Ausgabe 02 | Juni 2017 | CHF 6.80
Sterben
war gestern
Altern
mit HIV
Beipackzettel
Verwirrung statt Information
Alterspsychiatrie
Wenn die Seele leidet
Schuppenflechte
Neue Therapieverfahren
XXX XXX Juni 2017 ALTA VISTA 1
Impressum
Editorial
Inhalt
Weil Gesundheit
das Wichtigste
bleiben muss
Wie können wir Ärzten helfen, Patienten zu heilen,
und gleichzeitig dafür sorgen, Medizin bezahlbar zu
halten? Diese Frage stellen wir uns jeden Tag aufs Neue.
Dafür forschen wir und entwickeln Medizintechnik, die
innovative Diagnose- und Therapieverfahren möglich
macht und darüber hinaus hilft, die Kosten im Gesundheitswesen
zu minimieren. So verkürzen wir Untersuchungszeiten,
vereinfachen Diagnosen und entlasten
medizinisches Personal, damit mehr Zeit für das Wesentliche
bleibt: den Patienten.
Chefredaktion
Peter Empl
Herausgeber
Naeim Said
Autoren dieser Ausgabe
Yvonne Beck
Peter Empl
Ulrich Erlinger
Doreen Fiedler
Ingo Haase
Christoph Held
Stephan Inderbizin
Verena Malz
Maren Nielsen
Stéphane Praz
Art Direction
Nicole Senn | nicolesenn.ch
Korrektorat
Birgit Kawohl
Bildredaktion
Peter Empl & Nicole Senn
Web
www.altavistamagazin.ch
redaktion@altavistamagazin.ch
Administration & Anzeigen
Telefon 044 709 09 06
anzeigen@altavistamagazin.ch
Nächste Ausgabe
7. Juli 2017
Druckauflage
30 000 Ex.
AltaVista ist in der Schweiz als
Marke eingetragen.
ISSN:
2504-3358
Naeim Said
Herausgeber
Peter Empl
Chefredaktor
D
ie Medizin macht rasante
Fortschritte. Waren HIV und
AIDS vor wenigen Jahren
noch ein Todesurteil, ist es
dank der heutigen Therapien möglich,
meist weitgehend normal zu
leben. Was immer «normal» auch
heissen mag. Dennoch gibt es noch
keine Langzeiterfahrungen mit der
Krankheit, entsprechend hoch ist
die Verunsicherung für alle Beteiligten.
Wie altert man mit dieser
Krankheit, die weitestgehend symptomfrei
abläuft? Welche Wechselwirkungen
können sich mit anderen
Medikamenten ergeben? Unser Interview
in der Titelgeschichte zeigt,
dass genau das momentan erforscht
wird. Und wenn wir schon
bei «Wechselwirkungen» sind: Dieses
Thema vertiefen wir mit unserer
Geschichte «Vorsicht, Beipackzettel»
– denn nach wie vor ist dieser
für Laien (und manchmal auch für
Fachleute) alles andere als eine
klare Informationsquelle. Viele
spannende Themen also in dieser
neuen Ausgabe von AltaVista und
natürlich freuen wir uns auch über
Ihre Leser-Inputs!
Herzlich
Naeim Said, Herausgeber &
Peter Empl, Chefredaktor
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Thema
Altern mit HIV
Kolumne
Dr. Christoph Held
Wissenschaft
Geruchssinn
News
Gesehen & gehört
Multiresistente Erreger
neue Erkenntnisse
Forschung
Schuppenflechte
Forschung
Schmerztherapie
O r g a n e
Aus dem 3D-Drucker
Fokus
Alterspsychiatrie
Palliative
Care
Info
nATional & International
www.altavistamagazin.ch
32
|
Beipackzettel
fragwürdiger Nutzen
Erfahren Sie mehr unter:
www.philips.ch/gesundheit
2 ALTA VISTA JUNI 2017 XXX XXX Inhalt Juni 2017 ALTA VISTA 3
Sterben war gestern.
Altern mit HIV
Dank moderner Medikamente haben HIV-Patienten eine fast ebenso hohe
Lebenserwartung wie gesunde Menschen. So kann ein 20-Jähriger, der nach 2008
mit einer HIV-Behandlung begonnen hat, statistisch gesehen 78 Jahre alt werden.
Peter Empl / Interview von Lic. phil. Stéphane Praz*
I
nsgesamt verlängerte sich die Lebensspanne
der nach 2008 behandelten
Aids-Kranken um zehn Jahre,
wie aus einer Studie in der
Fachzeitschrift «The Lancet HIV»
vom hervorgeht.
An der Immunschwächekrankheit
Aids erkrankte Menschen, die ihre Behandlung
2008 oder später begonnen haben,
leben der Studie zufolge länger und
gesünder. Dies liegt zum einen daran, dass
moderne Medikamente weniger Nebenwirkungen
haben, zum anderen daran, dass es
heute mehr Behandlungsmöglichkeiten für
HIV-Infizierte mit Resistenzen gibt. Ferner
könnten parallel auftretende Probleme wie
Herzkrankheiten, Hepatitis C und Krebs
besser behandelt werden, hiess es weiter.
Für die Studie werteten die Forscher
der britischen Universität Bristol Daten von
mehr als 80 000 HIV-Patienten aus Europa
und den USA aus. Die daraus gewonnenen
Erkenntnisse seien wichtig, um Risikopersonen
zu Aids-Tests zu ermutigen, erklärten
die Wissenschaftler.
Diejenigen, die sich mit dem HI-Virus
infiziert hätten, könnten zudem besser
überzeugt werden, sofort eine antiretrovirale
Therapie zu beginnen. Auch könnte die
gestiegene Lebenserwartung dazu beitragen,
dass HIV-Kranke weniger stigmatisiert
würden und bessere Jobchancen hätten,
hiess es in der Studie weiter.
Dennoch steht die Krankheit im Verdacht,
den «Alterungsprozess» zu beschleunigen.
Daher: Altern HIV-positive
Menschen schneller? Wenn ja: alle? Auch
in der Schweiz wird diesbezüglich geforscht.
Es ist eine Tatsache, dass eine HIV-
Infektion schon seit geraumer Zeit sehr
erfolgreich behandelt werden kann,
nur fehlen – immerhin war das Krankheitsbild
AIDS bis weit in die 1990er Jahre
tödlich – noch Langzeiterfahrungen mit
Patienten, welche mit den entsprechenden
Medikamenten gute Behandlungserfolge
erzielen.
Viele Fragen sind also nach wie vor
ungeklärt, rund um das Thema «HIV und
Alter». Die wenigen Antworten dazu können
zudem kaum generalisiert werden. Nun
will die Studie «Metabolismus und Aging»,
kurz M+A, zu fundierten Erkenntnissen
gelangen. Wie das gelingen soll und welche
Herausforderungen sich dabei stellen, erklärt
Studienleiterin Helen Kovari im Interview.
Frau Kovari, wie funktioniert die
«Metabolismus und Aging» Studie?
Helen Kovari: Das Prinzip ist einfach: Wir
messen bei tausend HIV-Patienten, die
mindestens 45 Jahre alt sind, verschiedene
Werte wie Knochendichte, Nierenfunktion
sowie die geistige Fitness. Zwei Jahre später
führen wir dieselben Tests nochmals
durch und sehen dann, bei welchen Patienten
die Leistungen am stärksten abgenommen
haben, also der Alterungsprozess am
schnellsten fortschreitet. Bei 400 Patienten
messen wir zusätzlich, ob Verengungen
oder Verkalkungen der Herzkranzgefässe
vorliegen und wie rasch diese innerhalb der
zwei Jahre fortschreiten. Diese Werte vergleichen
wir mit einer Kontrollgruppe
HIV-negativer Personen.
Was ist das Spezielle an dieser Studie im
Vergleich zu bisherigen Studien?
In der M+A-Studie untersuchen wir verschiedene
Organe gleichzeitig und über
längere Zeit. So können wir diverse Befunde
miteinander verknüpfen. Zum Beispiel
werden wir untersuchen, ob Verkalkungen
der Herzkranzgefässe einhergehen mit Abnutzungserscheinungen
an den Knochen
oder mit vorzeitig auftretender Demenz. ➔
4 ALTA VISTA JUNI 2017 Forschung Altern mit HIV
Forschung Altern mit HIV Juni 2017 ALTA VISTA 5
Zudem wird die Studie im Rahmen der
Schweizerischen HIV-Kohortenstudie
SHCS (vgl. Box) durchgeführt. Die SHCS
ist im internationalen Vergleich eine besondere
Kohorte. Sie repräsentiert die HIV-positive
Bevölkerung sehr gut, da sie drei
Viertel aller HIV-Patienten in der Schweiz
umfasst: sowohl Frauen als auch Männer,
Personen, die sich über Drogenkonsum angesteckt
haben, über homosexuellen Geschlechtsverkehr
oder über heterosexuellen
sowie Migrantinnen und Migranten.
Das ist bei anderen Studien nicht der
Fall?
Viele Studien werden nur in ganz bestimmten
Gruppen durchgeführt, zum Beispiel in
Kliniken, die vor allem Männer betreuen,
die Sex mit Männern haben. In der Kohorte
hingegen ist die HIV-positive Bevölkerung
der Schweiz umfassend repräsentiert.
Sie mussten also nicht extra nach
Teilnehmern für die M+A-Studie suchen?
HIV-Kohortenstudie
Doch, auch in der SHCS müssen wir Patienten
anfragen, ob sie an einer zusätzlichen
Studie mitmachen. Wir benötigen ihre
schriftliche Einwilligung. Für diese Studie
war es aber relativ einfach, Teilnehmer zu
rekrutieren. Das Interesse war sehr gross.
In der Kohorte ist die
HIV-positive Bevölkerung
der Schweiz umfassend
repräsentiert.
Warum untersuchen Sie Patienten ab 45
Jahren?
Mit 45 Jahren können sich auf Organebene
bereits Veränderungen zeigen. Das ist von
Person zu Person aber unterschiedlich.
Dass wir die Grenze bei 45 Jahren zogen,
hat letztlich auch praktische Gründe. Hätten
wir die Schwelle bei 60 gesetzt, dann
hätten wir viel weniger Patienten einschliessen
können. Ein bedeutender Vorteil
dieser Studie ist die grosse Zahl an Teilnehmern
sowie deren Zusammensetzung,
die repräsentativ ist für die HIV-positiven
Personen in der Schweiz. Das wird sich in
den Resultaten spiegeln.
Liegen bereits Resultate vor?
Nein. Die erste Testreihe wurde erst im
Spätsommer 2016 bei allen Teilnehmern
abgeschlossen.
Mit der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie steht eine stabile Infrastruktur zur Verfügung, innerhalb der sich immer wieder neue
Fragen rund um HIV beantworten lassen. Auch zum Älterwerden mit HIV.
Obwohl die Studie bereits 2013 begonnen
hat?
Die Vorbereitungen vor der eigentlichen
Umsetzung waren sehr aufwändig. Das ist
bei solchen Studien meistens der Fall. Wir
haben zunächst ausgearbeitet, welche Werte
wir mit welchen Methoden erheben.
Dann musste der Studienplan vor die verschiedenen
kantonalen Ethik-Kommissionen.
Bis jedes der beteiligten Spitäler den
entsprechenden Antrag gemacht hat, alle
Formulare beisammen sind, die Erlaubnis
erteilt ist, vergeht Zeit. Gleichzeitig mussten
wir die Koordination zwischen den Spitälern
organisieren, ebenso wie innerhalb
der Spitäler die Zusammenarbeit mit all
den Abteilungen, die in die Untersuchungen
involviert sind.
