4<strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2013</strong>Amtsblatt und Bürgerzeitung der Stadt <strong>Weingarten</strong>Abriss Eckgebäude LöwenplatzEs war Karsamstag: In der Innenstadtherrscht „Osterhektik“.Die Schokohasen <strong>im</strong> Traditions-Café sind komplett ausgeräubert,leere Regale be<strong>im</strong> Bäcker und langeSchlangen <strong>im</strong> Supermarkt – jeder derErwachsenen macht letzte Besorgungenvor den Feiertagen. Der riesigePlüsch-Osterhase hüpft so fröhlichals möglich durch die Fußgängerzoneund verteilt Ostereier an mutige Kinder,während kaum einer sich die Zeitzu nehmen scheint, die verstecktengoldenen Eier in den Schaufensternzu suchen. Stress und Eile an jederEcke! Ich schlendere Richtung Löwenplatzund höre Kindergeschrei:„Boah! Krass! Gleich fällt das Fensterraus“. „Pass auf, dass du nicht erschlagenwirst!“ „Wow, guck mal!“ SechsJungs <strong>im</strong> Alter von 8 bis 12 Jahren sitzenauf einer Bank und ergötzen sichan den Abrissarbeiten am Eckhaus desLöwenplatzes, an dem gerade Baggerschaufelund Abrissbirne die Fassademit „Karacho“ zum Einsturz bringen.Auch Erwachsene beobachten diesesSchauspiel, allerdings mit gemischtenGefühlen. Das Haus mit den schönenTürmchen soll schließlich einem modernenGebäude weichen. Das spaltetdie Gemüter. Doch die meisten Erwachseneneilen genervt an der lautenBaustelle vorbei – zu viel ist noch zuerledigen und dass die überhaupt amSamstag arbeiten, eine Schande istdas! Die Jungs hingegen schaffen inihrer Kindlichkeit das, was uns oft abhandenkommt:Sie leben <strong>im</strong> Hier undJetzt. Sie sehen diese Baustelle - undschon ist alles andere vergessen. Sienehmen Platz inmitten der Karsamstags-Hektikund verfolgen ihren ganzeigenen Actionfilm, direkt vor ihrerNase. In dem große Maschinen Fensterund Wände zerbersten lassen, dasKnacken und Krachen von Holz undStein zu hören ist und in dem ein massivesHaus einfach so umfällt. Und andessen Stelle etwas Neues entstehenkann. Täte uns das Verweilen <strong>im</strong> Augenblickmanchmal nicht auch gut?!Vom Schneidergeschäft zurSparkasse bis zum ZigarettenladenDas Eckgebäude am Löwenplatz Richtung Stadtgarten ist vor kurzem abgerissenworden – hier ein kurzer <strong>Blick</strong> in die Geschichte des Hauses, das mehrmalseine neue Adresse erhielt.Wenn man herausbekommen will, wie altso ein Gebäude in <strong>Weingarten</strong> ist, gehtder erste <strong>Blick</strong> auf einen Stadtplan vonAltdorf aus dem Jahr 1857, der <strong>im</strong> Stadtarchivin der Friedhofstraße aufbewahrtwird. Damals ist das Grundstück nochnicht bebaut. In einem Bautagebuch von1892 findet sich der erste Hinweis: UlrichFischer, Schneidermeister, lässt ein neuesWohnhaus an der so genannten Mangstraßeerrichten – schräg neben der damaligenWirtschaft zum Löwen. Fischer warzuvor Eigentümer des späteren „BiegertschenHauses“ auf dem Löwenplatz. Um1900 lautete die genaue Adresse Löwenstraße6. Außer dem Schneidermeisterwohnten dort noch einBataillonskommandeurund ein Leutnant der in<strong>Weingarten</strong> stationiertenGarnison. Im Adressbuchwarb er „fürCivil und Militär, Anfertigungnach Maß, beiguter und pünktlicherBedienung“. Anfang der1920er Jahre übernahmder Kohlenhändler EmilBetz das Haus. 1926 bezogdie Sparkasse dieRäumlichkeiten – zuvorwar sie übergangsweise<strong>im</strong> 1. Stock des Rathausesuntergebracht.Nachdem später Plänezum An- und Umbaudes Hauses verworfenwurden, errichtete man1935 gegenüber einenNeubau. Mit Beginn desDritten Reiches gab es1933 eine neue Adresse:Wilhelm-Murr-Straße 6(nach dem württembergischenStaatspräsidenten).Zwei Jahre spätereröffnete der KaufmannHans Finck eine Zigarren- und Tabakwarengroßhandlung,die ab 1945 unterLiebfrauenstraße 6 zu finden war. Von ca.1960 bis 1990 betrieb die Tochter Angelikamit ihrem Ehemann Karl Huttersbergerdas Geschäft weiter, ehe es bis zuletztfür den Verkauf u.a. von Zigaretten, Zeitschriftenund Lottoscheinen verpachtetwar. Neben den Wohnungen <strong>im</strong> 1. und 2.Stock befand sich in den letzten Jahren<strong>im</strong> Erdgeschoss ebenso eine Stickerei -mittlerweile unter Löwenplatz 9.Text: Uwe LohmannBilder: Stadtarchiv / Derek SchuhDas Gebäude am Löwenplatz mit der Sparkasse und der Wirtschaftzum Löwen nebenan, 1957.Abrissarbeiten <strong>2013</strong>
