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Behörden MAGAZIN

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Titelthema - Betriebliche Gesundheitsvorsorge<br />

lichkeit und Rhythmustyp (z.B.: Morgenmensch<br />

– „Lerche“, Abendmensch – „Eule“).<br />

Hinzu kommen die sozialen und häuslichen<br />

Faktoren, wie z.B.: Familienstand, Zahl der im<br />

Haushalt lebenden Kinder, Wohnbedingungen<br />

und Akzeptanz der Schichtarbeit durch<br />

die Familie. Weitere nicht zu unterschätzende<br />

Faktoren sind die Größe der körperlichen und<br />

geistigen Belastung durch die Tätigkeiten, die<br />

Dauer der Arbeitszeiten, Anlage der Schichtarbeit<br />

sowie Umgebungseinflüsse des Arbeitsplatzes.<br />

Die Verschlechterung des Wohlbefindens und<br />

der Gesundheit ist stärker ausgeprägt als bei<br />

Beschäftigten, die in Tagesrhythmen arbeiten.<br />

Hierbei ist zwischen kurzfristigen Belastungen<br />

und Störungen und den langfristigen Auswirkungen<br />

zu unterscheiden. Gesundheitlich besonders<br />

problematisch ist ein über Jahre<br />

andauerndes Arbeiten im Schichtsystem.<br />

Es gibt Menschen, die mit Schichtarbeit zurecht<br />

kommen und durchaus gesünder sind<br />

als andere. Allerdings wirkt die Schichtarbeit<br />

selektiv, wer es gesundheitlich nicht verkraftet,<br />

scheidet vorzeitig aus. Damit findet eine<br />

„Selbstauslese“ der Beschäftigten statt. Dies<br />

spiegelt sich auch in einigen Studien wider,<br />

in denen festgestellt wird, dass Beschäftigte<br />

in Schichtarbeit angeblich „gesünder“ sind<br />

als Beschäftigte in Normalarbeitszeiten. Es<br />

verbleiben die länger im Schichtdienst, die<br />

Schichtarbeit gesundheitlich am besten<br />

„wegstecken“.<br />

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Häufigste Beeinträchtigungen,<br />

Befindlichkeitsstörungen bzw.<br />

Erkrankungen sind:<br />

Schlafstörungen,<br />

Appetitstörungen,<br />

Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes,<br />

Herz-Kreislaufbeschwerden, -erkrankungen,<br />

Nervosität und Angst,<br />

Depressionen und sexuelle Unlust,<br />

18 DAS BEHÖRDEN<strong>MAGAZIN</strong> Juni/2012<br />

•<br />

Schlafstörungen, psychische Reizbarkeit,<br />

allgemeine Antriebsschwäche und Arbeitsunlust<br />

sind Symptome der chronischen<br />

Ermüdung und könne sich in<br />

organischen Beschwerden äußern.<br />

Soziale Netze sind wichtig<br />

Obwohl Arbeitszeitflexibilisierung und Deregulierung<br />

weiter voranschreitet, sind für alle<br />

Beschäftigten Abendstunden und Wochenenden<br />

die „wertvollsten Freizeitstunden“. Während<br />

Beschäftige ohne Schichtarbeit diese<br />

individuelle Freizeit für Familie, Freunde, Verwandte,<br />

für Teilnahme am gesellschaftlichen,<br />

kulturellen und politischen Leben nutzen<br />

können, werden im Schichtdienst arbeitende<br />

Beschäftigte vom normalen Rhythmus des<br />

sozialen Lebens häufig ausgeschlossen. Die<br />

Gestaltung der Schichtarbeit entscheidet mit<br />

darüber, ob es zu einer immer stärkeren Entkopplung<br />

vom sozialen Rhythmus kommt<br />

oder soziales Leben zumindest in Teilen aufrecht<br />

erhalten werden kann.<br />

•<br />

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•<br />

Beeinträchtigungen familiärer und<br />

sozialer Aktivitäten finden sich:<br />

Im Kontakt zu Kindern, insbesondere zu<br />

schulpflichtigen Kindern,<br />

in den partnerschaftlichen Beziehungen,<br />

Kontakten zu Freunden und Verwandten,<br />

in der regelmäßigen Teilhabe an sportlichen,<br />

kulturellen, politischen und religiöschen<br />

Veranstaltungen,<br />

in der Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten,<br />

in der Einbindung und Teilhabe an Wochenendaktivitäten,<br />

in der spontanen Gestaltung der Freizeitaktivitäten<br />

– ohne Rechtfertigung.<br />

Bei der Beurteilung gesundheitlicher Risiken<br />

von Schicht- und insbesondere Nachtarbeit<br />

gilt: Aus biologischen Gründen ist es nicht<br />

möglich, dass Menschen gleich gesund oder<br />

gleich krank sind. Es ist aber anzustreben,<br />

dass Menschen in unserer Gesellschaft gleiche<br />

Chancen auf Gesundheit, Vermeidung<br />

von Krankheiten oder Behandlung von<br />

Krankheiten bekommen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem<br />

Urteil vom 28.02.1992 festgestellt:<br />

• Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden<br />

Menschen schädlich,<br />

•<br />

•<br />

der Gesetzgeber ist verpflichtet, den<br />

Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen<br />

schädlicher Nachtarbeit neu zu regulieren,<br />

eine solche Regelung ist notwendig, um<br />

dem objektiven Gehalt der Grundrechte,<br />

insbesondere des Rechts auf körperliche<br />

Unversehrtheit Genüge zu tun. (Ilmarien,<br />

Tempel, Arbeitsfähigkeit 2010).<br />

Im Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz und<br />

anderen Gesetzen sind Regelungen zur<br />

Schichtarbeit enthalten. Dennoch werden etliche<br />

Ausnahmen zugelassen. Der Gesetzgeber<br />

hat sich bisher geweigert, verbindliche<br />

Regelungen besonders zum Schutz der<br />

Nachtarbeit zu erlassen und verweist auf die<br />

Tarifvertragsparteien.<br />

Um Schicht- und Nachtschichtarbeit gesundheits-<br />

und sozialverträglicher zu gestalten,<br />

bedarf es einer stärkeren Verankerung arbeitswissenschaftlicher<br />

Empfehlungen in den<br />

Tarifverträgen. Die tarifliche Verankerung<br />

könnte den betrieblichen Interessenvertretungen<br />

Sicherheit und Unterstützung bei der<br />

betrieblichen Umsetzung geben.<br />

Tipps zur Gestaltung<br />

Schichtarbeit vermeiden hat Vorrang<br />

Schicht- und Nachtarbeit muss wegen ihrer<br />

gesundheitsschädlichen Auswirkungen die<br />

Ausnahme bleiben. Im Interesse der Beschäftigtengruppen,<br />

die nicht bereits durch besondere<br />

Regelungen geschützt sind, sollte immer<br />

geprüft werden, inwieweit Schicht- und<br />

Nachtarbeit vermieden werden kann.<br />

Nachtschichten fein dosiert<br />

•<br />

•<br />

Die Arbeitsorganisation ist so zu gestal-<br />

ten, dass weniger Betroffene in Nachtschicht<br />

arbeiten müssen (Grundlage<br />

Arbeitsschutzgesetz)<br />

Nachtarbeit sollte zeitlich definiert wer-<br />

den. Die gesetzliche Regelung (23-6<br />

Uhr) sollte dabei zu Gunsten der Beschäftigten<br />

großzügiger ausgelegt werden.<br />

Jede Arbeit in den späten<br />

Abendstunden oder nachts entzieht den<br />

Beschäftigen soziale Zeiten oder Ruhezeiten.

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