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gute besserung 2011/1

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22 Medizin & Gesundheit<br />

Aushalten, was nicht<br />

auszuhalten ist<br />

In vielen Kliniken nicht mehr wegzudenken: Krankenhausseelsorgerinnen<br />

und -seelsorger helfen, Not zu lindern.<br />

VON NINA BOHLE<br />

Dienstag, 14 Uhr: Auf der Intensivstation<br />

im Krankenhaus<br />

Großhansdorf ist Besuchszeit.<br />

Auch Ute Reckzeh ist vor Ort. Sie ist<br />

weder Krankenschwester noch Ärztin<br />

und hat doch oft großen Einfl uss auf<br />

das Befi nden der Patienten. Pastorin<br />

Ute Reckzeh ist Seelsorgerin und kümmert<br />

sich um jene Beschwerden, die<br />

weder durch Medikamente noch durch<br />

chirurgische Eingriffe geheilt werden<br />

können. „Ich helfe, zu akzeptieren,<br />

dass das Leben auch unvollkommen<br />

sein kann und begleite die Menschen<br />

bei dem, was sie beschäftigt.“<br />

Seit September 2010 hat die Pastorin<br />

im Krankenhaus Großhansdorf eine<br />

ganze Stelle als Seelsorgerin inne, die<br />

zur Hälfte vom Krankenhaus und zur<br />

anderen Hälfte von der evangelischen<br />

Kirche getragen wird.<br />

„Hier im Lungenkrankenhaus gibt<br />

es viele schwerkranke Patienten, bei<br />

denen wenig Hoffnung auf Heilung<br />

besteht. Bei einer<br />

schweren Diagnose<br />

kann ich für die<br />

Patienten da sein –<br />

und das ist oft schon<br />

sehr viel wert.“ Ute<br />

Reckzeh hört sich<br />

die Sorgen und Zweifel<br />

an und ermutigt<br />

die Erkrankten ihre<br />

Angst zuzulassen, sie<br />

auszusprechen und in<br />

O enes Angebot<br />

den Blick zu nehmen, ihr einen Namen<br />

zu geben. „Was einen Namen hat, ist<br />

nicht mehr so bedrohlich.“ Sie hilft,<br />

Abschied zu nehmen – von geliebten<br />

Menschen, aber auch von unerfüllten<br />

Plänen und Träumen. „Neben einem<br />

In fast allen Hamburger Kliniken<br />

arbeiten professionelle Seelsorger.<br />

Das Angebot ist offen für alle<br />

Menschen, unabhängig von ihrer<br />

Religionszugehörigkeit: Patienten,<br />

Angehörige und Mitarbeiter.<br />

www.krankenhausseelsorgehamburg.de<br />

www.erzbistum-hamburg.de<br />

offenen Ohr ist das Gebet und der Segen<br />

mein Handwerkszeug. Ich akzeptiere<br />

aber natürlich auch, wenn jemand<br />

nicht möchte, dass ich für ihn bete<br />

oder ihn segne.“ Auch wenn die wenigsten<br />

Patienten sie selbst zu sich ru-<br />

Begleitet Menschen sowohl in schwierigen als auch in alltäglichen<br />

Situationen: Krankenhausseelsorgerin Ute Reckzeh im<br />

Gespräch mit einem Angehörigen<br />

fen – sie geht in der Regel von Zimmer<br />

zu Zimmer, um Gespräche anzubieten<br />

– sind die meisten doch froh über den<br />

Besuch der Seelsorgerin. Auch Angehörige<br />

und Freunde leiden häufi g mit<br />

dem Patienten und freuen sich über<br />

den professionellen Beistand der<br />

46-Jährigen Pastorin.<br />

Auf Patienten einstellen<br />

Wenn Ute Reckzeh nicht auf den<br />

Stationen unterwegs ist, ist sie in<br />