Die Tests werden nicht von HIV- Spezialisten
durchgeführt?
Nein, die machen die entsprechenden
Fachärzte. Kardiologen führen die Computertomografie
der Herzkranzgefässe
durch, Rheumatologen messen die
Knochendichte, Neurologen erheben die
geistige Fitness. Die Durchführung der
Untersuchungen für den einzelnen Teilnehmer
braucht Zeit. Es ist eine Herausforderung,
die Termine für alle Ärzte so
zu legen, dass die Patienten nicht für jeden
einzelnen Test extra ins Spital kommen
müssen.
Die Zusammenarbeit mit den anderen
Kliniken, etwa mit der Kardiologie, der
Neurologie und der Rheumatologie, ist sehr
wichtig. Wir treffen uns regelmässig, um
die Abläufe zu besprechen. Die Motivation
der anderen Fachärzte ist gross. Auch sie
sind der Meinung, dass die M+A-Studie ein
wichtiges Projekt ist, um offene Fragen zu
beantworten.
Wie geht eine Untersuchung vonstatten?
Für alle Tests bei einem Studienteilnehmer
benötigen wir einen ganzen Tag. Wir nehmen
Blut- und Urinproben (nüchtern) ab,
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messen die Knochendichte, fahren eine koronare
Computertomografie und erfassen
mittels neuropsychologischer Testung die
geistige Fitness. Bei der Verlaufsuntersuchung
nach zwei Jahren führen wir zusätzlich
ein Interview zu den Ernährungsgewohnheiten
durch.
«Für diese Studie war es
relativ einfach, Teilnehmer
zu rekrutieren. Das Interesse
war sehr gross.»
Verknüpfen Sie die erhaltenen Daten
auch mit anderen Daten der Patienten?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt und ein
weiterer Vorteil unserer Studie. In der
SHCS werden über längere Zeit viele zusätzliche
Informationen erhoben. Ab Eintritt
eines Patienten werden in der SHCS
alle sechs Monate verschiedenste Daten
erfasst: von HIV-spezifischen Daten wie
CD4-Zellzahl, Viruslast und verschiedenen
antiretroviralen Substanzen bis zu
nicht-HIV-Medikamenten, Nikotin-, Alkohol-
und Drogenkonsum. Auch Erkrankungen,
die körperliche Tätigkeit und soziale
Faktoren wie Partnerschaft und Arbeitstätigkeit
halten wir fest. Diese Daten ermöglichen
uns nun, verschiedene Faktoren zu
untersuchen, die den Alterungsprozess beeinflussen.
Damit gesehen werden kann, ob Menschen
mit HIV schneller altern als die Allgemeinbevölkerung,
muss mit einer negativen
Kontrollgruppe verglichen werden …
Für die Herzkranzgefässe-Untersuchung
haben wir eine HIV-negative Kontrollgruppe.
In dieser erfassen wir zusätzliche
Informationen wie Risikofaktoren für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Medikamenteneinnahme,
körperliche Tätigkeit
und weitere Informationen.
Doch für die gesamte M+A-Studie
haben wir keine HIV-negative Kontrollgruppe.
Das wäre logistisch und finanziell
eine grosse Herausforderung. Zudem wäre
es grundsätzlich schwierig, eine geeignete
Vergleichsgruppe zu finden.
Weshalb?
Eine HIV-negative Kontrollgruppe müsste
vergleichbar zusammengesetzt sein in Bezug
auf Alter und Geschlecht, aber auch
auf Begleiterkrankungen wie die Hepatitis-C-Infektion,
Nikotin- und Drogenkonsum,
Ernährung, körperliche Bewegung
und mehr. Gezielt nach Personen zu suchen,
die diesen Kriterien entsprechen,
wäre sehr aufwändig. Und bei der Suche
via Inserat melden sich in der Regel fast
ausschliesslich gesundheitsbewusste, kerngesunde
Menschen.
Wie haben Sie die Vergleichsgruppe für
die Herzkranzgefässe-Untersuchung
gewählt?
Wir haben HIV-negative Patienten, die
ohnehin für eine Computertomografie
der Herzkranzgefässe angemeldet waren,
angefragt, ob wir ihre Daten für die Studie
verwenden dürfen. Dabei haben wir ➔
«Was geht mich meine Gesundheit an!»
Wilhelm Nietzsche
Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.
Die Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHCS) wurde1988 gegründet. Sie ist eine Kollaboration aller Schweizer Universitätsspitäler,
zweier Kantonsspitäler, kleinerer Spitäler sowie auf HIV spezialisierter Arztpraxen. In der SHCS werden halbjährlich klinische
Informationen von HIV-Patienten erfasst, Blutwerte bestimmt sowie Blutproben für spätere Auswertungen eingefroren. Dies
immer unter der Voraussetzung, dass die Teilnehmer ihr schriftliches Einverständnis dazu gegeben haben. In einer Kohortenstudie
werden keine experimentellen Interventionen durchgeführt. Vielmehr beobachtet man lediglich eine Gruppe von Menschen
über längere Zeit, mit dem Ziel, einen Zusammenhang zwischen einem oder mehreren Faktoren und dem Auftreten einer Krankheit
aufzudecken
6 ALTA VISTA JUNI 2017 Forschung Altern mit HIV
Ihr Gesundheits-Coach.
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XXX XXX Juni 2017 ALTA VISTA 7
Personen mit vergleichbarem Alter, Geschlecht
und Herz-Kreislauf-Risikoprofil
gewählt. Die zusätzlichen Angaben wie
Medikamente, Nikotin- und Alkoholkonsum,
körperliche Tätigkeit und Vorerkrankungen
haben wir per Fragebogen erfasst.
Und in der M+A-Studie können Sie auch
ohne HIV-negative Vergleichsgruppe den
Einfluss von HIV auf den Alterungsprozess
bestimmen?
Wir werden unsere Resultate mit Studienresultaten
aus der Allgemeinbevölkerung
vergleichen. Hier gibt es zahlreiche Publikationen.
In der M+A-Studie möchten wir
jedoch nicht nur ganz grundsätzlich den
Einfluss von HIV erkennen, sondern darüber
hinaus jenen von einzelnen HIV- Medikamenten,
der Viruslast, der Dauer der
HIV-Infektion und weiteren mit HIV verbundenen
Faktoren. Diese Analysen ermöglichen
uns unser detailliertes Datenset
der HIV-Patienten.
Zu was für Anwendungen könnten die
Erkenntnisse dieser Studie führen?
Sie könnten die Durchführung gewisser
Vorsorgeuntersuchungen sowie präventive
Massnahmen bei HIV-positiven Personen
unterstützen. Und sie könnten in der
HIV-Therapie die Wahl gewisser antiretroviraler
Substanzen beeinflussen, abhängig
vom individuellen Risikoprofil für eine Erkrankung.
Werden Sie die Frage, ob HIV das Altern
beschleunigt, beantworten können?
Ich hoffe es. Unsere Resultate werden ein
wichtiger Mosaikstein sein zur umfassenden
Beantwortung dieser Frage.
*Das Interview ist in ausführlicher Form in den «Swiss
Aids News» des Bundesamts für Gesundheit (BAG) nachzulesen.
Helen Kovari
Helen Kovari ist Oberärztin mit erweiterter
Verantwortung an der Klinik für
Infektionskrankheiten und Spitalhygiene
des Universitätsspitals Zürich. Als
HIV-Spezialistin ist sie sowohl in der Betreuung
von Patienten wie in der Forschung
tätig. Im Rahmen der Schweizerischen
HIV-Kohortenstudie leitet sie
zurzeit zwei Studien, die sich mit dem
Alterungsprozess HIV- positiver Personen
sowie dem Einfluss von HIV auf die
Leber beschäftigen.
Jonas
Kolumne
B
erlin ist immer eine Reise wert. Auf eine Mauer im Stadtteil Friedrichshain,
wo ich jeweils wohne, hat einer den Spruch «Es war nicht alles schlecht
am Kapitalismus» gesprayt. Ganz schön frech, dieser Satz, redet er doch
schon eine neue Zeit herbei, die den Kapitalismus, – er bestimmt auch die
Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege – überwunden hat. So schnell
wird das nicht passieren – ich jedenfalls werde das kaum noch erleben.
Aber vielleicht der 24-jährige Jonas, der als Fachmann Gesundheit arbeitet. Wie viele
seiner KollegInnen weiss er, dass es für die verwirrten Bewohner wichtig wäre, die Zeit
mit ihnen zu verbringen, die Zeit mit ihnen zu ertragen, so gut es eben geht. Aber Zeit
kostet Geld. Die Zeit im Pflegezentrum muss heute effizient verbracht werden. Weil die
Kostenträger der Pflege nicht mehr trauen, muss neuerdings die Echtzeit in der Pflege
erfasst werden. Jonas erfasst Leistung und Zeit mit einem kleinen Gerät, in dem eine
Stoppuhr eingebaut ist, die nach jeder Erfassung automatisch wieder auf null gestellt
wird – so erfasst das Gesundheitszentrum neben den Leistungen für die Bewohner auch
noch, ob Jonas nur faul herumsteht.
Aber dazu hat er wirklich keine Zeit! Beim Ankleiden der Bewohner (Code 1 Grundpflege,
Ankleiden) oder einem kleinen Gespräch Führen (Code 12c Psychogeriatrische
Leistungen) hält Jonas den Sensor des Gerätes auf eine Bewohneretikette und dann auf
den Leistungscode. «Piep, piep» macht das Gerät. Beim Rapport im Stationszimmer
sitzen alle KollegInnen von Jonas im Kreis und drücken die Sensoren ihrer Geräte auf die
Etiketten (Code 14b Pflegerapporte), «Piep, piep, piep, piep». Auch wenn Jonas zur Toilette
oder in die Kaffeepause geht, darf er nicht vergessen, den Code 25 (Persönliche Zeiten,
Strukturzeiten) zu erfassen. «Piep, Piep, Piep» macht sein Gerät den ganzen Tag und die
Geräte seiner KollegInnen piepsen ebenfalls. «Ihr kostet, Bewohner!», piepsen sie im
Chor, «Beeilt euch und sterbt endlich! Piep, piep!». Viele Bewohner werden ob der Pieptöne
ängstlich und unruhig und Jonas singt laut ein Lied, um das Piepsen zu übertönen.
Nach Dienstschluss trainiert er in seinem Box-Club. Beim Aufwärmen auf dem Rudergerät
piepst es immer noch in seinem Kopf. Seine Arbeit mit den verstörten Bewohnern
kommt ihm schändlich und schäbig vor. Die Kostenträger haben keine Ahnung, denkt er.
Neben der schweren körperlichen Arbeit noch mit Ängsten und Traurigkeit der Bewohner
konfrontiert zu werden – das lässt sich nicht mit einem Code erfassen! Einige seiner
KollegInnen greifen neben Alkohol und Zigaretten zu Beruhigungs- und Schlafmitteln,
um am Arbeitsplatz erscheinen zu können.
Der Puls von Jonas steigt. «Was kommt als Nächstes?», denkt er, «werden die Bewohner
noch mehr bezahlen müssen, vielleicht für die Anzahl ihrer unregelmässigen Herzschläge,
für die Frequenz der eingeatmeten Luft, für die Schrittchen, die sie auf der Abteilung
noch tun oder für die Anzahl der Worte, die sie noch zu sprechen versuchen? Erfassen
lässt sich alles.» Das Rudern hat Jonas gestärkt – er ist zum Kampf bereit.
