter sein, woher er
kommt, ist noch geheim. Denn Diversität
ist uns auch bei unserer Superhelden-
Truppe wichtig.
Diesem Heft liegt ein Poster von Mr.
#undetectable bei. Zum Aufhängen, zum
Verschenken oder für die Lieblingsbar. Damit
wollen wir das Spiel der Superhelden beginnen.
Man darf gespannt sein, was noch
alles kommt.
Das Ziel all dieser Aktivitäten ist eine
befreite Sexualität. Keine Angst, viel Respekt
und Neugierde. Jeder so viel wie er mag. Mit
so wenigen Problemen wie möglich.
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1 × 2 Blue Man Group-Tickets für die Show
am 3. Oktober in Zürich im Wert von
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MR.B
URBAN
IN DER MÄNNERZONE
CRUISER Sommer 2017 MAENNERZONE.COM
CRUISER Sommer 2017
12 Aktuell
News 13
PrEp-Studie
National & International
PREP: Oft fehlt die medizinische
Kontrolle.
Wer in der Schweiz auf den bekannten Dating-Apps unterwegs ist, hat
im Januar sicher die Umfrage zur HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP)
des Universitäts-Spitals Zürich bemerkt. Das Echo hat überrascht.
Von Benjamin Hampel
W
ährend knapp drei Wochen haben
fast 2500 Männer an der Umfrage
teilgenommen. Dies zeigt, wie gross
das Interesse der Community an dem Thema
zu sein scheint. Die Hälfte der Teilnehmer will
in den nächsten Monaten mit der PrEP beginnen
und sich so vor einer HIV-Infektion schützen.
Von denen, die bereits PrEP einnehmen,
sind viele nicht unter medizinscher Kontrolle
und riskieren somit Ihre Gesundheit.
Was ist PrEP?
HIV-PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe) bezeichnet
ein Medikament, das täglich eingenommen
gegen eine HIV-Infektion schützt.
Grosse Studien haben gezeigt, dass PrEP, wenn
sie richtig eingenommen wird, im Schutz gegen
HIV mindestens genauso effektiv ist wie
ein Kondom. Die Einnahme scheint relativ sicher
zu sein, wenn sie medizinisch überwacht
wird. In keiner Studie kam es zu grösseren
Komplikationen durch die Einnahme des Medikamentes,
wenn die Anwender alle drei Monate
zu einer medizinischen Kontrolle gingen.
Die meisten Studien wurden mit dem Medikament
Truvada (Tenofovir disporxil fumarat/
Emtricitabin) durchgeführt. Truvada ist in der
Schweiz offiziell nicht zur Prophylaxe, sondern
nur für die Therapie von HIV zugelassen. Es
kann aber als sogenannte Off-Label-Anwendung
von Ärzten verschrieben und auch medizinisch
begleitet werden. Das bedeutet, dass
der Arzt bei der Verschreibung nach dem aktuellen
Wissensstand handelt, auch wenn das
Medikament nicht zugelassen ist. Das Medikament
muss dann allerdings vom Patienten
selbst bezahlt werden. Durch die relativen
hohen Kosten von Truvada (CHF 899.30 pro
Monat) bestellen viele User deutlich billigere
Generika online. Viele sparen sich dabei
auch gleich den Gang zum Arzt. Dies ist risikoreich,
da Truvada Nebenwirkungen hervorrufen
kann, die nicht sofort bemerkt werden.
Zudem können Resistenzen des Virus
entstehen, falls es trotz einer unentdeckten
HIV-Infektion eingenommen wird. Und bei
Onlinebestellungen im Internet weiss man
selten, was man wirklich erhält.
Andere sexuell übertragbare Krankheiten
(STI) werden durch die PrEP nicht geschützt
und können ebenfalls ohne Symptome
verlaufen. In Ländern, in der PrEP
zugelassen ist, erfolgen daher dreimonatige
ärztliche Kontrollen, inklusive Testung auf
andere STI. Dies ist auch in der Schweiz durch
die Eidgenössische Kommission für sexuelle
Gesundheit (EKSG) empfohlen.
Warum die Umfrage?
In vielen Ländern (USA, Norwegen, Frankreich,
Südafrika, Israel …) wird PrEP von den
Krankenkassen bezahlt und ist mittlerweile
fester Bestandteil der jeweiligen Präventionsstrategien.
Dort, wo die PrEP weit verbreitet
ist, beobachtet man einen deutlichen Rückgang
der HIV-Neudiagnosen. Hierzulande
scheinen Politik und manche HIV-Spezialisten
der PrEP nur wenig Bedeutung zuzuschreiben.
Schweizer Schwule, die sich mit
Hilfe der PrEP gegen eine HIV-Infektion
schützen wollen, sehen sich gezwungen, dies
in Eigeninitiative durchzuführen. Die Umfrage
will aufdecken, dass hier eine Entwicklung
stattfindet, deren sich die sich Politik
und Medizin annehmen muss.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Umfrage
– Die Hälfte aller Teilnehmer möchte im
nächsten halben Jahr eine PrEP einnehmen
und fast 80% können sich das in der
Zukunft vorstellen.
– Von den 82 Teilnehmern, die sagten, dass
sie bereits gegenwärtig eine PrEP einnehmen,
gaben nur 78% an, dabei medizinisch
überwacht zu werden. 9% von ihnen hatten
in den letzten 12 Monaten keinen HIV-
Test durchgeführt.
Was bedeutet das?
Die Ergebnisse zeigen, dass dringender
Handlungsbedarf besteht. PrEP wird in der
Schweiz zunehmen, egal ob sie zugelassen
wird oder nicht. Wer PrEP ohne die empfohlenen
Kontrollen einnimmt, riskiert seine
Gesundheit. Beratungsstellen wie die Checkpoints
und HIV-Behandler haben auf diese
Entwicklung reagiert und bieten nun
PrEP-spezifische Sprechstunden an. Hier
wirst Du selbstverständlich auch beraten
und begleitet, wenn Du die Medikamente
aus dem Internet beziehst oder einfach nur
mehr über PrEP erfahren willst. Adressen
für Beratungsstellen in Deiner Nähe findest
Du unter www.drgay.ch.
Benjamin Hampel (38)
ist Arzt am Universitäts-Spital Zürich und leitet
dort die PrEP-Sprechstunde. Hier geht es zur
kompletten Umfrage: http://onlinelibrary.wiley.
com/doi/10.1111/hiv.12521/full
NEWS
Beunruhigende weltweite Zunahme des Drogenkonsums
Der illegale Handel mit Opium und Kokain
nimmt nach Angaben der Vereinten Nationen
deutlich zu. So hat nach längerem Rückgang
die Anbaufläche für die Koka-Pflanze in
Südamerika in den vergangenen Jahren um
30 Prozent zugelegt. Dies geht aus dem jüngst
erschienenen Weltdrogenbericht der Vereinten
Nationen (UN) hervor.
Zugleich sei wegen einer besseren Ernte
die Opium-Produktion binnen Jahresfrist
um 30 Prozent auf 6380 Tonnen geklettert.
Gerade in Nordamerika steige offenbar die
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Ab sofort zu vermieten auf unbefristete Zeit: Vollständig eingerichtete und
möblierte 3-Zimmerwohnung
im oberen Stockwerk des Hauses MADIVA ob Brissago
als Ferienwohnung oder zur Dauermiete mit komplett
neuen Möbel, Geschirr und allem, was man so braucht.
Parkplätze befinden sich direkt vor dem Haus. Hunde,
Katzen sind willkommen. Kosten: Fr. 1‘250.– netto.
Zahl der Heroinsüchtigen. Auch in Europa
bleibt der Drogenhandel ein Milliardengeschäft.
Experten gehen davon aus, dass allein
in Europa Drogen im Schwarzmarktwert
von 20 bis 30 Milliarden Euro verkauft werden.
Das Darknet, ein abgeschirmter Bereich
des Internets, spiele dabei eine immer bedeutendere
Rolle, heisst es in dem Bericht.
250 Millionen Menschen greifen demnach
weltweit zu illegalen Rauschgiften. 29,5
Millionen hätten schwere Krankheiten wie
Hepatitis C und Tuberkulose oder seien
Die gleiche Wohnung im unteren Stockwerk des Hauses
wird vom Eigentümer und dessen Freund belegt. Besichtigung
auf Anfrage. Gleichgeschlechtliche Paare bevorzugt.
Anfragen sind an Ueli zu richten: 079 420 57 46
HIV-infiziert. Nur jeder sechste Kranke werde
angemessen behandelt. Mindestens 190 000
Menschen sterben den Angaben zufolge jedes
Jahr vorzeitig wegen ihrer Drogensucht.
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
14 News 15
News
National & International
National & International
Ein frischer und schwuler Premier für das neue Irland
Lila Festival in den Startlöchern
Leo Varadkar: Jung, schwul, konservativ:
Der neue irische Premier Leo Varadkar ist
gleich in zweierlei Hinsicht ein Pionier.
