Aussteigen in Faro, Aufklären in Kabul TITELTHEMA Seite 04 - KV

KV_02_2006_8 10.04.2006 11:13 Uhr Seite 8
TITELTHEMA
Kurt Hahn (Arm) in Portugal.
„Man hat von Seiten der
Behörden, aber auch der
örtlichen Anwaltskammer
alle nur erdenklichen
Hürden aufgerichtet, bis
endlich nach ungefähr
einem Jahr meine Registrierung
als deutscher
Anwalt erfolgte. Offenbar
fürchtet man angesichts
erheblicher Anwaltsdichte
die Konkurrenz.“
08 AM
AM Lieber Kartellbruder Kurt Hahn, wenn wir uns
in dieser Ausgabe der AM mit KVern im Ausland befassen,
nehmen Deine Frau und Du eine besondere
Stellung ein. Ihr beide hattet eine Anwaltspraxis in
Bonn und Köln, habt 2004 diese aufgegeben, Euer
Haus verkauft und seid nach Portugal gezogen. Seid
Ihr Aussteiger?
Wir sind keine Aussteiger. Wir würden uns eher als
„Umsteiger“ bezeichnen.
AM Hattet Ihr vorher persönliche Kontakte nach
Portugal oder was hat Euch motiviert, völlig neu anzufangen?
Wir kennen Portugal seit mehr als 20 Jahren von
zahlreichen Reisen durch das ganze Land. Enge persönliche
Kontakte waren dabei nicht entstanden.
Uns hat jedoch die Vielfältigkeit der Landschaft und
der Kultur auf relativ engem Raum sowie die freundliche
Zurückhaltung der Menschen, mit denen man
als Tourist zusammenkam, sehr gefallen. Als wir
dann nach 25-jähriger anwaltlicher Tätigkeit merkten,
daß die Arbeit weitgehend in Routine erstarrt
war, entschlossen wir uns, unserem Leben und
unserer Arbeit durch einen Wechsel des Standorts
neue Impulse zu geben. Die Wahl fiel auf Portugal,
weil wir dieses Land gut zu kennen glaubten und –
da es sich um ein Land im Aufbau handelt – wir dort
bessere Entfaltungsmöglichkeiten sahen. Nicht zu
vergessen auch das legendäre Algarve-Klima mit
320 Sonnentagen!
AM Habt Ihr Euren Anwaltsberuf völlig aufgegeben
und was habt Ihr an seine Stelle gesetzt?
Meine Frau hat auf ihre Zulassung als Rechtsanwältin
verzichtet und kümmert sich um die Verwaltung
unseres Ferienhauses und um die Betreuung der
Gäste. Sie arbeitet ferner ehrenamtlich für verschiedene
Kinder – und Tierschutzprojekte. Ich bin als
Rechtsanwalt nach wie vor in Deutschland und zusätzlich
in Portugal als „deutscher Rechtsanwalt“
zugelassen.
AM Ein portugiesischer Journalist soll einmal
gesagt haben: die Portugiesen träumen davon im
21. Jahrhundert zu leben, werden dann aber wach
und stellen fest, sie leben im Mittelalter. Siehst Du
das auch so?
Jedenfalls für die Algarve kann man dies zum Teil
bejahen, wenn auch die Formulierung sehr überspitzt
ist. Tradition und Fortschritt stoßen sich schon
mal hart im Raum. Nach unserer Erfahrung gibt es
hier allerdings ein starkes Nord-Süd-Gefälle: Lissabon
und Porto sind sicherlich eher mit mitteleuropäischen
Städten vergleichbar als die Algarve. Hier
ist Geduld und Gelassenheit überlebenswichtig.
AM War es schwierig, beruflich und besonders
privat in Eurer neuen Heimat Fuss zufassen. Wie
sind die Menschen und wie gehen sie auf Fremde
zu? Wie kommt Ihr mit Unterschieden in den
Mentalitäten von Portugiesen und Deutschen zurecht?
Man hat von Seiten der Behörden, aber auch der
örtlichen Anwaltskammer alle nur erdenklichen Hürden
aufgerichtet, bis endlich nach ungefähr einem
Jahr meine Registrierung als deutscher Anwalt erfolgte.
Offenbar fürchtet man angesichts auch hier
augenscheinlicher erheblicher Anwaltsdichte die
„Konkurrenz“. Die Kolleginnen und Kollegen, die ich
hier inzwischen kennengelernt habe, sind allerdings
von großer Freundlichkeit und an einer Zusammenarbeit
interessiert. Man muß aber schon selbst auf
die Menschen zugehen, sonst geschieht nichts.
Private Kontakte unterhalten wir mehr zu Landsleuten,
die teilweise schon Jahrzehnte hier leben
und in den verschiedensten Berufen arbeiten sowie
zu unseren Nachbarn. Wir haben „die Portugiesen“,