Deutscher Stahlbautag - Verlagsgruppe Wiederspahn
Deutscher Stahlbautag - Verlagsgruppe Wiederspahn
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<strong>Deutscher</strong><br />
<strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010<br />
in Weimar<br />
Tagungsband<br />
Stahlbauforum<br />
Baukultur ... | Internationale Projekte der Stahlarchitektur<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Tradition und Moderne: Yas Marina Circuit, Abu Dhabi | Planung und Ausführung der Elbebrücke Mühlberg<br />
Architektur Stahlbau: Rhein-Galerie Ludwigshafen | Airport BBI: Die Stahlkonstruktion des Terminals<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Qualitätsüberwachung im Kraftwerksbau | Qualitätsmanagement im Kraftwerksbau
BRÜCKENBAU<br />
CONSTRUCTION & ENGINEERING<br />
Mit kompetenten Referenten, ausgewählten Beiträgen<br />
und interessierten Teilnehmern starten wir in das<br />
zweite Jahrzehnt unserer Veranstaltungsreihe<br />
BRÜCKENBAU IST BAUKULTUR<br />
und laden zum<br />
11. Symposium Brückenbau<br />
7. + 8. Februar 2011<br />
Unter www.mixedmedia-konzepts.de bzw.<br />
www.verlagsgruppewiederspahn.de sind<br />
genaue Informationen wie Themenplan,<br />
Referentenverzeichnis, Anmeldemodalitäten<br />
und Teilnehmergebühren in Kürze zu erhalten.<br />
Wir freuen uns auf Sie.<br />
wiederum nach Leipzig in das THE WESTIN ein.<br />
V E R L A G S G R U P P E<br />
W I E D E R S P A H N<br />
mit MixedMedia Konzepts<br />
Biebricher Allee 11 b<br />
65187 Wiesbaden<br />
Tel.: 0611/98 12 920<br />
Fax: 0611/80 12 52<br />
kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de<br />
www.verlagsgruppewiederspahn.de<br />
www.mixedmedia-konzepts.de
Inhalt<br />
Stahlbauforum<br />
4 Baukultur ...<br />
Michael Braum<br />
7 Internationale Projekte der Stahlarchitektur<br />
Armin Franke<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
11 Tradition und Moderne: Yas Marina Circuit, Abu Dhabi<br />
Dipl.-Ing. Dirk Lehmann<br />
17 Planung und Ausführung der Elbebrücke Mühlberg<br />
Wolfgang Eilzer<br />
24 Architektur Stahlbau: Rhein-Galerie Ludwigshafen<br />
Jochen Bartenbach<br />
28 Airport BBI: Die Stahlkonstruktion des Terminals<br />
Uwe Heiland, Thomas Stihl, Peter Roßmeier<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
32 Qualitätsüberwachung im Kraftwerksbau<br />
Dipl.-Ing. Jörg Mährlein<br />
36 Qualitätsmanagement im Kraftwerksbau<br />
Peter Schäfer, Alexander Lieber<br />
42 Impressum<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
3
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
1 Über Stahl hinaus<br />
Vor gut 250 Jahren trat der aus Eisenerz gewonnene<br />
Baustoff seinen Siegeszug in der<br />
Geschichte des Bauens an. Seitdem wir mit<br />
Stahl bauen, hilft er uns, größere Konstruktionen<br />
mit weniger Material zu bauen, verkürzt<br />
Bauzeiten und ermöglicht größere Spannweiten.<br />
Bei all diesen quantitativen Betrachtungen<br />
ist noch keine Aussage über Qualitäten<br />
getroffen, die direkt mit unserem Leben zu<br />
tun hätten. Orte, an denen wir uns wohlfühlen,<br />
zeichnen sich aber durch ein komplexeres<br />
Austarieren unterschiedlichster Bedingungen<br />
und Möglichkeiten aus. Insofern ist die Materialität<br />
im Mobile der Baukultur nur einer von<br />
unterschiedlichen Parametern.<br />
Prof. Dipl.-Ing. Michael Braum,<br />
Vorstandsvorsitzender,<br />
Bundesstiftung Baukultur<br />
4<br />
Stahlbauforum<br />
Baukultur...<br />
Vielleicht erscheint es töricht, anlässlich des<br />
Deutschen <strong>Stahlbautag</strong>es und der Verleihung<br />
des Deutschen Stahlbaupreises die Materialfrage<br />
beiseitezuschieben, aber es liegt mir<br />
am Herzen, Sie für die gemeinsame Lobbyarbeit<br />
für Baukultur zu gewinnen. Natürlich<br />
freue ich mich über den Preis des Deutschen<br />
Stahlbaues, den Architekturpreis Beton, den<br />
Deutschen Holzbaupreis und andere Preise,<br />
aber dabei sollten wir nicht vergessen, dass<br />
es zuallererst eine Nachfrage nach Qualität<br />
auch in unseren alltäglichen Bauaufgaben zu<br />
wecken gilt. Nur dann können alle Baustoffhersteller<br />
und -branchen sicher sein, dass sie<br />
zukunftsfähig bleiben.<br />
Denn eines muss klar sein: Die Materialität<br />
eines Bauwerks sollte nie von vornherein bestimmt<br />
sein. Sie kann sich allein aus dem Ort,<br />
den räumlichen bzw. konstruktiven Lösungs-<br />
Bild 2: Monbijoubrücke, Berlin<br />
© Carl Zillich<br />
Bild 1: Black Peacock<br />
© Corbis<br />
ansätzen und ästhetischen Vorstellungen<br />
entwickeln. Die viel beschworene Nachhaltigkeit<br />
ist für mich ein Resultat aus eben diesem<br />
Austarieren gestalterischer Ambitionen,<br />
das selbstverständlich auch die Nutzerbedürfnisse<br />
und wirtschaftliche Erwägungen<br />
einschließt.<br />
Damit möchte ich auch betonen, dass wir uns<br />
– heute mehr denn je – in den Debatten: »In<br />
welchem Stile wollen wir bauen?«, der Frage<br />
»Wie wollen wir leben?« stellen müssen. Und<br />
zwar nicht, um die Gestaltungskompetenz an<br />
die Bevölkerung abzutreten, aber um ihr Bedürfnis<br />
nach Identitätsstiftung durch Baukultur<br />
ernst zu nehmen. Es kann nicht sein, dass<br />
wir das Feld der Flut von Rekonstruktionen<br />
überlassen, gleichzeitig die Baudenkmäler<br />
– auch der Nachkriegsmoderne – abreißen<br />
oder verkommen lassen.
