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SKANDAL - Stadtgespräche Rostock

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0.10 __ //// STADTGESCHICHTE ROSTOCKNS-Vergangenheit. In: Demokratische Geschichte. Jahrbuchfür Schleswig-Holstein, Bd. 17, Malente 2006, S. 235 bis 249).Zugespitzt formuliert: <strong>Rostock</strong> veränderte sich positiv, um imBombenhagel unterzugehen. Was man als Fortschritt ansah,wurde zum Fluch. Die Widersprüchlichkeit von Geschichtekann kaum deutlicher zutage treten.„Das geschichtliche Erbe einer Stadt lässt sich nicht in gut undschlecht aufspalten. In das lokale historische Gedächtnis mussdie ganze Geschichte eingehen. Nicht nur an Hanse und Backsteinkirche,an Hafen und Segelschifffahrt, sondern auch andie Verfolgung Andersdenkender, die Zerstörungen durch dieLuftangriffe oder die vielen zerbrochenen Biographien ehemaligerund heutiger <strong>Rostock</strong>er muss erinnert werden. Das machtnachdenklich und regt zur Selbstreflexion an. Wie hätte ichmich verhalten? Gab es alternative Handlungsmöglichkeiten?Welchen Entscheidungsspielraum besaßen die einfachen Menschenund die Entscheidungsträger? […] Geschichte gibt keineRuhe. Was die Gesellschaft zudeckt oder verdrängt, kommt einesTages schmerzhaft an die Oberfläche. Wie wir mit Erfolgendauerhaft leben, so müssen wir auch mit den Niederlagen,Verlusten und Fehlern leben lernen, ohne ständig mit gesenktemKopf herumzuwandeln oder je nach Bedarf auf das eigeneLeid oder die Untaten der anderen zu verweisen. HistorischesWissen trägt dazu bei, unser aktuelles Handeln kritisch zu reflektierenund nicht einfachen politischen Lösungen auf denLeim zu gehen. Niemals mehr darf der Zweck die Mittel heiligen!Der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und dieUnteilbarkeit der Menschenrechte sind gesellschaftspolitischeForderungen, die auch aus den historischen Erfahrungen des20. Jahrhunderts erwachsen.“ (Andreas Wagner in dem Sammelband„Heinkel in <strong>Rostock</strong>-Bestandsaufnahme und Diskussion“,Verlag Redieck&Schade 2002, S.111/112)Die Diskussion um die Heinkel-Ausstellung, die Person ErnstHeinkel, die Verantwortung der Wissenschaft, ja, die Verantwortungdes Einzelnen für sein Tun war wichtig für die Stadt,aber sie war erst ein Anfang. Wie sollte es danach weitergehen?Im Juni 2004 berief die Stadt eine Expertenkommission. Siesollte Empfehlungen erarbeiten, „in welcher Weise die Industrie-und Technikgeschichte, vor allem hinsichtlich der Flugzeugindustrieund der Person Ernst Heinkel, zur Zeit des Nationalsozialismusaufgearbeitet und präsentiert werden kann.“Am 3. Mai 2005 übergab die Kommission ihre Empfehlungenan den neu gewählten Oberbürgermeister Roland Methling.Sie empfahl, die Unternehmensgeschichte in der Stadtgeschichteund der NS-Gesellschaft zu verankern, eine Verengungauf technisch-technologische Entwicklungen zu vermeidenund die Heinkel-Flugzeugwerke mit allen Produktionsstandortenin den Blick zu nehmen.vielfältigen Bildungsarbeit zur Vermittlung der Forschungsergebnisseund zur Moderation von Meinungsbildung, der Bewahrungund Markierung von baulichen Überresten im Stadtbildsowie einer modernen musealen Präsentation. Für die Umsetzungdieser Vorstellungen sei ein langer Atem und eine städtischeModeration notwendig sein, damit die Debatte beinächster Gelegenheit nicht erneut in eine polarisierende Anfeindungführt oder aktuellen Werbestrategien untergeordnetwird. Nur in einer sachlich geführten Diskussion sind Lernprozessemöglich.“ (Vgl. hierzu Andreas Wagner: Der Streit umdie Geschichte der Heinkel-Flugzeugwerke in <strong>Rostock</strong>.)Was ist inzwischen in der Stadt von den Vorschlägen umgesetzt?Im Grunde genommen nichts. Die damalige Diskussionhat manch Neues an Fakten zutage gefördert, neue Erkenntnissebei vielen Diskutanten befördert, welcher Meinung sie auchzu Beginn waren. Aber weitergeführt im Sinne der Kommissionsempfehlungund damit einem weiteren tatsächlich historischenVerständnis von Stadtgeschichte wurde so gut wie nichts.Das zweifellos schwierige und notwendige Tagesgeschäft, finanzielleNöte und politische Rangeleien bestimmen das Tunin Stadtverwaltung und Bürgerschaft, schnell vorzeigbare Ergebnissesind zu erzielen, das Image der Stadt zumindest an derOberfläche zu polieren. Ab und an wird dann bei Bedarf dieGeschichte hervorgeholt und nicht selten im politischen Interessevergewaltigt. Dann bleibt nur noch Platz dafür, einmalmehr zu gegebenem Jubiläums-Anlass zu beteuern: „Wer dieVergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehenund die Zukunft nicht gestalten“. Bis zum nächsten Mal.¬--Im Herbstheft der Stadtgespräche folgt Teil 2 von „<strong>Rostock</strong> unddie Geschichte“, dann mit Fragen zur DDR-Geschichte, zumHerbst 1989 und den darauf folgenden fast 25 Jahren.Die Kommission betrachtete die Debatte in <strong>Rostock</strong> als einenBaustein in der Selbstverständigung der Einwohner der Stadtüber ihre Geschichte und erklärte: „Diesen positiven Ansatzfortzusetzen und nachhaltig zu verfolgen, wäre ein wichtigesZiel der zukünftigen Arbeit. Dazu bedarf es vielfältiger Aktivitäten:einer wissenschaftlichen Forschung als Grundlage, einer

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