24.04.2015 Aufrufe

DURCHBLICK

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

29<br />

Katers Welt MARKTWERT<br />

WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

DER DORNRÖSCHEN-FAKTOR<br />

Wenn die politische Vernunft siegt, bieten sich an Europas Aktienmärkten auch Chancen. Das Wachküssen verlangt<br />

von Anlegern aber Geduld und Aufmerksamkeit – mit jeder neuen politischen Wahl können böse Feen auftauchen.<br />

Illustration: Timo Becker<br />

Fast mit dem ersten Arbeitstag im Januar hatte das Finanzjahr<br />

2015 auch schon sein erstes großes Thema: Der vehemente<br />

Ruf nach Schuldenerleichterungen der einst kleinen<br />

linken Oppositionspartei, die nun die Regierung in Griechenland<br />

stellt. Der Ruf erinnerte alle europäischen Finanzmarktteilnehmer<br />

daran, dass die Finanzprobleme in Europa mitnichten gelöst<br />

sind. Fast sechs Jahre nach Ausbruch der Schuldenkrise fällt die<br />

Bilanz gemischt aus. Festzustellen ist: In allen Krisenstaaten sind<br />

Fortschritte zu verzeichnen, das Wachstum ist zurück, die Leistungs<br />

bilan zen sind mehrheitlich im Überschuss statt im Minus<br />

und die Staatsdefizite sinken. Aber wirklich durchschlagend sind<br />

die Erfolge noch nicht. Sie sind zudem vielfach auf Kosten hoher<br />

Arbeitslosigkeit erreicht worden. Das wäre ungefähr so, wie wenn<br />

sich jemand auf eine niedrigere Kleidergröße herunterhungert,<br />

weil er sich eine Nummer größer nicht leisten kann.<br />

Da ist Ärger vorprogrammiert. Die einen möchten einen<br />

Schuldenschnitt, am besten ohne wirtschaftspolitische Reformauflagen.<br />

Die anderen möchten wirtschaftspolitische Reformauflagen,<br />

am besten ohne einen Schuldenschnitt.<br />

Nicht nur in dieser Frage<br />

sind die Positionen so weit auseinander,<br />

wie die europäischen Hauptstädte<br />

voneinander entfernt liegen. Einen politischen<br />

Verbund wie eine Währungsunion<br />

zeichnet allerdings aus, dass<br />

alle Beteiligten kompromissfähig sind.<br />

„In allen Krisenstaaten sind<br />

Fortschritte zu verzeichnen,<br />

aber durchschlagend sind die<br />

Erfolge noch nicht“<br />

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank<br />

Niemand, egal wie reich und mächtig er ist, wird 100 Prozent<br />

seiner Vorstellungen durchsetzen können. Zugleich ist eine Drohung,<br />

den politischen Klub zu verlassen, wenn nicht alle eigenen<br />

Forderungen erfüllt werden, unrealistisch. Zwischen diesen Extremen<br />

wird die Gemeinschaft der Euro-Mitgliedsländer künftig<br />

häufig hin- und hergeworfen werden. Entscheidend ist hier aber<br />

nicht nur die Kompromissfähigkeit des politischen Personals.<br />

Immer wichtiger ist, ob die Mechanismen einer Währungsunion<br />

von den Wählern akzeptiert werden. Daher ist eine Diskussion<br />

über die politische Zukunft Europas fast noch wichtiger als die<br />

Erörterung der momentanen Finanzlage einzelner Staaten.<br />

Solange die politische Vernunft siegt – hier sollte man weniger<br />

von ökonomischer Vernunft sprechen, denn diese würde die Einführung<br />

neuer Währungen rund um die Welt verlangen –, bieten<br />

sich an den europäischen Kapitalmärkten auch Chancen. Denn<br />

die Querelen und Probleme im Euroraum haben in den letzten<br />

Jahren an den Börsen zu einem Preisabschlag für viele europäische<br />

Unternehmen geführt. Während die US-Märkte auf dem Rücken<br />

ihrer kräftigen wirtschaftlichen Erholung<br />

schon wieder recht teuer geworden sind,<br />

enthalten Europas Aktienmärkte noch einen<br />

Dornröschen-Faktor: Das Wachküssen<br />

verlangt bislang einige Geduld, und<br />

böse Feen können mit jeder neuen Wahl<br />

auftauchen. Europa bleibt also schwierig,<br />

aber auch voller Möglichkeiten.<br />

fondsmagazin 1.2015

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!