Dr. Christoph Held
Dr. Christoph Held, arbeitet als Heimarzt
und Gerontopsychiater beim
Geriatrischen Dienst der Stadt Zürich
sowie im Alterszentrum Doldertal.
Lehrbeauftragter der Universität Zürich
sowie Dozent an den Fachhochschulen
Bern, Careum Aarau und ZAH Winterthur
sowie an der Universität Basel.
Bücher «Das demenzgerechte Heim»
(Karger, 2003), «Wird heute ein guter
Tag sein? Erzählungen» (Zytglogge,
2010), «Accueillir la demence»
(Médecine et Hygiène, 2010), «Was
ist gute Demenzpflege?» (Huber, 2013)
Im Herbst 2017 erscheint «Bewohner»
Erzählungen Dörlemannverlag
Dr. Christoph Held wird künftig an
dieser Stelle regelmässig über seine
Erfahrungen im Umgang mit Demenz
berichten.
Kontakt
christoph.held@bluewin.ch
8 ALTA VISTA JUNI 2017 Forschung Altern mit HIV
Kolumne Dr. Christoph Held Juni 2017 ALTA VISTA 9
Wir riechen besser
als gedacht!
Hunde können Verbrechern hinterherschnüffeln, Parfümprofis erkennen
hingegen Hunderte von Blumendüften. Menschennasen sind gar nicht so
schlecht, wie häufig angenommen.
Stephan Inderbizin
M
enschen haben viel feinere
Nasen als gemeinhin angenommen.
Sie können
schnuppernd Spuren verfolgen,
und manche Düfte
riechen sie sogar besser als Hunde und Nagetiere.
Die verbreitete Meinung vom
«schlechten menschlichen Geruchssinn»
gehe auf einen Mythos aus dem 19. Jahrhundert
zurück, schreibt der US-Forscher
John McGann im Fachjournal «Science».
Der Neurologe der Rutgers University
in New Brunswick hat zahlreiche jüngere
Studienergebnisse in einem Überblicksartikel
zusammengefasst. Mit dem Ergebnis:
Menschliche Nasen sind chronisch unterschätzt.
Beim Menschen ist das Riechzentrum
im Gehirn relativ gesehen kleiner als etwa
bei Mäusen. Mit dieser Feststellung habe
der französische Anatom Paul Broca im 19.
Jahrhundert den Grundstein für das Vorurteil
gelegt, der menschliche Geruchssinn
sei unterentwickelt, schreibt McGann. Hinzu
kamen entsprechende Abwertungen
durch Psychologen wie Sigmund Freud.
Grösse und Zahl nicht immer
entscheidend
Aber neue Studien weisen darauf hin,
dass der sogenannte Bulbus olfactorius im
Gehirn – der sogenannte Riechkolben – die
Ausnahme von der Regel darstellt, dass die
relative Grösse eines Hirnteils Rückschlüsse
auf seine Leistungsfähigkeit zulässt. Die
Zahl der Neuronen im Riechzentrum ist
demnach über Speziesgrenzen hinweg relativ
ähnlich, trotz erheblicher Unterschiede
beim Körpergewicht.
Ähnlich verhält es sich mit den Duftrezeptoren:
Ihre Zahl ist beim Menschen
mit knapp 400 deutlich geringer als bei
Hunden (etwa 800) oder Ratten (etwa
1000). Dies sage aber wenig über die Empfindlichkeit
und die Unterscheidungsfähigkeit
des menschlichen Geruchssinns aus,
betont McGann. Wichtig dabei: Unterscheidungsvermögen
könne antrainiert
werden, die Sensitivität aber nicht.
Der Hund gilt als Supernase.
Noch zu wenig erforscht
Beim Geruchssinn, lange als minderwertig
betrachtet, fehle weiterhin viel Grundlagenforschung,
sagen die Wissenschaftler. Das
gelte auch mit Blick auf den Vergleich von
Hunde- und Menschennasen. «Der Hund
gilt als Supernase. Aber bislang wurden bei
Hunden erst 15 Düfte daraufhin getestet, ab
welchem Schwellenwert sie wahrgenommen
werden. Und bei fünf dieser Düfte war
der Mensch sensitiver», erklärt Geruchsforscher
Hans Hatt. Die Ergebnisse der Übersichtsstudie
seien für Experten nicht überraschend
– für die Allgemeinheit hingegen
schon. «Dahinter steckt wohl die Urangst
des Menschen, dass Düfte uns instinktiv
steuern», sagt der Forscher weiter. Auch er
glaubt, dass die Abwertung des Geruchssinns
kultursoziologische Hintergründe
habe. «Düfte sind etwas Intimes, haben
auch etwas mit Sexualität zu tun. Wir aber
wollen uns von den Tieren unterscheiden.»
Vieles bei Gerüchen laufe völlig unbewusst
ab. (mit Material der SDA)
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10 ALTA VISTA JUNI 2017 Wissenschaft Geruchssinn
Gesehen & gehört
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Leben an Land ist vielleicht älter
als bisher angenommen
Leben an Land könnte es schon viel länger geben als bisher
angenommen. Darauf weisen fossile Spuren von Mikroorganismen
hin, die Forscher in 3,48 Milliarden alten Gesteinsablagerungen
ehemaliger heisser Quellen entdeckt zu haben
glauben.
Solche Thermalquellen an Land seien damit drei Milliarden
Jahre früher besiedelt gewesen als bislang bekannt,
schreiben die Wissenschafter im Fachblatt «Nature Communications».
Die Entdeckung sei auch relevant für die Suche
nach Leben auf anderen Planeten. Auf dem Mars gebe
es vergleichbare heisse Quellen, an denen möglicherweise
Spuren von Leben nachweisbar sind.
Die Forscher lieferten gute Belege dafür, dass es sich
um ehemals terrestrische Quellen handle. Aber «neue Beweise
für Leben dort liefern sie nicht; die Gas-Bläschen, die
sie finden, könnten auch abiotischen Ursprungs sein», gaben
die Forscher zu bedenken.
Wann und wo das Leben auf der Erde entstand, ist bislang
nicht genau bekannt. Kürzlich berichteten Wissenschaftler
im Fachblatt «Nature», die bislang ältesten fossilen
Spuren von Mikroorganismen entdeckt zu haben.
Als solche hatten sie faden- und röhrenförmige Strukturen
in mindestens 3,7 Milliarden Jahre altem Gestein aus
dem nördlichen Kanada interpretiert. Das Gestein ging
ebenfalls auf Ablagerungen von hydrothermalen Quellen
zurück, allerdings von unterseeischen.
Wenig Schlaf macht unbeliebt
Wer wenig schläft, sieht nicht gut aus. Das kennen wohl die
meisten Menschen aus eigener Erfahrung. Mangelnder
Schlaf hat aber noch ganz andere «Nebenwirkungen»: Andere
Menschen wollen mit Unausgeschlafenen lieber
nichts zu tun haben – das zumindest ist das Ergebnis einer
Studie. Vermutlich meiden sie diese unbewusst, um sich
selbst zu schützen, etwa vor ansteckenden Krankheiten,
berichten Wissenschaftler im Fachblatt «Open Science»
der britischen Royal Society. Die Forscher baten 25 gesunde
Menschen zum Fototermin – einmal nach zwei Nächten
mit acht Stunden Schlaf und einmal, nachdem sie zwei
Nächte hintereinander nur vier Stunden geschlafen hatten.
So ein partieller Schlafmangel sei im Alltag üblicher als
totaler Schlafentzug, erklären die Wissenschaftler. Sie baten
danach insgesamt 122 Personen, den Gesichtsausdruck
der Probanden auf den Fotos zu beurteilen. Sie sollten
angeben, wie attraktiv, wie gesund und wie
vertrauenswürdig sie die Porträtierten fanden und ob sie
gerne mit ihnen Zeit verbringen würden.
Die Auswertung zeigte, dass unausgeschlafene Menschen
nicht besonders beliebt waren. Die Bewerter wollten
mit ihnen deutlich weniger gern Zeit verbringen als mit den
ausgeschlafenen Probanden. Müde Menschen wurden zudem
als weniger attraktiv, weniger gesund und schläfrig
eingeschätzt. Einzig im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit
fanden die Forscher keine Unterschiede.
Studie: Weltweit gut 28 000
Pflanzenarten mit Heilkraft
Mehr als 28 000 Pflanzenarten weltweit haben laut einer
umfangreichen Untersuchung Heilkraft – allerdings ist nur
ein Bruchteil von ihnen in der medizinischen Forschung bekannt.
Insgesamt 28 187 Pflanzenarten auf der Erde hätten
medizinischen Nutzen, teilte das renommierte britische
Zentrum für botanische Forschung, Kew Gardens, am Donnerstag
in London mit. Damit sei ihre Zahl im Vergleich zum
Vorjahresbericht um 59 Prozent gestiegen.
Von Übelkeit und Kopfschmerzen, zu Bluthochdruck
und Diabetes, über Magenschmerzen und Virusinfektionen
bis hin zu Depression, Parkinson und Krebs – gegen fast alle
Erkrankungen gibt es pflanzliche Linderungs- und gar Heilmittel
mit fast gar keinen Risiken und Nebenwirkungen.
Allerdings finden nur 16 Prozent der Heilpflanzen in
anerkannten medizinischen Publikationen Erwähnung,
bilanzierte Kew Gardens. Dabei hätten Heilpflanzen ein
«riesiges Potential» bei der Bekämpfung von Krankheiten
wie Diabetes und Malaria. So zählten die beiden Pflanzenstoffe
Artemisinin und Chinin «zu den wichtigsten
Waffen» gegen die Infektionskrankheit Malaria, an
der 2015 mehr als 400 000 Menschen starben.
An der Studie «State of the World’s Plants» (Zustand
der Pflanzen der Erde) beteiligten sich 128 Wissenschaftler
aus zwölf Ländern. Aufgeführt werden
rund 1730 Neuentdeckungen seit dem Vorjahr. Dazu
zählen neun Arten einer Kletterpflanze namens Mucuna,
die bei der Behandlung von Parkinson eingesetzt
werden.
Hoher Blutdruck nimmt bei
Jugendlichen zu
Ein erhöhter Blutdruck wird vor allem mit älteren Menschen
in Verbindung gebracht. Zunehmend sind jedoch
auch Kinder und Jugendliche betroffen. «Wir können in
westlichen Ländern eine deutliche Zunahme an erhöhten
Blutdruckwerten bei übergewichtigen Kindern feststellen»,
sagt Robert Dalla Pozza, leitender Oberarzt
der Abteilung für Kinderkardiologie am Uniklinikum
München, anlässlich des Welt-Hypertonie-Tages.
Zwar habe es schon immer Kinder mit einem erhöhten
Blutdruck gegeben, etwa aufgrund einer Nierenerkrankung,
erklärt Dalla Pozza. Seit einigen Jahren
aber würden zunehmend übergewichtige Kinder
wegen höherer Blutdruckwerte an Kinderkardiologen
überwiesen. Um der gefährlichen Entwicklung etwas
entgegenzusetzen, müssten Übergewicht und Fettsucht
behandelt werden. (SDA / DPA)
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12 ALTA VISTA JUNI 2017 News gesehen & Gehört
Mit Teebaumöl gegen
multiresistente Keime?
Krankenhauskeime – zusammengefasst unter MRSA – sind mehr als nur eine
vage Bedrohung. Multiresistente Keime können tödlich sein. Und immer wieder
wird behauptet, dass ätherische Öle dagegen helfen sollen. Ist dem so?