Bild 3: Portikus, Frankfurt am Main<br />
© Christoph Lison<br />
Diesen komplexen Bedürfnissen helfen wir<br />
nicht weiter, indem wir proklamieren, dass<br />
Architektur aus Stahl und Glas die zeitgenössische<br />
Wahrheit sei, so wie auch die<br />
Neuinterpretation alter Typologien kein Tabu<br />
sein sollte. Vielmehr sollten wir wieder mehr<br />
in eine Ideenkonkurrenz eintreten, bei der<br />
es durchaus visionär zugehen sollte, wie bei<br />
einem Einfamilienhaus von Meixner Schlüter<br />
Wendt. Oder anspruchsvoll, aber ökonomisch,<br />
wie bei der gleichen Bauaufgabe, hier entworfen<br />
von Julia Bergmann. Beide Projekte<br />
bauen übrigens aus ganz unterschiedlichen<br />
Entwurfsansätzen auf Stahl als grundlegenden<br />
Baustoff.<br />
Bild 6: Olympiastadion München<br />
© Olympiapark München GmbH<br />
Bild 4: Wohnhaus F, Kronberg<br />
© Meixner Schlüter Wendt Architekten<br />
Stahlbauforum<br />
Tatsächlich ist der Baustoff Stahl eher bei<br />
unkonventionellen oder nicht alltäglichen<br />
Bauvorhaben anzutreffen, wie die Geschichte<br />
zeigt. Umso zeichenhafter gelang es Günther<br />
Behnisch und Frei Otto, zur Olympiade 1972<br />
ein Zeichen zu setzen, bei dem ein moderner<br />
Baustoff Möglichkeiten eröffnete, anstatt<br />
Bedingungen zu stellen. Aber auch eine sich<br />
gegenüber einem denkmalwürdigen Stadion<br />
zurücknehmende Gestaltung, am Berliner<br />
Olympiastadion von gmp (mit Schlaich Bergermann<br />
und Partner) als kontrastierendes<br />
Moment, kann die richtige Antwort für die<br />
Überdachung der Massen sein.<br />
Bild 7: Olympiastadion Berlin<br />
© gmp/Marcus Bredt<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
5<br />
Bild 5: Einfamilienhaus, Potsdam<br />
© Thorsten Klapsch<br />
2 Maß halten<br />
Im Sinne der Baukultur gilt es, maßzuhalten<br />
und sich immer wieder neu zu fragen, welchen<br />
Beitrag die Veränderung der gebauten<br />
Umwelt zu derselben zu leisten vermag. So ist<br />
eben der Vorplatz des Seagram Building von<br />
Mies van der Rohe die eigentliche Revolution<br />
im durchökonomisierten Manhattan, obwohl<br />
das Gebäude selbst durch Kupfer- bzw.<br />
Bronze-Einfärbung der sichtbaren Stahl- und<br />
Glaskonstruktion eine ebenso einzigartige<br />
Objekthaftigkeit hervorbringt.<br />
Die Suche nach Identifikation bleibt die entscheidende<br />
Herausforderung. Gerade bei der<br />
Planung unserer Infrastruktur wird eine ortsspezifische<br />
Gestaltung nicht nur von Richtli-
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 8: Seagram Building, New York<br />
© Norton/Wikipedia<br />
Bild 10: Humboldthafenbrücke, Berlin<br />
© schlaich bergermann und partner<br />
6<br />
Stahlbauforum<br />
nien erschwert. Auch bestimmte »Schulen«<br />
und »Lobbys« helfen dabei, Masse statt Klasse<br />
durch unsere Städte rauschen zu lassen. Da<br />
muss die Brücke am Berliner Hauptbahnhof<br />
von Jörg Schlaich als Positivbeispiel herhalten,<br />
weil sie eben nicht nur Beton als Baustoff<br />
kennt.<br />
Die größte Herausforderung bleibt der frühzeitige<br />
und ehrliche Dialog der unterschiedlichen<br />
beteiligten Disziplinen, um mit Lösungen<br />
unsere Lebenswelten zu bereichern,<br />
die eben nicht dem Katalog entspringen,<br />
sondern gleichwertige, aber auch mal andere<br />
Entwurfsideen ermöglichen. Dass dabei Tragwerksplaner<br />
und Architekt nicht alleine zum<br />
Ziel gelangen, zeigt deutlich die gleich nebenan<br />
stehende Brücke von Santiago Calatrava,<br />
wo offensichtlich erst nach dem Entwurf der<br />
Anprallschutz in »deutscher Gründlichkeit«<br />
ergänzt wurde und dadurch die elegante<br />
Leichtigkeit des Brückentragwerks kaum<br />
mehr zur Geltung kommt.<br />
Bild 11: Kronprinzenbrücke, Berlin<br />
© Carl Zillich<br />
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wieder<br />
auf die Tagesordnung aller Beteiligten zu setzen.<br />
Nur wenn frühzeitig unterschiedlichste<br />
Kompetenzen zusammengeführt werden,<br />
können wir in unserer komplexen Planungswelt<br />
ein austariertes Mobile der Baukultur erreichen,<br />
als dessen Resultat schöne Bauten zu<br />
bewundern sind. Umso angemessener ist das<br />
Paar der diesjährigen Preisträger, die beide<br />
auf konträre Weise elegant sind. Beide schaf-<br />
fen neue Identität, die Landmarke mit einem<br />
konsequent verschwenderischen Einsatz von<br />
Stahl, das Stadion mit einem konsequent<br />
sparsamen Einsatz desselben Baustoffs. Diese<br />
Spanne zeigt auf, was Baukultur jenseits aller<br />
Prozess- und Streitkultur vor allem bedeutet:<br />
Bild 9: Landmarke Lausitzer Seenland<br />
© Carl Zillich<br />
die Bauaufgabe und den Kontext jenseits der<br />
Materialfrage als Gestaltungsaufgabe selbstständig<br />
zu interpretieren.
1 Fassadenentwürfe<br />
optimieren und baubar machen<br />
Mit Stahl und Glas werden selbst komplexe<br />
Geometrien baubar. International renommierte<br />
Architekten setzen Stahl beispielsweise<br />
für freie und filigrane Formen ein. So<br />
hat Wolf D. Prix vom Wiener Architekturbüro<br />
Coop Himmelb(l)au Gebäude in Form einer<br />
Wolke wie beim Dach der BMW-Welt in<br />
München oder beim Musée des Confluences<br />
in Lyon gestaltet. Oder der japanische Prizker-<br />
Preisträger Fumihiko Maki das Ismaili Center<br />
in Ottawa in Form eines Kristalls. Aufgrund<br />
seiner guten statischen Eigenschaften bietet<br />
sich der klassische Werkstoff Stahl für solche<br />
modernen Bauformen an.<br />
Dr. Armin Franke,<br />
Geschäftsführer,<br />
Gartner Steel and Glass GmbH<br />
Diese neue Stahlarchitektur eröffnet Stahl-<br />
und Fassadenbauern Chancen. Gleichzeitig<br />
muss der Fassadenbauer aber auch eine<br />
neue Rolle übernehmen, da bei komplexen<br />
Bauprojekten, die noch vor wenigen Jahren<br />
als unbaubar galten, die Fassadenbauer als<br />
Berater des Architekten gefordert werden. Sie<br />
müssen Fassadenentwürfe des Architekten<br />
detaillieren, optimieren und damit letztlich<br />
baubar machen. Das setzt voraus, dass der<br />
Fassadenbauer sich frühzeitig und intensiv<br />
mit den Ideen des Architekten auseinandersetzt.<br />
Stahlbauforum<br />
Internationale Projekte der Stahlarchitektur<br />
Im folgenden Beitrag werden internationale<br />
Projekte der Stahlarchitektur aus Sicht des<br />
Fassadenbauers beschrieben. Wie verändern<br />
sich das Verhältnis und die Kommunikation<br />
zwischen Architekt und Fassadenbauer? Und<br />
wie kann der Fassadenbauer architektonische<br />
Entwürfe in der Geometrie, bei den Materialien<br />
und bei den Kosten optimieren? Am Beispiel<br />
von vier aktuellen Bauprojekten, die eine<br />
Fassade von Gartner Steel and Glass erhalten,<br />
werden die architektonische Idee und ihre<br />
Optimierung bei der Fassade skizziert.<br />
2 Anbieter im<br />
architektonischen Stahlbau<br />
Im architektonischen Stahlbau hat sich<br />
Gartner Steel and Glass – Architectural<br />
Structures zu einem der führenden Anbieter<br />
entwickelt. Das Würzburger Unternehmen<br />
baute beispielsweise die Stahlfassade für die<br />
BMW-Welt München und das Flughafengebäude<br />
für den neuen Superjumbo A 380 in<br />
Dubai. Gartner Steel and Glass gehört zum<br />
italienischen Baukonzern Permasteelisa, dem<br />
weltweit führenden Unternehmen im Bereich<br />
der architektonischen Gebäudehüllen mit<br />
5.500 Mitarbeitern und einem Umsatz von<br />
mehr als einer Milliarde Euro. In Deutschland<br />
wird der Konzern durch die Gartner-Gruppe<br />
repräsentiert.<br />
3 Fassadenbauer<br />
als Berater des Architekten<br />
Anspruchsvolle Architekten wollen etwas<br />
Neues, noch nicht Dagewesenes bauen. Beim<br />
Musée des Confluences skizzierte Wolf D. Prix<br />
von Coop Himmelb(l)au zunächst ein Strichmuster.<br />
Aber dieses Muster ist letztlich der<br />
Bauplan für das im Bau befindliche Science-<br />