Zum einen ist der Chef von Irlands konservativer
Fine-Gael-Partei mit seinen 38 Jahren
der bisher jüngste Premierminister seines
Landes. Zum anderen ist er auch der
erste offen schwule Taoiseach, wie der Regierungschef
auf Irisch heisst. Noch bis
1993 waren im katholisch geprägten Irland
homosexuelle Beziehungen strafbar. Als
Sohn eines indischen Einwanderers und einer
irischen Mutter gilt Varadkar als Mann
des Wandels, der die Interessen der progressiven
Stadtbevölkerung vertritt. Dies
hat er schon in seinem vorherigen Amt als
Sozialminister deutlich gemacht.
Varadkar interessierte sich schon früh
für Politik. Noch während seiner Schulzeit
an einer Privatschule in der Nähe von Dub-
lin wurde er Mitglied der konservativen Partei
Fine Gael und blieb auch als Student am
Trinity College Dublin politisch engagiert.
Varadkar wurde 2004 in West Dublin
in den Rat gewählt und wurde drei Jahre
später, im Alter von nur 28 Jahren, Parlamentsabgeordneter
für den Wahlkreis. Mit
seinem Ehrgeiz und seinem furchtlosen Auftreten
machte der wortgewandte Politiker
bald die Parteigrössen auf sich aufmerksam.
2011 wurde Varadkar zum Verkehrsminister
ernannt. Von 2014 bis 2016 war er Gesundheitsminister.
Ab Mai 2016 hatte er das Sozialressort
inne. Seine politische Ausrichtung
bezeichnet er selbst als «sozial- und wirtschaftsliberal»
– links in sozialen Fragen,
rechts, wenn es um die Wirtschaft geht. Als
Aktivist unterstützte Varadkar 2015 die erfolgreiche
Kampagne für die Homo-Ehe in
Irland. Seine Anhänger hoffen, dass er sich
auch für eine Lockerung des strengen Abtreibungsrechts
einsetzen wird.
Die Milchjugend schafft mit lila. das erste
Kulturfestival für LGBT-Menschen in der
Schweiz. Wir sind die Jugendorganisation
für lesbische, schwule, bi, trans* und asexuelle
Jugendliche und für alle dazwischen und
ausserhalb. Sich selbst bezeichnet die Milchjugend
wie folgt: «Wir sind ein bunter Haufen
toller Menschen, denen es egal ist, wie Du
aussiehst, was Du machst, ob Du Mann oder
Frau oder etwas dazwischen bist, wen und
wie Du liebst oder woher Du kommst. Wir
sind alle falsch(-sexuell) in den Augen mancher
Moralist_innen und genau das macht
uns alle so richtig». Nun ja. Wir vom Cruiser
finden Falschsexuell falsch – aber zurück
zum Festival Lila: das erste Kulturfestival der
Schweiz, das sich an junge und junggebliebene
LGBTQ-Menschen richtet und auf drei
Bühnen mit Musik, Tanz und Performance
gefeiert wird: Internationale Acts, Dragqueens,
Poetry Slam und mehr wird dich
überraschen. Unser Festivalgelände liegt in
Wittnau im wunderschönen Fricktal. Tickets
sind auf starticket.ch erhältlich.
Das Niederdorf erhält im September seine «Zürcher Ballade» zurück
In den 60er-Jahren, als das Zürcher Niederdorf
in den warmen Monaten in einen kulturellen
Sommerschlaf zu fallen drohte, sorgte
der Theaterproduzent Edi Baur mit einer
Schar Schauspieler für einen Theateranlass
der Extraklasse. Ruedi Walter, Margrit Rainer,
Jörg Schneider, Ines Torelli, Inigo Gallo,
Paul Bühlmann und weitere rechneten auf
der Freilichtbühne an der Trittligasse meist
liebenswürdig mit der Obrigkeit ab und liessen
das vergangene Jahr musikalisch und
kabarettistisch Revue passieren. Bis heute
hat die aus der «Zürcher Ballade» stammende
Niederdorfhymne «I de Mitti vo de City»
überlebt.
Der Unterhaltungskünstler und Amtsvorsteher
Christian Jott Jenny lässt den Anlass
am selben Ort unter dem Namen «Trittligass»
auferstehen. Der eigens dafür
gegründete Verein Neue Zürcher Balladen
arbeitet bereits seit zwei Jahren am Vorhaben.
Vereinspräsident ist der ehemalige Regierungsrat
Dr. Markus Notter. Auf der
Bühne an der Trittligasse stehen Christian
Jott Jenny und sein Staatsorchester sowie
Walter Andreas Müller, Heidi Diggelmann,
Barbara Baer, Samuel Zünd, Reto Hofstetter
und Cabaret-Rotstift-Legende Jürg Randegger.
Letzterer wirkte bereits im Original
1964 mit. Das neue Stück schrieb der in der
Altstadt lebende und arbeitende Autor Jeremias
Dubno. Er schliesst dort an, wo die
«Zürcher Ballade» in den 60ern aufhörte,
und schreibt eine unterhaltende Musikrevue,
welche die aktuellen Themen der Stadt
auf lustige und anregende Art und Weise
aufnimmt. Während Ruedi Walter sich über
die aufkeimende «High Society» auslassen
konnte, werden nun Themen wie Gentrifizierung,
Verkehrsüberlastung und das zur
Beliebigkeit tendierende Überangebot im
Bereich Kultur ins aktuelle Stück einfliessen.
Am selben Ort wie vor knapp 60 Jahren entsteht
ein kleines, aber feines Freilichttheater
mit 280 Sitzplätzen. Gespielt wird von Mittwoch
bis Sonntag bei schönem Wetter. Montag
und Dienstag sind als Ergänzungsdaten
vorgesehen, sollte es wider Erwarten dann
doch einmal regnen.
Freilichtspiel «Trittligass»
30. August bis 16. September 2017,
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Vorverkauf/Infos: www.trittligass-ballade.ch
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CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
16 KOLUMNE
Porno 17
MICHI RÜEGG
Spielraum für Diversität?
Die lieben kleinen verdammten
Rotznasen
Die schwule Community wird sich grundlegend
verändern, sobald die Heterosexualität das Monopol
aufs Kinderkriegen abgibt. Ein Grund zur Freude?
Mitnichten, findet Michi Rüegg.
Identitätsstiftung durch
Gay-Pornos
Pornographie scheint in der Gay Community eine andere Rolle zu spielen, als es
bei Heterosexuellen der Fall ist. Was ist der Grund für das entspannte Verhältnis
der Schwulen zur Pornographie?
VON Michi Rüegg
I
ch fliege nicht mehr allzu oft in der
Weltgeschichte umher. Vor allem, weil
Fliegen heutzutage eine Zumutung ist.
Soeben bin ich nach Berlin gereist. Mit einem
Nachmittagsflug. Wie bei allem, was an
einem Nachmittag stattfindet, war die Kinder-
und Seniorendichte im Flieger enorm.
Kaum hatten sie Platz genommen, stellten
die Senioren ihre Sitzlehnen zurück, schlossen
die Augen und begannen zu sabbern. Die
Kinder hingegen kreischten während der gesamten
Flugzeit vor sich hin. In der Ankunftshalle
kletterten sie aufs Gepäckband.
Wie schön, dass wir schwulen Männer
derzeit noch von Nachwuchs unbelastet
sind. Bei den Lesben hat sich das Kinderkriegen
ja schon eingebürgert. Es wird nicht
mehr lange dauern, da werden auch schwule
Paare Kinder haben. Die Weichen dafür sind
gestellt. Als ich mir mit Anfang Zwanzig
mein Gay-Leben zusammenzimmerte, war
für mich klar, dass Kinder darin nicht vorkommen
werden. Fragt man heute schwule
Teenager, tönt das anders: Mol, aso ich will
scho en Maa und Chind. Mal ganz davon abgesehen,
dass zwei Väter keinen Mutterschaftsurlaub
bekommen, werden noch weitere
Probleme die schwulen Familien plagen.
Denn hat unsereins erst einmal Söhne
und Töchter, entstehen Betreuungspflichten.
Man kann nicht mehr einfach tun und lassen,
was man will. Vor allem wird das Spontansein
erschwert. Andererseits tun sich
auch neue Märkte auf. So ist davon auszugehen,
dass Schwulensaunas künftig eine Kinderspielecke
anbieten müssen. So, du mümmelst
hier ganz lieb mit Leon und Paula,
während der Papi drüben ein bisschen fummeln
geht. Auch Gayclubs könnten solche
Angebote ins Programm aufnehmen. Bald
schon werden wir an den Hedonistenstränden
von Sitges und Ibiza kleine Kinder in
Dsquared-Badehöschen sehen, die Sandburgen
bauen.
