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Vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
es gibt in der Arbeitsmedizin nur wenige Themen,<br />
die so häufig und breit diskutiert werden wie das<br />
Thema ‘Nacht- und Schichtarbeit’, was einerseits<br />
die Komplexität und Aktualität dieser Thematik<br />
und andererseits die Vielzahl häufig divergierender<br />
Erkenntnisse, aber auch subjektiver Meinungen<br />
reflektiert.<br />
Die Notwendigkeit, rund um die Uhr zu arbeiten,<br />
beschäftigt die Menschen seit langem. Im 20.<br />
Jahrhundert waren es vor allem technologische<br />
und wirtschaftliche Zwänge, die Schicht- und<br />
Nachtarbeit zum unerlässlichen Bestandteil des<br />
Arbeitslebens machten; im 21. Jahrhundert nimmt<br />
der Anteil an Dienstleistungen zu, die rund um die<br />
Uhr angefordert und angeboten werden. In den<br />
kommenden Jahren werden daher immer mehr Arbeitnehmer<br />
aus dem Dienstleistungsbereich<br />
Schichtarbeit leisten, während im Zuge der weitergehenden<br />
Automatisierung der Produktion in<br />
Industrie und Landwirtschaft ein Rückgang der Arbeitnehmer<br />
und damit auch der Anzahl der<br />
Schichtarbeiter zu erwarten ist . Weiterhin ist künftig<br />
auch vermehrt mit flexiblen individuellen Arbeitszeiten<br />
zu rechnen.<br />
Nach dem Arbeitszeitgesetz ist die Arbeitszeit der<br />
Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach gesicherten<br />
arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu gestalten.<br />
Oberstes Ziel ist dabei der Erhalt von Gesundheit<br />
und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten.<br />
Diese Zielvorgabe erfordert die enge Zusammenarbeit<br />
zwischen Arbeitsmedizinern, Arbeitswissenschaftlern<br />
und Beschäftigten, zumal<br />
die Vorgaben, den aktuellen wissenschaftlichen<br />
Kenntnisstand zu berücksichtigen, dem Wunsch<br />
des Einzelnen nach Individualisierung der Arbeitszeitregelung<br />
und schließlich den betrieblichen<br />
Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, nicht<br />
selten Kompromisslösungen erfordern.<br />
Frau Dr. Beate Beermann von der Bundesanstalt<br />
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellt in<br />
ihrem Beitrag auf Seite 6 dar, dass Beschäftigte<br />
im Schichtdienst sowohl körperlichen Belastungen,<br />
ungünstigen Umgebungseinflüssen als auch<br />
psychischen Belastungen ausgesetzt sind.<br />
Das System der Zulagen für Schicht- und Wechselschichtarbeit<br />
ist für die Beschäftigten des öffentlichen<br />
Dienstes mit dem Inkrafttreten des TVöD<br />
und des TV-L in Teilen verändert, erweitert und insgesamt<br />
neu strukturiert worden. Teilweise ist<br />
4 DAS BEHÖRDEN<strong>MAGAZIN</strong> Juni/2012<br />
durch die Zusammenfassung und Straffung der<br />
Vorschriften sicher auch die beabsichtigte Vereinfachung<br />
eingetreten. Auch diese tarifliche Neuregelung<br />
hat aber zu neuen Fragestellungen und<br />
damit zu diversen Entscheidungen der Instanzgerichte<br />
und des zuständigen 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts<br />
geführt. Der Beitrag von<br />
Waldemar Reinfelder, Seite 10, Richter am 10.<br />
Senat des Bundesarbeitsgerichtes, soll einen<br />
Überblick über die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
geben.<br />
Zahlreiche Beschäftigte im Gesundheitswesen, im<br />
Handel und Gastgewerbe sowie in anderen Branchen<br />
arbeiten in einer 24-Stunden-Arbeits- und -<br />
Dienstleistungswelt. Ökonomische und gesellschaftliche<br />
Veränderungen führen dazu, dass<br />
dabei die Arbeitszeiten immer weiter in die<br />
Abend- und Nachtstunden und Wochenenden<br />
ausgedehnt werden. Schichtarbeit kann zahlreiche<br />
Auswirkungen auf die Betroffenen haben.<br />
Schichtarbeiter, insbesondere Nachtschichtarbeiter,<br />
leiden oft unter Schlafstörungen, da ihr Tagesrhythmus<br />
