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TECHNIK Turbolader<br />
DICHT ODER NICHT?<br />
Öl im Turbolader bedeutet meist nichts Gutes. Doch nicht immer<br />
ist der Turbolader defekt. Häufig liegt der Fehler in dessen Umfeld,<br />
sagen die Turboladerspezialisten von Motair. Sie haben dem<br />
NKW-PARTNER mögliche Ursachen verraten.<br />
VON KLAUS KUSSS<br />
Welcher Werkstattfachmann kennt das nicht:<br />
Nach dem Abziehen der Ladeluftschläuche<br />
kommt ein mehr oder weniger stark ölender<br />
Turbolader zum Vorschein. In der Regel lautet<br />
die Diagnose „Turbolader defekt – ersetzen!“<br />
Doch dies ist nicht immer der Fall, sagen die<br />
Turboladerspezialisten von Motair. „Wenn ein<br />
Turbolader ölt, bedeutet das nicht zwingend,<br />
dass er defekt ist. Vielmehr sollte man sich die<br />
Frage stellen, warum der Turbo Öl aus dem<br />
Lagergehäuse saugen und in den Ansaug- oder<br />
Abgastrakt drücken kann“, sagt Andreas Solibieda,<br />
Geschäftsführer bei Motair in Köln.<br />
HILFREICHES TURBO-KNOW-HOW<br />
Für eine treffende Diagnose ist es dem Experten<br />
zufolge hilfreich, die Funktionen des<br />
Öl-Gas-Abdichtsystems eines Turboladers zu<br />
kennen. „Der mittlere Teil des Turboladers, das<br />
Lagergehäuse, wird über den Motorölkreislauf<br />
mit Schmierstoff versorgt. Das Öl schmiert die<br />
Lager der Laderwelle und kühlt gleichzeitig das<br />
Lagergehäuse. Die Endgehäuse des Turboladers<br />
hingegen dienen der Gasführung“, erläutert<br />
Solibieda. Dies erfordere eine zweiseitige Abdichtung<br />
des Lagergehäuses: zur Turbinenseite<br />
und zur Verdichterseite hin. Diese Abdichtung<br />
soll einerseits verhindern, dass heiße Abgase<br />
34 1-2012<br />
von der Turbinenseite her ins Lagergehäuse<br />
gelangen und dort das Öl thermisch zerstören<br />
können. Andererseits darf das Öl aus dem<br />
Lagergehäuse nicht in das Turbinen-und/oder<br />
Verdichtergehäuse gelangen. Während ersteres<br />
eine Gefahr für den Diesel-Partikelfilter (DPF)<br />
bedeuten würde, hätte letzteres eine Kontamination<br />
des gesamten Luftansaugsystems zur<br />
Folge. Außerdem kann sich das angesaugte und<br />
verbrannte Öl ebenfalls schädlich auf die Funktion<br />
des DPF auswirken. Bei einem extremen<br />
„Ölreißer“ indes wäre ein kapitaler Motorschaden<br />
nicht auszuschließen.<br />
Zum Abdichten des Lagergehäuses sind<br />
herkömmliche Gummi-Kontakt-Dichtsysteme<br />
laut Motair jedoch ungeeignet. „Zum einen ist<br />
die Drehzahl des Laufzeugs viel zu hoch. Typische<br />
Öl-Dichtungen erreichen ihre Grenze<br />
bei Drehzahlen von rund 25 m/s. Lkw-Turbolader<br />
drehen aber gut und gerne bis 105 m/s.<br />
Zudem sind die Temperaturen im Turbolader<br />
für herkömmliche Dichtsysteme zu hoch“, erklärt<br />
Solibieda. Außerdem vereitle das systembedingt<br />
große radiale Lagerspiel den Gebrauch<br />
herkömmlicher Dichtringe; hydrodynamische<br />
Lager dagegen benötigten zwei Ölpolster und<br />
seien damit ebenfalls ungeeignet.<br />
Aus diesem Grund arbeitet das Abdichtsystem<br />
des Turboladers den Kölner Turboladerfachleuten<br />
zufolge über Rotation und Druck-<br />
Alles im Fluss: Den mittleren Teil des Turboladers<br />
versorgt der Schmierkreislauf des Motors mit Öl.<br />
Dieses schmiert die Lager und kühlt das Lagergehäuse.<br />
Sind die Druckverhältnisse des Turboladers<br />
in Ordnung, kann kaum Öl austreten (oben).<br />
(Foto: Garrett)<br />
Ursachenforschung: „Ölende” Turbolader sind im<br />
Werkstattalltag häufig anzutreffen. Doch nicht in<br />
jedem Fall ist der Turbolader defekt. Häufig ist die<br />
Ursache in dessen Umfeld zu finden (links).<br />
(Foto: Motair)<br />
Berührungslos dichten: Turbinen- und verdichterseitig<br />
dichtet jeweils ein Kolbenring die Läuferwelle<br />
ab. Fest im Lagergehäuse verspannt, bilden<br />
diese eine Art Labyrinthdichtung, welche aufgrund<br />
der vielen Strömungsumlenkungen die Ölleckage<br />
nach außen erschwert. Zudem verhindern sie, dass<br />
Abgas ins Lagergehäuse gelangt.<br />
(Foto: Garrett)<br />
unterschied: im Betrieb rotiert die Welle und<br />
auf der Turbinenseite liegt der Abgasdruck an,<br />
auf der Verdichterseite indes baut sich der Ladedruck<br />
auf. Die beiden Drücke wirken jeweils<br />
von den Endgehäusen in Richtung des Lagergehäuses.<br />
„Turbinen- und verdichterseitig<br />
befindet sich je ein Kolbenring, bei speziellen<br />
Anwendungen teilweise auch zwei, in einer<br />
Nut auf der Läuferwelle beziehungsweise der<br />
Dichtbuchse“, erläutern die Kölner Turboladerfachleute.<br />
Diese Kolbenringe drehen sich<br />
nicht mit, sondern sind fest im Lagergehäuse<br />
verspannt. Diese berührungslose Art der Abdichtung<br />
funktioniert ähnlich einer Labyrinthdichtung<br />
und erschwert den Fachleuten zufolge<br />
durch die vielen Strömungsumlenkungen,<br />
dass Öl nach außen gelang. Zudem können<br />
damit nur geringe Abgasmengen in das Lagergehäuse<br />
gelangen.