Verena Malz
U
nter der Unter der Überschrift
«Resistente Bakterien: Mediziner
verlieren den Kampf
gegen Killer-Keime» hat sich
Spiegel Online unlängst dieses
Themas angenommen: Jährlich sterben
in der EU 25 000 Menschen durch Infektionen
mit antibiotikaresistenten Mikroben,
400 000 Menschen pro Jahr infizieren sich
mit resistenten Keimen. Meistens ist in
diesem Artikel die Rede von MRSA
(Methicillin-resistenter Staphylococcus
aureus). Bekanntlicherweise erfolgt die
Ansteckung bzw. Übertragung in Pflegeinstitutionen oft im
Rahmen der Behandlung von eigentlichen Routineeingriffen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt bereits vor dem
«post-antibiotischem Zeitalter». Alltägliche Erkrankungen
wie Mandelentzündungen oder Nasennebenhöhlenentzündungen
enden immer öfter tödlich. Obwohl Ärzte / Ärztinnen und
Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal in
Hygiene ausgebildet sind, sind multiresistente Keime ganz offensichtlich
ein grosses Problem in Krankenhäusern. Es werden
seit geraumer Zeit neue Lösungsansätze gesucht und immer
wieder geistert die Idee herum, dass ätherische Öle wie
beispielsweise Teebaumöl Keime in Krankenhäusern und Kliniken
reduzieren können. Die Studienlage zeigt ein weniger
optimistisches Bild.
Studien belegen keine Wirksamkeit
Fall 1: 2017 wurde von Blackwood eine randomisiert kontrollierte
Studie zur Körperwaschung mit 5 % Teebaumöl versus
Standardkörperpflegemittel zur Vorbeugung einer MRSA-
Besiedelung der Haut bei schwer erkrankten Erwachsenen an
der der Queen´s University Belfast, Irland durchgeführt. Die
Datenerhebung erfolgte im Zeitraum von Oktober 2014 bis Juli
2016 auf zwei Intensivstationen (mit chirurgischen und TraumapatientInnen).
An der Studie waren bis zum Ende 491 TeilnehmerInnen
beteiligt. Teebaumöl 5 % wurde in der Anwendung zwar von
den PatientInnen sehr gut toleriert, der Unterschied beim Prozentsatz
der Wiederbesiedelung war nicht signifikant (P=0,50).
Eine weitere Studie zeigte ebenfalls nicht die erhofften positiven
Resultate.
Fall 2: Falci führte 2015 eine Studie mit Teebaumöl
durch, um den Effekt gegen Staphylococcus aureus beurteilen
zu können. Es handelte sich um Wunden der unteren Extremitäten,
die antibiotikaresistent waren und S. aureus enthielten.
13 Reagenzgläser, die ein mikrobiologisches Nährmedium
enthielten, wurden verwendet, um die minimale Hemmkonzentration
zu bestimmen (MIC).
Falci kommt zu dem Schluss, dass Melaleuca sp. Öl antimikrobielle
Eigenschaften gegenüber Stämmen, die in Wunden
der unteren Extremitäten vorkamen und gegen mehrere
Antibiotika resistent waren, aufweist. Allerdings nicht in erhofftem
Mass.
Fall 3: Edmondson führt eine Studie über die antimikrobielle
und antientzündliche Eigenschaft von Teebaumöl durch
und prüfte, ob es bei MRSA eingesetzt werden kann. Die erste
Frage dieser unkontrollierten Pilotstudie war, ob Teebaumöllösung,
MRSA von akuten und chronischen Wunden unterschiedlicher
Ätiologie dekolonisiert. Die zweite Frage war, ob
Teebaumöl die Wundheilung beeinflusst.
Die Wunden der Studienteilnehmer wurden mit einer
Wasser-Teebaumöl-Mischung (3,3 %) zu jedem Verbandwechsel
gespült. Kein Teilnehmer war nach der Anwendung
MRSA-negativ.
In dieser Studie von Edmondson konnte also nicht nachgewiesen
werden, dass MRSA aus den Wunden dekolonisiert
wird. Teebaumöl hemmt nicht die Heilung, die Mehrheit der
Wunden war nach der Behandlung in der Grösse reduziert.
Quellen: Blackwood/Thompson/McMullan et al, 2017, S. 1193-1198
Falci/Teixeira/Chagas et al, 2015, S. 401-406, Edmondson et al, 2011
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14 ALTA VISTA JUNI 2017 Multiresistente Erreger Neue Erkenntnisse
Auf dem Weg zur Heilung
der Schuppenflechte
Eine neue Generation von Medikamenten hat die Behandlung der Schuppenflechte
revolutioniert. Sie greifen in die Kommunikation der Immunzellen ein
und stoppen so die überschiessende Entzündungsreaktion.
Dr. Ingo Haase
16 ALTA VISTA JUNI 2017 Forschung Schuppenflechte
S
eit Tausenden von Jahren
kennt man diese Krankheit:
Schuppenflechte oder Psoriasis.
Ebenso lange sind Forscher
auf der Suche nach ihrer
Ursache. In der Antike ging man
möglicherweise von einer Infektionserkrankung
aus, denn «Psora» bedeutet so
viel wie «Krätze». Erst um 1800 trennte
der englische Arzt in der Systematik der
Hautkrankheiten die Psoriasis von den
infektiösen Erkrankungen ab.
Heute wissen wir, dass es sich hierbei
um zwei völlig verschiedene Krankheitsbilder
handelt: Krätze ist eine durch Parasiten
hervorgerufene Hautkrankheit; hingegen
ist Psoriasis die Folge einer fehlerhaften
Aktivierung des Immunsystems.
Die Geschichte kennt zahllose Versuche,
Psoriasis mit Medikamenten oder physikalischen
Therapieverfahren zu heilen.
Stark giftige Substanzen wie Arsen (Fowlersche
Lösung, Salvarsan, Ellpsoral II),
Quecksilber (Kalomel, Rochard’sche Salbe)
oder Schwefel (Psorosulf) wurden äusserlich
und innerlich zur Behandlung eingesetzt.
Später kam eine äusserliche Behandlung
mit Teer in Verbindung mit ultraviolettem
Licht hinzu. Diese Therapiemethoden
waren mit starken Nebenwirkungen
behaftet; ihr Erfolg in der Behandlung der
Psoriasis war begrenzt.
Forschung ermöglicht gezielte
Entwicklung neuer Therapieverfahren
In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts
wurde der Beweis erbracht, dass Zellen des
Immunsystems an der Entstehung der Psoriasis
beteiligt sind. In der Folge entwickelte
man Medikamente, die bestimmte Immunzellen
(Lymphozyten) inaktivieren
konnten (Alefacept, Efalizumab). Dies waren
die ersten Medikamente, die gezielt gegen
die Schuppenflechte entwickelt wurden.
Die blosse Inaktivierung von Lymphozyten
durch diese Medikamente war aber
nur wenig wirksam. Hinzu kamen einzelne
Fälle ernsthafter Nebenwirkungen, so dass
diese Methode für die Behandlung der Psoriasis
kaum noch eingesetzt werden.
Die Forschung zur Entwicklung neuer
Therapien speziell gegen die Psoriasis
führte zu der Erkenntnis, dass die Entzündung
bei Psoriasis erst durch das Zusammenwirken
verschiedener Zellen der Haut
entsteht. Dies sind Immunzellen im Unterhautgewebe
(Dendritische Zellen), Immunzellen
des Blutes (Lymphozyten) und die
Zellen der Oberhaut (Keratinozyten). Des-
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halb ist die Inaktivierung nur einer Gruppe
von Immunzellen nicht ausreichend.
Diese Zellen müssen normalerweise
miteinander kommunizieren, damit die Haut
wichtige Reparatur- und Abwehrvorgänge
ausführen kann. Psoriasis ist die Folge einer
fehlerhaften Aktivierung solcher Reparaturund
Abwehrvorgänge. Neue Strategien zur
Psoriasis entsteht durch
das Zusammenwirken
verschiedener Zellen in
der Haut.
Behandlung zielen deshalb darauf, die Kommunikation
zwischen den beteiligten Zellen
zu unterbinden, damit die fehlerhafte Aktivierung
rückgängig gemacht werden kann.
Zielgerichteter Eingriff in die
Kommunikationswege der
Immunzellen
Um miteinander Informationen auszutauschen,
produzieren die Zellen des Körpers
bestimmte Botenstoffe (Interleukine) und
geben sie an die Zellen der Umgebung ab.
Forschungsergebnisse haben gezeigt,
dass für die Entstehung der Entzündung, die
die Grundlage der Schuppenflechte bildet,
bestimmte Interleukine eine grosse Bedeutung
haben: Interleukin 23 (IL-23), Interleukin
17 (IL-17) und das Entzündungshormon
Tumor Nekrose Faktor (TNF).
Die neuesten Medikamente gegen die
Schuppenflechte, Biologics genannt, sind
körperverwandte Antikörper oder andere
Eiweissmoleküle. Sie legen die Kommunikation
zwischen verschiedenen Immunzellen
lahm, indem sie genau diese Interleukine
und Entzündungsstoffe sehr gezielt
neutralisieren. Auf diese Weise wird die
fehlerhafte Aktivierung der Reparatur- und
Abwehrprozesse in der Psoriasishaut rückgängig
gemacht und die Hautveränderungen
können abheilen.
Unterdrückung der Symptome
oder Heilung?
Die Vorteile des gezielten Eingriffs in die
Kommunikation der Abwehrzellen sind
offensichtlich: Die neuen Biologics sind ➔
«Unser Antrieb:
die Lebensqualität
bei Inkontinenz
weiter verbessern.»
XXX XXX Juni 2017 ALTA VISTA 17
Musik lindert Schmerzen
Oberhaut
(Epidermis)
Keratinozyten
Musik zur Behandlung von chronischen Schmerzen wurde bisher offenbar unterschätzt.
Studien zeigen, dass die Klänge einen heilsamen Hormon-Cocktail im
Körper freisetzen
Stephan Inderbizin
Lederhaut
(Dermis)
Dendritische
Zellen
äusserst effektiv und sehr gut verträglich.
Sie haben deutlich weniger Nebenwirkungen
als frühere Medikamente, die das Immunsystem
generell unterdrückten. Anfängliche
Befürchtungen, dass es zu einer
starken Zunahme schwerer Infektionen
bei den Behandelten kommen würde, haben
sich nicht bestätigt.
Deshalb sind Biologics für die Langzeitbehandlung
von Menschen mit Schuppenflechte
geeignet. Die effektive Unterdrückung
der Entzündung an der Haut
bewirkt sogar, dass Begleiterkrankungen
der schweren Psoriasis, wie die Verkalkung
der Herzkranzgefässe, langfristig verbessert
werden. Bei der schweren Psoriasis
hilft die Behandlung also nicht nur der
Haut, sondern dem gesamten Organismus.
Doch können die neuen und sehr teuren
Biologics die Schuppenflechte auch
heilen? Eine vollständige Heilung erscheint
unwahrscheinlich. Die Veranlagung,
Psoriasis zu bekommen, ist genetisch
festgelegt. Dies kann nicht durch
Anti- TNF:
Infliximab, Adalimumab,
Etanercept
Anti- IL-23:
Ustekinumab
Neue Medikamente gegen Schuppenflechte und wo sie in die Kommunikation der Hautzellen eingreifen.
Medikamente geändert werden. Eine
schlüssige Antwort ist jedoch derzeit noch
nicht möglich. Bei kurzer Behandlungsdauer
scheinen Biologics lediglich die
Symptome der Psoriasis zu unterdrücken.