Was tun mit Anne
Catherine und Carl
Johann, während
man dem gepflegten
Chemsex frönt?
Schwierig wird das Online-Dating. Hat
man auf Grindr erst einen kernigen Top oder
einen anschmiegsamen Bottom ausgemacht,
kommt die Frage: Was tun mit Anne Catherine
und Carl Johann, während man dem
gepflegten Chemsex mit einem muskulösen
Latino frönt? Hat man nicht zufällig eine
nette ältere Nachbarin, bei der man die Gofen
deponieren kann, ist man auf Hilfe von
aussen angewiesen. Ich arbeite derzeit an einer
App, einer Art Grindr für Notfallbabysitter.
Man schaut im Umkreis, ob irgendjemand
freie Zeit hat und kann dann die
Person zu sich bestellen, ihr die Kids übergeben
und sie zum Spielplatz schicken. Bezahlt
wird via Kreditkarte, wie bei Uber. Vielleicht
liesse sich der Service sogar mit Grindr verlinken,
und auf Knopfdruck kommt irgendwer
sitten.
Es empfiehlt sich auch, die Dildo- und
Accessoires-Sammlung gut zu verstauen. Es
ist zwar ein lustiger Anblick, wenn so ein
kleiner Wurm mit einem Doppeldong
Schlange-im-Urwald spielt, aber gelangen
solche Bilder nach aussen, steht bald einmal
die Kesb auf der Matte und bezweifelt die Erziehungsfähigkeit.
Vor allem aber sollten schwule Paare
vor der Anschaffung von Kindern daran
denken, dass die Scheidungsrate bereits bei
Heteros sauhoch ist und man ja irgendwie
auch an die Kosten denken sollte, die eine
Trennung verursacht. Ich sage nur: Internate
sind ja auch nicht grad günstig.
Es stehen Veränderungen an, doch die
Community wird auch mit denen umzugehen
wissen. Ein positiver Effekt der anstehenden
Kinderwelle: Wir werden uns nicht
mehr von unseren Heterofreunden entfremden,
kaum haben deren Frauen geworfen.
Kennt man, nicht? Wir treffen die ehemals
beste Freundin oder den ehemaligen Superkumpel
– doch deren Welt dreht sich nur
noch um das röchelnde kleine Teil, das sie in
einem sündhaft teuren ergonomischen Tragbett
mit sich rumschleppen. Jööö, lueg, er
hät kötzlet!
Ich persönlich werde dem schwulen
Kinderkriegen folgendermassen begegnen:
Geld sparen und nur noch First-
Class-Fliegen. Rücklehne zurückwerfen.
Sabbern.
Von Nathan Schocher
D
ie enge Verbundenheit der Gay Community
mit Pornographie hat ihre
Wurzeln in der Stigmatisierung der
Homosexualität. Die Strafbarkeit und Verfolgung
der Homosexualität führte dazu,
dass sich Schwule lange Zeit nur im Verborgenen
treffen konnten. So bildete sich bei
Schwulen eine Subkultur heraus, die bestimmte
ästhetische Codes entwickelte.
Diese den Heterosexuellen im Allgemeinen
unbekannten Codes bezweckten einerseits,
dass Schwule auf Partnersuche einander
leicht erkennen konnten. Andererseits hatten
sie den Effekt eines Community Building,
gemeinsame Codes schweissen eine
Szene, dessen Mitglieder sich im Alltag
nicht zueinander bekennen dürfen, zusammen.
So entstand eine schwule Identität, die
sich stark über ästhetische Merkmale definiert.
Welche Rolle spielt nun schwule Pornographie
in der Hervorbringung dieser
Identität?
Idealisierte Männlichkeit
Pornographie hat einen transgressiven Charakter,
das heisst, sie bietet dem Begehren, das
die sexuellen Normen der Gesellschaft überschreitet,
eine Plattform. Da Pornos zeigen,
was sich Menschen heimlich wünschen, zeigen
schwule Pornos natürlich eine ganze ➔
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
18 Porno
Porno 19
Spielraum für Diversität?
Spielraum für Diversität?
Palette idealisierter Männlichkeiten und,
ebenfalls wichtig, detaillierte schwule Sexualpraktiken.
Dies ist deshalb nicht banal, weil
Wissen über schwule Sexpraktiken in der Öffentlichkeit
kaum zirkuliert, ausser als Diffamierung.
Nun könnte man einwenden, auch
heterosexuelle Pornographie zeige idealisierte
Frauenbilder und Praktiken, über die man in
der Gesellschaft nicht offen spricht. Der Unterschied
liegt jedoch darin, dass für heterosexuelle
Männer Pornographie nur die verborgene
Seite ihrer Sexualität repräsentiert, sie
leben im Alltag eine durch bestimmte Normen
sanktionierte Form der Sexualität und
überschreiten deren Grenzen im Geheimen
durch Pornographie. Da für Schwule aber der
gesamte Bereich ihrer Sexualität von der heterosexuell
geprägten Gesellschaft zur Unsichtbarkeit
verurteilt ist, entwickeln sie ein
ungebrochenes Verhältnis zur Pornographie.
Schwule Pornos stellen demnach wie
bestimmte Saunas, Parks oder Darkrooms
eine Parallelwelt dar, wo Männer für sexuelle
Praktiken verfügbar sind, die in der Gesellschaft
tabuisiert werden. Sie bilden eine
Fantasiewelt, wo schwules Begehren keinen
gesellschaftlichen Einschränkungen unterliegt.
Damit vermitteln Pornos eine virtuelle
Heimat für schwule Identität.
Im Bereich der Schwulenpornos lässt
sich eine Parallelität zum Kampf der Schwulenbewegung
um gesellschaftliche Akzeptanz
erkennen. Nachdem in den Schwulenpornos
der 60er-Jahre noch ein eher
zufälliges Durcheinander von Looks, Körpern
und Praktiken herrschte, setzte in den
80ern eine Normierungswelle ein. Die hat
mit dem Aufkommen der VHS-Kassetten zu
tun, das aus einem szeneinternen Untergrundphänomen
eine Massenware machte,
die sich jedermann diskret nach Hause bestellen
konnte. Schwule Pornographie erlangte
also eine viel grössere Verbreitung
zeitlich parallel zum vermehrten An-die-Öffentlichkeit-Treten
der Schwulen im Rahmen
der Schwulenbewegung.
Schwule Pornos und einschlägige Chatforen: Beides sind Parallelwelten.
Porno & AIDS
Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Ausbreitung
von Aids. Auf der politischen Ebene
hat die Aidspanik und die sie begleitende
Stigmatisierung der Schwulen zu einem
Strategiewechsel innerhalb der Schwulenbewegung
geführt. Um die im wörtlichen Sinne
tödliche Stigmatisierung zu bekämpfen,
mussten die Schwulen ihre Anliegen vermehrt
an die breite Öffentlichkeit tragen, ihr
Privatleben öffentlich machen. Dieser Gang
an die Öffentlichkeit hatte eine gewisse Normalisierung,
aber auch Normierung dessen
zur Folge, was als schwule Identität lebbar
war, da ein Teil der schwulen Subkultur diesen
Gang an die Öffentlichkeit nicht mitmachen
konnte oder wollte. Kulturell hatte die
Aidspanik bei den Schwulen einen verstärkten
Schönheits-, Körper- und Fitnesskult zur
Folge, da man bestrebt war, gegenüber der
Schwule Pornos stellen
demnach eine Parallelwelt
dar, wo Männer für sexuelle
Praktiken verfügbar
sind, die in der Gesellschaft
tabuisiert werden.
tödlichen Bedrohung der Aidskrankheit das
gesunde und unversehrte Aussehen des Körpers
zu betonen. Sexuell hatte die Aidspanik
einen Aufschwung der Masturbation zur
Folge, da die Frage nach safen sexuellen
Praktiken längere Zeit ungeklärt war. Entsprechend
stieg auch die Bedeutung der Pornographie
für Schwule nochmals an.
Der All-American-Boy (hier im Bild Jeff Styker), der mit seiner jugendlichen properen Fitness die Schwulenpornographie der 80er-Jahre
dominiert hatte, macht seit den 90er-Jahren wieder einer grösseren Vielfalt an Looks und Praktiken Platz.
Spielraum für Diversität
Der All-American-Boy, der mit seiner jugendlichen
properen Fitness die Schwulenpornographie
der 80er-Jahre dominiert hatte, macht
seit den 90er-Jahren wieder einer grösseren
Vielfalt an Looks und Praktiken Platz. Insbesondere
das Aufkommen des Internets macht
es nochmals leichter, auf den jeweiligen Geschmack
zugeschnittene Pornographie zu finden.