5<strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2013</strong>Amtsblatt und Bürgerzeitung der Stadt <strong>Weingarten</strong><strong>im</strong><strong>Blick</strong>Allianz für BeteiligungWie kann nachhaltige Beteiligungin <strong>Weingarten</strong> gelingen?Über diese Frage diskutierten am vergangenenSamstag Mitglieder von Gemeinderat,Stadtverwaltung und engagierteBürgerinnen und Bürger.Drei Impulsvorträge st<strong>im</strong>mten die Anwesendenauf das Thema ein. Hannes Wezelvon der Stabstelle der Staatsrätin für Zivilgesellschaftund Bürgerbeteiligung <strong>im</strong>Staatsministerium Stuttgart und MartinMüller als Fachberater BürgerschaftlichesEngagement des Städtetags Baden-Württemberg erläuterten gemeinsamFormen und aktuelle Trends der Bürgerbeteiligung.„Wir üben miteinander undhaben uns was zu sagen“ - dieses Zitat desFußballtrainers Christian Streich übertrugendie beiden auf das Thema Bürgerbeteiligungund plädierten für einenvertrauensvollen Umgang zwischen Gemeinderat,Verwaltung und Bürgerschaft.Rainer Beck gabals STEP-ProjektleitereinenÜber mögliche Strukturen der Bürgerbeteiligung wurde <strong>im</strong> Workshopdiskutiert.Die Ergebnisse wurden an Pinnwänden notiertund sind in Kürze unter www.weingarten-weiterdenken.deabrufbar.Überblick überdas Stadtentwicklungsprogrammund fasste zusammen.„Unser Anspruchist es, dieModelle in anderenStädten unddie Empfehlungenvon Städtetag undStaatsministeriumzu nutzen, um diein <strong>Weingarten</strong> begonnenenProzessezu opt<strong>im</strong>ierenund daraus verlässliche, über die Zeit vonSTEP hinausreichende Strukturen, zuetablieren“.Vertrauen und frühzeitigeInformationHorst Stephan, StadtViernhe<strong>im</strong> und S<strong>im</strong>onSchmid, Stadt Nürtingen,präsentierten Modelleder strukturiertenBürgerbeteiligung.Ausgestattet mit vielenInformationen begabensich die Teilnehmerinnenund Teilnehmer in einenWorkshop, um unter Anleitungvon ModeratorReinhard Sellnow Ideenfür ein <strong>Weingarten</strong>erModell zu entwickeln. Vieles, was sich inden vorgestellten Städten bereits etablierthat, können sich auch die <strong>Weingarten</strong>ervorstellen. So kam die Vorhabensliste zurfrühzeitigen Information gut an, in derzukünftige Projekte der Stadt dargestelltsind, noch bevor sie zur Beschlussfassungin den Gemeinderat eingehen. Als weiterezentrale Elemente erwiesen sich dieGründung einer Steuerungsgruppe, dieden Gemeinderat zu Fragen der Beteiligungberät, Beteiligungsmöglichkeitenvia Internet sowie die Schaffung einerAnlaufstelle, an die sich Bürger bei Fragenund Anregungen wenden können.Im Schatten der BasilikaFür das Rahmenprogramm unter demMotto „Im Schatten der Basilika“ zeichnetedie <strong>Weingarten</strong>er KünstlergruppegegenwARTen (www.wunderbaresweingarten.de)verantwortlich. PoetrySlammer T<strong>im</strong>mo Strohm begeisterte mitseinen kraftvollen Texten, die KünstlerinnenAnnette Stacheder und Elke Häuslerzeigten in einer Ausstellung Werke ausihrem Schaffen. Katrin Silbereisen (Sopran)trat mit dem „ensemble petite reprise“auf. Sie wurde begleitet von RenateMarpert (Cembalo) und Michel Marpert(Violoncello). Gespielt wurden Werkevon Johann Sebastian Bach, GiacomoCariss<strong>im</strong>i, Jean-Philippe, Rameau undNicola Porpora.„Bürgerbeteiligung ist Zukunft!“, so OB Markus Ewald.DokumentationDer Moderator der Veranstaltung, ReinhardSellnow, erstellt eine Dokumentationder Veranstaltung, die in Kürze unterwww.weingarten-weiterdenken.de abrufbarist.Text: Jasmin BisanzBilder: Derek Schuh