Nach Absetzen der Medikamente kommt
die Erkrankung in den meisten Fällen
Nach Absetzen der
Medikamente kommt die
Erkrankung in den meisten
Fällen zurück.
über kurz oder lang zurück. Doch wenig
ist bisher über die Auswirkungen einer
Langzeitbehandlung bekannt. Ob es gelingen
kann, den Körper durch eine mehrjährige
Unterdrückung der Psoriasis die
Krankheit quasi «vergessen» zu lassen,
werden Untersuchungen der kommenden
Jahre zeigen.
Anti- IL-17:
Secukinumab,
Ixekizumab
Lymphozyten
Dr. Ingo Haase ist als Hautarzt in der
Gemeinschaftspraxis «Hautspezialisten
am Glattpark» in Opfikon tätig. Er
ist ausserordentlicher Professor für
Dermatologie und Venerologie an der
Universität Köln. 2014 kam er als
Praxisnachfolger in die Schweiz. Spezialgebiete
sind die Behandlung entzündlicher
und Sonnenlicht-induzierter
Hautveränderungen.
www.hautspezialisten.ch
Dr. Ingo
Haase
M
ediziner auf der Jahrestagung
der Österreichischen
Schmerzgesellschaft
(ÖSG) in Zell am See berichten
von einer schmerzlindernden
Wirkung von Musik. «Musik
entspannt und verbessert die Stimmung»,
sagte Günther Bernatzky, Dozent an der
Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität
Salzburg und Tagungs-Präsident.
«Dabei werden auch eine ganze Reihe körpereigener
Hormone aktiviert.» So sorgen
schon ein paar Takte harmonischer Musik
für die vermehrte Ausschüttung der
Glückshormone Serotonin und Dopamin.
Diese Behandlung war schon in der
Antike bekannt. So liess etwa König Saul
gerne den Harfenspieler David zur Linderung
seiner Schwermut herbeirufen. Auch
in der griechischen Medizin setzten Ärzte
Heilgesänge ein, um Leiden zu mildern.
Was damals aus reiner Intuition geschah,
lässt sich mittlerweile wissenschaftlich gut
belegen: «Zwar wissen wir noch nicht genau,
auf welchen Wegen Musik im Einzelnen
wirksam wird, dennoch zeigen viele
neue Studien, dass bereits das selektive Hören
von bestimmter standardisierter Musik
sowohl bei akuten als auch bei chronischen
Schmerzen oder bei Stress eine deutliche
Verbesserung bringt», erklärte Bernatzky.
50 Prozent Schmerzreduktion
Wie wirksam ein paar Takte Musik sein
können, zeigte sich etwa in einer Studie mit
65 Patienten, die an schmerzhaften Wirbelsäulensyndromen
litten. Alle wurden zwar
mit den gleichen Medikamenten und einer
standardisierten Physiotherapie behandelt,
die Hälfte der Patienten bekam aber zusätzlich
einen CD-Spieler und Kopfhörer
ausgehändigt. Damit hörten sie täglich 25
Minuten Musik und eine vorangestellte
Entspannungsanleitung.
Nach drei Wochen waren die Unterschiede
signifikant: Während die Schmerzen
in der Musik-Gruppe durchschnittlich
um 50 Prozent reduziert werden konnten,
war in der Kontrollgruppe ein Rückgang
von nur zehn Prozent messbar.
Eine andere Arbeit zeigte, dass bei
Patienten, die am Tag vor sowie rund um
eine Operation Musik und Entspannungsanleitung
hörten, der Verbrauch von
Schmerzmitteln um 54 Prozent und jener
an Schlafmitteln um 63,6 Prozent sank.
Lady Gaga wirkt stimmungsaufhellend
Welche Art von Musik diese heilsame
Wirkung entfaltet, hängt zwar auch von
individuellen Vorlieben ab – dennoch
gibt es verallgemeinerbare Muster. Klassische
Musik wirkt auf viele Menschen
beruhigend, Rock und Pop hingegen haben
einen anregenden Effekt und mildern
die Wirkung der klassischen «Immunkiller»
wie Stress oder Müdigkeit.
Lady Gagas Single «Alejandro» oder der
U2-Hit «Beautiful Day» haben eine
stimmungsaufhellende und leistungssteigernde
Wirkung.
Die wissenschaftliche Erklärung dafür
liegt im Tempo der Lieder: «Normale
Körperfunktionen laufen bei 72 Herzschlägen
pro Minute ab. Bei einem Tempo von
mehr als 72 Beats per Minute wirkt Musik
aufputschend, bei weniger wirkt Musik dagegen
beruhigend», erklärt Bernatzky.
18 ALTA VISTA JUNI 2017 Forschung Schuppenflechte
Forschung Schmerztherapie Juni 2017 ALTA VISTA 19
Kommen bald Organe aus
dem 3D-Drucker?
Noch klingt es wie Science Fiction, wenn Mediziner von Ersatzorgangen
aus dem Drucker sprechen. Tatsächlich ist eine Leber aus dem Drucker noch
ein ferner Traum. Andere Körperteile aber werden längst verbaut.
Doreen Fiedler
20 ALTA VISTA JUNI 2017 Technik Neue Technologie
M
it rasanter Geschwindigkeit
hat sich der 3D-Druck in
der Medizin ausgebreitet.
Hörgeräte und Zahnkronen
stammen vielfach längst
aus Druckmaschinen, auch für chirurgische
Einmal-Instrumente sowie zur Herstellung
von Modellen für das Proben eines Eingriffs
wird die Technik verwendet. Selbst für Tabletten:
Weil Epileptiker Pillen nicht schlucken
können, wird eine sehr poröse Struktur
im Drucker fabriziert, die bei Kontakt mit
Flüssigkeit im Mund zerfällt.
28 Prozent der Unternehmen aus der
Medizintechnik und Pharmazie hätten
schon Erfahrung mit 3D-Druck gesammelt,
ermittelte die Unternehmensberatung
Ernst & Young bei einer Umfrage in zwölf
vor allem westlichen Ländern. Bei den
Hörgeräten sei nahezu der ganze Markt
umgestiegen, sagt Ernst & Young-Managerin
Stefana Karevska. Dabei nutze die Medizintechnik
das junge Verfahren häufiger
als andere Branchen. Tendenz aber überall:
steigend.
Drucken statt verpflanzen
«Das ist faszinierend», sagt Bilal Al-
Nawas, leitender Oberarzt der Klinik für
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der
Unimedizin Mainz. «Die Chirurgen brauchen
den 3D-Druck und die Patienten wünschen
ihn. Dass wir von irgendwo im Körper
ein Stück Knochen oder ein Stück
Gefäss rausnehmen und das Teil irgendwo
anders wieder einbauen – das kann nicht
die Zukunft sein», sagt er.
Als Pionier ist auch die Firma Eos
aus der Nähe von München im boomenden
Business mit dabei. Eos ist führender Anbieter
im industriellen 3D-Druck von Metallen
und Kunststoffen, die als Pulverwerkstoff
vorliegen.
Einer ihrer Drucker könne pro Tag 400
individuelle Zahnkronen herstellen – zu einem
Zehntel des Preises der konventionellen
Fertigung, sagte Martin Bullemer, Experte
für die Additive Fertigung im Medizin- und
Dentalbereich bei Eos. «Im gesamten Orthopädie-Bereich
geht es vorwärts.»
Gedruckter Gefässersatz
Was hingegen bisher nicht aus dem Drucker
kommt, sind Schrauben – das können
Drehmaschinen schneller. Auch gefräst
und gegossen wird weiter. Die Forscher
stürzten sich momentan lieber auf Gefässe,
sagt Al-Nawas. In Tierversuchen habe man
sie schon erfolgreich als Ersatz eingebaut.
«Gefässe sind der erste Schritt. Wenn das
klappt, dann kann man sich auch vieles andere
vorstellen.» Leber und Schilddrüse
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seien sehr interessant – aber auch noch sehr
weit weg von der Anwendung.
Beim 3D-Druck werden Werkstoffe
wie Titan, Kunststoff oder Keramik mit
Hilfe von Lasern oder Infrarotlicht Schicht
für Schicht verschmolzen. Da die Schichten
nur hundertstel Millimeter dick sind,
ist das Verfahren äusserst präzise. Auch
komplizierte Wabenstrukturen sind möglich,
die durch Bohren oder Spritzen nicht
herstellbar wären. Der Bauplan ist individuell
– und wird etwa nach einem Scan aus
dem Computertomographen entworfen.
Chirurgen wie Al-Nawas würden gerne
etwas anderes verbauen als Metall, wenn
sie zum Beispiel nach einem Pferdetritt ein
Gesicht rekonstruieren. «Wir wollen am
liebsten ein Material, das vom Körper zu
Knochen umgebaut wird, wie etwa Magnesium.
Oder zumindest ein Material, das knochenähnlicher
ist», sagt er. Daran tüftelt er
zusammen mit Materialforschern der Uni
Darmstadt und der Unimedizin Mainz.
Eierstöcke, Knorpel und Muskeln
Forscher der Northwestern University in
Chicago haben im 3D-Druck schon funktionsfähige
Eierstöcke von Mäusen produziert.
Nach der Transplantation entwickelten
die weiblichen Tiere ohne jegliche
weitere Behandlung Eizellen, die auf natürliche
Weise befruchtet wurden, wie das
Team vor wenigen Tagen im Fachblatt «Nature
Communications» berichtete.
Im vergangenen Jahr hatten US-Forscher
gezeigt, dass Knorpel und Muskelstücke
aus dem Drucker anwachsen und
sich dort Blutgefässe und Nervenverbindungen
bilden. Das ist einer der ganz grossen
Knackpunkte der 3D-Teile.
Dabei sind die gedruckten Individual-
Stücke keineswegs nur etwas für Menschen
in den reicheren Ländern. Eine Untersuchung
mit 19 Patienten mit Unterschenkelamputationen
in Togo, Madagaskar und
Syrien zeige, dass mit einem leichten
3D-Scanner eine digitale Form der Gliedmasse
erstellt werden könne, erklärte die
Hilfsorganisation Handicap International.
Anschliessend sei mit einem 3D-Drucker
eine massgeschneiderte Fassung hergestellt
worden. Das eröffne neue Möglichkeiten
gerade in entlegenen Gebieten und Konfliktzonen.
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Alterspsychiatrie in der
Praxis und im Pflegeheim
Die Zahl hochbetagter Menschen, die gleichzeitig unter psychischen Störungen
leiden, wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Eine alterspsychiatrische
Diagnostik und Behandlung bietet einen grossen Mehrwert für die Lebensqualität.
Dr. Ulrich Erlinger
I
n der alterspsychiatrischen Praxis stellen sich vor allem
Patienten mit Depression mit den verschiedensten Kofaktoren
vor, zum Beispiel nach Verlusterlebnissen, bei und
nach schweren Erkrankungen wie Schlaganfall und
Herzinsuffizienz, chronischen Schmerzen oder nach einem
Sturz. Häufig entsteht die Depression auch bei der Pflege
demenzkranker Angehöriger. Einsamkeit, alte, unbewältigte
Konflikte oder Sorgen vor einem Umzug in eine altersgerechtere
Umgebung sind ebenfalls häufige Begleit- und Risikofaktoren.
Nicht selten liegt ein zusätzlicher Medikamenten- und
Alkoholmissbrauch vor. Die häufigsten psychiatrischen Hauptdiagnosen
bei den alterspsychiatrischen Patienten im Pflegeheim
sind Demenz, Delir, schwere Verhaltensauffälligkeiten
bei fortgeschrittener Demenz (BPSD), aber auch Depression
sowie Sucht bzw. Medikamentenmissbrauch.