Museum in Lyon. Es kombiniert zwei architektonische<br />
Körper, einen Kristall als Eingangshalle<br />
mit einer Wolke, was auf das Wissen der<br />
Zukunft weist. Landschaften aus Rampen und<br />
Ebenen sollen die Grenze zwischen innen und<br />
außen auflösen. Die verschachtelte und filigrane<br />
Form ist eine besondere technische Herausforderung<br />
für den Fassadenbau. Mit Stahl<br />
und Glas müssen einzelne Fassadenelemente<br />
so gestaltet werden, dass sie diese freie Form<br />
abbilden und gleichzeitig die notwendigen<br />
Anforderungen an Statik, Dichtigkeit, Wärme-<br />
und Sonnenschutz erfüllen.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Toparchitekten lassen sich gerne in der Entwurfsphase<br />
von erfahrenen Fassadenbauern<br />
beraten. So können sie frühzeitig auf das<br />
Know-how und das Wissen über neue Materialien,<br />
die Konstruktion und Statik zurückgreifen.<br />
Die Ingenieure und Experten des Fassadenbauers<br />
sind damit bereits in einer frühen<br />
Entwurfsphase gefordert und müssen sich<br />
in interdisziplinären und internationalen<br />
Expertenteams bewähren. So können grundlegende<br />
Fragen schnell und unbürokratisch<br />
entschieden werden. Die Grundfragen lauten<br />
immer: Was ist machbar, mit welchem Ergebnis<br />
und zu welchen Kosten? Statt eines<br />
ausführenden Gewerks wird der Fassadenbau<br />
damit zu einem Partner am Bau, der sich in<br />
die Ideen des Architekten hineindenken und<br />
seine Vorstellungen genau verstehen muss.<br />
Mit der frühen Einbindung gewinnt der Fassadenbauer<br />
auch einen Vorsprung für die<br />
spätere Ausschreibung und Auftragsbearbeitung.<br />
Und mit einer kompetenten Beratung<br />
wächst das Vertrauen zwischen den am Bau<br />
Beteiligten.<br />
7
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 1: Grand Canal Theatre in Dublin<br />
© Ros Kavanagh<br />
4 Grand Canal Theatre in Dublin<br />
Für das neu bebaute Hafenviertel von Dublin<br />
hat der amerikanische Architekt Daniel<br />
Libeskind ein Theater mit über 2.100 Sitzplätzen<br />
entworfen. An der Mündung des Grand<br />
Canal hat er mit dem Grand Canal Theatre<br />
die Hauptfassade einer neuen öffentlichen<br />
Piazza errichtet. Sein architektonisches Konzept<br />
orientiert sich an einem Theater mit<br />
verschiedenen Bühnen und Vorhängen. Das<br />
Theater selbst ähnelt einem scharfkantigen<br />
und glitzernden Kristall und ist als eigene<br />
Bühne konzipiert, ebenso wie der öffentliche<br />
Raum vor dem Theater und die verschiedenen<br />
Ebenen der Theaterlobby oberhalb der Piazza.<br />
Die Piazza wird damit Teil des Theaters und zu<br />
einem spektakulären Treffpunkt. Den Eingang<br />
zum Theater entwarf Libeskind in Form eines<br />
Theatervorhangs aus Stahl und Glas. Zwei<br />
sich überlappende Stahl-Glas-Fassaden sollen<br />
Besuchern den Eindruck vermitteln, durch<br />
einen Theatervorhang das neue Wahrzeichen<br />
der irischen Hauptstadt zu betreten.<br />
Ingesamt fertigte Gartner Steel Stahl-Glas-<br />
Fassaden mit einer Glasfläche von 1.500 m²<br />
sowie eine Dach- und Fassadenkonstruktion<br />
mit einer 4.000 m² großen Edelstahlverkleidung.<br />
Besonders die geknickten Dach- und<br />
Fassadenflächen von Libeskind stellten<br />
außergewöhnliche Herausforderungen an<br />
die Stahlkonstruktion. Die Eingangsfassade<br />
besteht beispielsweise aus einer 24,25 m<br />
hohen Struktur mit einer freien Spannweite<br />
von 25 m und einer lichten Breite von 48 m.<br />
Normalerweise hätte diese Konstruktion<br />
am Stück gefertigt und auf der Baustelle<br />
geschweißt werden müssen, da der Architekt<br />
keine sichtbaren Schrauben wollte. Gartner<br />
hat stattdessen eine elementierte Bauweise<br />
mit unsichtbaren Schraubverbindungen<br />
vorgeschlagen. So konnte die Vorstellung des<br />
Architekten einfacher umgesetzt werden.<br />
8<br />
Stahlbauforum<br />
Bild 2: Grand Canal Theatre in Dublin<br />
© Ros Kavanagh<br />
Libeskind wollte auch den Eindruck erzeugen,<br />
dass das Glas 25 m vom Boden bis zum Dach<br />
läuft. Besucher sollen entlang der Verglasung<br />
in den Himmel sehen, ohne durch Kanten<br />
gestört zu werden. An der sekundären Glasstruktur<br />
sind deshalb keine Riegel sichtbar.<br />
Gartner hat dafür spezielle Glaslager entwickelt,<br />
die auf den Pfosten befestigt sind. Sie<br />
verschwinden in der Glasfuge und müssen<br />
neben dem Eigengewicht auch das Glas halten.<br />
Bisher war das nur bei Fassaden bis zu einer<br />
Höhe von 9 m möglich. Allein das Gewicht<br />
eines Glases beträgt 340 kg.<br />
Eine weitere Herausforderung waren Profile<br />
mit einer Größe von 500 mm × 500 mm – üblich<br />
sind bis zu 100 mm × 100 mm. Vier solcher<br />
Profile laufen bei der Konstruktion baumartig<br />
zusammen. Um die geforderte Präzision zu<br />
erreichen, wurden die Profile im Gartner-<br />
Werk in Gundelfingen zusammengeschweißt<br />
und zur Probe aufgebaut. So konnte das Ziel<br />
der Null-Toleranz erreicht werden. Denn die<br />
geknickten Flächen, die aufeinanderstoßen,<br />
mussten ohne Ausgleichsmöglichkeit gefertigt<br />
werden. Auf der Oberfläche des Edelstahls<br />
wollte Libeskind besondere Lichtspiele<br />
erzeugen. Auf Vorschlag von Gartner wurde<br />
deshalb die Oberfläche des Edelstahls unter<br />
Öl geschliffen. Nachträglich lässt sie sich nicht<br />
mehr bearbeiten.<br />
Bild 3: SC Johnson in Racine<br />
© Pete Selkowe/racinepost.com<br />
5 SC Johnson Honor Fortaleza Hall<br />
Der Firmensitz von SC Johnson im amerikanischen<br />
Bundesstaat Wisconsin wurde um eine<br />
Ausstellungshalle für ein Explorationsflugzeug,<br />
ein Atrium mit einer Cafeteria und anderen<br />
Sozialeinrichtungen für die Mitarbeiter<br />
sowie ein Gemeinschaftsgebäude erweitert.<br />
Sir Norman Foster entwarf dafür die Fortaleza<br />
Hall in Form einer gläsernen Ellipse mit einem<br />
Skylight sowie ein gläsernes Atrium. Die elliptisch<br />
geformte Fortaleza Hall ist vollkommen<br />
transparent, um eine 360-Grad-Sicht auf das<br />
Bild 4: SC Johnson in Racine<br />
© Pete Selkowe/racinepost.com
historische Sikorsky-Flugzeug zu ermöglichen,<br />
das unter dem zentralen Okulus-Skylight<br />
schwebt. So wirkt das Flugzeug mit einer<br />
Spannweite von 22 m, als ob es sich im Flug<br />
befände. Im Kontrast zu den benachbarten<br />
Gebäuden von Frank Lloyd Wright, die eher<br />
solide wirken, erscheint die neue Ausstellungshalle<br />
leicht und offen.<br />
Sir Norman Foster wollte eine maximal mögliche<br />
Transparenz erreichen. Es sollten so wenig<br />
Stahl und so große Scheiben wie möglich<br />
verwendet werden. Für diese spezifischen<br />
Anforderungen hat Gartner Steel in einem<br />
Design-Assist-Vertrag intelligente technische<br />
Lösungen entwickelt, die sich allerdings<br />
erheblich auf den Rohbau auswirkten, um<br />
die hohen Lasten in den Beton einleiten zu<br />
können. Gartner Steel entwickelte beispielsweise<br />
zehn schlanke Stahlstützen. Diese<br />
außenliegenden unverkleideten Stützen<br />
erfüllen höchste Ansprüche und tragen das<br />
sichtverkleidete ovale Dachtragwerk, das aus<br />
Stahlfachwerkträgern besteht. In der Mitte<br />
des elliptischen Tragwerks befindet sich das<br />
151 m² große Okulus-Skylight.<br />
Foster wollte die Fassaden auch nicht horizontal<br />
an die Stützen anbinden. Gartner<br />
Steel hat die eingesetzten Zugstäbe, die an<br />
der Dachstruktur abgehängt sind, deshalb<br />
mit einer extrem hohen vertikalen Vorspannung<br />
versehen. Diese Zugstäbe aus Edelstahl<br />
mit der Festigkeitsklasse 1030 haben einen<br />
Durchmesser von 52 mm – normal wäre die<br />
Festigkeitsklasse 460. Die vertikalen, mit 50 t<br />
vorgespannten Zugstäbe bilden die einzigen<br />
vertikalen Tragelemente.<br />
Foster bestand ebenfalls auf maximalen<br />
Scheibengrößen. Gartner Steel hat deshalb<br />
