Auf der Jagd nach der E1NS - E1NS-Magazin
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14 GeschAftswelt<br />
Handwerk ohne Grenzen?<br />
Handwerker wünschen sich bei <strong>der</strong> Ausübung ihres Berufes in <strong>der</strong> Schweiz mehr Freizügigkeit.<br />
Das sogenannte Freizügigkeitsabkommen<br />
zwischen <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft<br />
und <strong>der</strong> Schweiz hat zu intensiveren <strong>nach</strong>barschaftlichen<br />
Beziehungen im Bereich <strong>der</strong><br />
grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten<br />
beigetragen. Demgegenüber bürden<br />
das schweizerische Entsendegesetz, das für<br />
gleiche Arbeitsbedingungen in- und ausländischer<br />
Arbeitnehmer sorgen soll, sowie die<br />
Flankierenden Maßnahmen Handwerksunternehmen,<br />
die Dienstleistungen in <strong>der</strong> Schweiz<br />
durchführen, erhebliche bürokratische Hürden<br />
auf. Mangelnde Transparenz und Rechtssicherheit<br />
im Vollzug dieser Regelungen haben<br />
den Unternehmen den Gang über die Grenze<br />
erheblich erschwert. „Was im ursprünglichen<br />
Geist als Maßnahme gegen Lohndumping gedacht<br />
war, entwickelte sich zu einer deutlichen<br />
Be<strong>nach</strong>teiligung für grenzüberschreitend tätige<br />
Handwerker“, sagt Sonja Zeiger-Heizmann,<br />
Leiterin des Referats Außenwirtschaft bei <strong>der</strong><br />
Handwerkskammer Konstanz.<br />
Im September 2008 bildete sich die „Trinationale<br />
Arbeitsgruppe zur Erleichterung des<br />
Vollzugs des Entsendegesetzes“, in <strong>der</strong> die<br />
Wirtschaftsministerien sowie Vertreter von<br />
Wirtschaftskammern <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Deutschland,<br />
Schweiz und Österreich mitwirken.<br />
Die positive Zusammenarbeit und die guten<br />
<strong>nach</strong>barschaftlichen Beziehungen zum Kanton<br />
Thurgau leisten laut Sonja Zeiger-Heizmann,<br />
die Mitglied <strong>der</strong> Trinationalen Arbeitsgruppe<br />
ist, einen wichtigen Beitrag für erfolgreiche<br />
Verhandlungen.<br />
Auch Edgar Sidamgrotzi, Leiter des Amtes für<br />
Wirtschaft und Arbeit im Kanton Thurgau, hat<br />
als Mitglied <strong>der</strong> Arbeitsgruppe intensiv zum<br />
Gelingen <strong>der</strong> Gespräche beigetragen und<br />
bewertet die grenzüberschreitende Kooperation<br />
positiv: „Als Präsident <strong>der</strong> Kommission<br />
Wirtschaft <strong>der</strong> Internationalen Bodenseekonferenz<br />
(IBK) und als kantonaler Amtsdirektor<br />
im Thurgau kann ich diese Zusammenarbeit<br />
nur loben. Wir haben enge Kontakte und<br />
ein alemannisch-unkompliziertes Einvernehmen.<br />
Die Zusammenarbeit am See darf man<br />
eben nicht Berlin, Bern o<strong>der</strong> Wien überlassen<br />
– dann wird es in <strong>der</strong> Regel schwieriger.“ Ziel<br />
<strong>der</strong> Arbeitsgruppe ist die Schaffung von Vereinfachungen,<br />
Transparenz und Rechtssicherheit<br />
bei <strong>der</strong> Ausführung von Dienstleistungen<br />
europäischer Unternehmen in <strong>der</strong> Schweiz.<br />
Edgar Sidamgrotzi ist Leiter des Amtes für<br />
Wirtschaft und Arbeit im Kanton Thurgau.<br />
Hierbei steht die Reduzierung technisch-bürokratischer<br />
Hemmnisse im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Sonja Zeiger-Heizmann bewertet die Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> bisherigen drei Sitzungen <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />
als positiv. „Unsere Kritik an <strong>der</strong><br />
