erstes internationales filmfestival wiener neustadt 1.-3 ... - Allzeit Neu
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AUS DER STADT 15<br />
Der „<strong>Allzeit</strong> <strong>Neu</strong>“-Prominentenfragebogen<br />
Birgit Pointner leiht den Ö3-Nachrichten ihre Stimme, vor allem den nächtlichen<br />
RadiohörerInnen ist die Redakteurin und Chefin vom Dienst bestens bekannt. Die<br />
gebürtige Steirerin arbeitet auch als Autorin: Im Vorjahr präsentierte sie die Reportagen<br />
„Hellwach in Wien”. „<strong>Allzeit</strong> <strong>Neu</strong>“ bat die Radiojournalistin zum besonderen Interview.<br />
Was gefällt Ihnen an sich besonders?<br />
Äußerlich meine Augen und meine<br />
Hände, innerlich mein Herz und mein<br />
Humor.<br />
Was treibt Sie an?<br />
Liebe, <strong>Neu</strong>gier, Ehrgeiz – und mein<br />
steirischer Sturschädl.<br />
Auf welche eigene Leistung sind Sie<br />
stolz?<br />
Dass ich die vielen Jahre Schichtdienst<br />
in einer 24-Stunden-Nachrichtenredaktion<br />
bisher recht gut bewältigt hab.<br />
Wem würden Sie einen Orden<br />
verleihen?<br />
Niemandem. Ich schätze viele Menschen,<br />
halte Orden aber für völlig sinnlos.<br />
Als Kind wollten Sie sein wie...?<br />
Das kleine Ich-bin-ich.<br />
Was war Ihre größte Jugendsünde?<br />
Stirnfransen.<br />
Wie oder wo können Sie am besten entspannen?<br />
In der Gesellschaft von lieben und lustigen<br />
Menschen oder alleine beim Lesen,<br />
Radfahren und Schals-Stricken.<br />
Was ist für Sie eine Versuchung?<br />
Mir und anderen Fragen zu stellen,<br />
auch wenn es unbequem ist.<br />
Was war Ihr schönster Lustkauf?<br />
Ein Anhänger aus Mondstein, den ich<br />
seither fast ständig trage.<br />
Was ist Ihre Lieblingsspeise?<br />
Linsen mit Serviettenknödeln.<br />
Welches Lied singen Sie gern?<br />
„Molly Malone“, ein irisches Volkslied.<br />
Ihr(e) LieblingsschauspielerIn?<br />
Ursula Strauss in „Schnell ermittelt“<br />
und meine Söhne, wenn sie mich nachmachen.<br />
Ihre Lieblingssendung im Fernsehen?<br />
Im österreichischen Fernsehen „ORF<br />
Report“ und im deutschen „3 nach 9“,<br />
eine Talksendung.<br />
Mit welcher historischen Figur würden<br />
Sie gerne plaudern?<br />
Mit Maria Theresia über Wiener <strong>Neu</strong>stadt,<br />
Kinder und Politik.<br />
Nennen Sie eine österreichische Persönlichkeit,<br />
die Ihnen imponiert.<br />
Da gibt es ein Grillparzer-Zitat: „Das<br />
sind die Starken, die unter Tränen lachen,<br />
eigene Sorgen verbergen und andere<br />
glücklich machen.“<br />
Nennen Sie drei Bücher, die Sie begeistert<br />
haben.<br />
„Die feuerrote Friederike” von Christine<br />
Nöstlinger<br />
„Steins Paranoia” von Peter Henisch<br />
„Laut und Luise” von Ernst Jandl<br />
Ein Erlebnis, das Sie nie vergessen?<br />
Das sind viel zu viele... Ich habe ein<br />
sehr gutes Gedächtnis, das ist meistens ein<br />
Segen und manchmal ein Fluch.<br />
Was war Ihr schlimmster Irrtum?<br />
Dass ich bei heftigem Wind auf einem<br />
Parkplatz aus dem Auto ausgestiegen bin<br />
und geglaubt habe, ich muss die Autotür<br />
nicht festhalten. Dicht neben stand eine<br />
relativ neue Limousine...<br />
Was mögen Sie an sich gar nicht?<br />
Wenn ich mich auf Sendung verspreche.<br />
Wo hätten Sie gerne einen Zweitwohnsitz?<br />
Irgendwo am Wasser, also am Meer<br />
oder an einem See.<br />
Was ist Ihr Lieblingsplatzerl in Wiener<br />
<strong>Neu</strong>stadt?<br />
Überall dort, wo es nette Menschen,<br />
guten Kaffee und/oder gute Bücher gibt.<br />
Der „<strong>Allzeit</strong> <strong>Neu</strong>“-König<br />
von Matthias Corvinus<br />
Wie der Rabe und sein Freund ihrer Toten gedachten<br />
oder der „Stadtführer des Erinnerns“<br />
Der Rabe hält sich sehr gerne auf Friedhöfen<br />
auf. Dies ist ein Ort, an dem nicht<br />
nur der Toten gedacht werden kann, es ist<br />
in unserer hektischen Alltagswelt der perfekte<br />
Platz der Einkehr und Kontemplation.<br />
Es war Allerseelen und er gedachte wehmütig<br />
seines viel zu früh verstorbenen Bruders<br />
und seines vor kurzem von ihm<br />
gegangenen Vaters. Und außerdem musste<br />
