Auf der Jagd nach der E1NS - E1NS-Magazin
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NETZLE<br />
Konglo statt Agglo<br />
»So gesehen verdankt die Stadt Kreuzlingen<br />
ihre Existenz einer Fehlentscheidung<br />
europäischer Machtpolitiker.«<br />
Wäre Konstanz im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t die Hauptstadt des Kantons Thurgau gewor-<br />
den, gäbe es keine Stad t Kreuzlingen. Emmishofen, Egelshofen, Kurzrickenbach<br />
und auch Bottighofen wären heute Teile einer Grossstadt Konstanz mit deutlich<br />
über 100 000 Einwohnern. So gesehen verdankt die Stadt Kreuzlingen ihre Exis-<br />
tenz einer Fehlentscheidung europäischer Machtpolitiker. Verliefe die Landesgrenze<br />
nicht mitten durch eine kompakte Besiedlung (son<strong>der</strong>n wie bei Basel, Schaffhausen<br />
und Stein am Rhein irgendwo nördlich des grossen Flusses), wäre indessen manches<br />
einfacher im Zusammenleben <strong>der</strong> Menschen rund um den Konstanzer Trichter.<br />
Mit <strong>der</strong> Absicht, sich als eine Agglomeration zu begreifen (und dafür sogar Programme<br />
aufzulegen), versuchen die beiden Städte, die seit dem Zweiten Weltkrieg getrennt verlaufenden<br />
Entwicklungen stärker aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen, ja die Bedeutung <strong>der</strong> Grenzen zu relativieren<br />
und sich so dem früheren Zustand des unkomplizierten, fast uneingeschränkten Austauschs wie<strong>der</strong><br />
zu nähern.<br />
Agglomerationen sind im Wortsinn „Knäuel“ o<strong>der</strong> „Ballungen“ von Gemeinden, entstanden<br />
durch die sich stetig ausdehnenden Siedlungen und in <strong>der</strong> Regel ausgerichtet auf ein starkes<br />
Zentrum. Die Zu-etwas-hin-Bewegung in <strong>der</strong> Vorsilbe des Begriffs Agglomeration trifft die sicht-<br />
bare Entwicklung Kreuzlingens ziemlich genau: Konstanz war und ist <strong>der</strong> große Anziehungspunkt.<br />
Dies hat für den Kleinen durchaus Vorteile, lässt ihn aber auch befürchten, nicht nur angezogen,<br />
son<strong>der</strong>n gleich ganz aufgesogen zu werden.<br />
Diesem unguten, aber unbewussten Gefühl könnte mit einer kleinen Sprachregelung begegnet werden. Machen<br />
wir doch im beson<strong>der</strong>en Grenzfall von Kreuzlingen und Konstanz aus einer „Agglomeration“ einfach eine „Kon-<br />
glomeration“. Diese Wortschöpfung drückt das urschweizerische Gefühl des gleichwertigen Miteinan<strong>der</strong>s, des<br />
beidseitigen <strong>Auf</strong>-einan<strong>der</strong>-zu-gehens besser aus. Und es schafft beste Voraussetzungen für die tägliche Praxis <strong>der</strong><br />
Konglomeration, nämlich <strong>der</strong> Kohabitation - sprich für das harmonische Zusammenleben im gleichen Raum.<br />
E NS<br />
Andreas Netzle<br />
Stadtammann<br />
Kreuzlingen