6 m breite und 2,20 m hohe zylindrisch gekrümmte<br />
Verbundsicherheitsscheiben gewählt,<br />
die mit einer Silikonverklebung an der<br />
Tragstruktur befestigt werden. Die horizontale<br />
Tragstruktur wird aus liegenden T-förmigen<br />
Stahlträgern gebildet, die mit den bereits<br />
genannten Zugstäben von der Dachkonstruktion<br />
abgehängt werden. Die Scheiben<br />
übernehmen auch tragende Funktionen und<br />
steifen die Konstruktion aus.<br />
Nach Lösung der genannten technischen<br />
Probleme im Design Assist wurde Gartner<br />
Steel auch mit der Produktion und Abwicklung<br />
beauftragt. Insgesamt fertigte Gartner<br />
Steel Fassadenflächen mit einer Größe von<br />
1.250 m², 500 t T-Profile und 5 t Edelstahlzugstäbe<br />
sowie 250 t Stahl für Dach und Stützen.<br />
Stahlbauforum<br />
Bild 5: Canadian Museum of Human Rights in Winnipeg<br />
© Antoine Predock<br />
6 Canadian Museum of Human Rights<br />
Beim Canadian Museum of Human Rights in<br />
Winnipeg hat sich der amerikanische Architekt<br />
Antoine Predock von Wolken, Steinen<br />
und Eisbergen inspirieren lassen. Das nationale<br />
Museum für Menschenrechte entsteht<br />
an einem historisch bedeutsamen Ort am<br />
Zusammenfluss des Assiniboine und Red<br />
River. Seine Architektur soll das Verbindende<br />
der Menschheit ausdrücken. Besucher gelangen<br />
zunächst unter die Erde und dann über<br />
verschiedene Rampen und Flächen zu einem<br />
Tower of Hope, der als Spitze eines Eisbergs<br />
rund 100 m über das Gelände ragt und einen<br />
grandiosen Ausblick bietet.<br />
Der Hauptteil des Gebäudes besteht aus fünf<br />
Gebäudeflügeln. Predock hatte für diese Freiformfläche<br />
in Form einer Wolke zunächst individuell<br />
gebogene Glasscheiben und zueinander<br />
verdrehte Vierendeelträger vorgesehen.<br />
Äußere Befestigungen sollten nicht sichtbar<br />
sein. Deshalb sollten die Glasauflager und<br />
Glasbefestigungen verdeckt in der Silikonfuge<br />
liegen. Gartner Steel erhielt zuerst einen<br />
Design-Assist-Vertrag, um die Konstruktion<br />
zu optimieren und an das Budget des Kunden<br />
anzupassen. In Zusammenarbeit mit dem Architekten<br />
wurde dann die Geometrie der Wolke<br />
optimiert, ohne das Erscheinungsbild zu<br />
verändern. So entwickelte Gartner Steel eine<br />
Lösung mit flachen Scheiben ohne Biegung<br />
und mit geraden Vierendeelträgern.<br />
Die Scheiben konnten von außen unsichtbar<br />
befestigt werden. Auch die bauphysikalischen<br />
Anforderungen konnten in einem Großversuch<br />
bestätigt werden. Denn auch bei extremer<br />
Kälte in den Wintermonaten bis zu -38°C<br />
muss die Fassade kondensatfrei sein.<br />
Neben dem Turm sollte auch die Wolke<br />
schindelartig verglast werden. Im Rahmen<br />
des Design Assist konnte Gartner Steel eine<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 6: Canadian Museum of Human Rights<br />
© Antoine Predock<br />
Lösung präsentieren, bei der der erhebliche<br />
Einfluss der Windlasten berücksichtigt wurde.<br />
In einem spezifischen statischen Modell hat<br />
Gartner deshalb iterativ die maximale Scheibengröße<br />
in Abhängigkeit von der Windlast<br />
ermittelt.<br />
Aus dem Hauptgebäude in Form der Wolke<br />
ragt der Tower of Hope heraus. Charakteristisch<br />
ist die Verglasung aus sich überlappenden<br />
Teilflächen, um den Eindruck von Schindeln<br />
zu erzeugen. Beim Turm konnte Gartner<br />
die Geometrie und die Anschlüsse optimieren.<br />
So wurden Schnittstellen zwischen der<br />
Primär- und Sekundärkonstruktion reduziert.<br />
Am Ende des Design Assist konnten sowohl<br />
die Budgetvorgaben des Kunden als auch die<br />
Forderungen und Vorstellungen des Architekten<br />
zu Form und Funktion erfüllt werden.<br />
Im Juli 2009 wurde Gartner Steel schließlich<br />
mit der Planung, Lieferung und Montage der<br />
Gebäudehülle beauftragt.<br />
9
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
7 Musée des Confluences in Lyon<br />
Im ehemaligen Industriegebiet von Lyon wird<br />
am Zusammenfluss von Rhône und Saône<br />
zurzeit ein neues Science-Center errichtet, das<br />
sich mit Zukunftsfragen der Technik, Biologie<br />
und Ethik beschäftigt. Diese Themen sollen<br />
nach den Vorstellungen der Wiener Architekten<br />
von Coop Himmelb(l)au in einer Wolke<br />
des Wissens, einem »weichen Raum aus verborgenen<br />
Strömen und unzähligen Übergängen«,<br />
präsentiert werden. Besucher betreten<br />
diese Museumswolke über einen Baukörper<br />
in Form eines Kristalls, der als urbanes Forum<br />
und Eingangshalle dient. Während die klaren<br />
Formen des Kristalls die gegenwärtige Welt<br />
symbolisieren sollen, steht die Bauform der<br />
veränderbaren Wolke für die Zukunft.<br />
Sowohl die Gebäudehülle in Form eines<br />
Kristalls als auch die Wolke stellen den Fassadenbau<br />
vor schwierige Aufgaben. Die Hülle<br />
aus Stahl und Glas muss auch höchste Anforderungen<br />
an Statik, Dichtigkeit, Wärme- und<br />
Sonnenschutz erfüllen. Der anspruchsvollste<br />
Bauteil ist dabei der Kristall aus 32 unterschiedlich<br />
geneigten Teilflächen.<br />
Bild 7: Musée des Confluences in Lyon<br />
© Isochrom.com<br />
31 dieser sogenannten Facetten sind komplexe<br />
Glasflächen, die mit einer Sekundärstruktur<br />
gehalten und vor die Primärstruktur aus<br />
schwerem Stahlbau gehängt werden. Gartner<br />
Steel hat diese geschweißte Struktur optimiert<br />
und die Schraubstöße mit Kopfplatten<br />
verdeckt. Auch musste der Fassadenbau komplexe<br />
geometrische Anforderungen an den<br />
Primärstahl lösen.<br />
Die 32. Facette, der sogenannte Puits de Gravité,<br />
ist das architektonische Highlight des<br />
Projekts. Wie ein 30 m hoher Trichter erstreckt<br />
sich diese Freiformstruktur vom Dach bis zum<br />
Boden. Sie besteht teilweise aus zweifach<br />
sphärisch gebogenen Glasscheiben, die im<br />
10<br />
Stahlbauforum<br />
unteren Bereich lediglich über eine Silikonverklebung<br />
gehalten werden. Um im Winter<br />
Schneeansammlungen im Trichter schneller<br />
abzutauen, hat Gartner einen Zwischendeckel<br />
aus beheiztem Glas entwickelt. Für die<br />
Primär- und Sekundärstruktur des Kristalls<br />
verbaut Gartner 500 t Stahl. Seine Glasfläche<br />
inklusive gebogenem und beheiztem Glas<br />
umfasst 3.500 m². Außerdem fertigt Gartner<br />
700 m² Sonnenschutz sowie Sonderentwicklungen<br />
für Lüftungs- und RWA-Flügel von<br />
rund 300 m².<br />
Für den mit Edelstahl verkleideten Bauteil<br />
Wolke wird Gartner Steel elf verglaste Teilflächen<br />
fertigen. Diese Verrières bestehen aus<br />
Isolierglaseinheiten, die von einer Stahlstruktur<br />
gehalten werden und für die besondere<br />
akustische Anforderungen gelten.<br />
Bild 8:Musée des Confluences in Lyon<br />
© Coop Himmelb(l)au<br />
8 Fazit<br />
Die Entwicklung und Umsetzung komplexer<br />
Freiformstrukturen stellen Architekten vor<br />
vielfältige Herausforderungen. Erfahrene<br />
Fassadenbauer können dabei helfen, diese<br />
Strukturen baubar zu machen. Sie können die<br />
Komplexität reduzieren, einfachere und sichere<br />
Lösungen finden und vor allem die Kosten<br />
verringern. Diese Erfahrungen hat Gartner<br />
Steel auch mit anderen renommierten Architekten<br />
wie Frank O’Gehry, Renzo Piano, Zaha<br />
Hadid oder Herzog & de Meuron gemacht.<br />
Eine gute Möglichkeit ist der im Ausland übliche<br />
Design-Assist-Vertrag, um architektonische<br />
Entwürfe noch vor der Auftragsvergabe<br />
zu optimieren. In dieser frühen Phase eines<br />
Projekts können in intensiver Diskussion und<br />
Zusammenarbeit mit den Architekten und<br />
Planungsingenieuren neue Lösungen für die<br />
Ideen der Architekten entwickelt werden. So<br />
wachsen die Ingenieure und Experten des<br />
Fassadenbauers zunehmend in die Rolle eines<br />
Partners und Beraters. Unsere Firmenphilosophie<br />