Fast alle hochbetagten Patienten zeigen die im Alter typische
Polymorbidität, welche zumeist mit einer Polypharmazie
verbunden ist. Dementsprechend entfällt ein grosser Teil des
Aufwandes bei einer ambulanten Neuaufnahme oder einem
alterspsychiatrischen Konsiliums im Pflegeheim auf die Erfassung
aller Diagnosen, der damit verbundenen Befunde und der
Medikation. Die Würdigung eines möglichst aktuellen EKG,
relevanter Laborbefunde sowie eine gründliche Systemanamnese,
ein körperlicher Befund und die Erfassung der Funktionalität
(ADL, IADL) sind ebenfalls Teil des Assessments. Ein
ungünstiges Medikament gegen Depression bei Herzkrankheit,
die fehlende Berücksichtigung von Schmerzen, einer
Blutarmut oder chronischer Atemnot bei der Depressionsbehandlung,
das Übersehen eines Harnverhaltes bei der Behandlung
von Agitiertheit eines Patienten mit schwerer Demenz
oder die fehlende Sicht auf die Sturzgefährdung bei der Behandlung
mit Psychopharmaka sind Beispiele für Interventionen,
die dem Patienten mehr schaden als nützen können. Diese
Beispiele verdeutlichen, warum es so wichtig ist, die psychischen
Symptome des Patienten in einen medizinischen Gesamtzusammenhang
zu setzen, wofür zusätzlich die Erfragung
und Untersuchung der Funktionalität wichtig ist. Wenn die
Patienten in der alterspsychiatrischen Praxis keinen Hausarzt
haben, möchten sich viele Patienten wegen der verschiedenen
chronischen Begleiterkrankungen nicht in einer der Walk-In-
Praxen vorstellen, sondern begrüssen das Management dieser
allgemeinmedizinischen Erkrankungen im Rahmen der psychiatrischen
Behandlung. Eine Praxisinfrastruktur, die Blutentnahmen,
die Ableitung eines EKG, körperliche Untersuchungen
einschliesslich die der Funktionalität sowie das
schnelle Versenden von Überweisungen ermöglicht, ist für
diese Seite der alterspsychiatrischen Arbeit von Vorteil.
Der Alterspsychiater als Heimarzt
Bei der Arbeit als Heimarzt gehört neben der Diagnostik und
Behandlung von psychischen Störungen unter anderem der
Umgang mit strukturellen Herzerkrankungen, mit entgleistem
Bluthochdruck und Blutzucker, chronischen Lungenerkrankungen
und Infektionen der Harn- und Luftwege sowie
Schmerzbehandlung zum klinischen Alltag. Diese anspruchsvolle
Aufgabe sollten Psychiater, wenn sie denn als Heimarzt
tätig sind, auch abhängig von ihrer Vorerfahrung in möglichst
engem Austausch mit den an der Behandlung ebenfalls
beteiligten Internisten angehen, wobei ein Tandem aus ➔
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Senevita schenken Lebensqualität im Alter. Wir sind ein
privates Dienstleistungsunternehmen, erfolgreich in der
Betriebsführung von Seniorenresidenzen, Alters- und
Pflegezentren sowie betreuten Wohnanlagen.
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1700 Mitarbeitende in der ganzen Deutschschweiz. Zur
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In unseren gleichermassen modernen wie behaglichen
Häusern wollen wir älteren Menschen ein selbstbestimmtes
Leben in Sicherheit und Würde bieten. Dieses Ziel ist
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Bewohnerinnen und Bewohner mit Freude begleiten,
betreuen und einfühlsam pflegen. Wir sind bestrebt, Ihnen
dafür optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn
nur wer gerne zur Arbeit kommt, macht diese auch gut.
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22 ALTA VISTA JUNI 2017 Fokus Alterspsychiatrie
Prävention und Behandlung von
Migräne mit Nervenstimulation
Rund eine Million Menschen in der Schweiz leiden unter Migräne. Durch ein neues
Therapieverfahren, bei dem der Hirnnerv Trigeminus stimuliert wird, lässt sich Migräne
ohne den Einsatz von Medikamenten reduzieren oder lindern.
Publireportage
Die Zusammenarbeit medizinischer Fachbereiche muss gut koordiniert werden.
Alterspsychiater und Geriater wohl die
fachliche Kombination ist, von der der
hochbetagte Patient am meisten profitiert
(Erlinger & Bergmann, 2017). Im
Behandlungsteam, das mit der spezialisierten
Pflege im Pflegeheim zusammenarbeitet,
ist neben der Medizin idealerweise
auch die Gerontopsychologie und oder
Neuropsychologie, ressourcenorientierte
Aktivierungstherapie, altersspezialisierte
Physiotherapie und Seelsorge vertreten.
Empfehlenswert ist die Verankerung aller
Assessments im elektronischen Dokumentationssystem
der möglichst in das Heim
integrierten Arztpraxis, wobei ein Abgleich
der Informationen der verschiedenen
Berufsgruppen empfehlenswert ist.
Eine Fragmentierung der medizinischen
Informationen über den einzelnen Patienten,
wie sie häufig vorliegt, sollte überwunden
werden. Als Beispiel soll hier die Physiotherapie
dienen, von der der hochbetagte
und polymorbide Patient noch mehr profitiert,
wenn die Physiotherapeutin über die
kognitiven Defizite des Patienten informiert
ist und bei der Behandlung darauf
Rücksicht nehmen kann.
Psyche und Körpergesundheit
wichtig für Lebensqualität
Die Lebensqualität und damit auch das
seelische Wohlbefinden im höheren Alter
hängen zum grossen Teil von körperlichen
Parametern ab. Am Beispiel der Depression
nach Herzinfarkt wird deutlich, dass
einerseits die Schwere der strukturellen
Herzerkrankung mit den daraus resultierenden
Einbussen an Leistungsfähigkeit
und damit auch die Resultate der kardiologischen
Behandlung das Risiko der Entstehung
einer Depression massgeblich beeinflussen,
und andererseits eine eventuell
auftretende Depression die Überlebenschancen
nach einem Herzinfarkt senkt.
Bei Delirien, Verhaltensauffälligkeiten und
psychischen Leiden bei Demenz, Erkrankungen
und Syndromen, die der Alterspsychiater
vor allem im Heim behandelt, ist
immer die Prüfung und allfällige Behandlung
typischer Auslöser angezeigt. Solche
Auslöser können eine akute somatische Erkrankung,
eine Verschlimmerung einer
chronischen Erkrankung oder eine neu aufgetretene
funktionelle Einschränkung sein.
Um die Wechselwirkungen zwischen körperlichen
und seelischen Leiden für eine
Behandlung und den Erhalt oder die Verbesserung
der Lebensqualität polymorbider
und betagter Patienten nutzen zu können,
ist es deshalb sinnvoll, geriatrische
und alterspsychiatrische Standards zu
kombinieren, wie oben bereits beschrieben.
Sowohl in der Praxis als auch im Pflegeheim
sollten diese altersmedizinischen As-
sessments und Behandlungen auch im
Rahmen alterspsychiatrischer Behandlungen
durchgeführt oder berücksichtigt werden,
wenn sie bereits vorliegen.
Dr. med. U.
Erlinger
Herr Dr. med. U. Erlinger M.P.H. ist Inhaber
einer Praxis für Alterspsychiatrie
mit Standorten an der Beckenhofstrasse 6,
8006 Zürich (Partner in der Psychiatrischen
Praxisgemeinschaft Zürich) und
im Pflegezentrum Gorwiden, 8057 Zürich.
Er ist spezialisiert auf die Behandlung
von mehr- und vielfach erkrankten, polymorbiden,
Patienten, die auch unter
psychischen Symptomen leiden. Herr
Dr. med. U. Erlinger verfügt über langjährige
Berufserfahrung als Leitender
Arzt im Stadtärztlichen Dienst Zürich
und als Chefarzt Alterspsychiatrie des
Sanatoriums Kilchberg.
P
ulsierende, einseitige Kopfschmerzen, begleitet von Übelkeit,
Licht- und Lärmsensibilität sowie sensorische oder motorische
Störungen gehören zu den Symptomen einer akuten
Migräne. Weltweit leiden 18 % der Frauen und 6 % der Männer
an Migräne 1 .
Herkömmliche Behandlungsmethoden reichen kaum aus
Primäres Ziel der Migränebehandlung ist es, die Anzahl und Intensität
von Anfällen zu reduzieren und zu verhindern, dass sich ein chronischer
Schmerz entwickelt. Verschiedene Medikamente und Alternativtherapien
stehen zur Verfügung, um Migräne vorzubeugen und zu
behandeln. Trotzdem reicht das breite Angebot oft nicht aus. «Eine
Schwierigkeit in der Migränebehandlung kann sein, dass medikamentöse
Therapien Unverträglichkeiten mit sich bringen oder wenig wirken»
meint PD Dr. med. Andreas Gantenbein, Präsident der Schweizerischen
Kopfwehgesellschaft.
Sichere und wirksame Migränetherapie ohne Einsatz von
Medikamenten
Eine neue Möglichkeit der Migränebehandlung bietet das Therapiesystem
Cefaly. Das leichte, ca. 5 cm grosse Gerät wird mit einer Klebeelektrode
an der Stirn angebracht und stimuliert mit feinen Impulsen
den Trigeminus-Nerv (Abb. 1). Dieser Hirnnerv ist bei der Entstehung
der Migräneschmerzen involviert. Eine randomisierte, placebokontrollierte
Doppelblindstudie zeigte, dass die regelmässige Anwendung von
täglich 20 Minuten die Häufigkeit von Migräneanfällen reduziert
(Abb. 2) 2 . Eine weitere Studie zeigte, dass sich der Migräne-Arzneimittelkonsum
um 75 % senken kann 3 . Die Wirksamkeit von Cefaly zeigte
sich bei 75 % aller Nutzer, die das Therapiesystem regelmässig und
korrekt anwendeten. Während einer Migräne- oder Kopfschmerzattacke
kann die Anwendung von Cefaly die Schmerzen lindern und die
Migränedauer verkürzen. «Cefaly bietet Betroffenen eine interessante
und evidenzbasierte Ergänzung zur medikamentösen Therapie», erklärt
PD Dr. med. Andreas Gantenbein.
Weitere Informationen zu Cefaly finden Sie unter
www.cefaly.ch
1
Webseite der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft: www.headache.ch
2
Schoenen, J., Vandersmissen, B., Jeangette, S., Herroelen, L., Vandenheede,
M., Gérard, P., Magis, D. (2013). Neurology, 80(8), 697-704.
3
Russo, A., Tessitore, A., Conte, F., Marcuccio, L., Giordano, A., Tedeschi, G.
(2015). The Journal of Headache and Pain, 16(1):69
Tägliche, 20-minütige Stimulation des Trigeminus-Nervs
mit Cefaly.
0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.5
Placebo
-2.0
Cefaly
-2.5
*
-3.0
0 1 2 3 Months
Reduktion der Migränetage durch regelmässige Anwendung
von Cefaly 2 .
24 ALTA VISTA JUNI 2017 Fokus Alterspsychiatrie
Migräne Neuer Behandlungsansatz Juni 2017 ALTA VISTA 25
Palliative Care –
ein Konzept oder
eine Haltung?
Die Zielsetzungen von Palliative Care sind vielfältig – Gedanken zu einem Thema,
welches nicht nur in den Medien ein Dauerbrenner ist.