Parallel hatte die Schwulenbewegung in
Sachen gesellschaftliche Anerkennung erste
Erfolge zu verzeichnen, die den Normierungsdruck,
der auf den Schwulen lastet, wieder ein
wenig lockert. Ein von der Schwulenbewegung
vermitteltes offizielles Bild von schwuler Identität
und schwulen Beziehungen besteht zwar
fort, doch daneben gibt es wieder mehr Spielraum
für Diversität. Mit der Entwicklung von
Medikamenten, die eine HIV-Infektion zu etwas
machen, das sich managen lässt, und dem
Erlangen eines rechtlichen Status für homosexuelle
Beziehungen, kommt es dann in den
Nullerjahren des 21. Jahrhunderts in der
Schwulenpornographie zum Tabubruch, indem
erstmals seit Mitte der 80er wieder
schwule Pornos produziert werden, in denen
die Darsteller keine Kondome verwenden.
Heute macht die sogenannte Bareback-Pornographie
einen grossen Teil des Markts für
schwule Pornographie aus. Nachdem Safer-Sex-Kampagnen
jahrelang unsafe Sexpraktiken
im realen schwulen Sexleben bekämpft
hatten, erstaunt ihr Auftauchen in der Fantasiewelt
der Pornographie nicht.
Hypermännlich & hypersexuell
Schwule Pornographie macht also sexuelle
Akte, die in der Gesellschaft stigmatisiert
sind, sichtbar und präsentiert diese als lustvoll.
Dies hat einen bestärkenden Effekt auf
schwule Männer. Gleichzeitig prägt die Hypermännlichkeit
und Hypersexualität der
Schwulenpornos die Gay Community derart
stark, dass ein abschreckender Effekt auf
Schwule, die diesen ästhetischen Standards
nicht entsprechen, wahrscheinlich ist.
Ein Beispiel hierfür: Auf Datingsites
präsentieren sich Schwule in Form von Profilen.
Dazu müssen sie sich anhand von Kategorien,
die aus der schwulen Pornographie entlehnt
sind, selber beschreiben und einstufen.
Dabei geht es sowohl um
äusserliche Merkmale wie
auch um sexuelle Vorlieben,
Praktiken und Fetische.
Dabei geht es sowohl um äusserliche Merkmale
wie auch um sexuelle Vorlieben, Praktiken
und Fetische. Dazu müssen die Profile mit
Bildern versehen werden, die sich stark an die
Ästhetik der Schwulenpornos anlehnen. Wer
sich dem nicht unterwerfen möchte, kann sich
zwar bei diesen Sites anmelden, er bleibt jedoch
für die Suchfunktionen und Ratings des
Portals weitgehend unauffindbar, seine Sichtbarkeit
ist deutlich eingeschränkt. Körperlich
Behinderte etwa oder Übergewichtige, für die
ja vielleicht solche Portale besonders wichtig
wären, werden so bereits durch die Vorgaben
der Sites unsichtbar gemacht.
Zusammenfasend lässt sich sagen, dass
das Überschreiten der Einschränkungen
durch die heterosexuell dominierte Gesellschaft
in der schwulen Pornographie offenbar
schwule Identität bestärken kann. Damit geht
jedoch das Problem einher, dass in diesem bestärkenden
Effekt das eigentlich Transgressive
der schwulen Pornographie wieder verlorengeht,
im Überschreiten der Grenzen der sexuellen
Identität werden neue Grenzen gezogen.
Damit hat schwule Pornographie ebenso normierende
Effekte wie heterosexuelle Mainstreampornographie.
Hoffnung machen hier die
Experimente der sogenannten Post-Pornographie,
die bewusst auf eine Vielfalt von Körpern,
Schönheitsidealen, Geschlechtern und
sexuellen Orientierungen setzt, um herrschende
Normierungen aufzubrechen.
Nathan Schocher
Schocher promoviert in Philosophie an der
Universität Zürich und ist Mitglied des
Graduiertenkollegs am Zentrum Gender
Studies der Universität Basel. Er arbeitet als
Programmleiter für Menschen mit HIV bei der
Aids-Hilfe Schweiz.
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
20 Kultur
KOLUMNE 21
Buchtipp
Mirko
Ein Gefangener
der Schuld
Während es mittlerweile Dutzende schwule Romane gibt, ist das Thema schwul
als Muslim in der Literatur noch stark unterrepräsentiert. Saleem Haddad packt
mit seinem Roman «Guapa» ein heisses Eisen an.
LGBTIQ – Was sollen diese Buchstaben
miteinander?
Mirko kommt während der Pride ins Grübeln und
fragt sich, was uns so verbindet.
Von Birgit Kawohl
D
er hierzulande noch unbekannte Saleem
Haddad (*1983) ist so etwas wie
ein Weltbürger. Als Sohn einer irakisch-deutschen
Mutter und eines libanesisch-palästinensischen
Vaters verbrachte er
seine Kindheit und Jugend in Jordanien,
Kanada und Grossbritannien. Mittlerweile
arbeitet er für Ärzte ohne Grenzen vor allem
im Nahen Osten. Insofern ist er sicherlich
prädestiniert, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen,
das heutzutage im arabischen
Raum ein ganz wichtiges ist: Wie gehe
ich als Muslim damit um, schwul zu sein?
Rasa, ein 27-jähriger Araber, der in einem
nicht näher benannten Land des Nahen
Ostens als Übersetzer arbeitet, merkt
schon als Kind, dass er irgendwie anders ist
als die anderen Jungs in seiner Umgebung.
Die Situation ist in einer Kultur, in der
Schwulsein immer noch sanktioniert und
verachtet wird, sowieso schon schwierig.
Für Rasa wird alles aber noch schlimmer,
als zunächst seine Mutter verschwindet
und ca. ein Jahr später sein Vater an Krebs
stirbt. Da ist er zwölf und wird fortan von
seiner allseits präsenten Teta (Grossmutter)
aufgezogen, die sehr strenge Regeln an alle
Formen von Schicklichkeit und Anstand
anlegt. Eib (Schande) wird für ihn zum
Marker allen Tuns. Und dass Homosexualität
eib ist, ist ihm sofort klar. Sein Körper
wird für ihn zum Gefängnis, die verbotenen,
schwulen Gedanken dürfen nicht nach
aussen dringen.
In der Hoffnung, die Freiheit zu finden,
geht er für sein Studium in die USA, doch da
passiert etwas, das ihn zu einer anderen Art
von Aussenseiter stempelt: 9-11. Jetzt ist er in
der Freiheit und steckt doch in einem – politisch-ideologischen
– Gefängnis aus Vorurteilen.
Rasa ist hin- und hergerissen zwischen
seiner Herkunft und seiner Sexualität. Als er
dann nach seiner Rückkehr – er wohnt bei
seiner Grossmutter – die Liebe seines Lebens
trifft, scheint sich vieles für ihn zu ändern.
Verwoben mit diesen privaten Dramen
des Protagonisten, der alles aus der Ich-
Perspektive schildert, sind die Ereignisse,
die wir zumeist unter dem Begriff «Arabischer
Frühling» zusammenfassen. Die jungen
Araber versuchen eine Befreiung und
stossen immer wieder an die Grenzen der
Systeme, sei es die Politik oder die Religion.
Hier stellt sich beim Leser die Frage, warum
der Autor seine Handlung in einem fiktiven
Land ansiedelt. Dies nimmt diesem natürlich
die Schwierigkeit, die Ereignisse ganz
genau recherchieren und akkurat wiedergeben
zu müssen. Andererseits bekommt die
Geschichte von Rasa damit auch etwas Allgemeingültiges,
könnte sie doch in eigentlich
jedem muslimisch geprägten Land passiert
sein. Dem Leser wird damit auf jeden
Fall ein quasi hautnaher Einblick in eine
vom Islam bestimmte Kultur gewährt, den
man so nur selten erhält.
Haddad ist mit «Guapa» ein spannender,
gut geschriebener Roman gelungen,
der uns ein wenig die Augen öffnet für das
Dilemma, in dem auch bei uns viele Muslime
stecken.
Buchtipp
Saleem Haddad: Guapa. Albino Verlag
Preis CHF 23.90
ISBN 9783959850841
VON Mirko
I
ch, letschti so «Hey Alte, hättsch mi direkt
aagredt, statt dis Schwanzfoto per
Message geschickt, hätten wir schnell
im WC-Wage chönne ficken.»
«D Schwiiz wär weniger schön ohne
uns Balkanjungs.»
«Für mich ist die Pride zallererscht eine
grosse Salamiparty. Ja sorry, ich ha mir’s au
nöd usgsuecht, dass ich so eifach bi.»
Züri ist das gelobte Land für Schwule,
han i gläse. Wahrschiinlich flüged’s darum
die ganz Ziit uf Berlin und Sitges und weiss
ich woane. Nirgends kommt man so einfach
weg und irgendwo anders hin als in Zürich.
Liit halt guet, so zmitzt im schwule Europa
und mit eigetem Flughafe. Aber wie kann
Züri das gelobte Land sein, wenn man es do
nöd ushaltet und ständig weg muess?