lautet deshalb: »We realize your visions<br />
in steel and glass.«
1 Einleitung<br />
Wo sonst auf der Welt treffen Tradition und<br />
Moderne so aufeinander wie in den Vereinigten<br />
Arabischen Emiraten. Auch nur dort<br />
ist es möglich, ein Bauvorhaben wie das Yas-<br />
Island-Marina-Projekt auszuführen. Und das<br />
in einem Landstrich, der vor 40 Jahren noch<br />
überwiegend Wüstensand, geringe Mengen<br />
Wasser und nach europäischen Vorstellungen<br />
nur spärliche Lebensqualität zeigte.<br />
Dass seit November 2009 die schnellsten<br />
Rennautos dort Runde um Runde ans Limit<br />
für Mensch und Material gehen, verdanken<br />
die Vereinigten Arabischen Emirate den Einnahmen<br />
aus umfangreichen Öl- und Gasvorkommen.<br />
Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing.<br />
Dirk Lehmann,<br />
Claus Queck GmbH<br />
Bild 2: Erster Entwurf<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Tradition und Moderne: Yas Marina Circuit , Abu Dhabi<br />
Bild 1: Übersicht<br />
© Claus Queck GmbH<br />
²<br />
W<br />
Diese Einnahmen nutzten die Emirate in<br />
unterschiedlichster Weise, um ihre Einkommens-,<br />
Lebens- und Entwicklungsbedingungen<br />
zu verbessern. Das fortschrittliche Emirat<br />
Abu Dhabi setzt hierbei auf gehobenen Shopping-,<br />
Event- und Kunsttourismus in einem<br />
angemessenen Umfeld.<br />
Im Auftrag des derzeitigen Herrschers Scheich<br />
Chalifa bin Zayid Al Nahyan wurde die Aldar<br />
Projektentwicklungsgesellschaft beauftragt,<br />
die Insel Yas Island vor Abu Dhabi mit Hotels,<br />
Shopping Malls, Event World Center, Marina<br />
und einer Rennstrecke für den Formel-1-Zirkus<br />
zu planen und zu bebauen. Die Baukosten<br />
wurden vorerst mit ca. 40.000.000.000 US-$<br />
veranschlagt.<br />
²<br />
Für die Formel-1-Rennstrecke wurde das im<br />
Renngeschehen bekannte Aachener Architekturbüro<br />
Tilke Ingenieure ausgewählt, die<br />
komplette Strecke mit Marina und Rennhotel<br />
zu planen und baubegleitend zu überwachen.<br />
Für den Bau der Strecke, Tribünen und Marina<br />
wurde die Fa. Cebarco aus Bahrain beauftragt.<br />
Im Mai 2007 wurden die ersten Entwürfe<br />
für vier Tribünen (Grandstand Main, -West,<br />
-North und -Dragster) sowie diverse Werkstätten,<br />
Küchen-, Verwaltungs-, Sanitär- und<br />
Eingangsgebäuden vorgestellt.<br />
Diese Entwürfe bildeten die Basis für unser<br />
erstes Angebot und sahen folgende Tribünenkonstruktion<br />
vor: Tribünendächer aus Fachwerkträgern<br />
(polygonal gebogen) mit rückwärtigen<br />
Zugstreben und einer Außenhülle<br />
aus Stehfalz-Alu-Blechen. Die Stehfalzbleche<br />
bildeten die Dach- wie auch Deckenschale.<br />
Durch den geschlossenen Baukörper war es<br />
daher möglich, ca. 40.000 Tribünenplätze klimatisiert<br />
auszuführen.<br />
Noch im Mai wurde das erste Angebot für die<br />
angefragte Leistung eingereicht. Ende Juni<br />
2007 gab es außer jeder Menge Wüstensand<br />
und vereinzelt herumstehenden Baumaschinen<br />
noch keinerlei bauliche Aktivitäten. Im<br />
August 2007 äußerte die Verwaltung Abu<br />
Dhabis erste Bedenken, dass der für die Ausführung<br />
vorgesehene Entwurf die typischen<br />
Einflüsse des Landes nicht berücksichtige. Als<br />
typische Merkmale für das Emirat Abu Dhabi<br />
wurden Wüste, Nomadenzelte und die Perlenfischerei<br />
genannt.<br />
Basierend auf diesen Merkmalen entwarf das<br />
Architekturbüro Tilke innerhalb kürzester Zeit<br />
11<br />
W<br />
²<br />
²
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
einen neuen Masterplan. Es wurden typische<br />
Zeltdächer in sandfarbenen Tönen auf eine<br />
Unterkonstruktion aus Rohren geplant. Der<br />
Bezug zur Perlenfischerei sollte sich in der Architektur<br />
der Königsloge in Form einer Perle,<br />
die über allem thront, wiederfinden. Dieser<br />
Entwurf wurde jedoch später verworfen.<br />
Durch die neue Planung mit offenen Zeltdächern<br />
war es nicht mehr möglich, alle Sitzplätze<br />
zu klimatisieren. Von dieser Vorgabe hatte<br />
man mittlerweile aufgrund der in den Sommermonaten<br />
herrschenden Temperaturen bis<br />
50 °C aus wirtschaftlichen und ökologischen<br />
Gründen bereits Abstand genommen.<br />
Es erfolgte eine neue Ausschreibung, und<br />
weltweit wurden Stahlbauunternehmen aufgefordert<br />
für diese Konstruktion ein Angebot<br />
zu erstellen.<br />
Mittlerweile waren jedoch auf Basis der ersten<br />
Planung die Fundamentierungsarbeiten<br />
im Gange und wurden ohne Berücksichtigung<br />
der geänderten Gegebenheiten fortgeführt.<br />
Die nachfolgenden Gewerke hatten sich somit<br />
den neuen Umständen anzupassen.<br />
Im September 2007 wurde ein überarbeitetes<br />
Angebot auf Basis der geänderten Architektur<br />
eingereicht.<br />
Während der weiteren Bauausführung wurden<br />
die überdachten Tribünenplätze auf ca.<br />
100.000 Besucher erweitert, und man ging<br />
gar so weit, die gesamte Streckenlänge der<br />
Start- und Zielgeraden komplett zu überdachen.<br />
Diese Planung wurde jedoch später<br />
nicht ganz überraschend aus Kosten- und<br />
Termingründen verworfen.<br />
Im Februar 2008 war noch immer nicht entschieden,<br />
welche Firma den Auftrag für die<br />
Stahlbauleistungen erhalten sollte. Auf die<br />
neue Planung und die daraus resultierenden<br />
Terminverschiebungen wurde seitens der<br />
FIA (Internationale Automobil-Organisation)<br />
keine Rücksicht genommen. Der Fertigstellungstermin<br />
der Gesamtbaumaßnahme Yas<br />
Marina Circuit wurde unter Berücksichtigung<br />
einer mehrmonatigen Abnahmephase auf<br />
den 30. Juni 2009 terminiert.<br />
Ende März 2008 wurde nochmals ein überarbeitetes<br />
Angebot, ergänzt um zusätzliche<br />
Tribünendächer sowie zusätzliche Nebengebäude,<br />
eingereicht.<br />
Im April 2008 wurde dann die Claus Queck<br />
GmbH für die Basisausführung beauftragt<br />
12<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 3: Einflüsse des Landes auf die Architektur<br />
© Tilke GmbH/Claus Queck GmbH<br />
und die Erweiterung mit einem Letter of<br />
Intent abgesichert. Hervorzuheben sind die<br />
Tribünenüberdachungen für South Grandstand,<br />
Pit Support Building, Media Center,<br />
West Grandstand, Pit Building, Main Grandstand,<br />
Administration Building, Entrance<br />
Gate West, Driving School, North Grandstand,<br />
Dragster Grandstand, Dragster Race Control<br />
und Entrance Gate North mit einer Gesamtlänge<br />
von 2.700 m und einer Dachfläche von<br />
108.000 m².<br />
Des Weiteren wurden die Stahlbau- und Fassadenarbeiten<br />
für drei Workshops, Shower<br />
Building, Waste Collection, Maintenance Building,<br />
Ferrari Building, Plant Building, Kitchen<br />
Facility, Fuel and Tyre, Transformer Building<br />
und Toilet Buildings beauftragt.<br />
2 Tribünenüberdachung<br />
Die traditionelle Form der Zeltdächer in der<br />
Konstruktion umzusetzen stellte eine interessante<br />
Herausforderung an die Tragwerksplanung<br />
dar. Hierbei wurden Stahl und Membran<br />
mit ihren unterschiedlichen Material- und<br />
Trageigenschaften zu einem ganzheitlichen<br />
Tragsystem zusammengefügt.<br />
Bei der Entwicklung des Tragsystems ging der<br />
maßgebliche Einfluss von der Membrankonstruktion<br />
aus. Grundsätzlich sind alle Rand-,<br />
Kehl- und Gratseile so anzuordnen, dass eine<br />
Vorspannung aller Dachflächen in Kett- und<br />
Schussrichtung der Membran aufgebracht<br />
werden kann. Die so gebildeten Membranflächen<br />
weisen im vorgespannten Zustand<br />
Krümmungen in zwei Richtungen auf und<br />
machen so aus der Membran ein Flächentragwerk,<br />
das auch lotrecht zur Dachfläche Druck-<br />
und Sogkräfte abtragen kann. Ausgehend von<br />
diesen geometrischen und statischen Rahmenbedingungen,<br />
die zur Funktionalität des<br />
Membrantragwerks notwendig sind, wurde<br />
der Stahlbau entwickelt.<br />