Maren Nielsen
S
owie der Begriff Palliative
Care fällt, wird darunter meistens
Sterbebegleitung verstanden
oder er wird nur auf den
Bereich der Krebserkrankungen
reduziert. Das geht nicht nur vielen
Menschen so, welche nicht im Gesundheitswesen
tätig sind, sondern trifft auch
häufig auf Fachpersonen zu. Dabei beginnt
Palliative Care viel früher und nicht erst
dann, wenn ein Mensch sich in der Sterbephase
befindet.
Palliative wurde vom lateinischen
Wort Pallium, Mantel / Ummantelung, abgeleitet.
Care vom englischen Wort für
Pflege, Betreuung und Fürsorge. Übertragen
betrachtet bieten wir Menschen eine
Art der Umhüllung, einen besonderen
Schutz an.
Palliative Care richtet sich an Menschen,
welche unter chronisch fortschreitenden,
unter unheilbaren oder lebensbedrohlichen
Erkrankungen leiden.
Die Zielsetzungen von Palliative
Care sind vielfältig und orientieren sich
immer am Wunsch des jeweiligen Betroffenen
und dessen Angehörigen. Die
Schwerpunkte der Betreuung und Behandlung
liegen darin, Leiden jeglicher
Art zu lindern und dem Betroffenen so die
bestmögliche Lebensqualität, gemessen
an seiner Situation, zu bieten. Der Experte
für die Lebensqualität ist stets der Betroffene
selbst, denn nur er kann entscheiden,
was er als lebenswert empfindet.
Die Zielsetzungen von
Palliative Care sind vielfältig
und orientieren sich
immer am Wunsch des
jeweiligen Betroffenen und
dessen Angehörigen.
Was ist eigentlich Palliative
Care?
Palliative Care beinhaltet medizinische
Behandlungen, angemessene Schmerztherapien
und pflegerische Interventionen.
Dazu gehören aber auch Massnahmen,
welche Betroffene psychisch, sozial und
spirituell unterstützen. Es geht darum,
möglichen Problemen und Belastungen
vorzubeugen oder diese frühzeitig zu erkennen.
Dann darauf zu reagieren, um
diese angemessen zu behandeln. Es ist
eine umfassende, ganzheitliche sowie individuelle
Behandlung und Betreuung, daher
ist diese auch sehr anspruchsvoll. Um
diesen Herausforderungen begegnen zu
können, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
unabdingbar.
Aus diesem Grund ist es gerade auch
bei chronisch fortschreitenden Erkrankungen
sehr wichtig, die Möglichkeiten der
Palliative Care vorausschauend und frühzeitig
einzubeziehen, das heisst in Ergänzung
zu kurativen (heilenden) und rehabilitativen
Massnahmen. Es ist für Betroffene
oft von grosser Bedeutung, dass ihr Gesundheitszustand
lange stabilisiert werden
kann, auch wenn eine Heilung nicht mehr
möglich ist. Die Person gewinnt so die
Möglichkeit, möglichst lange im gewohnten
Umfeld aktiv zu leben. Diese stabile
Phase sollte von den Betroffenen auch
dahingehend genutzt werden, einen ➔
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26 ALTA VISTA JUNI 2017 Thema Palliative Care
Vorsorgeauftrag und eine Patientenverfügung
zu erstellen. Damit die eigenen Wünsche,
Bedürfnisse und Vorstellungen auch
dann umgesetzt werden können, wenn der
Betroffene es vielleicht nicht mehr selbst
bestimmen oder äussern kann. Die Autonomie,
der Wille des Betroffenen steht dabei
im Vordergrund. Es trägt auch massgeblich
zur Entlastung der Angehörigen bei, wenn
sie darüber informiert sind, was eine Person
entschieden und festgelegt hat. Wann
immer möglich, sollte Palliative Care an
dem Ort angeboten werden, welchen die
betroffene Person wählt. Die ist nicht an
Institutionen oder Örtlichkeiten gebunden,
auch nicht an bestimmte Berufsgruppen
und kann durchaus im privaten Lebensumfeld
stattfinden.
Palliative Care und das Sterben
Palliative Care will den Tod nicht beschleunigen,
aber auch nicht verzögern.
Denn lebensverlängernde Massnahmen
verlängern auch sehr häufig das Leiden.
Ein Leben in Würde führen zu können, beinhaltet
auch ein würdevolles Sterben. Ein
anderer wichtiger Aspekt liegt in der Unterstützung
von Angehörigen, damit sie die
Krankheit des Patienten und die eigene
Trauer verarbeiten können. Palliative Care
bedeutet auch, sich mit ethischen Fragen
auseinanderzusetzen. Es geht darum, eine
ethische Grundhaltung gemeinsam im interdisziplinären
Team zu entwickeln, zum
Wohle von Betroffenen und Angehörigen.
Unterstützend können hier auch die medizinisch-ethischen
Richtlinien der Palliative
Care sein, welche von der Schweizerischen
Akademie der Medizinischen Wissenschaften
entwickelt wurden.
Palliative Care ist kein Konzept, sondern
eine Haltung. Eine Haltung, die nach
den Bedürfnissen der Betroffenen fragt.
Das war eine der Hauptaussagen am 2. Zürcher
Fachsymposium «Palliative Care im
Jahr 2016».
Entwicklung einer Haltung
Eine Haltung ist jedoch nicht einfach vorhanden,
eine Haltung muss gemeinsam und
bereichsübergreifend entwickelt werden.
Eine Auseinandersetzung mit den eigenen
persönlichen Sichtweisen sowie auch den
eigenen Ängsten zu den Themen Sterben
und Tod ist dabei wichtig. Es erfordert Diskussionen
und die Entwicklung gemeinsamer
Werte. Einerseits für den professionellen
Umgang miteinander und andererseits
auch für die Erlangung oder Vertiefung der
Dem Tod ohne Angst ins Auge sehen können.
Fachkompetenz in Palliative Care. Denn
längst nicht jede Fachperson im Gesundheitswesen
verfügt über Grundkompetenzen
in diesem Bereich. In der Schweiz existieren
jedoch immer noch Lücken in der
Versorgung, der Finanzierung, der Information,
der Bildung und Forschung von
Palliative Care. Der Bund und die Kantone
haben daher beschlossen, die Palliative
Care in der Schweiz gemeinsam mit den
wichtigsten Akteuren zu fördern. Das Bundesamt
für Gesundheit hat dazu die nationalen
Leitlinien Palliative Care herausgegeben.
Es wurden Ziele festgelegt, um die
festgestellten Lücken zu schliessen und das
Angebot von Palliative Care-Leistungen zu
erweitern. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt
sich als Fazit ziehen, dass man in der
Schweiz im Bereich Palliative Care zwar
unterwegs ist, jedoch viele der gesetzten
Ziele noch nicht erreicht wurden. Denn
noch immer haben nicht alle Menschen Zugang
zu Palliative Care-Leistungen.
Maren
Nielsen
Maren Nielsen, geb. 1965, ist diplomierte
Pflegefachfrau und Dozentin für verschiedene
Fach- sowie Führungsthemen,
unter anderem auch für Palliative
Care. Sie verfügt über langjährige Berufs-
und Führungserfahrung im Akutsowie
Langzeitbereich. Sie ist selbständig
erwerbend und bietet Unterricht und
Beratungen im Gesundheitswesen an.
Als Kaderperson in der Pflege mitgestalten und
mitentwickeln?
Am Stadtrand von Zürich, mit Blick ins Grüne, werden in den Pflegezentren Witikon und Riesbach
270 Menschen gepflegt und betreut.
Als unser/-e neuer/neue Abteilungsleiter/-in 80 % - 100 % in Witikon haben Sie Freude an der
spezifischen Pflege und Betreuung von betagten Menschen.
Die Pflegeabteilung ist in 1er und 2er Zimmer aufgeteilt und umfasst insgesamt 27 Betten. Auf Ihrer
Abteilung betreuen Sie multimorbid erkrankte Bewohner/-innen. Das stellt hohe Ansprüche an Sie
und Ihr Team und erfordert Einfühlungsvermögen, Flexibilität, Kreativität und Bereitschaft zu
aussergewöhnlichen Lösungen. Ihr reicher Erfahrungsschatz vorzugsweise im Bereich Geriatrie
kommt Ihnen hier zugute.
Sie sind verantwortlich für die personellen, organisatorischen und operativen Belangen Ihres
Teams sowie für das physische und psychische Wohlergehen der Ihnen anvertrauten Bewohner/-
innen. Sie verstehen es, auf Ihrer Abteilung eine wohlwollende und unterstützende Teamkultur zu
schaffen und können dafür auf motivierte und begeisterungsfähige Mitarbeitende zählen. Nicht nur
Ihre Ausbildung auf Stufe HF Pflege, Ihre Führungserfahrung und Ihre Führungskompetenzen sind
uns wichtig, sondern auch Ihre Lösungsorientierung, Ihre Fähigkeiten zur Beratung und last but not
least - Ihre Kreativität. Zusätzlich schätzen wir Sie für Ihr Einfühlungsvermögen, Ihren
wertschätzenden Umgang und für Ihre Fähigkeit, mit unseren Bewohner/-innen deren Leben im
Hier und Jetzt gestalten zu können.
Als Arbeitgeberin setzen wir Trends in der Gesundheitsbranche. Wir bieten unseren Mitarbeitenden
attraktive Entwicklungsmöglichkeiten und stellen modernste Arbeitsinstrumente zur Verfügung.
Was Sie sonst noch von uns erwarten können, sagt Ihren gerne unsere Leiterin Pflegedienst,
Cornelia Conzett. Sie erreichen sie unter 044 414 83 05. Rufen Sie an!
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bewerben Sie sich per E-Mail, pzz-wir-jobs@zuerich.ch.
28 ALTA VISTA JUNI 2017 Thema Palliative Care
XXX XXX Juni 2017 ALTA VISTA 29
Info
Gesundheit – OECD: Übergewicht
und Fettleibigkeit nehmen
weiter zu
In den OECD-Ländern leiden immer mehr Menschen an
Übergewicht und Fettleibigkeit. Im Schnitt sind mehr als die
Hälfte der Erwachsenen sowie jedes sechste Kind davon betroffen.
Das geht aus den jüngsten Daten der OECD hervor,
die am Donnerstag veröffentlicht wurden.
In den vergangenen fünf Jahren hat insbesondere auch
der Anteil Fettleibiger weiter zugenommen, wie aus dem
Bericht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung) hervorgeht. Als fettleibig gilt,
wer einen Body Mass Index (BMI) von über 30 aufweist. Bei
einem BMI von 25 bis 30 spricht man von Übergewicht.
Besonders ausgeprägt ist dieses Problem in den USA,
Mexiko, Neuseeland und Ungarn. In allen vier Ländern gelten
mehr als 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung als
fettleibig. In Japan und Korea sind es dagegen nur 3,7 beziehungsweise
5,3 Prozent. Besonders
hoch ist der Anteil
auch in Deutschland, dort liegt
er bei 23,6 Prozent.
Die Schweiz liegt dabei
deutlich unter dem OECD-
Durchschnitt (19,5 Prozent),
nämlich bei 10,3 Prozent. Allerdings
wird der Anteil Fettleibiger
laut dem «OECD Obesity
Update 2017» in der Schweiz
und Korea bis 2030 voraussichtlich
deutlich schneller ansteigen
als bisher.
