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Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 01/2012
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 01/2012
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Foto: N+P Industrial Design GmbH<br />
Er hat eine schöne Stimme und Humor.<br />
Wie viele Kreative, die ein erfülltes Berufsleben<br />
führen, wirkt er deutlich jünger als<br />
er tatsäch lich ist. Der deutsche Designer<br />
Alexander Neumeister, Ei gentümer von<br />
N+P Industrial Design GmbH mit Sitz in<br />
München, ist 70.<br />
Es war jedenfalls weder die Holz- noch die<br />
Modell-Eisenbahn, die den jungen „Alex“<br />
zum Design führten. Der Groschen fiel bei<br />
einem Vortrag zur Berufsorientierung, dem<br />
er als Gymnasiast im letzten Schuljahr beiwohnte.<br />
Da war ihm sofort klar, dass das<br />
Berufsbild des Designers seine Interessen<br />
für Technik und Gestaltung optimal vereinte.<br />
Nach dem Diplom an der Hochschule für<br />
Gestal tung in Ulm führte ihn ein Stipendium<br />
nach Japan. „Das war ein bahnbrechendes<br />
Erlebnis für meine wei tere Laufbahn. Ich<br />
bewundere diese Kultur, die über Jahrhunderte<br />
eine Qualität an Design geschaffen<br />
hat. Sie wurde für mich zum Vorbild“, betont<br />
er.<br />
Konsequenterweise ist die Kreation des<br />
Shinkansen Nozomi 500, der lange Zeit als<br />
schnellster Zug der Welt durch Japan düste,<br />
des Designers persönliches Karriere-Highlight.<br />
1999 wurde Neumeister dafür – als<br />
erster Ausländer – mit dem Kaiserlichen<br />
Erfinderpreis des japanischen Institute for<br />
Invention and Innovation ausgezeichnet.<br />
Neumeister ist Vater zweier Töchter, lebt<br />
seit 1970 in München und verbringt nunmehr<br />
etwa die Hälfte des Jahres in Brasilien,<br />
zumal er seit 2011 mit einer Brasilianerin<br />
verheiratet ist. Der Designer plant, sich noch<br />
heuer aus dem Business zurückzuziehen<br />
und will N+P, an „P“, seinen Partner, übergeben.<br />
www.neumeisterdesign.de<br />
Wände vergrößern den Raum optisch.<br />
Und bei der neuen Münchner U-Bahn<br />
gibt es zudem sehr große Seitenfenster.<br />
Große Fenster für die Fahrt<br />
im U-Bahntunnel?<br />
Berechtigte Frage, die großen Fenster<br />
bringen wenig im Tunnel, aber sobald<br />
der Zug in die Station einfährt, bekommt<br />
der Innenraum dadurch eine<br />
größere Dimension.<br />
Gibt es Ihrer Erfahrung nach kulturelle<br />
Unterschiede oder ist es letztlich eine<br />
Frage der real gegebenen Möglichkeiten,<br />
wie viel Nähe man zu anderen Menschen<br />
erträgt?<br />
WER ENG ZUSAMMEN-<br />
GEDRÜCKT WIRD,<br />
VERSCHAFFT SICH<br />
FLUCHTMÖGLICHKEITEN<br />
Zweifellos spielt die Kultur eine Rolle.<br />
Andererseits muss man wissen, dass<br />
sich Menschen, die eng zusammengedrückt<br />
sind, Fluchtmöglichkeiten verschaffen.<br />
Ich finde das immer wieder<br />
faszinierend etwa in Tokio, wie dort<br />
dieser Blätterwald an Werbung, der an<br />
der Decke hängt, für die in Stoßzeiten<br />
dicht gedrängten Reisenden zur oft<br />
einzigen Fluchtmöglichkeit wird.<br />
Doch selbst in halb leeren Zügen suchen<br />
Menschen Rückzugsmöglichkeiten hinter<br />
der Zeitung, mithilfe des Handys.<br />
Genau! Da kommen wir zu einem<br />
Thema, das mir zu denken gib. Der<br />
Trend zur Selbstbeschäftigungsmaschine<br />
hat uns auch in der U-Bahn<br />
längst erreicht. Ich persönlich finde<br />
es eine traurige Entwicklung, wenn<br />
die Menschen gar nicht wahrnehmen,<br />
dass sie Sitznachbarn haben, mit denen<br />
man vielleicht reden könnte. Es ist<br />
schon kurios, dass man während der<br />
Fahrt vielleicht übers Internet Kontakt<br />
zu jemandem hat, der mehrere hundert<br />
Kilometer entfernt ist, aber dabei<br />
nicht registriert, neben wem man sitzt.<br />
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