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Die Flucht in die Virtualität – Wenn der Schein die Realität ersetzt

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So glaube ich, dass virtuelle Welten ke<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>welten s<strong>in</strong>d. O<strong>der</strong><br />

irgendwie doch. Es ist etwas da, das wahrgenommen werden kann, ich<br />

kann es be<strong>die</strong>nen, och kann etwas damit tun. Das geht bei re<strong>in</strong>en<br />

Fantasieobjekten, also bei Ersche<strong>in</strong>ungen nicht. Vielleicht würde eher<br />

zutreffen, dass das alles nicht sie ist, wie es sche<strong>in</strong>t. Aber das ist jedem<br />

Computerspieler klar. Er weiß, dass er spielt und <strong>die</strong> meisten wissen, dass<br />

sie jetzt am Computer sitzen und dass es <strong>die</strong> Tetriswürfel, <strong>die</strong> vom<br />

Himmel fallen, nicht wirklich gibt.<br />

In e<strong>in</strong>er Literaturstelle habe ich zu <strong>die</strong>sem Gedanken weitere<br />

Ausführungen gefunden, und zwar im Buch „Exodus to the Virtual World“<br />

von Eward Castranova, Professor am und Direktor des Institute for<br />

Graduate Stu<strong>die</strong>s <strong>in</strong> Telecommunications <strong>der</strong> Universität von Indiana,<br />

e<strong>in</strong>em Buch, das mich sehr fasz<strong>in</strong>iert hat und das e<strong>in</strong> roter Faden für<br />

<strong>die</strong>sen Vortrag geworden ist. Er verweist darauf, dass unser Gehirn mit<br />

se<strong>in</strong>en alten und archaischen Anteilen es nach 150 Jahren Geschichte von<br />

Film und mo<strong>der</strong>nen Me<strong>die</strong>n noch nicht geschafft hat, Vorstellung und<br />

<strong>Realität</strong> so ganz e<strong>in</strong>deutig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu trennen, zumal ja auch <strong>die</strong> so<br />

genannte <strong>Realität</strong> nur e<strong>in</strong>e Vorstellung ist, wie es uns ja schon Plato <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Höhlengleichnis von Menschen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhle aufgewachsen<br />

s<strong>in</strong>d und nur Schatten sehen können, schon sehr e<strong>in</strong>drucksvoll erklärt hat.<br />

Unser Gehirn hat jedenfalls Schwierigkeiten, e<strong>in</strong>en Filmhai und e<strong>in</strong>en<br />

realen Hai vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu unterscheiden. Dazu braucht es auf jedenfalls<br />

e<strong>in</strong>e aktive Schaltung zu unseren jüngeren Gehirnteilen, zum Neocortex,<br />

<strong>der</strong> grauen Substanz und <strong>der</strong> kognitiven Korrektur: „Reg dich nicht auf,<br />

das ist nur e<strong>in</strong> Film, <strong>der</strong> Hai ist nicht echt und das Mädchen das gerade<br />

noch so fröhlich und entspannt im Meer pritschelt, wird nicht wirklich<br />

gefressen.“ Bei mir ist <strong>die</strong>se Verb<strong>in</strong>dung nur rudimentär ausgeprägt, ich<br />

habe mich mit 16 o<strong>der</strong> 17 Jahren sehr geschreckt, als ich im K<strong>in</strong>o den<br />

„Weißen Hai“ gesehen habe, e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> traumatisierendsten Ereignisse<br />

me<strong>in</strong>es Lebens, das mir jetzt noch zu schaffen macht, weil ich nicht mehr<br />

gerne im offenen Wasser schwimme, was mir zuvor großen Spaß gemacht<br />

hat <strong>–</strong> nicht e<strong>in</strong>mal im Bodensee o<strong>der</strong> im Alten Rhe<strong>in</strong>, wo es nach me<strong>in</strong>em<br />

Wissen bis dato noch ke<strong>in</strong>e Sichtungen von Haien gegeben hat.<br />

Menschen mit Phobien werden mich verstehen. Auch bei ihnen gibt es<br />

problematische Verschaltungen, sodass e<strong>in</strong> Betroffener o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Betroffene mit e<strong>in</strong>er Sp<strong>in</strong>nenphobie schon ausrasten und e<strong>in</strong>e<br />

Panikattacke erleiden kann, wenn er o<strong>der</strong> sie nur e<strong>in</strong> Bild von e<strong>in</strong>er Sp<strong>in</strong>ne<br />

sieht.<br />

So vermischen sich auch bei <strong>der</strong> Betrachtung von Videospielwelten <strong>die</strong><br />

Ebenen, da wir alle über Jahrmillionen darauf konditioniert waren, dass es<br />

alles, was wir sehen, auch wirklich gibt.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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