Aussteigen in Faro, Aufklären in Kabul TITELTHEMA Seite 04 - KV
Aussteigen in Faro, Aufklären in Kabul TITELTHEMA Seite 04 - KV
Aussteigen in Faro, Aufklären in Kabul TITELTHEMA Seite 04 - KV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>KV</strong>_02_2006_21 10.<strong>04</strong>.2006 11:17 Uhr <strong>Seite</strong> 21<br />
Rechtzeitig vor der Fußballweltmeisterschaft, die <strong>in</strong><br />
diesem Jahr <strong>in</strong> Deutschland stattf<strong>in</strong>det, setzte sich die<br />
Gesellschaft katholischer Publizisten mit dieser vorangestellten<br />
und ähnlichen Fragen auf ihrer Jahrestagung<br />
im März ause<strong>in</strong>ander. Dazu hieß es <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>ladung:<br />
„Samstags, 15 Uhr 30. In Deutschlands Fußballstadien<br />
startet die wochenendliche Liturgie.“ Zu dröhnenden<br />
Hymnen schreiten die modernen Götter <strong>in</strong> Zweierreihen<br />
<strong>in</strong> die Arenen. Rauch steigt zum Himmel. Mancher<br />
Spieler bekreuzigt sich. Gebetsartig rufen die Fans ihre<br />
Parolen von den Rängen.“ Wer ist da nicht an religiöse<br />
Riten er<strong>in</strong>nert? Wer fragt nicht, ob nicht die Menschen<br />
im Fußball e<strong>in</strong>e neue S<strong>in</strong>ngebung erwarten? Hört man<br />
sich Fußballreportagen an, so erlebt man, dass dabei<br />
vom Fußballgott oder Fußballgöttern die Rede ist. Otto<br />
Rehagel wurde als Tra<strong>in</strong>er der griechischen Nationalmannschaft<br />
bei der Europameisterschaft <strong>in</strong> Anspielung<br />
auf Herakles, den Sohn von Zeus und Alkmene, zum<br />
ANSICHTSSACHE<br />
Götter im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsanzug?<br />
„Elf Freunde“ heißt das von der<br />
Wittener Bildhauer<strong>in</strong> Christel<br />
Lechner aus Beton geschaffene<br />
Skulpturenensemble. „Elf Freunde“,<br />
die alte Botschaft von Sepp<br />
Herberger, bekommt wieder<br />
neues Gewicht. Die zehn Spieler<br />
und e<strong>in</strong> Torwart, allesamt <strong>in</strong> Fußballtrikots,<br />
stehen im Halbkreis<br />
und lassen Assoziationen von<br />
Geschlossenheit und Teamgeist<br />
zu. Werte, die über den Sport h<strong>in</strong>aus<br />
Gültigkeit <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
haben sollen, so Christel Lechner.<br />
Foto: Ronald Wittek dpa/lrs<br />
<strong>KV</strong>-Jahrbuch auf CD<br />
Jetzt onl<strong>in</strong>e registrieren<br />
Wer sich auf der Internetseite www.kartellverband.de als User<br />
anmeldet, bekommt e<strong>in</strong>en besonderen Bonus: Das neue <strong>KV</strong>-Jahrbuch<br />
wird nicht nur als Buch gedruckt, sondern auch auf CD veröffentlicht.<br />
Und alle, die auf der <strong>KV</strong>-Homepage registriert s<strong>in</strong>d,<br />
erhalten die CD zugeschickt. Der H<strong>in</strong>tergrund: Die CD ist verschlüsselt,<br />
damit ke<strong>in</strong> Missbrauch mit den Daten betrieben werden<br />
kann. Als Zugang zur CD dienen die gleichen Anmeldedaten,<br />
die Ihr auch im Internet benutzt. Also: Jetzt registrieren und<br />
www.kartellverband.de, damit Ihr auch die praktischen<br />
Suchmöglichkeiten der <strong>KV</strong>-Jahrbuch-CD nutzen könnt!<br />
Rehakles und mit Herakles gleichgestellt. Das Stadion<br />
ist längst e<strong>in</strong> heiliger Ort geworden. Da ist es nur konsequent,<br />