23 Millionen US-Bürger wegen
US-Gesundheitsreform ohne
Versicherung
Der neue Vorschlag der US-Republikaner zu einer
Rückabwicklung von Obamacare könnte in den kommenden
zehn Jahren etwa 23 Millionen Menschen die Versicherung
kosten. Das geht aus Berechnungen des überparteilichen
Haushaltsbüros des US-Kongresses hervor,
die kürzlich veröffentlicht wurden. Vor allem auf Menschen
mit Vorerkrankungen könnten erhebliche Mehrkosten
zukommen.
Die Berechnungen dürften es den Republikanern erschweren,
das Gesetzespaket mit dem Namen American
Health Care Act durch den Senat zu bringen. Mehrere Republikaner
in der zweiten Parlamentskammer kündigten bereits
an, dem Gesetz nicht zuzustimmen.
Die Republikaner im Abgeordnetenhaus hatten das Gesetz
verabschiedet, bevor das Haushaltsbüro seine Berechnungen
vorgelegt hatte. Das hatte
scharfe Kritik ausgelöst. Der Senat
arbeitet derzeit an einer eigenen Fassung
einer Gesundheitsreform.
Der Umbau von Obamacare war
eines von Trumps zentralen Wahlversprechen.
Ein erster Reformvorschlag
war gescheitert, bevor er zur
Abstimmung gestellt worden war.
Die Republikaner lehnen Obamacare
grundsätzlich als einen zu starken
Eingriff des Staats in den Gesundheitsmarkt
ab und halten sie
für zu teuer.
Blaues Licht steigert Leistung
von Sportlern
Sportler, die sich vor einem Wettkampf am Abend blauem
Licht aussetzen, können sich im Endspurt deutlich steigern.
Das haben Forscher der Universität Basel in einer Studie mit
74 männlichen Athleten ermittelt. Ein Teil der Sportler wurde
dafür während einer Stunde mit blauem monochromatischem
Licht bestrahlt, wie die Universität Basel mitteilte. Die
weiteren Athleten wurden hellem Licht oder einem Kontrolllicht
ausgesetzt. Unmittelbar danach erfolgte ein zwölfminütiger
Leistungstest auf dem Fahrrad-Ergometer.
Das blaue Licht verbesserte die Fähigkeit der Athleten
deutlich, ihre Leistung im Endspurt des Zeitfahrens zu erhöhen,
wie die Forschenden des Departements für Sport,
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Bewegung und Gesundheit im Fachblatt «Frontiers in Physiology»
berichten. Die Steigerung stand zudem in Zusammenhang
mit der eingesetzten Menge an blauem Licht.
Die Schweiz hat die drittbeste Gesundheitsversorgung der Welt
Die Gesundheitsversorgung hat sich in den allermeisten Ländern der Welt zwischen 1990 und 2015 verbessert. Die Schweiz
landet dabei auf Platz 3, zeigt eine internationale Studie. Allerdings ist auch die Schere zwischen den Ländern mit der besten
und der schlechtesten Versorgung weiter aufgegangen. Laut der Studie ist in 167 Ländern der Zugang zur Gesundheitsversorgung
und deren Qualität deutlich besser geworden. Insgesamt haben Forschende unter der Leitung von Christopher
Murray von der University of Washington in Seattle 195 Länder untersucht, darunter auch die Schweiz.
Auf einer Skala von 0 bis 100 erreichte 2015 Andorra mit 94,6 den höchsten Wert, die Zentralafrikanische Republik mit
28,6 den niedrigsten.
30 ALTA VISTA JUNI 2017 Info National und International
XXX XXX JUNI 2017 ALTA VISTA 31
Kleine Hinweise –
grosse Wirkung!
Jeder kennt diesen Satz: «Bei Risiken und Nebenwirkungen lesen
Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker».
Doch kaum jemand hält sich daran. Das kann fatale Folgen haben.
Yvonne Beck
Tabletten werden von Patienten oftmals als Gefahr für ihre Gesundheit gesehen.
«
Lesen Sie die Packungsbeilage!»,
heisst es immer, aber ist
das wirklich so sinnvoll? Der
Beipackzettel in Arzneimitteln
verunsichert viele Patienten.
Verantwortlich dafür sind die darin beschriebenen
Nebenwirkungen und in der Tat
hören sich viele Nebenwirkungen recht bedrohlich
an. Dabei soll die Packungsbeilage
keine Angst machen, sondern Patienten
schützen. Bereits seit Ende der 70er-Jahre ist
der Beipackzettel Pflicht, um Patienten über
Nutzen und Risiken ihres Medikaments aufzuklären.
Natürlich auch über Nebenwirkungen
und dafür wird jede jemals aufgetretene
Nebenwirkung gelistet. So werden die
Inhalte von Beipackzetteln für viele Patienten
eine Hürde, ein verschriebenes Medikament
einzunehmen. Um alle Anforderung
des Gesetzesgebers zu erfüllen, werden die
Packungsbeilagen oft lang und unübersichtlich
– vor allem die Liste der Nebenwirkungen.
Laut Studie nehmen 28% der Patienten
ein verschriebenes Medikament aus Angst
vor Nebenwirkungen nicht ein.
Der digitale Beipackzettel
Alle Arzneimittel, die wirken, können
auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Aber können Nebenwirkungen auch
deshalb auftreten, weil man sie erwartet?
Es gibt zahlreiche Studien, die genau dieser
Frage nachgegangen sind. Probanden
wurden zur Kontrolle in Medikamentenund
Placebo-Gruppen eingeteilt. Das eindeutige
Ergebnis: Sogar in den Placebo-Gruppen
berichtet durchschnittlich
jeder Vierte über Nebenwirkungen, ohne
den Wirkstoff je bekommen zu haben.
Also nur weil man glaubt, die Pillen verursachen
Nebenwirkungen, kann man sie
auch bekommen. Was im Beipackzettel
steht, kann also eintreten, wenn man es
erwartet. Den Patienten sollte jedoch
durch ausführliche Gespräche die Angst
vor diesen möglichen Nebenwirkungen
genommen werden.
Sogar in den Placebo-
Gruppen berichtet durchschnittlich
jeder Vierte
über Nebenwirkungen.
Die Zukunft werden digitale Packungsbeilagen
sein. Zurzeit laufen bereits
einige Pilotprojekte. Der Vorteil liegt auf
der Hand: Digitale Beipackzettel lassen
sich aktualisieren, gehen nicht verloren und
die Schrift lässt sich vergrössern (vermehrt
beklagen sich besonders ältere Menschen,
dass sie die kleingedruckten Beipackzettel
nicht lesen können). Überdies lässt sich die
Onlineversion gut mit anderen Informationen
wie etwa Wechselwirkungen verknüpfen.
Viele ältere Menschen scheuen jedoch
immer noch das Internet (nur ein Viertel
der über 70-Jährigen nutzt heute überhaupt
das Internet), die Gespräche mit dem Apotheker
oder dem Arzt werden also weiterhin
die tragende Säule der Arzneimitteltherapie
bleiben. Und gerade aus diesem
Grund müssen besonders Ärzte und medizinisches
Fachpersonal weiterhin geschult
werden, um Patienten in verständlicher
Form zu informieren. Dabei müssen vor
allem Ärzte von ihrem Fachchinesisch Abstand
nehmen, denn kein normaler Patient
weiss, was beispielsweise eine orale Candidiasis
ist, aber jeder würde Pilzerkrankung
im Mund verstehen. Patienten sollten nicht
das Gefühl haben, Medizin oder Pharmazie
studiert haben zu müssen, um den Inhalt
eines Beipackzettels zu verstehen oder
den Ausführungen eines Arztes folgen zu
können. Die Expertensprache muss entschlüsselt
und Fachausdrücke übersetzt
werden. Momentan scheint es, als schreibe
man Beipackzettel eher für die Zulassungsbehörde
als für die Patienten. Es geht mehr
um die juristische Absicherung der ➔
32 ALTA VISTA JUNI 2017 Fertigarzneimittel Verwirrende Packungsbeilage
Fertigarzneimittel Verwirrende Packungsbeilage Juni 2017 ALTA VISTA 33
Hersteller als um Verständlichkeit und dabei
treten die Interessen der Verbraucher
bisweilen in den Hintergrund.
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den Kopf?
Das Ende des Fachchinesisch
Verständliche Angaben über Sinn und
Zweck eines Medikamentes sind die beste
Motivation für den Patienten, es zuverlässig
einzunehmen. Daher sollten schlichte
und verständliche Sätze zum Standard einer
jeden Beratung gehören. Sicherlich haben
Fachausdrücke ihre Berechtigung,
doch sollte man sie zudem noch allgemeinverständlich
übersetzen, denn Patienten
möchten mit ihrem Arzt kommunizieren
können – und zwar auf Augenhöhe. Etwa
100 Millionen Tonnen Arzneimittel landen
jährlich auf dem Müll, ein Viertel der Packungen
ist nicht angebrochen. Über 57 000
Menschen sterben jährlich sogar an den
Nebenwirkungen von Medikamenten – die
Hälfte der Todesfälle wäre durch richtige
Informationen über Risiken, Nebenwirkungen
und Wechselwirkungen mit anderen
Mitteln vermeidbar gewesen. Doch tatsächlich
stirbt nur etwa einer von 10 000 bis
100 000 Patienten pro Jahr an Arzneimitteln.
Zum Vergleich: Durch Zigaretten
stirbt etwa jeder 215. Raucher.
Aber auch medizinisches Fachpersonal,
Ärzte und Apotheker verstehen Beipackzettel
manchmal falsch. Besonders bei
der Angabe zur Häufigkeit von Nebenwirkungen
schätzt man Medikamente als viel
gefährlicher ein als sie eigentlich sind. Eine
Studie des «Deutschen Ärzteblattes» fand
heraus, dass Mediziner und Apotheker oftmals
Schwierigkeiten haben, die Begriffe
«häufig», «gelegentlich» oder «selten» in
Bezug auf Nebenwirkungen richtig zu deuten.
So gab die Mehrheit der Befragten
beim Begriff «häufig» eine Nebenwirkungsrate
von 60% an. Laut Definition des
Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte
beträgt die Rate jedoch nur
maximal zehn Prozent. «Häufig» unerwünschte
Wirkungen treten also in bis zu
10 Prozent der Fälle auf. «Gelegentlich»
sind Nebenwirkungen, wenn sie 0,1 bis weniger
als 1 Prozent der Fälle betreffen und
nur 0,01 bis weniger als 0,1 Prozent, wenn
die Nebenwirkungen mit «selten» beschrieben
werden. Doch auch auf andere Begriffe
auszuweichen wäre keine Lösung, da andere
Bezeichnungen auch wieder einen Interpretationsspielraum
bieten. Fachleute plädieren
deshalb immer mehr auf grafische
Tools, die Eindeutigkeit erzeugen (bspw.
10 Männchen und eins davon rot).
Fazit
Arzneimittel sind informationsbedürftige
Produkte, mit denen Patienten nicht alleine
gelassen werden dürfen. Im Beipackzettel
fehlt die Information zum Nutzen des Medikaments
und Risikoangaben, die der Patient
auch versteht. Doch auch die Informationen
für Ärzte und medizinisches Personal, die
heute weitgehend von Pharmavertretern und
an pharmagesponserten Veranstaltungen interessenorientiert
informiert werden, müssen
dringend verbessert werden. Die Pflicht
des Arztes ist es, sich erstens selbst intensiv
mit dem Vokabular des Beipackzettels auseinanderzusetzten
und zweitens eine patientenbezogene
Aufklärung durchzuführen,
denn Beipackzettel erleichtern zwar die
Aufklärung, ersetzten aber nie das Aufklärungsgespräch.
Jeder Patient liest und versteht
anders, der Arzt muss daher individuell
die Richtung angeben.
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