Wahnsinnig viel läuft halt in Zürich
ausser an der Pride nicht. Aber dann hat’s
Typen zum Abwinken. Billig ist’s aber auch
da nicht. Als ich auf dem WC sass, ich ha ja
5 Franke zahlt und ich wollte was für de
Cash, dachte ich: E Rieseufwand, die Pride,
und die machen das all Jahr wieder und werden
nicht bezahlt, nur damit d Bitches dann
reklamieren chönned wägem Büchsebier für
7 Stutz, wenn sie unter dem riesigen Schattenzeltdach
– shit, das het ja es Vermöge
koschtet – stehen. Und was mached’s, wenn
sie nöd über d Priise jammeret? Fotos posten
und Grindr abchecken? Hey Alte, hättsch mi
direkt aagredt, statt dis Schwanzfoto per
Message geschickt, hätten wir schnell im
WC-Wage chönne ficken. Aber so isch’s mir
zdumm gsi. An der Pride will ich Diversity
in Reality.
Am Umzug hät’s nöd so viel Diversity
gäh soundmässig. Balkan Beats letztes Jahr
han i fresh gfunde – oder händ alle LGBTI-
GIQs den gleichen Musikgeschmack und
wenn ja, warum? Mängmol am Umzug hat
An der Pride will ich
Diversity in Reality.
mein Schädel nicht nur wegen der krassen
Sonne brummt: Pride ist mir zu kompliziert.
Muss ich alles verstehen, was da abläuft?
Müssen mama und tata das verstehen? Ich
ha denn dänkt, sie müend mi eifach in Rueh
loh. Mehr will ich nicht. Jede macht, wie er’s
guet findet. Aber d Details will ich lieber nöd
wüsse. Respect halt, das langet. Dafür muss
man nicht viel wissen.
Was weiss ich über Pride? Es gibt sie
jedes Jahr und überall e bitz. Es geht um Diversity,
gleiche Rechte und dieses Jahr ging’s
um Flüchtlinge. Gueti Sach. Meine Eltern
sind ja auch quasi geflüchtet vorem Wahnsinn
im Balkan, als niemand wusste, ob das
Abschlachten je wieder aufhört. Aber ich ha
nöd gwüsst, was und wie’s mit de Pride isch.
Bi froh gsi um de Spruch a de Brugg bi de
Polizei, dass Stonewall Riots wäge de
schwarze Transe usbroche sind. Ich ha’s nöd
checkt, aber denn googlet. Ich lehre gärn dezue.
Man kann auch viel wissen und kei Respekt
haben. Es het gnervt, dass üs da bi
dere Brugg e Frau aagschraue het vo Kapitalismus
und so. Mini Eltere sind im antikapitalistischen
Jugoslawien aufgewachsen und
das isch jo äbe nöd guet usecho, süsch wären
wir nicht hier. Ok, d Schwiiz wär weniger
schön ohne uns Balkanjungs. Alles hat seine
guten Seiten. Wäg dem Spruch über die
schwarze Transe: Ja sorry, dass z Züri weisse
Frauen und Männer an der Pride mitlaufen,
aber mit nur schwarze Transleute wär’s es
bitz leer. Hat halt hier nicht so viele davon.
LOL. Mehr Jugos und so, aber die, die da
schrieen von der Seite, die sahen weder nach
Jugo noch nach schwarzen Transmenschen
aus. Respect, enand sii loh, wie mer sind,
isch für alle nöd immer einfach. Ah, übrigens:
Respect für die Dadsters von Gaysport,
3 Stund in der heissen Sonne hüpfen,
hey, ich hätt mir de Fuess verknackst i de
Tramschiene oder süsch schlapp gemacht,
und ich bin ja mindestens es Vierteljahrhundert
jünger als die.
Aber was bliibt? Was haben wir gemeinsam?
Es hat schreiende Alternativen
und Polizisten bei uns. Die chönnd scho mal
nöd zäme. Und für mich ist die Pride zallererscht
eine grosse Salamiparty. Ja sorry,
ich ha mir’s au nöd usgsuecht, dass ich so eifach
bi. Es bleibt wenig gemeinsames mit all
den LGBTQIs, ausser dass wir Respect wollen
und Respect können wir untereinander
schon mal e bitz üebe.
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
22 Portrait
Portrait 23
Wolfgang Ohlert
Wolfgang Ohlert
Wann ist ein Mann ein Mann und wann
ist man(n) eine Frau?
Nicht Mann, nicht Frau - dazwischen: Über Transgender wird viel gesprochen.
So viel, dass Transgender fast wie Trend klingt. Doch wie oft kommen wir
Transmenschen wirklich nahe? Der Fotograf Joseph Wolfgang Ohlert tut es.
Von Haymo Empl & Laura Lewandowski (dpa)
D
urch seine Kamera will Joseph Wolfgang
Ohlert den Menschen sehen, wie
er ist. Mann. Frau. Irgendwas dazwischen.
Klick. Wimpernschlag. Klick, klick.
Die dürren Schultern des Models kippen nach
vorne. Shot. Frauen aus Hochglanzmagazinen
könnten es nicht besser. Posieren. Ohlert
ist zufrieden. Wie immer, wenn er das Gefühl
hat, dass seine Fotos die Identität eines Menschen
widerspiegeln.
«Du bist, wer du bist, und so fotografiere
ich dich», sagt der 25-jährige Ohlert. Er
porträtierte schon Menschen in vielen Teilen
der Welt. Paris, New York, San Francisco.
Das Resultat nach rund zwei Jahren Arbeit:
293 Seiten, etwa 80 Fotos und ein Buch im
Selbstverlag mit dem Titel: «Gender as a
Spectrum». Es ist ein Buch über Transgender.
Über Leute, die jenseits der klassischen
Zweiteilung in Mann und Frau leben. «Nur
weil du einen Schwanz hast, bist du nicht automatisch
ein Mann», sagt Ohlert.
©Bild: Juergen Ostarhild
Wer bin ich eigentlich?
Und damit wären wir bei der Frage, die sich
der Fotograf auch für sich schon stellte: Wer
bin ich eigentlich? Was unterscheidet einen
Mann von einer Frau? Nehmen wir «Kaey»:
1979 geboren als Dennis Klein, mit einem
Penis. Kaey sieht sich selbst als Frau, sie liebt
Männer. Trans eben. In Berlin arbeitet sie als
Redaktorin beim «Siegessäule Magazin»,
eine Art deutschem Pendant zum Cruiser.
Die 37-jährige Kaey interviewte die Porträtierten
für Ohlerts Buch. Das Ziel der beiden:
den weniger bekannten «Betroffenen»
eine Stimme zu geben. Und sicher auch sich
selbst weiter auf die Spur zu kommen. Denn
das ist mitunter gar nicht so einfach, wenn
man nicht weiss, «wie viele es da draussen
sonst noch gibt». Denn: Verlässliche Zahlen
über Transmenschen im deutschsprachigen
Raum lassen sich nicht finden, für die
Schweiz existieren nicht einmal Anhaltspunkte.
Ableiten lässt sich eine Zahl vielleicht
von den registrierten Operationen. Im
Jahr 2014 legten sich 1051 Menschen in
Deutschland auf den Operationstisch, um
ihre Genitalien angleichen zu lassen. Längst
nicht alle wollen diesen Schnitt/Schritt tun,
auch Kaey nicht. Der Eingriff sei zu schwer,
das Risiko, dass etwas schiefgehe, zu hoch.
Ausserdem sagt sie: «Ich persönlich fühle
mich immer als Frau, trotz Penis.» Und trotz
1,90 Meter Körpergrösse, trotz tiefer Stimme.
Auf Brüste spart Kaey dennoch. Die
Hormone, die sie von 2011 an zwei Jahre genommen
habe, hätten nicht viel gebracht.
Wie verhält man sich dem anderen gegenüber,
bei dem man nicht sicher sagen
kann, ob «sie» oder «er» dort steht? Nicht ➔
Kaey sieht sich selbst als Frau und interviewte die Portraitierten in Wolfgang Ohlerts Buch.
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CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
24 Portrait
Serie 25
Wolfgang Ohlert
Homosexualität in Geschichte und Literatur
Schwule Elitetruppen
demütigen Sparta
Mehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte,
der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch
in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus,
würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge
und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder
zumindest aufgefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: Soldaten, auf die zuhause
keine Frau wartet …
… und andere zurückhaltend.
Im Buch kommen diversere Protagonisten zu Worte – manche sind schräg und schrill …
wenige hätten Angst, bei einem Gespräch ins
Fettnäpfchen zu treten, sagt Fotograf Ohlert.
Auch er entspricht nicht unbedingt der Norm.
Ein schöner Mann ist er, dennoch kann es irritieren,
wenn er seine Haare mal blau gefärbt
trägt oder blau lackierte Fingernägel hat und
beim nächsten Mal die Mähne abrasiert ist.