Um hierbei die Leichtigkeit der Membrankonstruktion<br />
herauszustellen, wurde eine<br />
Konstruktion aus Rundrohren gewählt, die<br />
geprägt ist durch eine geringe Anzahl von unterschiedlichen<br />
Querschnitten und wenigen<br />
Anschlusspunkten an den Massivbau.<br />
Bild 4: Dachkonstruktion der Tribünen (Regelfelder)<br />
© Claus Queck GmbH
Bild 5: Dachkonstruktion der Tribünen (Vorderseite)<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Bei den Tribünenüberdachungen wurde der<br />
Mast auf die Vorderkante der obersten Ebene<br />
aufgesetzt, so dass die vorderen Spreizstäbe,<br />
mit einer Länge von bis zu 24 m, das Membrandach<br />
über die Sitzstufen der Tribüne auskragen<br />
lassen.<br />
An der Rückseite der Tribünen wurde die<br />
Membran in Form eines langen Schals bis<br />
zum Boden geführt.<br />
Hierdurch, in Kombination mit den an der<br />
Rückseite angeordneten Streben, konnte die<br />
Aussteifung senkrecht zur Tribüne ohne eine<br />
Einspannung des Mastfußpunktes realisiert<br />
werden.<br />
In Längsrichtung der Tribünen erfolgt die<br />
Aussteifung über die Aneinanderreihung<br />
mehrerer Felder, die durch ihre zusammenhängende,<br />
vorgespannte Membranfläche<br />
verbunden und in regelmäßigen Abständen<br />
auf den Massivbau abgespannt sind.<br />
Anders als bei den Tribünen wurde die Überdachung<br />
des Pit Building so konzipiert, dass<br />
die Fläche unterhalb des Daches als begehbare<br />
Terrasse genutzt werden kann.<br />
Hierzu wurde der Mast schwebend über vier<br />
Zugseile an den Ecken der Rahmenkonstruktion<br />
aufgehängt.<br />
Die horizontale Aussteifung der Stahlkonstruktion<br />
erfolgt über die in zwei Richtungen<br />
biegesteif ausgeführte Rahmenkonstruktion.<br />
Dies ermöglicht eine gelenkige Lagerung der<br />
Stützen und verringert somit die Einwirkungen<br />
auf den Massivbau.<br />
3 Anschlussdetails<br />
Aus den großen Dachabmessungen von rund<br />
900 m² Membranfläche je Feld resultieren für<br />
den Anschluss an den Stahlbau Seilzugkräfte<br />
bis 870 kN. Auch die Anschlüsse zwischen<br />
Stahl- und Massivbau sind aufgrund der geringen<br />
Anzahl von Auflagerpunkten sehr stark<br />
belastet.<br />
Besonderes Augenmerk ist hierbei auf den<br />
Anschluss der Mastfußpunkte zu richten, die<br />
neben der geforderten Gelenkigkeit auch<br />
große Horizontal- und Vertikalkräfte abtragen<br />
müssen.<br />
Bild 6: Tribünen (Rückseite)<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 7: Dachkonstruktion des Pit Building (Regelfeld)<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Bild 8: Pit Building mit fliegendem Mast<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Bild 9: Fußpunkt des Mastes<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Bild 11 +12: Anschlusspunkte der Zugseile<br />
© Claus Queck GmbH<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Um die Horizontalkräfte von rund 2.100 kN<br />
mit möglichst geringer Exzentrizität in die<br />
Einbauteile des Massivbaus einleiten zu können,<br />
wurde das Anschlussgelenk unterhalb<br />
der Fußplatte angeordnet. Eine runde, an<br />
die Unterseite der Fußplatte angeschweißte<br />
Auflagerplatte, wird in einen Auflagerring gestellt,<br />
der bauseits ausgerichtet und mit dem<br />
Einbauteil des Massivbaus verschweißt ist.<br />
Die abhebenden Lasten von rund 2.400 kN<br />
werden über vier Ankerstangen abgetragen,<br />
die mit einer Länge von 1,80 m in die unterhalb<br />
liegenden Stahlbetonstützen einbetoniert<br />
sind.<br />
Die Anschlusspunkte der Membrankonstruktion<br />
sind geprägt durch eine Vielzahl von Zugseilen,<br />
die in einem Knoten zusammenlaufen.<br />
Hierbei treten Seilzugkräfte bis 870 kN auf,<br />
die zusätzlich zur eigentlichen Verbindung<br />
der Stahlbauquerschnitte anzuschließen<br />
sind.<br />
Bild 10: Anschlusspunkte der Zugseile<br />
© Claus Queck GmbH<br />
13
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 13: Mastspitze<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Da diese Knoten im direkten Blickfeld der<br />
Besucher liegen, wurde hier besonders auf<br />
eine kompakte und schlichte Ausführung der<br />
Anschlüsse geachtet.<br />
Die Mastspitze ist für die Montage der Membrankonstruktion<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Da hier die vier Gratseile und der obere Rand<br />
der Membranflächen angeschlossen sind,<br />
kann durch hydraulisches Hochdrücken der<br />
Mastspitze die Vorspannung auf alle angrenzenden<br />
Dachflächen aufgebracht werden.<br />
Die hierfür notwendige Verschiebeeinrichtung<br />
wurde durch zwei ineinanderliegende<br />
Rohre realisiert, von denen das innere biegesteif<br />
an den Mast angeschlossen ist. Das äußere<br />
der beiden Rohre ist Teil der Mastspitze<br />
und wird bei der Montage hochgedrückt.<br />
Im Endzustand wird ein Deckelblech auf das<br />
äußere Rohr gesetzt, das über eine Schubknagge<br />
mit dem inneren Rohr verbunden ist<br />
und mit den Anschlussblechen der Gratseile<br />
verschraubt wird.<br />
Hierdurch können alle auf die Mastspitze wirkenden<br />
Kräfte aus Membran und Randseilen<br />
direkt in das innere Rohr eingeleitet werden.<br />
Die so konzipierten Anschlüsse zeichnen sich<br />
dadurch aus, dass sie unabhängig von Winkel<br />
und Anzahl der zusammenlaufenden Querschnitte<br />
anwendbar sind.<br />
Die hierdurch geschaffene Unabhängigkeit<br />
von Form und Größe der unterschiedlichen<br />
Dächer ermöglicht selbst in den Kurvenbereichen<br />
der Tribünen die Anwendung dieser<br />
Anschlüsse.<br />
Auch die Randfelder, in denen zusätzliche<br />
Dachflächen, Spreizstäbe und Streben zusammenlaufen,<br />
konnten mit diesen Anschlusspunkten<br />
abgedeckt werden.<br />
Durch die in allen Dächern wiederkehrenden<br />
Anschlüsse konnte übergreifend über alle Tribünendächer<br />
ein einheitliches Erscheinungsbild<br />
erzielt werden.<br />
14<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 14: Realisierte Mastspitze<br />
© Claus Queck GmbH<br />
4 Fertigung<br />
Neben Walzprofilen wurden ca. 19 km Rohre<br />
in Einzellängen von 8,00 m bis 12,20 m in<br />
Abmessungen von 219,10 mm × 8 mm bis<br />
610 mm × 38,10 mm per 40‘-Container von<br />
Deutschland über Antwerpen in die UAE<br />
gebracht. Zeitliche Unwägbarkeiten brachte<br />
die Zollabfertigung des in das Land zu bringenden<br />
Materials mit sich. Auf dem Papier<br />
bestehen zwar eindeutige Richtlinien und<br />
Verfahrensabläufe bezüglich der Einfuhr von<br />
Material in die UAE, aber es zeigte sich schnell,<br />
dass die tatsächlichen Abläufe davon abwichen,<br />
teils undurchsichtig waren und sich<br />
ohne ersichtlichen Grund häufig änderten.<br />
Die Fertigung der Bauteile erfolgte überwiegend<br />
über zwei parallele Fertigungsstraßen,<br />
die mit modernsten Maschinen ausgestattet<br />
waren.<br />
Schnell wurde allerdings deutlich, dass Personalkosten<br />
in den UAE eine weitaus geringere<br />
Rolle spielen, als dies bei uns in Europa der Fall<br />
ist. Die Lohnkosten machen nur einen Bruchteil<br />
der Herstellungskosten aus. Dem gegenüber<br />
steht jedoch ein erheblicher Mehraufwand,<br />
der für Termin- und Qualitätsüberwachung<br />
betrieben werden muss. Insbesondere<br />
betrifft dies die Maßhaltigkeit der Bauteile,<br />
die Ausführung der Schweißarbeiten sowie<br />
die Güte des Korrosionsschutzes.<br />
Das hängt einerseits mit der Qualifikation der<br />
Arbeiter sowie ihrer Identifikation mit ihrer<br />
Arbeit zusammen, andererseits aber auch damit,<br />
dass die Qualitätsanforderungen vertraglich<br />
hoch angesetzt werden, in der Praxis die<br />
ausgeführte Qualität aber häufig kaum und<br />
nur unzulänglich kontrolliert wird.<br />
Unsere Zielsetzung war es jedoch, die eigenen,<br />
in Europa üblichen Qualitätsstandards<br />
durchzusetzen, was sich zwar teils nervenaufreibend<br />