er Kräfte sammeln, für die am folgenden<br />
Tag stattfindende große Erinnerungsveranstaltung,<br />
im Wiener <strong>Neu</strong>städter Stadttheater:<br />
Stolpersteine Wiener <strong>Neu</strong>stadt und der<br />
gleichzeitigen Buchpräsentation „Stadtführer<br />
des Erinnerns“. Und es wurde ein<br />
Erfolg. In einem vollen Stadttheater lauschten<br />
über fünfhundert Menschen den Ausführungen<br />
der Historiker und Projektinitiatoren,<br />
über die Entstehung, den Werdegang<br />
und der Vollendung des Erinnerungsprojektes<br />
des Kölner Künstlers Gunter Demnig.<br />
Die Schüler der Musikhauptschule Wiener<br />
<strong>Neu</strong>stadt brachten zu Herzen gehende<br />
jüdische Lieder zur Aufführung und die Zeitzeugin<br />
Ilse Tauber berichtete über das<br />
Überleben in einer dunklen Zeit. Außerdem<br />
waren fünfzehn Angehörige und Nachkommen<br />
aus London und Israel zu Gast, die in<br />
einem nachmittäglichen Stadtrundgang,<br />
die ehemaligen Wohnstätten ihrer Eltern,<br />
sowie den jüdischen Friedhof besuchten.<br />
Anschließend wurde das Buch „Stolpersteine<br />
Wiener <strong>Neu</strong>stadt“, erschienen im hiesigen<br />
Verein Alltag Verlag, dem interessierten<br />
Publikum vorgestellt.<br />
Erschöpft aber glücklich landete der<br />
Rabe bei seinem Freund im Hauptplatzcafe.<br />
Dieser fragte ihn bewußt naiv: „Warum<br />
lieber Freund, tut Ihr Euch das an? Muss<br />
man sich ewig an die Gräueltaten der Vergangenheit<br />
erinnern?“<br />
Der Rabe konterte: „Da gibt es vielfältige<br />
Gründe für diese Erinnerungsarbeit. Ein<br />
kluger Mensch behauptete: ‘Nichts stirbt,<br />
was in der Erinnerung bleibt.’ Und das<br />
vordergründige Ziel ist es, den Opfern des<br />
Nationalsozialismus, ihre Namen, ihre Biografien,<br />
ihr virtuelles Leben zurückzugeben,<br />
in Form dieser sanften Art des<br />
Erinnerns und in Form eines Buches, einer<br />
Dokumentation. Die Mörder haben erst<br />
gesiegt, wenn nichts an ihre Opfer mehr<br />
erinnert. Und schließlich ist Jahrzehnte<br />
lang auf diesem Gebiet leider nicht viel<br />
geschehen. Die Kriegerdenkmäler erinnern<br />
an die gefallenen Soldaten, die Heldendenkmäler<br />
an berühmte Feldherrn, Kaiser<br />
und Fürsten. Aber fast nichts erinnert an<br />
die Opfer der Diktaturen, an die Menschen<br />
die Widerstand geleistet haben, an Menschen<br />
die aus rassischen Gründen verfolgt<br />
wurden, an die Kinder, Frauen und Männer,<br />
die umgebracht wurden, weil sie krank<br />
oder behindert waren. Und diese Arbeit leistet<br />
das hervorragende Projekt „Stolpersteine“.<br />
Im Erinnern erfahren wir, wer wir<br />
sind und manche können sogar aus den<br />
Fehlern ihrer Vorgänger Lehren ziehen und<br />
die Zukunft besser gestalten“.<br />
Der Freund sog mächtig an seiner Pfeife,<br />
trank einen großen Schluck Rotwein<br />
und meinte: „Da ist was dran. In schwierigen<br />
Zeiten sind die Menschen verunsichert<br />
und benötigen Halt. Die Historikerin Brigtte<br />
Bailer-Galanda sagt dazu: ‘Allzu viele Östereicherinnen<br />
und Österreicher aber haben<br />
den Schritt zur totalen Unterwerfung unter<br />
die NS-Normen vollzogen, zahlreiche freudig<br />
und begeistert zustimmend, viele angesichts<br />
sozialen Drucks und der Angst vor<br />
Verfolgung.’ Die Zeiten werden wieder<br />
schlechter und die rechten Populisten, mit<br />
den einfachen Botschaften und Lösungen,<br />
bekommen mächtigen Zulauf.“<br />
Der Rabe stimmte zu: „Auch unsere<br />
schöne Stadt hat leider mit diesem Problem<br />
vermehrt zu kämpfen. Viele junge<br />
Menschen wissen aber nicht, wem sie da<br />
nachlaufen und denen wollen wir mit der<br />
Erinnerungsarbeit und dem Buch aufklärend<br />
helfen.“<br />
Der Rabe und sein Freund sprachen<br />
noch lange, dann traten sie auf den nächtlichen<br />
Hauptplatz und besuchten den<br />
ersten der insgesamt 53 Stolpersteine, für<br />
Dr. Gustav Robert Braunberg und erinnerten<br />
sich des Ausspruchs eines Schülers:<br />
„Nein, man stolpert nicht im körperlichen<br />
Sinne, man stolpert mit dem Herzen und<br />
dem Hirn“.<br />
Ihr ergebener<br />
Matthias Corvinus