Auch er als Schwuler wusste über Transgender
nicht immer so viel wie heute.
«Ich gehöre nicht zu denen»
Sein auffälliges Äusseres, seine sexuelle Orientierung,
das Künstlerdasein – diese Dinge
haben bewirkt, dass Ohlert häufig nachdachte
über die Ausgrenzung von Minderheiten.
Trotzdem – oder gerade deshalb –
versteht er, dass die Begegnung mit einem
Transmenschen befremdlich sein kann. Früher
habe er selbst zu denen gehört, die sagten:
«Ich bin stolz darauf, schwul zu sein. Ich
gehöre nicht zu denen.»
Nach Dutzenden Porträts und noch
viel mehr Bekanntschaften mit Transmenschen
fragt Ohlert heute Sachen wie: «Warum
fühlst du dich angegriffen, wenn jemand
sein Geschlecht selbst bestimmen will?»
Früher habe auch er oft nicht gewusst,
wie er den Dialog starten sollte. Doch man
müsse sich einfach auf die Leute einlassen.
Das könne mit der simplen Frage beginnen:
«Wie möchtest du angesprochen werden?
Das sagt alles. Das ist respektvoll.»
Buch
Gender as a Spectrum: 304 Seiten (ISBN-13:
978-3000504082)
Das Buch von Joseph Wolfgang Ohlert kann
direkt über seine Webseite bestellt werden:
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die Schweiz.
josephwolfgang.ohlert.de
©Bilder: J.W. Ohlert
VON ALAIN SOREL
E
liteeinheiten in Armeen: Es gibt sie
heute, es gab sie früher. Wir hören
immer wieder von Einsätzen der
amerikanischen Navy SEALs oder des britischen
Special Air Service. Im Altertum
hatte auch das griechische Theben eine
ganz besondere Sondertruppe.
Hyppolitos versorgt eine Wunde von
Andromachos, die sich dieser beim
Kampftraining zugezogen hat. Er desinfiziert
sie, indem er ein mit einem Brei aus
Honig und Schafgarbe bestrichenes
Rindenstück auf die verletzte Stelle am
Oberschenkel von Andromachos heftet.
Keine Spritze, kein Antibiotikum in ➔
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
26 Serie
Serie 27
Homosexualität in Geschichte und Literatur
Homosexualität in Geschichte und Literatur
Nur für Gays
Bei der «Heiligen Schar» war eine gleichgeschlechtliche
Veranlagung Bedingung, um
aufgenommen zu werden. Erwünscht waren
Männer-Paare, zwischen denen es glühte vor
Leidenschaft. Männer-Paare wie Hyppolitos
und Andromachos.
Führende Offiziere Thebens hatten die
Einheit geschaffen, und die Absicht dahinter
funktionierte. Die schwulen 150 Soldatenpaare
taten alles füreinander, sie beschützten
sich in der Schlacht gegenseitig und wollten
unbedingt über den Feind triumphieren,
weil jeder auch persönlich etwas zu verlieren
hatte – den Geliebten. Weil sie hochmotiviert
waren, profitierte davon die ganze Armee
und letztlich die Heimat. Die Mitglieder
dieser verschworenen Einheit standen im
Kampf Seite an Seite, Rücken an Rücken, beherrschten
Schwert und Speer. Im Unterschied
zur regulären Armee waren sie Berufssoldaten.
Schwur auf schwulen Halbgott
Nicht von ungefähr hatten sich Thebens Offiziere,
darunter neben dem Befehlshaber
Epaminondas auch der Feldherr Pelopidas,
bei der Gründung der Truppe einen Helden
aus der griechischen Mythologie zum Vorbild
genommen: Herakles, der Sage nach ein
Sohn der Stadt. Der Halbgott, Sohn des Göttervaters
Zeus, hatte einen jungen Neffen,
Iolaos, mit dem er eine Liebesbeziehung unterhielt.
In zahlreichen Schlachten waren sie
ein unschlagbares Gespann, fein aufeinander
abgestimmt, deckte doch Iolaos als Wagenlenker
den Herakles. Es verwundert deshalb
nicht, dass Herakles Schutzpatron der
um das Jahr 378 v. Chr. gegründeten Truppe
wurde und die Männer auf ihn einen heiligen
Schwur leisteten.
Der Konflikt zwischen Sparta und Theben
schwelte jahrelang. Sparta versuchte die
ganze Zeit über, Theben kleinzuhalten; dieses
wollte Böotien unter seiner Führung einigen.
Es kam zu ersten Scharmützeln. Mit
der «Heiligen Schar» fühlte sich Theben
nach und nach imstande, auf dem Schlachtfeld
die endgültige Entscheidung herbeizuführen.
Der Tod setzte mancher
Liebe ein brutales Ende.
Sieg in der Schlacht, Gefahr für die
Liebe
Am 5. August 371 v. Chr. prallen die beiden
Heere bei Leuktra aufeinander. Sparta hat
etwa 10 000 Mann aufgeboten, die böotische
Seite rund 6000. Doch die geringere Anzahl
wird durch die Strategie des Epaminondas
wettgemacht, der das Überraschungsmoment
der Schiefen Schlachtordnung einsetzt.
Er macht mit seinen Sondereinheiten, darunter
auch der «Heiligen Schar», nicht den
rechten Frontabschnitt besonders stark, wie
nach der klassischen Phalanx-Taktik üblich,
sondern den linken. Damit bringt er Unruhe
in die nach der traditionellen Methode aufgestellten
Reihen der Spartaner. Diese wanken
und lösen sich später auf. König Kleombrotos
von Sparta fällt, und damit ist die
Niederlage seines Stadtstaates besiegelt. Theben
ist die neue Supermacht.
Viele der Gay-Paare der «Heiligen
Schar» kehrten aus Schlachten wie jener bei
Leuktra nicht mehr zurück. Der Tod setzte
mancher Liebe ein brutales Ende. Im Roman
von Adamson ist es Hyppolitos, der nach dem
Sieg über Sparta wie versteinert am Lager von
Andromachos sitzt, dem einer der Feinde
eine schwere Brustwunde zugefügt hat. Während
er über ihn wacht, wird ihm einmal
mehr bewusst, wieviel ihm der Freund bedeutet.
Wenn es nur nicht zu spät ist für sie.
Echte Navy Seals. Im Gegensatz zu unserer Geschichte im Artikel ist hier Homosexualität nach wie vor ein Tabu.
©Bild: U.S. Department of Defense
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Tablettenform, denn wir sind in der Welt
des Altertums. Die Natur muss heilen.
Die beiden jungen Männer sind Soldaten,
die für Theben kämpfen – die wichtigste
Stadt der mittelgriechischen Landschaft
Böotien. Andromachos soll möglichst
schnell wieder gesund werden, denn die Zeichen
stehen in diesem Schicksalsjahr 371 v.
Chr. auf Krieg. Auf Krieg mit dem mächtigen
Sparta, das unter den griechischen
Stadtstaaten eine Vormachtstellung einnimmt.
Aber Hyppolitos sähe den Freund
auch aus andern Gründen lieber heute als
morgen wieder in Topform. Andromachos
und er lieben sich, und jede Beeinträchtigung
des einen erfüllt den andern mit Sorge.
Sex muss warten
Andromachos ist aber nicht so schwer verletzt,
als dass ihn die helfenden Hände seines
Geliebten am Oberschenkel nicht beinahe
um den Verstand gebracht hätten. Er bedeutet
Hyppolitos unmissverständlich, dass er
sich zu ihm legen solle. Aber Hyppolitos
bleibt für einmal kühl und denkt für beide.
Es ist jetzt keine Zeit für Sex. Ihr Befehlshaber
Epaminondas erwartet sie. Die Elitetruppe,
in der Hyppolitos und Andromachos
dienen, muss sich auf den Einsatz gegen
Sparta vorbereiten.
Weil sie hochmotiviert
waren, profitierte davon
die ganze Armee und
letztlich die Heimat.
Die zwei sind die fiktiven Hauptfiguren
im hochspannenden Roman «Geliebter
Söldner» von Phil Adamson, in dessen Buch
die «Heilige Schar» im Blickpunkt steht: eine
militärische Sondereinheit der Thebaner.
Diese Truppe ist kein Phantasieprodukt von
Adamson. Es hat sie in der Antike tatsächlich
gegeben.
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
28 Forschung
Forschung 29
HIV & Alter
HIV & Alter
Sterben war gestern:
Altern mit HIV
Dank moderner Medikamente haben HIV-Patienten eine fast ebenso
hohe Lebenserwartung wie gesunde Menschen. Aber wie altert man
mit diesen Medikamenten?
