Das Regionale Patientenmagazin - Pieks 06/2015
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DAS REGIONALE PATIENTENMAGAZIN | REZENSIONEN Seite 28<br />
AUFGESCHLAGEN – NEUE BÜCHER<br />
Der Name des Propheten<br />
Ein amerikanischer Architekt<br />
gewinnt bei einer anonymen<br />
Ausschreibung zur<br />
Errichtung einer Gedenkstätte<br />
für die Opfer des 11.<br />
September 2001 auf dem<br />
Ground Zero in New York.<br />
Und das ist ein Problem, wie<br />
die Jury in Amy Waldmans<br />
Roman, der auf Deutsch<br />
„Der amerikanische Architekt“<br />
heißt, erkennt. Denn<br />
jener Planer ist Muslim, und<br />
seine aus Indien in die USA<br />
eingewanderten Eltern gaben<br />
ihm den Namen des Propheten.<br />
Mo, so nennt er sich<br />
selbst, gerät in der Folge dieses<br />
Wettbewerbs ebenso wie<br />
Politiker, Journalisten, Liberale,<br />
Konservative, Christen,<br />
Juden, amerikanische Muslime<br />
und Islamhasser, Einwanderer<br />
und Alteingesessene<br />
in den Strudel der öffentlichen<br />
Kontroverse.<br />
Der Streit, in Teilen geführt<br />
wie ein Krieg um Heiligtümer,<br />
kommt manchem<br />
gelegen, der machtgeilen<br />
Gouverneurin genauso wie<br />
der aufmerksamkeitssüchtigen<br />
Journalistin. Jenen verspricht<br />
jede Konsequenz –<br />
bis hin zum gewaltsamen<br />
Tod einer 9/11-Witwe – auch<br />
einen Nutzen.<br />
Waldman zeichnet ein<br />
komplexes Bild der verunsicherten<br />
Gesellschaft in den<br />
Vereinigten Staaten. Die Autorin<br />
lässt dem Leser keine<br />
Wahl: Tabus werden offengelegt,<br />
lassen eigene Vorurteile<br />
zutage treten. Was wissen<br />
wir voneinander im Nebeneinander<br />
der Religionen<br />
und Kulturen, und was wollen<br />
wir wissen? Wie fremd<br />
bleibt Nicht-Muslimen der<br />
Islam? Wie tolerant sind<br />
wir? Ein trauriges Spiegelbild<br />
der westlichen Gesellschaft,<br />
lehrreich und spannend<br />
zu lesen.<br />
Oliver Haustein-Teßmer<br />
Amy<br />
Waldman,<br />
„Der amerikanische<br />
Architekt“,<br />
Taschenbuch,<br />
2014,<br />
Heyne,<br />
9,99 Euro.<br />
Künstler im Teufelsmoor<br />
Klaus Modick erzählt äußerst<br />
intelligent und zugleich<br />
sehr unterhaltsam die<br />
Geschichte von Aufstieg und<br />
Zerfall der berühmten<br />
Künstlerkolonie Worpswede<br />
im Teufelsmoor zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts. Der<br />
Roman schildert mit ironischem<br />
Unterton das Scheitern<br />
der Künstlerutopie vor<br />
allem anhand zweier Antipoden:<br />
des bildenden Künstlers<br />
Heinrich Vogeler und<br />
des Dichters Rainer Maria<br />
Rilke, die sich immer weiter<br />
voneinander entfernen.<br />
Ausdruck findet dieses<br />
„Fremdwerden“ in Vogelers<br />
monumentalem Gemälde<br />
„<strong>Das</strong> Konzert oder Sommerabend<br />
auf dem Barkenhoff“,<br />
das im Buchtitel eben zum<br />
„Konzert ohne Dichter“<br />
wird: Rilkes Platz bleibt in<br />
Vogelers letzter Version leer.<br />
Der Verlag hat dieses Bild für<br />
die Leser im Vor- und Nachsatz<br />
des Buches abgedruckt.<br />
Während Vogeler selbst sein<br />