Umsetzung <strong>der</strong> sogenannten Flankierenden<br />
Maßnahmen wurde ernst genommen und es<br />
konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden.<br />
Viele <strong>der</strong> bisherigen Unsicherheiten infolge<br />
mangeln<strong>der</strong> Transparenz und fehlen<strong>der</strong><br />
einheitlicher Verfahren in den verschiedenen<br />
Kantonen und Branchen, die die Beratung<br />
<strong>der</strong> Unternehmen erheblich erschwert haben,<br />
konnten bereinigt werden.“ Es gibt laut Edgar<br />
Sidamgrotzki eine sehr informative Internetseite<br />
mit Lohnrechner und den Bedingungen <strong>der</strong><br />
zahlreichen Gesamtarbeitsverträgen <strong>der</strong> Tarifpartner<br />
in <strong>der</strong> Schweiz, die es einzuhalten gilt.<br />
„Die getroffenen Maßnahmen müssen nun<br />
Sonja Zeiger-Heizmann mit einer Broschüre<br />
über „<strong>Auf</strong>tragsabwicklung für deutsche<br />
Handwerker in <strong>der</strong> Schweiz“.<br />
einmal anlaufen und umgesetzt werden“,<br />
sagt <strong>der</strong> Amtsdirektor. „In einem Jahr können<br />
wir dann diese nochmals überprüfen, ob es<br />
noch Klärungsbedarf gibt. Wichtig erscheint<br />
mir auf Schweizer Seite die nun verbesserte<br />
Kooperation und Koordination mit den einzelnen<br />
Paritätischen Kommissionen, die jeweils<br />
als selbständige Organisationen und ohne<br />
staatliche Einflussmöglichkeit die Gesamtarbeitsverträge<br />
ihrer Branchen überwachen und<br />
bei Verstoß die Nachzahlungen und Konventionalstrafen<br />
verhängen. Hier muss sicher nun<br />
eine gewisse Anpassung <strong>der</strong> Vollzugskultur im<br />
Sinne <strong>der</strong> getroffenen Maßnahmen <strong>der</strong> Trinationalen<br />
Arbeitsgruppe erfolgen. Das braucht<br />
auch etwas Zeit.“<br />
„Die Verhandlungen haben in sehr konstruktiver<br />
Atmosphäre stattgefunden und es<br />
konnten auch wichtige Schritte in die richtige<br />
Richtung verbucht werden“, fügt Sonja Zeiger<br />
Heizmann hinzu. In den Bereichen, in denen<br />
die SECO, das schweizerische Staatsministerium<br />
für Wirtschaft, aber an das Entsendegesetz<br />
gebunden ist, reichen die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>nach</strong> Ansicht <strong>der</strong> Referatsleiterin für Außenwirtschaft<br />
allerdings nicht weit genug. „Große<br />
Sorgen macht uns vor allem die im Entsendegesetz<br />
vorgesehene Möglichkeit <strong>der</strong> Einführung<br />
von Kautionen“, erklärt sie. Von dieser<br />
Möglichkeit haben bereits die Zentrale Paritätische<br />
Kommission im Kanton Basel-Land für<br />
das Ausbaugewerbe und die ZPK Gerüstbau<br />
für die gesamte Schweiz Gebrauch gemacht.<br />
„Wir befürchten, dass eine Kautionspflicht<br />
auch in an<strong>der</strong>en Branchen eingeführt wird.<br />
<strong>Auf</strong> diese Weise werden Handelshemmnisse<br />
aufgebaut, die mit den bilateralen Verträgen<br />
nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Die<br />
Maßnahme ist diskriminierend, da sie we<strong>der</strong><br />
erfor<strong>der</strong>lich, angemessen noch geeignet ist“,<br />
beklagt Sonja Zeiger-Heizmann. Zudem sei<br />
zu befürchten, dass mit <strong>der</strong> Einführung weiterer<br />
Kautionspflichten in an<strong>der</strong>en Branchen<br />
wie<strong>der</strong>um Intransparenz und vor allem eine<br />
Mehrfachbelastung von Betrieben entstehen<br />
könnte. „Damit kann wie<strong>der</strong> ein Flickenteppich<br />
entstehen, <strong>der</strong> auf unsere Betriebe <strong>der</strong>art<br />