ihrem Büro zu fi nden. Hier beginnt<br />

sie ihren Arbeitstag, druckt sich die<br />

Bettenbelegungsliste aus und notiert<br />

sich, welche Patienten sie besuchen<br />

wird. Sie schreibt meditative<br />

Texte fürs schwarze Brett und den<br />

Raum der Stille und bereitet Fortbildungen<br />

für Pfl egekräfte zu Themen<br />

wie Gesprächsführung oder Sterbebegleitung<br />

vor. Um sich bestmöglich<br />

auf die Patienten einzustellen, macht<br />

sie sich hier auch über Krankheitsbilder,<br />

entsprechende Heilverfahren<br />

und damit verbundene seelische und<br />

psychische Folgen kundig.<br />

Auf die Frage, wie sie es erträgt,<br />

jeden Tag mit so großem Leid konfrontiert<br />

zu sein, antwortet sie:<br />

„Mein Glaube hilft mir, Schweres<br />

auszuhalten, das eigentlich kaum<br />

auszuhalten ist – ich gebe es im Gebet<br />

an Gott ab.“ Dafür nutzt sie auch<br />

den Raum der Stille, den das Krankenhaus<br />

Großhansdorf Patienten,<br />

Angehörigen und Mitarbeitern zur<br />

Verfügung stellt, um einen Moment<br />

zur Ruhe zu kommen und sich zu besinnen.<br />

„Beim Loslassen hilft mir außerdem<br />

die Musik und natürlich meine<br />

Familie – das sind meine beiden<br />

größten Quellen der Entspannung<br />

und Lebensfreude. Und trotz allem<br />

fi nde ich auch bei meiner Arbeit im<br />

Krankenhaus Erfüllung. Denn ich erlebe,<br />

dass Seelsorge hier gebraucht<br />

und wertgeschätzt wird.“ •<br />

Gesund mit Kunst<br />

unst wäscht den Staub des All-<br />

Ktags von der Seele“ – diese<br />

Aussage von Picasso zitiert Prof.<br />

Dr. Matthias R. Lemke gerne, wenn<br />

er erklären soll, was Kunstwerke im<br />

Krankenhaus bewirken können. Besonders<br />

für psychisch Erkrankte, die<br />

oft über einen längeren Zeitraum in<br />

stationärer Behandlung sind, sei ein<br />

positives Umfeld von großer Bedeutung.<br />

„Schon ein ansprechendes Bild<br />

über dem Krankenbett kann in der<br />

häufi g angstbesetzten Situation der<br />

Krankenhaus-Behandlung ein wichtiger<br />

Haltepunkt sein“, so Prof. Dr.<br />

Matthias R. Lemke, Chefarzt der Fachabteilung<br />

Psychiatrie und Psychotherapie<br />

im Evangelischen Krankenhaus<br />

Medizin & Gesundheit 23<br />

Alsterdorf. Nach dem Motto „Mit<br />

Bildern die Seele wärmen“ brachte<br />

Prof. Lemke daher ein ungewöhnliches<br />

Projekt ins Rollen. Aus einem<br />

Fundus von mehr als 50 Gemälden,<br />

Kunstdrucken und Fotografi en können<br />

Patienten ihr persönliches Lieblingsmotiv<br />

für das Krankenzimmer<br />

wählen. „In der Beschäftigung mit<br />

dem ausgewählten Bild steckt auch<br />

die Möglichkeit zum Verweilen – für<br />

Menschen mit seelischen Krankheiten<br />

ein kostbares Gut“, so Prof.<br />

Lemke. Ermöglicht wurde die Aktion<br />

„Bild nach Wunsch“ nur durch eine<br />

großzügige Spende der Freunde zur<br />

Förderung des Evangelischen Krankenhauses<br />

Alsterdorf e.V. se<br />

Initiator<br />

eines außergewöhnlichen<br />

Projekts:<br />

Prof. Dr.<br />

Matthias<br />

R. Lemke

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