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Aussteigen in Faro, Aufklären in Kabul TITELTHEMA Seite 04 - KV

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<strong>KV</strong>_02_2006_14 10.<strong>04</strong>.2006 11:15 Uhr <strong>Seite</strong> 14<br />

ÜBER DEN <strong>KV</strong> HINAUS<br />

Frei zum Dialog<br />

Die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart<br />

Über die älteste katholische Akademie <strong>in</strong><br />

Deutschland verfügt die Diözese Rottenburg-<br />

Stuttgart. Sie hatte ihre erste Tagung am 17./<br />

18. Februar 1951, die offizielle Eröffnung und<br />

Stiftungsfeier war erst zwei Jahre später am<br />

21./ 22. Februar 1953. Angeregt war diese<br />

Gründung zweifellos durch das Beispiel der<br />

Evangelischen Akademie Bad Boll, die unter<br />

Dr. Eberhard Müller sehr bald bundesweit zur<br />

Institution wurde. Bis heute verstehen sich beide<br />

Akademien als Partner, <strong>in</strong> durchaus fruchtbarer<br />

ökumenischer Konkurrenz. Zwei der vier Rottenburger<br />

Bischöfe der Nachkriegszeit, Georg<br />

Moser und der gegenwärtige Bischof Dr. Gebhard<br />

Fürst, waren zuvor lange Jahre Direktoren<br />

der Akademie (1961-1970 bzw. 1986-2000) und<br />

haben den weltoffenen Geist, der die Arbeit der<br />

Akademie von Anfang an bestimmt hat, <strong>in</strong> die<br />

Leitung der Diözese getragen. Zugleich wird<br />

damit auch die hohe <strong>in</strong>nerkirchliche Wertschätzung<br />

sichtbar, die die Akademie der Diözese<br />

Rottenburg-Stuttgart genießt.<br />

Prof. Dr. Alfons Auer, der soeben im Alter von<br />

91 Jahren verstorbene Nestor der Moraltheologie<br />

im katholischen Deutschland, war der erste<br />

hauptamtliche Direktor. Er sah se<strong>in</strong>e und der<br />

Akademie Aufgabe <strong>in</strong> „schöpferischer Ruhelosigkeit“,<br />

gepaart mit e<strong>in</strong>em „offenen Blick“ für<br />

die Wahrheit jenseits kirchlicher Grenzen, geformt<br />

von e<strong>in</strong>em „Geist der Freiheit“. Auch von<br />

se<strong>in</strong>en Nachfolgern im Amt des Akademiedirektors<br />

wurde die Verortung zwischen Kirche und<br />

Welt betont: als Ohr der Kirche, zur Welt – gerade<br />

auch der nicht-katholischen, ja nicht-kirchlichen<br />

Welt – geöffnet; zugleich aber auch Stimme<br />

der Kirche h<strong>in</strong> zur Welt, frei zum offenen Dialog.<br />

Statt anonymer Kongressatmosphäre wollte<br />

man lebendige Begegnung und die Entwicklung<br />

von eigener Sachkompetenz <strong>in</strong> politischen, gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen Fragen.<br />

Die jeweiligen konkreten Arbeitsformen der<br />

Akademie bilden sich <strong>in</strong> unterschiedlicher Weise<br />

<strong>in</strong> den Besucherzahlen über die 50 Jahre<br />

ihres Bestehens h<strong>in</strong> ab. Seit Ende der 90-Jahre<br />

hat sich die Gesamtzahl derTeilnehmer <strong>in</strong> den<br />

beiden Tagungshäusern Stuttgart-Hohenheim<br />

und We<strong>in</strong>garten auf gut 20.000 pro Jahr e<strong>in</strong>gependelt;<br />

im Jahre 20<strong>04</strong> waren es genau 22.148.<br />

Die Gesamtzahl der Veranstaltungen belief sich<br />

im selben Jahr auf 397. Beide Tagungshäuser<br />

werden auch für Gastveranstaltungen angebo-<br />

14 AM<br />

ten, vorzugsweise für Institutionen, die der Akademie<br />

„ideell“ nahe stehen.<br />

Strukturell ist die Arbeit der Akademie <strong>in</strong> drei<br />

Sach- und Fachbereiche gegliedert: Theologie –<br />

Kirche – Religion; Kultur und Geisteswissenschaften;<br />

Gesellschaft und Politik. Themenschwerpunkte<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen der historische<br />

Bereich, Arbeitsmigration und Ausländer sowie<br />

M<strong>in</strong>derheiten, Dritte Welt und gesellschaftlich<br />

Benachteiligte. Auch Fragen der Wirtschaftsund<br />

Arbeitswelt traten immer stärker hervor.<br />

Die Akademie ist längst zum Forum verschiedener<br />

gesellschaftlicher Gruppen und Ort öffentlicher<br />

Diskussion für neu aufkommende Entwicklungen,<br />

politische Prozesse und Fragestellungen<br />

geworden. Zur Behandlung von Grundsatzfragen<br />

vor breitem Publikum kommt gezielt Projektarbeit,<br />

die zugleich den Sachverstand der Akademie<br />

<strong>in</strong> den betreffenden Bereichen erhöht. Beispiele<br />

hierfür s<strong>in</strong>d Projekte wie Wirtschaft und<br />

christliche Ethik, das zweijährige Projekt <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Öffnung sozialer Dienste (gefördert<br />

durch die Robert-Bosch-Stiftung) und das Projekt<br />

Entschädigung und Versöhnung ehemaliger<br />

Zwangsarbeiter <strong>in</strong> kirchlichen E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong><br />

der Diözese Rottenburg.<br />

Seit über zwanzig Jahren stellt sich die Akademie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen Referat den Fragen des<br />