wenn auf Schalke e<strong>in</strong>e Kapelle steht, die aber,<br />
wie die Besichtigung während der Tagung zeigte, mehr<br />
e<strong>in</strong> Meditationsraum ist. Aber immerh<strong>in</strong> wird dort getauft<br />
und geheiratet, und e<strong>in</strong> evangelischer Pfarrer mit<br />
e<strong>in</strong>em Schalkeschal quasi als Stola um den Hals hält<br />
dort Konfirmandenunterricht.<br />
Wie der Theologe Ansgar Kreutzer, Assistent an der<br />
Katholisch-Theologischen Privatuniversität L<strong>in</strong>z, Jahrgang<br />
1973, während der Tagung verdeutlichen konnte,<br />
gibt es zahlreiche Parallelen zwischen Fußball und<br />
Religion. Fußball ist dabei so etwas wie e<strong>in</strong>e Selbst<strong>in</strong>szenierung<br />
der Gesellschaft. Im Stadion, e<strong>in</strong>er Kultstätte<br />
mit Chören wie bei Stammesritualen, werden<br />
Affekte kompensiert, Emotionen abgebaut und Riten<br />
gepflegt, die an die Stelle von rationalem Handeln treten.<br />
Gegen die Ohnmachtserfahrung werden rituelle<br />
Handlungen gesetzt, außerirdische Mächte beschworen<br />
und damit S<strong>in</strong>n gestiftet. E<strong>in</strong>e Gegenwelt gegen die<br />
rationalgebundene Welt wird aufgebaut und die Ambivalenz<br />
von Rationalität und Irrationalität erfahren. Wer<br />
er<strong>in</strong>nert sich dabei nicht an das „Wunder von Bern“,<br />
das zu e<strong>in</strong>em Gründungsmythos e<strong>in</strong>es neuen Deutschlands<br />
nach dem verlorenen Weltkrieg wurde? Trotz vieler<br />
Assoziationen an religiöses Handeln und Sprechen<br />
sieht Ansgar Kreutzer im Fußball jedoch ke<strong>in</strong>e Ersatzreligion.<br />
Auf dem Platz und den Rängen gibt es ke<strong>in</strong><br />
wahres religiöses Verhalten, s<strong>in</strong>d religiöse Anspielungen<br />
nichts als Ironie. Da hatte Oliver Kahn schon recht,<br />
als er sich über das Sprechen vom Fußballgott ärgerte<br />
und me<strong>in</strong>te, es gibt nur e<strong>in</strong>en Gott. Dennoch kann der<br />
Sport, den schon der hl. Paulus mit dem Bild von der<br />
Rennbahn <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung rief, etwas religiös Wichtiges<br />
lehren: Das Scheitern des Machbarkeitsmythos, des<br />
Glaubens an die Verfügbarkeit von allem und jedem,<br />
aber auch und das Bild e<strong>in</strong>er offenen Gesellschaft.<br />
Mit Ironie und Witz setzte sich anschließend der Arzt<br />
Manfred Lütz gegen den Glauben zur Wehr, Gesundheit<br />
sei die höchste Tugend. Schon die Def<strong>in</strong>ition von Gesundheit<br />
sei strittig. Auf die Spitze getrieben heiße Gesundse<strong>in</strong><br />
nichts anderes, als nicht genügend untersucht<br />
worden zu se<strong>in</strong>. Er verwahrte sich gegen die Auffassung,<br />
e<strong>in</strong> Kranker sei e<strong>in</strong> Mensch 2. Klasse und lehnte<br />
den Begriff „Götter <strong>in</strong> Weiß“ ab. Es sei ferner falsch zu<br />
behaupten, wer heile, habe recht. Mit Schrecken sehe<br />
er die Entstehung e<strong>in</strong>er Gesundheitsreligion. In e<strong>in</strong>er<br />
Podiumsdiskussion wurde schließlich erkennbar, dass<br />
es so etwas wie Sportsgeist, als Fairplay, Kameradschaft<br />
bish<strong>in</strong> zur Freundschaft verstanden, durchaus<br />
gibt.<br />
W. L.<br />
AM 21