darstellte, aber letztlich gelungen ist.<br />
Nach erfolgter Fertigung in Sharjah (nahe<br />
Dubai) erfolgte der Transport der Bauteile per<br />
Lkw zur Baustelle. Während der Bauausführung<br />
war vom Festland nach Yas Island nur<br />
eine zweispurige Brücke verfügbar, über die<br />
Bild 15: Fußpunkt der Randfelder<br />
© Claus Queck GmbH<br />
sämtlicher Personen- und Zulieferverkehr<br />
für den Bau der Rennstrecke, aber auch für<br />
sämtliche zeitgleich ausgeführten Baumaßnahmen,<br />
wie z. B. die Ferrari-Erlebniswelt,<br />
den neuen Jachtclub, das Marina-Hotel, Straßenbau,<br />
Infrastruktur etc., geführt werden<br />
mussten.<br />
Zwangsläufig ergaben sich täglich erhebliche<br />
Behinderungen bei der Zuführung des Materials.<br />
Zur größten Herausforderung im Bereich der<br />
Fertigung wurde die Tatsache, dass die Vorleistungen<br />
auf der Baustelle, also im Wesentlichen<br />
der Rohbau, nicht entsprechend dem<br />
Terminplan fertiggestellt wurden. Dies hatte<br />
zur Folge, dass Fertigungsabläufe mehrfach<br />
umgestellt werden mussten.<br />
Das heißt im Einzelnen: Es mussten kurzfristig<br />
bereits angearbeitete Gebäudeteile<br />
aus der Fertigung genommen und im Werk<br />
zwischengelagert werden, um stattdessen<br />
Bauteile für andere Gebäude vorzuziehen.<br />
Erschwerend kam hinzu, dass Änderungen im<br />
Bauablauf auch kurzfristig »von oben« durch<br />
die Festlegung anderer Prioritäten hervorgerufen<br />
wurden.<br />
Bild 16: Fertigung des Mastfußpunktes<br />
© Claus Queck GmbH
5 Montage<br />
Zunächst einmal wurden die Montagearbeiten<br />
durch für europäische Verhältnisse extreme<br />
klimatische Gegebenheiten beeinflusst.<br />
Temperaturen jenseits der 40°C im Sommer<br />
verbunden mit einer Luftfeuchtigkeit zwischen<br />
80 % und 95 % lassen längere Aufenthalte<br />
im Freien schon ohne Arbeit zur Qual<br />
werden, aber selbst im Winter herrschen noch<br />
Durchschnittstemperaturen von ca. 21°C mit<br />
ähnlich hoher Luftfeuchtigkeit.<br />
Aber auch Besonderheiten im Zusammenhang<br />
mit der jährlichen vierwöchigen Fastenzeit<br />
(Ramadan) mussten berücksichtigt werden.<br />
In dieser Zeit, die während der Bauarbeiten<br />
in den August fiel, wird auf der Baustelle<br />
nur bis zur Mittagszeit gearbeitet. Zudem ist<br />
die Leistung des Montagepersonals, sofern islamischen<br />
Glaubens, zwangsläufig aufgrund<br />
des Fastens sehr gering, insbesondere wenn<br />
man berücksichtigt, dass das Verbot von<br />
Flüssigkeitsaufnahme in die heißeste Zeit des<br />
Jahres fiel.<br />
Ein derart großes Bauvorhaben stellt an die<br />
Montage aber auch insofern besondere Anforderungen,<br />
als die 28 in unserem Auftrag<br />
befindlichen Einzelbauwerke auf einer Baustellenfläche<br />
von ca. 2,50 km² verteilt waren.<br />
Darüber hinaus waren ausgesprochen<br />
enge zeitliche Abhängigkeiten der einzelnen<br />
Gewerke wie Rohbau, Stahlbau, Dachmembranen<br />
und Nebengewerke wie Elektrik,<br />
Haustechnik, Gebäudefassade etc. in Einklang<br />
zu bringen, was sich in Anbetracht der nur<br />
mäßig detaillierten zeitlichen und organisatorischen<br />
Planungsvorgaben der Kundenseite<br />
als recht anspruchsvolle Aufgabe darstellte.<br />
Um die Montagearbeiten möglichst wirtschaftlich<br />
umzusetzen, wurde ein entsprechendes<br />
Montagekonzept erarbeitet. Hauptaugenmerk<br />
wurde dabei auf eine kontinuierliche<br />
Montage der jeweiligen Gebäude gelegt.<br />
Aufwendige und damit kostspielige Ortswechsel<br />
während der Montage sollten weitestgehend<br />
vermieden werden.<br />
Bild 18: North Grandstand<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Ferner wurde für jedes Gebäude ein Lagerplatz<br />
unmittelbar neben dem Rohbau<br />
eingerichtet, um das anzuliefernde Material<br />
im Schwenkbereich der Montagekrane zwischenzulagern.<br />
Ein zentraler Zwischenlagerplatz wurde ausgeschlossen,<br />
da zum einen die sich daraus<br />
ergebenden Zwischentransporte auf der<br />
Baustelle eine zeitliche Belastung bedeutet<br />
hätten, die mit dem engen Zeitrahmen in<br />
Widerspruch stand, zum anderen hätten<br />
Zwischentransporte zugegebenermaßen<br />
auch nennenswerte finanzielle Belastungen<br />
bedeutet.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 17: Montagesituation an Start-Ziel-Gerade<br />
© Claus Queck GmbH<br />
Zudem wurde schon in der Planungsphase<br />
klar, dass die zeitgleichen Bauaktivitäten der<br />
Infrastruktur wie Straßenbau, Landschaftsbau,<br />
Zuführung und Ausbau der Strom- und<br />
Wasserversorgung etc. erhebliche Einschränkungen<br />
während der Bauphase mit sich bringen<br />
würden, was tatsächlich später dazu führen<br />
sollte, dass Zufahrten, aber auch nutzbare<br />
Verkehrswege innerhalb der Baustelle wöchentlich,<br />
teils sogar täglich, neu organisiert<br />
und temporär festgelegt werden mussten.<br />
15<br />
Bild 19: Fertiggestellte<br />
Start-Ziel-Gerade<br />
© Claus Queck GmbH
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Tatsächlich wurde die Flexibilität während<br />
der Montagearbeiten auf eine harte Probe<br />
gestellt. Nicht zuletzt aufgrund immer wieder<br />
auftretender Änderungswünsche des Endkunden<br />
verzögerten sich die Rohbauarbeiten<br />
in erheblichem Maße, was zur Folge hatte,<br />
dass der geplante Montageablauf nicht wie<br />
vorgesehen umgesetzt werden konnte. Die<br />
Tribünen mussten letztlich in mehreren Teilabschnitten<br />
montiert werden. So wurden<br />
z. B. auf dem Pit Building anfangs 22 Felder<br />
montiert, während die restlichen drei Felder<br />
erst ca. drei Monate später montiert werden<br />
konnten. Ähnliches traf für fast alle Tribünen<br />
zu, was zu einem erheblichen zeitlichen und<br />
auch finanziellen Aufwand führte.<br />
Die Gegebenheiten, bezogen auf die zeitlich<br />
geplanten Abläufe, stellten unser europäisch<br />
geprägtes Verständnis eines organisierten<br />
Bauablaufs oftmals auf eine harte Probe.<br />
Insbesondere unterscheidet sich in der arabischen<br />
Welt das Verhältnis zur Zeit grundlegend<br />
von dem unseren. Bis auf einen Punkt:<br />
Der Endtermin steht!!!<br />
Eine weitere Herausforderung, die sich im<br />
Zuge der Fertigstellung der Rohbauten zeigte,<br />
waren die vorgefundenen Einbautoleranzen<br />
der Einbauteile. Hier mussten Abweichungen<br />
bis zu +/-80 mm in alle Richtungen ausgeglichen<br />
werden, womit durch die erforderlichen<br />
Änderungen an der Stahlkonstruktion aus<br />
Standardanschlüssen teilweise jeweils Einzelanfertigungen<br />
wurden.<br />
16<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 20: Entrance Gate West, Administration Building und (im Hintergrund) North Grandstand<br />
© Claus Queck GmbH<br />
6 Fertigstellung<br />
Die Realisierung des Bauvorhabens wurde<br />
schon allein aufgrund der vorgenannten<br />
Problemstellungen von einem zehnköpfigen<br />
Projektteam, wovon sechs Mitarbeiter ständig<br />
vor Ort waren, betreut. Beim Abschlussrennen<br />
der F-1-Saison 2009 zeigte das Emirat<br />
Abu Dhabi, dass Tradition und Moderne sich<br />
nicht gegenseitig ausschließen, sondern symbiotisch<br />
Zuschauer und Akteure verzaubern<br />
können. Genauso gelingt es unserem Werkstoff<br />
– Stahl – ,Tradition und Moderne miteinander<br />
zu verbinden. Einer der ältesten Baustoffe<br />
in der menschlichen Geschichte wurde<br />
durch technische Neuerungen immer weiterentwickelt,<br />
und ein Ende dieser Entwicklung<br />
ist bis heute nicht erreicht. Bauwerke aus<br />
Stahl finden wir in der Geschichte genauso<br />
wie in der heutigen modernen Architektur.<br />
Unser gemeinsames Bestreben sollte es bleiben,<br />
diesen Baustoff und seine Möglichkeiten<br />
weiterzuentwickeln, damit Visionen wie das<br />
Yas-Island-Marina-Projekt Realität werden<br />
können.<br />
Architekt:<br />
Tilke GmbH & Co. KG<br />
Generalunternehmer:<br />