weiterhin zu einem großen Teil von<br />
Faktoren wie Tageslicht bzw. sozialen und familiären<br />
Kontakten bestimmt wird. Schlafstörungen<br />
können auch zu einer Reihe von unspezifischen<br />
gesundheitlichen Effekten führen, zu denen neben<br />
Konzentrationsschwache, Nervosität und vorzeitiger<br />
Ermüdung auch Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden<br />
gehören. Verschiedene epidemiologische<br />
Studien diskutieren, ob Schichtarbeit an<br />
der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Brustkrebs und psychischen Störungen beteiligt<br />
ist. Die möglichen Auswirkungen der Schichtarbeit<br />
sind somit vielfaltiger Natur und bedürfen einer<br />
entsprechend komplexen Präventionsarbeit. Tipps<br />
zur Gestaltung der Schichtarbeit und die Schaffung<br />
zuträglicherer Schichtpläne gibt der Beitrag<br />
von VER.di auf Seite 17 .<br />
Der betriebliche Gesundheitsschutz und die Gesundheitsförderung<br />
können wesentlich zum Erhalt<br />
der Beschäftigungsfähigkeit beitragen. Jeder<br />
Arbeitgeber möchte, dass seine Mitarbeiter möglichst<br />
selten wegen Krankheit ausfallen, gesundheitlich<br />
fit, leistungsfähig und leistungsbereit sind<br />
sowie ohne Einschränkungen bis ins Rentenalter<br />
arbeiten können. Dies ist insbesondere vor dem<br />
Hintergrund des demografischen Wandels, der<br />
Verlängerung der Lebensarbeitszeit und dem zu-<br />
nehmend schwerer zu deckenden Fachkräftebedarf<br />
unerlässlich. Einen wesentlichen und erfolgreichen<br />
Beitrag hierzu leisten die Unternehmen im<br />
Rahmen des gesetzlich verpflichtenden Arbeitsund<br />
Gesundheitsschutzes, der der Bekämpfung<br />
betrieblich bedingter Ursachen von Krankheiten<br />
und Unfällen dient. Die Gesundheitsförderung ist<br />
hingegen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,<br />
an der sich eine zunehmende Zahl von Unternehmen<br />
mit vielfältigen Maßnahmen freiwillig beteiligt.<br />
Nach einer Betriebsbefragung des<br />
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WiDO) aus<br />
dem Jahr 2009 führen 42 % der Betriebe betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement durch bzw. befinden<br />
sich in der Planungsphase für ein betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement. Die betriebliche Gesundheitsförderung<br />
findet immer stärker Eingang<br />
in die Mitarbeiterführung und damit in die betriebliche<br />
Personalpolitik. Einen Überblick über die<br />
Handlungsfelder der Betriebe bei der Gesundheitsförderung,<br />
dem Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
gibt der Artikel vom Bundesverband der Arbeitgeber<br />
auf Seite 25.<br />
Der Genuss von alkoholischen Getränken ist für<br />
die meisten selbstverständlich. Alkohol ist für viele<br />
sogar eine notwendige Zugabe geworden, die<br />
dem täglichen Leben erst seinen Glanz verleiht. Da<br />
unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage<br />
diesen Zugriff zu jeder Zeit ermöglicht (was nicht<br />
immer so war), steigt auch der Alkoholkonsum und<br />
wächst die Gefahr der Alkoholkrankheit. Eine Kurzfassung<br />
zum Thema Alkoholkrankheit, Missbrauch<br />
und Abhängigkeit ist auf Seite 48 abgedruckt.<br />
Warum muss ich mich als Führungskraft mit suchtauffälligen<br />
Mitarbeitern befassen? Mit dieser<br />
Frage setzt sich ein Beitrag der BARMER GEK<br />
Wuppertal und der Deutschen Hauptstelle für<br />
Suchtgefahren e.V. (DHS), Hamm, auf Seite 56 auseinander.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Spaß, informative Unterhaltung<br />
und Vergnügen beim Lesen. Bei Bedarf<br />
können wir Ihnen weitere Exemplare dieser Ausgabe<br />
zur Verfügung stellen. Teilen Sie bitte dem<br />
Verlag die Anzahl der noch benötigten Hefte mit.<br />
Über Meinungsäußerungen und Leserbriefe würden<br />
wir uns sehr freuen.<br />
Ihr Redaktionsteam