abschreckend wirkt, dass diese den Gang über<br />
die Grenze unterlassen. Seit <strong>der</strong> Einführung<br />
<strong>der</strong> Kaution in Basel-Land haben sich viele<br />
Betriebe zurückgezogen und auf <strong>Auf</strong>träge<br />
verzichtet“, berichtet Sonja Zeiger-Heizmann.<br />
Daher freut sie sich, dass sich <strong>der</strong> Schweizer<br />
Im Puls<br />
Von Stefanie <strong>Auf</strong>leger<br />
„Wem soll man heute noch glauben“,<br />
fragt eine ältere Dame den parteiischen<br />
Helfer am Wahlstand. „Hält ja doch<br />
keiner sein Wahlversprechen.“ Ihre<br />
Worte regen an, über unser Demokratieverständnis<br />
<strong>nach</strong>zudenken. Wer hält,<br />
was er verspricht? Bei Banken, Versicherungen,<br />
Politikern scheinen wir bereits<br />
damit zu rechnen, über den Tisch gezogen<br />
zu werden. Wie jedoch kann je<strong>der</strong><br />
einzelne das gesellschaftliche Leben mitgestalten?<br />
Mit seiner Stimmabgabe beim<br />
Gang zur Wahlurne? Geben wir wirklich<br />
unsere Stimme ab? An wen eigentlich?<br />
Wer antwortet dann die nächsten Jahre<br />
für uns? Trägt <strong>der</strong>jenige auch die Verantwortung?<br />
Und sind „Schweigende“<br />
überhaupt noch mündig? In diesem<br />
Punkt scheinen die Schweizer den Deutschen<br />
eine Fingerlänge voraus zu sein:<br />
Das Referendum macht es jedem einzelnen<br />
möglich, unmittelbar ein Teil des<br />
demokratischen Prozesses zu sein.<br />
Wäre es nicht überhaupt sinnvoller, die<br />
Stimme zu erheben – o<strong>der</strong> ohne viel<br />
Worte gleich zu handeln? Wie früher<br />
eben auch: Statt seine Stimme abzugeben,<br />
hob man früher die Hand. Diese<br />
demokratische Handlung hat zumindest<br />
einen Vorteil: man kann sich gleich mit<br />
dem Ergebnissen befassen, statt sich<br />
über hohle Versprechen zu ärgern.<br />
Flankierende Maßnahmen/Entsendegesetz<br />
Im Zuge <strong>der</strong> Freizügigkeitsabkommen mit <strong>der</strong> EU wurden in <strong>der</strong> Schweiz sogenannte<br />
Flankierende Maßnahmen ( Entsendegesetz und -verordnung ) verabschiedet. Neben <strong>der</strong><br />
Regelung zur Meldepflicht mit 8-tägiger Wartefrist soll mittels umfänglicher Kontroll- und<br />
Sanktionsmöglichkeiten die Einhaltung <strong>der</strong> schweizerischen Arbeits- und Lohnbedingungen<br />
bei Entsendung von Arbeitnehmern aus <strong>der</strong> EU sichergestellt werden.<br />
Kautionspflicht<br />
Seit dem 1. April 2009 hat <strong>der</strong> Kanton Basel-Land seine Bestimmungen verschärft. Deutsche<br />
Handwerksbetriebe, die eine Dienstleistung im Ausbaugewerbe in diesem Kanton erbringen<br />
möchten, müssen sich nicht nur vorzeitig anmelden, son<strong>der</strong>n auch eine Kaution erbringen.<br />
Diese beträgt bis zu 20.000 Schweizer Franken (ca. 13.000 Euro) und muss vor Beginn <strong>der</strong><br />
Arbeit hinterlegt werden.<br />
Auch im Handwerk gibt es beim Grenzübertritt Kontrollen.<br />
Baumeisterverband wie auch Vertreter einiger<br />
Kantone gegen die Einführung einer Kaution<br />
aussprechen. Dies verdeutliche, dass die<br />
Kaution auch in <strong>der</strong> Schweiz nicht einheitlich<br />
bewertet wird. Auch Edgar Sidamgrotzki bekennt<br />
offen: „Im Thurgau sind wir absolut kein<br />
Freund <strong>der</strong> Baselländischen Kautionslösung.“<br />
Weitere Informationen und Beiträge zum<br />
Thema sind auf ww.hwk-konstanz.de<br />
abzurufen.<br />
Text: Sigrid Wieland<br />
Bil<strong>der</strong>: privat