Werk als Symbol seines<br />
Scheiterns vernichten will,<br />
wird es von der Öffentlichkeit<br />
gefeiert. Die Mäzene<br />
überbieten sich förmlich bei<br />
einer Preisverleihung und<br />
Ausstellung. Doch zurück zu<br />
Rilke: Der berühmte Dichter<br />
kommt in Modicks Roman<br />
insgesamt schlecht weg. Er<br />
ist zunächst nur ein ambitionierter<br />
junger Dichter, der<br />
im ländlichen Worpswede<br />
zum Gespött der norddeutschen<br />
Bauern wird, sich aber<br />
zum Schwarm der Frauen<br />
entwickelt und seine narzisstische<br />
Geltungssucht<br />
ständig auslebt. Mit viel Recherche-Arbeit,<br />
aber auch<br />
jeder Menge Humor hat Modick<br />
(geboren 1951) einen<br />
sehr ansprechenden Künstlerroman<br />
verfasst, der zudem<br />
sprachlich überzeugt.<br />
Jörg Lehn<br />
Klaus<br />
Modick:<br />
„Konzert ohne<br />
Dichter“,<br />
Kiepenheuer<br />
und Witsch,<br />
Köln <strong>2015</strong>,<br />
231 Seiten,<br />
17,99 Euro.<br />
VORGELESEN – NEUE HÖRBÜCHER<br />
Mørck im Motivationstief<br />
Carl Mørck hat es mal wieder<br />
satt. Frei nach Loriot<br />
möchte der Chef des Sonderdezernates<br />
Q einfach nur auf<br />
seinem Bürostuhl sitzen und<br />
ein Nickerchen machen.<br />
Doch da weckt ihn der Anruf<br />
eines Kollegen von der dänischen<br />
Ostseeinsel Bornholm,<br />
der um Hilfe bittet.<br />
Mørck wäre aber nicht<br />
Mørck, wenn er diesen Kollegen<br />
nicht abwimmeln<br />
könnte. Dumm nur, dass sich<br />
dieser kurz danach erschießt.<br />
Damit hat das Ermittlerteam<br />
des Sonderdezernates<br />
Q um den apathischen<br />
Carl, seinen skurrilen<br />
Assistenten Assad und die<br />
leicht verrückte Rose einen<br />
neuen Fall. Der Däne Jussi<br />
Adler-Olsen greift in „Verheißung“,<br />
seinem sechsten<br />
Mørck-Krimi, mal wieder<br />
tief in die Beziehungskiste.<br />
Für Fans der ersten fünf Teile<br />
der Reihe macht es einen<br />
besonderen Reiz aus, diesem<br />
Dreigestirn auf seinen Alltagswegen<br />
zu folgen. Der eigentliche<br />
Fall wird dabei fast<br />
schon zur Nebensache. Es<br />
geht um eine 17 Jahre zurückliegende<br />
Fahrerflucht<br />
mit tödlichem Ausgang, die<br />
sich später als vorsätzlicher<br />
Mord entpuppt.<br />
Während die Vorgängerromane<br />
von überraschenden<br />
Wendungen und atemberaubender<br />
Spannung geprägt<br />
waren, bietet Adler-Olsen in<br />
„Verheißung“ nur Krimi-<br />
Standardkost. Die zwei<br />
Handlungsstränge sind zwar<br />
handwerklich makellos und<br />
logisch konstruiert, habenjedoch<br />
stellenweise Längen<br />
und sind sehr vorhersehbar.<br />
Daran kann auch Wolfram<br />
Koch nichts ändern, der den<br />
Figuren mit seiner Stimme<br />
ein authentisches Profil gibt.<br />
Thomas Zeller<br />
„Verheißung. Der Grenzenlose.“,<br />
Autor: Jussi Adler-Olsen,<br />
Verlag: DAV, CDs: 2-mp3-<br />
CDs, Laufzeit: 1102 Minuten<br />
Sie lesen hier Auszüge aus Rezensionen, die bereits im Trierischen Volksfreund erschienen sind. Die Komplettversion und weitere<br />
Rezensionen finden Sie auf www.volksfreund.de/kolumnen