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VIPs Ehre wem Ehre gebührt Als in Bruchsal unlängst der Oberbürgermeister nach 24 Dienstjahren ausschied, wurde über eine Ehrenbürgerschaft für ihn nachgedacht. Und da fragten sich viele Bruchsaler: Wer sind denn eigentlich unsere Ehrenbürger - und warum? Auch in Bretten stellt mancher derzeit ähnliche Fragen. In beiden Gemeinden geben die kostenlosen Bürgerbroschüren„Stadtinformation“ Auskunft (in Bruchsal nur die von 2004/05). Text: Hartmut Schönherr Bilder: Stadtarchive Bruchsal und Bretten, GLA Karlsruhe, Stadtarchiv Karlsruhe, Hartmut Schönherr 16 WILLI 2010 EHRENBÜRGER BRUCHSAL 1924: Pfarrer Josef Kunz, Gründer des Marienhauses am Holzmarkt.
Das Ehrenbürgerrecht sei „die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde für ihre Bürger zu vergeben hat“ - so steht es in vielen einschlägigen Publikationen. Und häufi g ist die Ehrung verbunden mit freiem Eintritt bei öff entlichen Einrichtungen und ähnlichen Vergünstigungen. In der Gemeindeordnung Baden- Württemberg heißt es in § 22 lapidar: „Die Gemeinde kann Personen, die sich besonders verdient gemacht haben, das Ehrenbürgerrecht verleihen.“ Und weiter: „Das Ehrenbürgerrecht kann wegen unwürdigen Verhaltens entzogen werden.“ Faktisch wurde vom Entzugsrecht fast ausschließlich bei ehemaligen Nazigrößen Gebrauch gemacht. Ob dies sinnvoll sei, wird seit dem G8-Gipfel in Bad Doberan/Heiligendamm nicht nur in Deutschland, sondern auch in ehemaligen deutschen Gebieten in Tschechien und Polen diskutiert. Die Gemeinde Bad Doberan hatte Adolf Hitler noch auf der Liste ihrer Ehrenbürger stehen und diesen Eintrag vor dem Gipfeltreff en gelöscht. Ein häufi ges Argument dagegen ist, dass eine Ehrenbürgerschaft automatisch nach dem Tod erlösche - und am Faktum, dass Adolf Hitler zu einer bestimmten Zeit Ehrenbürger von etwa 4000 Gemeinden in Deutsch- Bei »unwürdigem Verhalten« Entzug land war, ändere auch eine explizite Streichung nichts. Mit der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrates vom Oktober 1946 wurde zudem im Zusammenhang der Nürnberger Prozesse für „Hauptschuldige“ in Artikel VIII festgelegt: „Sie verlieren alle ihnen erteilten Approbationen, Konzessionen und Vorrechte sowie das Recht, ein Kraftfahrzeug zu halten.“ Der Bruchsaler Stadtarchivar Thomas Moos hält es in diesen Fällen dennoch für erstrebenswert, „wenn ein Kommunalparlament eine Ehrenbürgerwürde expressis verbis wieder aberkennt“. Allerdings kann er nichts dazu sagen, ob dies in Bruchsal mit Walter Köhler, Ministerpräsident von Baden 1933-1945 und nach verschiedenen Stadthistorikern damals Ehrenbürger von Bruchsal, geschehen sei. Das Ehrenbürgerrecht wird also „im Prinzip“ nur zu Lebzeiten verliehen. Nach dem Tode stehen als Ehrungen eine Straßenbenennungen oder ein Denkmal zur Verfügung. In Berlin gab es 2002 einen großen Streit um die posthume Ehrenbürgerschaft für Marlene Dietrich. Senatssprecher Günter Kolodziej begründete die posthume Verleihung laut „Tagesspiegel“ damit, dass eine Verleihung zu Lebzeiten geplant gewesen sei, Marlene Dietrich jedoch nicht mehr öff entlich habe auftreten wollen. Der Berliner Senat legte 2003 als Hauptkriterium für die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes fest, dass der Betreff ende „sich in hervorragender Weise um Berlin verdient gemacht hat“. Dazu kommt das Recht, sich von einem Künstler freier Wahl für die Galerie im Abgeordnetenhaus portraitieren zu lassen. Und als Vergünstigung unter anderem eine Jahreskarte für die Berliner Verkehrsbetriebe. Ähnliche Festlegungen gibt es in Richtlinien und Satzungen anderer Gemein- Nur zu Lebzeiten und wofür den. Bruchsal und Bretten haben keine eigenen Formulierungen in die Hauptsatzung aufgenommen, die den § 22 der Gemeindeordnung ergänzen. Die ersten drei Ehrenbürger in Bretten waren der Landkreis- Oberamtsmann Friedrich Christian Rettig, der Arzt und 1848er-Revolutionär Franz-Josef Janzer sowie der Kirchenhistoriker Nikolaus Müller. In Bruchsal wird die Liste angeführt von Otto von Bismarck, dem Weihbischof Friedrich Knecht und dem Architekten und Bezirksbauinspektor Fritz Hirsch. Der gebürtige Heidelberger Verwaltungspraktiker Friedrich Christian Rettig zeichnete sich als Leiter im Amtsbezirk Bretten 1810-1819 durch besondere Bürgernähe aus. Nach den neun EHRENBÜRGER BRUCHSAL 1922: Fritz Hirsch, hier mit Ehefrau Anna und Sohn Peter im Jahr 1910. Jahren in Bretten wirkte er u.a. als Stadtdirektor in Freiburg, Ministerialrat des Inneren, Geheimer Rat und zuletzt als Landeskommissär in Karlsruhe. Ansehen genoss er auch als Verwaltungsjurist an der Universität Freiburg. Die Brettener Ehrenbürgerschaft wurde ihm 1853 verliehen. Während andere Gemeinden gerade Bismarck zum 80. Geburtstag die Reverenz erwiesen, verlieh Bretten 1895 das Ehrenbürgerrecht an einen badischen Revolutionär von 1848, der nach kurzer Haft 1849 nach Bretten als Arzt gekommen war: Franz- Josef Janzer. Er stammte aus Bruchsal und verbrachte fast sein gesamtes Arbeitsleben als Arzt in Bretten, überwiegend im öff entlichen Dienst. Die Ernennung zum Beamten hat man ihm lange verweigert, „wegen seiner Theilnahme an der Bewegung Ende der vierziger Jahre“, wie eine Zeitungsnotiz zu seinem Tod am 29. Juli 1897 vermerkt. 1903, mit der Einweihung des Melanchthonhauses, ehrten die Brettener den Reformationsforscher Nikolaus Müller. Müller, der an der Universität Berlin lehrte, hatte alles unternommen, um nicht nur die Forschung, sondern auch die Brettener Bürger von Melanchthons Bedeutung zu überzeugen. 1897 legte er den Grundstein für das Melanchthonhaus an der Stelle des 1689 Reformatorischer Auftakt in Bretten abgebrannten Geburtshauses des Reformators. Der erste Ehrenbürger Bruchsals, Fürst Otto von Bismarck, verdankt dies dem badischen Städteverbund, dessen Mitglieder den Reichskanzler im Ruhestand damit geschlossen 1895 zum 80. Geburtstag ehrten. weiter »»» WILLI 2010 17
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