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14. — 25. Mai<br />
rend der Proben gezielt nach diesen „sweet spots“. Das hilft<br />
Sänger<strong>in</strong>nen und Sängern, denn auf jeder Bühne gibt es bed<strong>in</strong>gt<br />
durch die Architektur oder durch das Bühnenbild eben<br />
immer auch Bereiche, an denen können Sie sich als Sänger<br />
noch so sehr bemühen, Ihre Performance wird den Regisseur<br />
während der Proben und später das Publikum während der<br />
Aufführungen nie ganz zufrieden stellen.<br />
Bee<strong>in</strong>flusst Ihr Werdegang auch Ihre grundsätzliche<br />
Herangehensweise an Opern?<br />
Ich glaube schon. Zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Regiearbeit versuche ich,<br />
jede Oper zunächst immer auf das zu reduzieren, was für mich<br />
das Wichtigste an Musiktheater ist: Die Stimmen und die Beziehungen<br />
zwischen den Figuren auf der Bühne. Kostüme und<br />
Bühnenbild übernehmen natürlich auch e<strong>in</strong>e wichtige Funktion,<br />
sie sollten den Kern der Oper aber nur unterstützen und<br />
dürfen das Publikum nicht von ihm ablenken.<br />
Was ist der Kern von „Agripp<strong>in</strong>a“, der diesjährigen<br />
Oper der Internationalen Händel Festspiele Gött<strong>in</strong>gen?<br />
Wie bei vielen Opern geht es um die Frage, wer was wann wem<br />
erzählt. Es wird geheuchelt, gelogen und <strong>in</strong>trigiert. Und es ist nie<br />
ganz klar, ob das jeweilige Gegenüber die Lügen und Intrigen<br />
wirklich nicht bemerkt oder nur so tut, als ob er oder sie sie nicht<br />
bemerken würde. Händel hat dies meisterhaft <strong>in</strong>s Musikalische<br />
übersetzt. „Agripp<strong>in</strong>a“ ist sicher e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er kompositorischen<br />
Glanzleistungen und ich freue mich sehr auf die Inszenierung.<br />
hndl.de<br />
2015<br />
Künstlerischer Leiter: Laurence Cumm<strong>in</strong>g<br />
In der Oper treten auch drei Countertenöre auf. Ist es für<br />
e<strong>in</strong>en Regisseur nicht schwierig, drei Figuren mit e<strong>in</strong>er so<br />
markanten Gesangstechnik gut vone<strong>in</strong>ander abzugrenzen?<br />
Ne<strong>in</strong>, denn zunächst e<strong>in</strong>mal ist bei Countertenören die Bandbreite<br />
zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Sängern ähnlich groß wie bei<br />
anderen Stimmlagen. Außerdem geht es auch bei dieser Stimmlage<br />
darum, bereits beim Cast<strong>in</strong>g der Sänger denjenigen zu f<strong>in</strong>den,<br />
dessen Timbre am besten zur jeweiligen Rolle passt.<br />
Nun noch zu der im Zusammenhang mit Händels Musik<br />
immer wieder gestellte Frage: Wie halten Sie es mit der<br />
historischen Aufführungspraxis, also dem Konzept, barocke<br />
Musik möglichst so aufzuführen, wie es zur Zeit ihrer<br />
Entstehung üblich war?<br />
Klar ist, dass man Barockmusik klanglich natürlich anders behandeln<br />
muss als etwa e<strong>in</strong>e Oper von Verdi. Aber man sollte<br />
sich dabei nicht zum Sklaven der historischen Aufführungspraxis<br />
machen. Als Sänger habe ich mit den Dirigenten John<br />
Eliot Gard<strong>in</strong>er und Nikolaus Harnoncourt gearbeitet, die alle<br />
beide für großartige Aufführungen im S<strong>in</strong>ne der historischen<br />
Aufführungspraxis stehen. Das Interessante ist jedoch, dass<br />
beide dieselben Werke oft ganz unterschiedlich <strong>in</strong>terpretiert<br />
haben. Es gibt also nicht die e<strong>in</strong>zig richtige, historisch korrekte<br />
Interpretation. Es geht auch bei Barockmusik immer um<br />
e<strong>in</strong>en persönlichen Blick des Dirigenten, der Sänger und des<br />
Regisseurs auf e<strong>in</strong>e Oper. Das Ziel muss stets se<strong>in</strong>, der Musik,<br />
den Charakteren und der Geschichte gerecht zu werden.