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Festspielzeit Sommer 2015

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Versuchsanordnung mehr. Ist Treue<br />

die geeignete Liebesversicherung?<br />

Sind wir sicherer vor Fehlern und<br />

Verletzungen, je offener und tabuloser<br />

wir miteinander umgehen?<br />

Ich möchte jetzt vor Probenbeginn<br />

nicht groß besserwissen, weil ich<br />

zu gespannt darauf bin, wieviel von<br />

dem, was Susanna Boehm, Jutta<br />

Delorme, Sie und ich uns ausgedacht<br />

haben, zündet, wenn es auf unsere<br />

Sängerinnen und Sänger trifft.<br />

JÖRG LICHTENSTEIN<br />

begann seine Theaterlaufbahn<br />

als Regieassistent für Oper im<br />

heimatlichen Rostock. Er studierte<br />

Schauspiel in Leipzig und war<br />

seither an zahlreichen Schauspielhäusern<br />

in Deutschland und<br />

Österreich sowie als Lehrer für<br />

Gesang und Schauspiel engagiert.<br />

Seit 2011 spielt Jörg Lichtenstein<br />

am Residenztheater München und<br />

ist Professor für Schauspiel am<br />

Mozarteum Salzburg.<br />

Für mich ist die vermeintliche Seriosität<br />

professioneller Fragebögen<br />

der Partnerbörsen genauso hirnrissig<br />

wie die Suche nach Lebensund<br />

Liebesersatz im Second Life.<br />

Natürlich drückt sich da Einsamkeit<br />

ebenso aus wie der Versuch, Verletzungen<br />

zu vermeiden. Beides ist in<br />

Così präsent. Die Männer glauben,<br />

mit den Gefühlen ihrer Geliebten<br />

gefahrlos herumspielen zu können;<br />

die Damen denken, es kann ihnen<br />

nichts passieren, weil ihre Partnerwahl<br />

so clever war. Zum Glück<br />

führen diese Fehleinschätzungen<br />

bei Mozart nicht nur zu Blut und<br />

Tränen, sonst hätten wir Moral und<br />

Langeweile, sondern auch zu beglückenden,<br />

wenn auch schmerzhaften<br />

neuen Erfahrungen.<br />

Für eine Inszenierung stellt sich<br />

heute besonders die Frage, was die<br />

Figuren voneinander wissen. Kennen<br />

die Damen Don Alfonsos Wette mit<br />

Ferrando und Guglielmo und lassen<br />

sich bereitwillig auf das Spiel ein<br />

oder werden sie von den Ereignissen<br />

und fremd erscheinenden Männern<br />

überrascht?<br />

In jeder Così-Aufführung gibt es<br />

irgendwann den Moment, von dem<br />

an es nicht mehr um Verkleidung<br />

und Verstellung geht. Und je weniger<br />

Dorabella und Fiordiligi sich dumm<br />

zu stellen gezwungen sind, umso<br />

besser. Mich interessiert eine offene<br />

Lorenzo da Ponte und Mozart nannten<br />

die Oper im Untertitel Die Schule<br />

der Liebenden. Was können wir heute<br />

in dieser Schule lernen?<br />

Eigentlich ist der Untertitel toll,<br />

denn »Schule der Liebenden« muss<br />

schiefgehen, für Schüler und Lehrer.<br />

Zum Glück kann man Liebe nicht lernen,<br />

nicht einmal wirklich verstehen,<br />

auch wenn das die Kunst seit Jahrhunderten<br />

versucht. Es gibt sie als<br />

Geschenk. Sie ist das Brutalste und<br />

Zarteste, was das Menschsein zu bieten<br />

hat, und wer glaubt, sie verdient<br />

zu haben oder in ihr gut zu sein,<br />

gehört bestraft. Und das passiert in<br />

Così ebenso wie die überraschende<br />

Beglückung.<br />

Mehrere Arien aus Così fan tutte<br />

gehören zu den großen Hits der<br />

Operngeschichte, Fiordiligis »Felsenarie«,<br />

Dorabellas Arie über den<br />

kleinen Dieb Liebe – welche Herausforderungen<br />

stellen diese berühmten<br />

Stücke für Sie dar?<br />

Mal sehen. Muss jeder Hamlet so<br />

tun, als hätte noch niemand auf der<br />

Welt »Sein oder nicht sein« über<br />

die Lippen gebracht oder kann es<br />

einen Reiz haben, wenn der verzweifelte<br />

Faust weiß, alle erwarten<br />

jetzt »Habe nun, ach...’« von ihm?<br />

Ich kann mir gut vorstellen, dass<br />

sich eine Fiordiligi genau dann in<br />

den Tenor verliebt, wenn sie ihn<br />

belauscht, wie er vermeintlich nur<br />

für sich ein traumschönes »Un’ aura<br />

amorosa« singt. Auch auf diese<br />

Vermischung der Ebenen bin ich<br />

gespannt.<br />

COSÌ FAN TUTTE<br />

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