Von Stéphane Praz & Haymo Empl
I
nsgesamt verlängerte sich die Lebensspanne
der nach 2008 behandelten
Aids-Kranken um zehn Jahre, wie aus
einer Studie in der Fachzeitschrift «The
Lancet HIV» hervorgeht. Heisst also, dass
an AIDS erkrankte Menschen, die ihre Behandlung
2008 oder später begonnen haben,
lange und gesund leben können. Für
die Studie werteten die Forscher der britischen
Universität Bristol Daten von mehr
als 80 000 HIV-Patienten aus Europa und
den USA aus. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse
seien wichtig, um Risikopersonen
zu Aids-Tests zu ermutigen, erklärten
die Wissenschaftler. Dennoch steht die
Krankheit im Verdacht, den «Alterungsprozess»
zu beschleunigen. Daher: Altern
HIV-positive Menschen schneller? Wenn
ja: alle? Auch in der Schweiz wird diesbezüglich
geforscht.
Rund um das Thema «HIV und Alter»
sind noch viele Fragen offen. Nun will die
Studie «Metabolismus und Aging», kurz
M+A, zu fundierten Erkenntnissen gelangen.
Wie das gelingen soll und welche Herausforderungen
sich dabei stellen, erklärt
Studienleiterin Helen Kovari im Interview.
Frau Kovari, wie funktioniert die
«Metabolismus und Aging» Studie?
Helen Kovari: Das Prinzip ist einfach: Wir
messen bei tausend HIV-Patienten, die
mindestens 45 Jahre alt sind, verschiedene
Werte wie Knochendichte, Nierenfunktion
sowie die geistige Fitness. Zwei Jahre später
führen wir dieselben Tests nochmals durch
und sehen dann, bei welchen Patienten die
Leistungen am stärksten abgenommen haben,
also der Alterungsprozess am schnellsten
fortschreitet. Bei 400 Patienten messen
wir zusätzlich, ob Verengungen oder Verkalkungen
der Herzkranzgefässe vorliegen
CRUISER Sommer 2017
und wie rasch diese innerhalb der zwei Jahre
fortschreiten. Diese Werte vergleichen
wir mit einer Kontrollgruppe HIV-negativer
Personen.
Was ist das Spezielle an dieser Studie
im Vergleich zu bisherigen Studien?
In der M+A-Studie untersuchen wir verschiedene
Organe gleichzeitig und über längere
Zeit. So können wir diverse Befunde miteinander
verknüpfen. Zum Beispiel werden wir
untersuchen, ob Verkalkungen der Herzkranzgefässe
einhergehen mit Abnutzungserscheinungen
an den Knochen oder mit vorzeitig
auftretender Demenz. Zudem wird die
Studie im Rahmen der Schweizerischen
HIV-Kohortenstudie SHCS (vgl. Box) durch-
geführt. Die SHCS ist im internationalen Vergleich
eine besondere Kohorte. Sie repräsentiert
die HIV-positive Bevölkerung sehr gut,
da sie drei Viertel aller HIV-Patienten in der
Schweiz umfasst: sowohl Frauen als auch
Männer, Personen, die sich über Drogenkonsum
angesteckt haben, über homosexuellen
Geschlechtsverkehr oder über heterosexuellen
sowie Migrantinnen und Migranten.
Warum untersuchen Sie Patienten ab
45 Jahren?
Mit 45 Jahren können sich auf Organebene
bereits Veränderungen zeigen. Das ist von
Person zu Person aber unterschiedlich. Dass
wir die Grenze bei 45 Jahren zogen, hat letztlich
auch praktische Gründe. Hätten wir die
Schwelle bei 60 gesetzt, dann hätten wir viel
weniger Patienten einschliessen können. Ein
bedeutender Vorteil dieser Studie ist die
grosse Zahl an Teilnehmern sowie deren Zusammensetzung,
die repräsentativ ist für die
HIV-positiven Personen in der Schweiz. Das
wird sich in den Resultaten spiegeln.
Liegen bereits Resultate vor?
Nein. Die erste Testreihe wurde erst im
Spätsommer 2016 bei allen Teilnehmern
abgeschlossen.
Wie geht eine solche Untersuchung vonstatten?
Für alle Tests bei einem Studienteilnehmer
benötigen wir einen ganzen Tag. Wir nehmen
Blut- und Urinproben (nüchtern) ab,
messen die Knochendichte, fahren eine koronare
Computertomografie und erfassen
mittels neuropsychologischer Testung die
geistige Fitness. Bei der Verlaufsuntersuchung
nach zwei Jahren führen wir zusätzlich
ein Interview zu den Ernährungsgewohnheiten
durch.
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Damit festgestellt werden, ob Menschen
mit HIV schneller altern als die Allgemeinbevölkerung,
muss mit einer
negativen Kontrollgruppe verglichen
werden …
Für die Herzkranzgefässe-Untersuchung
haben wir eine HIV-negative Kontrollgruppe.
In dieser erfassen wir zusätzliche
Informationen wie Risikofaktoren für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Medikamenteneinnahme,
körperliche Tätigkeit
und weitere Informationen.
Doch für die gesamte M+A-Studie
haben wir keine HIV-negative Kontrollgruppe.
Das wäre logistisch und finanziell
eine grosse Herausforderung. Zudem wäre
es grundsätzlich schwierig, eine geeignete
Vergleichsgruppe zu finden.
Werden Sie die Frage, ob HIV das Altern
beschleunigt, beantworten können?
Ich hoffe es. Unsere Resultate werden ein
wichtiger Mosaikstein sein zur umfassenden
Beantwortung dieser Frage.
Helen Kovari
ist Oberärztin mit erweiterter Verantwortung
an der Klinik für Infektionskrankheiten und
Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich.
Als HIV-Spezialistin ist sie sowohl in der
Betreuung von Patienten wie in der Forschung
tätig. Im Rahmen der Schweizerischen
HIV-Kohortenstudie leitet sie zurzeit zwei
Studien, die sich mit dem Alterungsprozess
HIV- positiver Personen sowie dem Einfluss
von HIV auf die Leber beschäftigen.
* Das Interview ist in ausführlicher Form in den «Swiss Aids
News» des Bundesamts für Gesundheit (BAG) nachzulesen.
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KOLUMNE 31
Dr. Gay
Thommen meint
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Das
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VON Vinicio Albani
Ist Urintrinken gefährlich?
Ich trinke jeden Tag den Urin
meines Mannes. Wir finden das
beide richtig geil. Dabei macht er
mir meistens direkt in den Mund
und ich trinke alles. Meine Frage:
Kann das für mich schädlich sein?
Karl (33)
Hallo Karl
Das Trinken von Urin ist bezüglich HIV
ungefährlich. Du solltest aber auf den Urin
deines Mannes verzichten, wenn er krank
ist (z.B. Harnwegsinfekt oder Blasenentzündung),
um eine mögliche Infektion zu
vermeiden. Sexuell übertragbare Infektionen
(STI) die über Urin übertragen werden
können, sind Hepatitis B (und unter Umständen
auch A), sowie Tripper. Ich rate dir,
dich gegen Hepatitis A und B impfen zu
lassen. Wende dich dafür am besten an den
Checkpoint: mycheckpoint.ch.
Alles Gute, Dr. Gay
Das Kondom ist abgerutscht.
Was jetzt?
Ich hatte vor ein paar Tagen eine
Risikosituation und bin total
verunsichert. Beim Analverkehr ist
das Kondom abgerutscht und ich
habe es erst knapp eine Minute
später bemerkt. Ich war dabei der
Aktive. Mein Sexpartner sagte, er
hätte vor etwa zwei Monaten
ungeschützten Sex mit jemandem
gehabt, der HIV-positiv ist, aber
unter der Nachweisgrenze liege.
Wie hoch ist das Risiko, dass er
sich da angesteckt hat? Und wie
hoch ist mein Risiko?
Patrick (29)
Hallo Patrick
Unfälle können passieren. In deinem Fall
ist das Kondom abgerutscht und du hast
weniger als eine Minute ohne Kondom gefickt.
Ungeschützter Analverkehr gilt als
hohes HIV-Risiko. Ein wichtiger Faktor für
die Risikoeinschätzung ist aber auch die
Dauer der Exposition. Je länger sie dauert,
desto höher das Risiko. In deinem Fall war
die Dauer kurz. Dennoch war es ein Risiko.
Wenn du Klarheit möchtest, empfehle ich
dir einen HIV-Test machen zu lassen. Dieser
ist bereits 15 Tage nach Risiko möglich.
Wende dich für Test und Beratung am besten
an den Checkpoint (mycheckpoint.ch).
Analverkehr ohne Gummi mit einer
HIV-positiven Person, welche unter wirksamer
Therapie ist und bei der keine HI-
Viren im Blut nachweisbar sind, ist sicher.
Sogar sicherer als ein Kondom, weil eben
Kondompannen ausgeschlossen sind. Der
«Schutz durch Therapie» gilt als Safer Sex.