Verhältnisses von Kirche und zeitgenössischer<br />

Kunst, so mit Ausstellungen <strong>in</strong> beiden Tagungshäusern<br />

(„Kunst-Raum-Akademie“), aber auch<br />

mit dem traditionellen „Aschermittwoch der<br />

Künstler“, dem Treffen von Künstlern aus der<br />

Diözese mit dem Bischof, oder Symposien wie<br />

zuletzt zur Zukunft des Kirchenbaus mit weit<br />

über hundert Fachleuten aus ganz Deutschland.<br />

Zu e<strong>in</strong>er der wichtigsten Fachveranstaltung ihrer<br />

Art <strong>in</strong> Deutschland haben sich die seit 1985<br />

stattf<strong>in</strong>denden „Hohenheimer Tage zum Ausländerrecht“<br />

entwickelt, an denen <strong>in</strong> diesem Jahr<br />

rund 250 Fachleute aus Politik, Verwaltung,<br />

Rechtsprechung, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden<br />

und Gewerkschaften teilnahmen. Innerhalb des<br />

2002 neu e<strong>in</strong>gerichteten Schwerpunkts Christlich-islamischer<br />

Dialog hat sich die Akademie<br />

von Anfang an der Diskussion über die E<strong>in</strong>führung<br />

islamischen Religionsunterrichts an den<br />

öffentlichen Schulen beteiligt und e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternational<br />

vernetztes „Theologisches Forum Christentum<br />

– Islam“ <strong>in</strong>itiiert. Internationale Vernetzungen<br />

bestehen auch für den Schwerpunkt<br />

„Theologie und Naturwissenschaft“ (zum Beispiel<br />

mit dem „Religion and Science Network<br />

Germany“ und dem „Metanexus Institute Philadelphia“,<br />

USA), mit dem „Arbeitskreis Internationale<br />

Hexenforschung“ (AKIH) und für e<strong>in</strong>e<br />

Reihe anderer Arbeitsschwerpunkte. E<strong>in</strong>es der<br />

Veranstaltungs-Highlights ist die Verleihung des<br />

Aleksandr-Men-Preises, alljährlich im Wechsel<br />

zwischen Stuttgart und Moskau, zu der <strong>in</strong> Stuttgart<br />

jeweils gut 500 Personen zusammen kommen.<br />

Der Preis, der nach dem 1990 ermordeten<br />

russisch-orthodoxen Erzpriester benannt ist,<br />

wurde bislang u. a. an Lew Kopelew (1996),<br />

Gerd Ruge (1999), Michael Gorbatschov (2000,<br />

hierbei hielt Hans-Dietrich Genscher die Laudatio)<br />

und Otto Graf Lambsdorff (2001) verliehen.<br />

Die Akademie beschäftigt neben Theologen<br />

auch Historiker, Islamwissenschaftler und e<strong>in</strong>e<br />

Kunsthistoriker<strong>in</strong>. Mit Dr. Abraham Peter Kustermann<br />

ist seit dem Jahre 2000 erstmals e<strong>in</strong><br />

Nicht-Priester Direktor der Akademie. Die kritische<br />

Begleitung der Arbeit wie auch die Verknüpfung<br />

mit allen Bereichen der Gesellschaft,<br />

mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur,<br />

leistet das Kuratorium der Akademie. Ihm gehören<br />

Politiker aller Parteien - wie M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Dr. Annette Schavan und der Fraktionsvorsitzende<br />

der „Grünen“ im Stuttgarter Landtag, W<strong>in</strong>fried<br />

Kretschmann -, hohe Beamte wie der<br />

Staatsekretär im Stuttgarter Staatsm<strong>in</strong>isterium<br />

Kb Rudolf Böhmler, Bürgermeister, Professoren,<br />

Wirtschafter und Gewerkschafter an. Vorsitzender<br />

des Kuratoriums ist seit 9. November<br />

2005 auf Wunsch des Bischofs Kb Prof. Dr.<br />

Hans-Georg Wehl<strong>in</strong>g, Stellvertretende Vorsitzende<br />

s<strong>in</strong>d der frühere Erste Bürgermeister der<br />

Stadt Stuttgart Dr. Rolf Thier<strong>in</strong>ger sowie Kb Senator<br />

Hermann Fünfgeld, der langjährige Intendant<br />

des Süddeutschen Rundfunks.<br />

Die Akademie hat das Glück, mit Hohenheim<br />

(Stuttgart) und dem Barock-Kloster We<strong>in</strong>garten<br />

<strong>in</strong> Oberschwaben gleich zwei auch architektonisch<br />

herausragende Tagungshäuser zu besitzen,<br />

die alle Voraussetzungen für e<strong>in</strong>en beständigen<br />

Dialogprozess mitbr<strong>in</strong>gen, der getragen<br />

ist von Offenheit, Transparenz und Inspiration<br />

sowie selbstverständlich katholischer Gastlichkeit.<br />

Daran, dass die Kirche <strong>in</strong> der produktiven<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem Zeitgeist als<br />

‚Haus’ des <strong>in</strong>spirierenden Gottesgeistes heute<br />

„<strong>in</strong>tellektuell, ethisch und ästhetisch bewohnbar“<br />

(Friedrich von Hügel) ist und bleibt, hat die<br />

kirchliche Akademiearbeit ke<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Anteil.<br />

Hans-Georg Wehl<strong>in</strong>g

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