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Heft - Landwirtschaft in Sachsen - Freistaat Sachsen

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Fi@cherei hi]ori@ch erstellt von Matthias Pfeifer<br />

Über den Karpfen<br />

Die Zeit des Jahreswechsel ist mit ihren Feiertagen traditionell e<strong>in</strong> Höhepunkt im<br />

Karpfenverzehr. Karpfen steht schon seit Jahrhunderten <strong>in</strong> der Gunst der Fischesser. Davon<br />

sollen e<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>e Zitate aus dem ersten größeren Werk über die Karpfenzucht Zeugnis<br />

ablegen. Sie stammen aus dem »Buch von den Teichen und den Fischen, welche <strong>in</strong><br />

denselben gezüchtet werden« von Johannes Dubravius. Dieser lebte von 1486 bis 1553 <strong>in</strong><br />

Böhmen. Er war Doktor des Kirchenrechts und <strong>in</strong> den Jahren 1542-1553 Bischoff von<br />

Olmütz. Dubravius kommt das Verdienst zu, die erste gewissenhafte Beschreibung der<br />

Karpfenteichwirtschaft vorgelegt zu haben. Die Teichwirtschaft kannte er aus eigenem<br />

Erleben. Se<strong>in</strong>e epochale Schrift erschien erstmals 1547 <strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer Sprache bei Andreas<br />

W<strong>in</strong>kler <strong>in</strong> Breslau. Es folgte e<strong>in</strong>e weitere Ausgabe 1559. 1596 erschien das Büchle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Nürnberg. Auf die große Verbreitung <strong>in</strong> Europa weisen e<strong>in</strong>e englische Ausgabe, London<br />

1599, und e<strong>in</strong>e polnische, Krakau 1600, h<strong>in</strong>. Das Buch liest sich auch heutigentages noch<br />

mit großem Gew<strong>in</strong>n. Die hier ersche<strong>in</strong>ende Kostprobe stammt von der Orig<strong>in</strong>alausgabe von<br />

1547, übersetzt und bearbeitet von A. Wüstner und J. Kollmann, Wien 1906.<br />

Welch hohen wirtschaftlichen Stellenwert die Karpfenteichwirtschaft zur damaligen Zeit hatte,<br />

d.h. welch hohen Gew<strong>in</strong>n sie abwarf, zeigt folgendes Zitat aus dem 5. Buch, Vorrede:<br />

„Denn wie der Bauer ob der Ernte nicht trauert oder der W<strong>in</strong>zer ob der We<strong>in</strong>lese, sondern<br />

sich vielmehr beide freuen, wenn sie durch ihre Mühe wohlverdiente Frucht empfangen, so<br />

s<strong>in</strong>gt auch froh und beifällig der Teichbesitzer, wenn er se<strong>in</strong>en Geldkasten mustert, den der<br />

Fischfang mit Goldstücken gefüllt hat.“<br />

Obgleich Fische zwar zu den Fastenspeisen zählten, die eher e<strong>in</strong>em spartanischen<br />

Lebensstil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit des Verzichts dienen sollten, wurden Karpfen im 16. Jahrhundert<br />

schon zu e<strong>in</strong>er kostspieligen Delikatesse, die e<strong>in</strong>en raschen Absatz erfuhren und e<strong>in</strong>en<br />

äußerst erträglichen Verkauf e<strong>in</strong>brachten. Aus anderen Quellen ist bekannt, daß <strong>in</strong> dieser<br />

Zeit der Karpfenpreis das Vierfache des Preises von R<strong>in</strong>dfleisch betrug. Was Wunder also,<br />

daß man allerorten versuchte Fischteiche anzulegen. E<strong>in</strong> Sprichwort aus dieser Zeit lautet<br />

nicht unbegründet: „Schäfereien, Brauhäuser und Teich machen die böhmischen Herren<br />

reich.“ Im folgenden Auszug ist aber auch erkennbar, wie weit Karpfen damals schon, als nur<br />

Pferdefuhrwerke zur Verfügung standen, gehandelt wurden.<br />

Kapitel 8: Wie es kommt, daß mit der wachsenden Anzahl der Fischteiche auch der Wert der<br />

Karpfen steigt<br />

E<strong>in</strong> Zweifaches wird für die Ursache dieser Ersche<strong>in</strong>ung gehalten: der e<strong>in</strong>e Grund ist auf<br />

heimischen Boden erwachsen, der andere aus der Fremde here<strong>in</strong>gebracht; beide aber - um<br />

die Wahrheit e<strong>in</strong>zugestehen - s<strong>in</strong>d hervorgegangen aus der Leckerheit des Gaumens,<br />

welche, sowie sie für das Vergnügen des Speisegenusses ke<strong>in</strong> Maß f<strong>in</strong>det, auch ke<strong>in</strong>es<br />

kennt für den Aufwand, mit dem e<strong>in</strong> solcher Genuß erkauft wird. Daß aber der Karpfen<br />

allenthalben unter die Tafelfreuden gezählt wird, ist jedermann bekannt, denn selbst der<br />

Ärmste läßt ihn bei se<strong>in</strong>em Gastmahle nicht fehlen: ganz abgesehen von den Vornehmen,<br />

welche denselben Frühstück, Gabelfrühstück und Hauptmahlzeit zuteilen. Auch das Volk<br />

gönnt sich diesen Überfluß und beschwert se<strong>in</strong>en Tisch so oft als möglich mit diesem<br />

Gericht. und dem Stadtvolke tun es die Landleute nach, vor allem zur Zeit, da sie wegen des<br />

Marktes Städte und Dörfer besuchen und nicht eher wieder aufs Land zurückkehrten, ehe sie<br />

mit dem Karpfen - auch wenn er noch so teuer erkauft ist - ihren Kropf gefüllt haben. Es<br />

schmeckt ja gewissermaßen nichts so gut, wie das teuer Bezahlte. Schon bei Martial s<strong>in</strong>gt so<br />

e<strong>in</strong> Landvogel: „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> ländliches Rebhuhn, was schadet´s? Wenn gleich der<br />

Geschmack nur. Merke! weil teuer dies Huhn, drum besser dünkt es dem Schlund.“<br />

Daher wird dann daheim der Karpfen von allen Ständen mit so großen Verlangen begehrt.<br />

Und es ist ke<strong>in</strong> Wunder, wenn se<strong>in</strong> Ruhm immer mehr wächst, se<strong>in</strong> Preis täglich steigt, da<br />

doch alle um die Wette zum Kaufe zusammenlaufen. Wie ist´s ferner im Ausland? Bemerken<br />

wir nicht durch das ganze obere Deutschland, daß <strong>in</strong> fast allen Gasthäusern der bei uns<br />

gekaufte Karpfen nicht nur zu f<strong>in</strong>den ist, sondern den Vorzug vor edleren Fischarten genießt?<br />

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