Mehr zum Thema #undetectable findest du
auf drgay.ch/undetectable.
Alles Gute, Dr. Gay
Seit geraumer Zeit gibt es Wörter, die mit Tabus belegt worden sind.
Sie werden mit den Anfangsbuchstaben abgekürzt: n- f- mf-.
Ähnlich der sexuellen Variationen bei den Buchstabenmenschen.
VON PETER THOMMEN
D
as «P-Wort» kennen fast alle und
damit wird immer wieder eifrig Politik
gegen Schwule gemacht. Aber
das G-Wort ist den meisten unbekannt.
Dabei leben wir in einer Kultur, die sich
mit älteren Männern nicht nur wegen der
Rente schwertut. Der Monotheismus gebietet
uns sogar, einen uralten Gott zu «lieben»
und «keinen anderen neben ihm» zu
haben.
Ich konnte nie etwas Sexuelles mit älteren
Männern anfangen und habe immer Verständnis
für die jüngeren und respektiere deren
Orientierung zu ihrer Altersgruppe.
Allerdings habe ich mich immer auch mit älteren
Männern unterhalten und mich notfalls
auch abgegrenzt. Klar kann ich nur mit wenigen
Älteren diskutieren – weil die meisten
sind für mich irgendwo mit 30 oder 40 «stehen
geblieben». Aber das ist mein Problem!
Zufällig bin ich kürzlich auf der Seite
des Sissymagazins in einer Filmbesprechung
folgenden prägnanten Worten begegnet:
«Und dann treten auch noch zwei alte Männer
als Widerständige einer Zeit auf, die
nicht mehr ihre ist. Alte schwule Männer,
die ‹grausam› aus der jungen queeren Szene
verbannt sind, wie es Filipe und Marcio sagen,
aber eben auch Vorreiter jener Rechte
sind, die die Jungen in Brasilien geniessen.»*
Die queeren Falschsexuellen beklagen
sich immer mal wieder über gegenseitige
Ausgrenzungen. Aber über die Ausgrenzung
der Alten innerhalb der eigenen Buchstabenreihen
verlieren sie kein Wort! Amen.
Nicht jeder Geronto-Sex ist
auch eine Gerontophilie
Zufällig kam heute ein junger Mann
mit farbigem Teint in den Buchladen herein,
scheu schaute er sich um und bemerkte lapidar:
Bücher. Um ihn nicht einfach «hängen»
zu sehen, fand ich in ein Gespräch und er
sagte schnell, er finde sich nicht zurecht. Ich
antwortete ihm, in den Jahren Anfang 20 sei
das nicht selten. Er hat Erfahrungen mit
Frauen, aber es zieht ihn immer mal wieder
sexuell zu älteren Männern. (Da war ich übrigens
froh, ihm nicht schon die Jugendgruppe
empfohlen zu haben.)
Aber im Ernst: Was tut ein junger
Mann, wenn er immer wieder spürt, dass die
Anwesenheit Älterer ihn irgendeine Wärme
spüren lässt, die im gesellschaftlich vorgege-
benen Konzept nicht vorkommt? Zufällig ist
er im allgemeinen «Heterokuchen» an zwei
oder drei Männer geraten, die seine Bedürfnisse
erwiderten. Aus diesen engen Grenzen
in der ganzen gesellschaftlichen Weite suchte
er zusätzliche Möglichkeiten. Wenn er
sein Bedürfnis gestillt hatte, interessierte ihn
der Partner nicht mehr weiter.
Die Gaysauna ist aktuell am idealsten für
seine Annäherungen an Männersex. Doch wie
er das in sein Leben integrieren kann, bleibt
offen. Frauen sind nicht interessiert, ihre Männer
mit anderen Männern zu teilen …
Nicht jeder Geronto-Sex ist auch eine
Gerontophilie (das «G-Wort»). So wie nicht
jeder Männersex auch eine Männerliebe ist
oder wird. Und dies kann auch nicht mit der
Öffnung der Ehe geregelt werden. So sind
und waren Schwule schon immer ein Medium
zwischen den «Falsch-» und den «Richtigsexuellen».
Von den anderen Buchstaben
ganz zu schweigen.
Das G-Wort gibt es auch bei den Heterosexuellen,
zwischen Männern und Frauen.
Da kommt allerdings die Fortpflanzung
dazu, die durch das Alter Grenzen setzt bei
den Frauen.
* «Das Nest» von Filipe Matzembacher und Marcio
Reolon, BR 2016, dt. Untertitel, Ed. Salzgeber Berlin.
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
32 Flashback
Marktplatz 33
Cruiser vor 30 Jahren
Kleinanzeigen
Flashback
Cruiser feiert sein
30-jähriges Bestehen.
Daher blicken wir
während des ganzen
Jahres an dieser Stelle
auf die alten Ausgaben
zurück. Dieses Mal:
Der Tod des Alexander
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ach der Premiere seines Stückes
«Kokain oder der einsame Kampf
des Philipp Neukomm» im Juli
1987 schluckte Alexander Ziegler Schlaftabletten,
um sein Leben zu beenden. Man
fand ihn im Zürcher Kammertheater tot
auf. Die Schweizerische Nachrichtenagentur
SDA fasste am 12. August 1987 zusammen:
«Laut dem Polizeisprecher fand eine
Putzfrau am Nachmittag die Leiche in einem
Buero des Kammertheaters Stok, in
dem derzeit Zieglers jüngstes Stück ‹Kokain›
läuft.» Es sei eine gerichtsmedizinische
Untersuchung angeordnet worden, die
Klarheit bringen solle, deren Ergebnisse
aber voraussichtlich erste Ende Woche vorlägen.
Der Cruiser trauerte seinerzeit mit
einigen Ziegler-Texten. Dieser hier stammt
nicht aus dem Cruiser-Archiv, sondern aus
demjenigen von Peter Thommen:
m
sauna
Mit unseren
Revisionsarbeiten
sorgen wir dafür,
dass deine
Lieblingssauna auch
in Zukunft so
schön bleibt, wie
sie ist.
Jeder schöne
schnauz
braucht etwas
Pflege…
… deshalb bleIbt das MOustache aM
dI 15., MI 16. &
dO 17. august
wegen revIsIOnsarbeIten
geschlOssen!
Täglich offen ab 11.30 Uhr
Freitag und Samstag
Nachtsauna bis 7 Uhr früh.
Moustache Sauna
Engelstrasse 4, 8004 Zürich
Tel: +41 44 241 10 80
info@moustache.ch
www.moustache.ch
CRUISER Sommer 2017 CRUISER Sommer 2017
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Wir wünschen einen
schönen Sommer!
Die Redaktion vom Cruiser verkriecht sich nun für die Sommerpause. Wir sind
ab 1. September wieder zurück am Start und freuen uns auf viele spannende
und queere Geschichten.
Anne Andresen
Tanzt dieses Jahr jedes
Wochenende auf einer
anderen Hochzeit und
wird sich anschliessend in
einem Haus am Meer davon
erholen.
Yvonne Beck
Yvonne wird sich diesen
Sommer ihrem neuen Urban
Gardening Projekt widmen
und in ihrer alten Heimat
Berlin einige laue Sommernächte
geniessen.
Haymo Empl
Wird hart an seinem Teint
arbeiten und hernach über
die faltige Haut jammern.
Andy Faessler
Wird sich in Thailand darin
üben, keinen Sonnenbrand
zu bekommen. Die Pläne
für danach sind noch
nicht geschmiedet.
Dr. Gay
Vinicio Albani wird sich
mental und musikalisch
vom Sommer inspirieren
lassen und chillige Sommertracks
produzieren.
Birgit Kawohl
Trainiert ihr Gehirn bei
«Familien Duell» auf «RTL
plus» und filmt sich mit der
GoPro beim Abtauchen in
der Adria.
Moel Maphy
Wird sich in den Glarneralpen
im Käsemachen
versuchen, ein Seminar ist
gebucht! Alleine unter
Heteros …
Mirko
Cruist zwischen Kroatien
und der Wohnung seiner
Eltern in Dietikon und weiss
noch nicht genau, wann er
wo mit wem sein wird.
Michi Rüegg
Geht campen in Südfrankreich
und macht sich am
Canal du Midi auf die Suche
nach einer verschollenen
Cousine.
Nicole Senn
Hat sommertechnisch keine
grossen Pläne und hält in
Zürich Stellung.
Alain Sorel
Bunkert sich ein gegen die
Sonne und versucht, an
kühlen Orten lesend die
grosse, die schreckliche
Hitze zu überdauern.
Peter Thommen
Wird mit seiner Schwester
Zugs- und Schiffsausflüge
machen und ab- und zu im
Internet nachschauen, ob
die Welt sich weiterdreht.
Anastasiya Udovenko
Geht baden. Und zwar so
richtig – mit Partner und
nach Süditalien.
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CRUISER Sommer 2017