Die Flucht in die Virtualität – Wenn der Schein die Realität ersetzt

Es müssen nämlich viele Aufträge erledigt werden, als Briefträger in einem
neuen Bezirk muss ich Briefkästen finden, wenn ich eine Adresse nicht
identifizieren kann, muss ich jemanden fragen, ich muss die Post richtig
sortiert haben, ich muss sie in die richtigen Briefkästen hineinstecken, ich
muss Geld einkassieren, eingeschriebene Sendungen unterschreiben
lassen, daneben muss ich noch Rad fahren und mich gegen die Angriffe
von attackierenden Hunden wehren, vielleicht sogar einen Posträuber in
die Flucht schlagen. Wenn ich alles geschafft haben, mache ich auf der
Post die Abrechnung und - tatata – ich habe den Bezirk geschafft, sodass
ich morgen einen neuen Bezirk betreten darf, der vielleicht viel
interessanter und erlebnisreicher ist, und wenn ich es gestern gut
gemacht habe, bekomme ich heute ein neues Rad und eine elegantere
Uniform, dafür muss ich aber auch in Häusern zustellen, die noch
schwieriger sind als es gestern war. Aber ich habe ja schon gelernt und
Erfahrung, uns so komme ich immer weiter, von einem Bezirk zum
anderen. In der Spielesprache heißt das: hochleveln. Das ist viel Arbeit.
Parodiert wird der Arbeitseifer in der Fernsehserie Southpark, in der Folge
„Make love not warcraft“, wobei sich die Figuren hochleveln, indem sie im
Elwynn forst bei den Westfällen in 7-wöchiger Fleißarbeit insgesamt
65.340.285 Eber erlegen, anstatt auf herkömmlichen Weg einfach ein
paar anspruchvolle Drachen zu erlegen. So übersetzen die elektronischen
Spiele die alten Heldenmythen ins Zeitalter der digitalen Arbeit und geben
dabei den Arbeiten zugleich einen längst verlorenen Zauber zurück.
Rätsel, um weiter zu kommen, erfordern kognitive Höchstleistungen. Ich
zitiere nur kurz einen Text aus Rosenfelder:
Gleichzeitig ist es in vielen Spielen notwendig, Rätsel zu lösen, Objekte zu
finden und Verkettungen herzustellen. Das schönste und sinnloseste
Beispiel für eine lückenlose Verkettung findet sich in einem Pirateninsel-
Adventure namens Monkey Island II: Dort muss der Spieler in einer Bar
eine zuvor erworbene Banane und ein Metronom nutzen, um einen Klavier
spielenden Affen zu hypnotisieren. Den in der Bewegung erstarrten Affen
kann man dann als Rohrzange einsetzen und mit dem Werkzeug eine
Pumpe zudrehen, wodurch wiederum ein ganzer Wasserfall versiegt, so
dass der Zugang zu einem System unterirdischer Katakomben frei wird.
Da muss man erst einmal draufkommen. Verblödend ist so etwas
jedenfalls nicht.
9. Sportlicher Wettbewerb – der Beste sein
Vortrag R. Wölfle: „Die Flucht in die Virtualität ...“ Vortrag St. Arbogast 090914
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