Cebarco WCT<br />
Stahlbau:<br />
Claus Queck GmbH
1 Einleitung<br />
Die Stadt Mühlberg liegt am nordöstlichen<br />
Ufer der Elbe in Brandenburg, ziemlich genau<br />
in der Mitte zwischen den Städten Torgau und<br />
Riesa.<br />
Mit dem neuen Verkehrszug der Staatsstraße<br />
S 21 und der Landesstraße L 66 wird eine plangleiche<br />
Anbindung an die Bundesstraße B182<br />
Riesa–Torgau geschaffen, die der weiteren<br />
infrastrukturellen und wirtschaftlichen Entwicklung<br />
der Region dient.<br />
Dipl.-Ing. Wolfgang Eilzer,<br />
Leonhardt, Andrä und Partner,<br />
Beratende Ingenieure VBI, GmbH<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Planung und Ausführung der Elbebrücke Mühlberg<br />
Bild 1: Vorentwurf<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Die nächsten Elbebrücken liegen ca. 20 km<br />
flussauf in Riesa und ca. 24 km flussab in Torgau,<br />
so dass der die Elbe querende Verkehr auf<br />
die Elbefähren in Strehla, Mühlberg und Belgern<br />
angewiesen war. Obwohl die Mühlberger<br />
Gierseilfähre mit einem Hilfsantrieb für<br />
den Einsatz bei erhöhtem Wasserstand und<br />
zum Ablegen bei ungünstigen Strömungsverhältnissen<br />
ausgestattet ist, stand auch<br />
diese Fährverbindung nur zu eingeschränkten<br />
Fährzeiten zur Verfügung. Bei Hochwasser,<br />
Niedrigwasser oder bei Eisgang konnten die<br />
drei Fährverbindungen nicht genutzt werden.<br />
Bereits aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts<br />
sind Pläne der Mühlberger Bürger<br />
bekannt, eine Elbebrücke zu errichten. So<br />
existierte von 1928 bis 1935 ein Brückenbauverein,<br />
der die Planungen vorantrieb. Im Jahre<br />
1929 wurde der Brückenentwurf eines 550 m<br />
langen Bauwerkes mit einer 100 m weiten<br />
Hauptöffnung erstellt, der Krieg verhinderte<br />
die Verwirklichung des Vorhabens.<br />
Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde<br />
die Idee einer Brückenquerung bei Mühlberg<br />
wieder aufgegriffen. Im Frühjahr 2002 wur-<br />
den die Vorentwurfsplanungen der neuen<br />
Elbebrücke an die Planungsgemeinschaft<br />
LAP/VIC beauftragt.<br />
Im Sommer 2004 wurden die Planfeststellungsverfahren<br />
in Brandenburg und Sachsen<br />
eingeleitet und nach einem Jahr mit den Planfeststellungsbeschlüssen<br />
beendet.<br />
2 Variantenuntersuchungen<br />
Die entscheidende Phase beim Entwerfen von<br />
Ingenieurbauten ist die Vorplanungsphase<br />
mit ihrer Variantenuntersuchung. Hier werden<br />
die Weichen für den weiteren Entwurf<br />
gestellt, was vor allem die Herstellungs- und<br />
Unterhaltungskosten wie auch die Gestaltung<br />
des Bauwerkes und seine Einfügung in<br />
die Umgebung betrifft.<br />
Aus diesem Grund wurden in einer umfangreichen<br />
Variantenuntersuchung verschiedene<br />
Lösungsmöglichkeiten untersucht und nach<br />
einheitlichen Gesichtspunkten bewertet und<br />
miteinander verglichen.<br />
Grundlage der Variantenuntersuchungen war<br />
die Lage im Grund- und Aufriss, die durch die<br />
Planungen der Verkehrsanlage vorgegeben<br />
war.<br />
17<br />
Bild 2: Höhenplan<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner
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Bild 4: Gevouteter Durchlaufträger<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Bild 5: Stabbogenbrücke<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Bild 6: Extradosed Bridge<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
18<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
In einem ersten Bearbeitungsschritt wurden<br />
diejenigen Tragwerksarten ausgewählt, die<br />
grundsätzlich für ein Bauwerk dieser Größenordnung<br />
infrage kommen, wie z. B.<br />
– gevouteter Durchlaufträger in Spannbeton<br />
und Stahlverbund,<br />
– einhüftig gevouteter Durchlaufträger in<br />
Spannbeton und Stahlverbund,<br />
– Stabbogenbrücken als Langer’scher Balken<br />
und Sichelbögen,<br />
– Schrägkabelbrücken, Schrägkabelbrücken<br />
mit flachem Pylonen (»extradosed bridges«),<br />
– Rahmenbauwerke und<br />
– Bogenbrücken.<br />
Aus dieser ersten Variantenstudie kristallisierten<br />
sich als Vorzugslösungen der beidseitig<br />
Bild 7: Geänderte Ausbildung des Knotens linkselbisch<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Bild 3: Varianten<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner<br />
gevoutete Durchlaufträger, der Langer’sche<br />
Balken, die »extradosed bridge« und das Rahmenbauwerk<br />
heraus. Die Bewertung dieser<br />
Varianten nach den Gesichtspunkten Baukosten,<br />
Herstellung, Natur- und Landschaftsschutz,<br />
Betrieb, Unterhaltung sowie Gestaltung<br />
und Einfügung in die Landschaft ergab,<br />
dass ein symmetrisches Rahmenbauwerk mit<br />
166 m Stützweite und Stahlverbundüberbau<br />
die geeignetste Lösung für die Querung der<br />
Elbe ist.<br />
Im weiteren Planungsverlauf änderte sich die<br />
Ausbildung des Knotenpunktes der Landesstraße<br />
L 66/Staatsstraße S 21 mit der Bundesstraße<br />
B 182. Um die Rampenlänge und<br />
-neigung zu minimieren, musste damit die<br />
Gradiente im Bereich des westlichen Widerla-
Bild 8: Einhüftige Rahmenbrücke<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Bild 9: Visualisierung der Vorzugslösung<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
gers nahe der B 182 möglichst tief liegen. Dies<br />
führte zur Aufgabe der bisherigen Planungsidee,<br />
eine Gradiente zu finden, die ein symmetrisches<br />
Bauwerk über die Elbe ermöglicht.<br />
Die gestalterisch sehr ansprechende Lösung<br />
als Rahmenbauwerk stellte wegen<br />
der kleinen Bauhöhe auf der Westseite und<br />
der guten Einhaltung aller Forderungen der<br />
Elbeschifffahrt (wie Lichtraumanforderungen<br />
und Stützenfreiheit des Mittelwassers)<br />
weiterhin die optimale Lösung dar. Deshalb<br />
wurde das Rahmenbauwerk in unmittelbarer<br />
Abstimmung mit dem Gradientenverlauf weiterentwickelt.<br />
Als Ergebnis dieses Planungsprozesses<br />
entstand für die Strombrücke über<br />
die Elbe die Vorzugslösung eines einhüftigen<br />
Rahmenbauwerks in Verbundbauweise mit<br />
einer Stützweite von 144 m, das den unsymmetrischen<br />
Gradientenverlauf auch im Brückenbauwerk<br />
widerspiegelt.<br />
Wesentlich für einen harmonischen Entwurf<br />
ist, dass das gesamte Bauwerk trotz unterschiedlicher<br />
Randbedingungen im Strom- und<br />
Vorlandbereich einheitlich und im Zusammenhang<br />
entworfen und gestaltet wurde.<br />
Nicht die Aneinanderreihung verschiedener<br />
Tragwerksarten, Querschnitte und Materialien<br />
ist zielführend und erfolgversprechend,<br />
sondern die einheitliche Gestaltung des<br />
Gesamtbauwerkes von Widerlager zu Widerlager<br />
aus einem Guss und die harmonische<br />
Einfügung in seine Umgebung.<br />
Das Bauvorhaben liegt in einem sensiblen<br />
Landschaftsraum, in dem zahlreiche europäische<br />
Schutzgebiete aufeinandertreffen.<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Zudem erstreckt sich westlich der Elbe großflächig<br />
das Europäische Vogelschutzgebiet<br />
»Teichgebiet und Elbaue bei Torgau«.<br />
Die Elbe ist in diesem Bereich ein europaweit<br />
bedeutender Zugvogelkorridor. Deshalb<br />
war im Ergebnis der Umweltplanung und<br />
Brutvogelkartierung zur Verhinderung von<br />
Vogelschlag gegen den Fahrzeugverkehr<br />
auf dem Brückenwerk eine beidseitige, 4 m<br />
hohe Kollisionsschutzwand anzuordnen. Die<br />
Querung der Elbaue erforderte weitere Maßnahmen,<br />
um mögliche Beeinträchtigungen<br />
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für Pflanzenarten, die zum Teil auf der Roten<br />
Liste der Länder Brandenburg und Sachsen<br />
stehen, auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem<br />
musste beachtet werden, dass die Elbe<br />
einschließlich der Elbdeichvorländer und die<br />
in die Elbe mündenden Fließgewässer wie<br />
die Dahle ein wichtiges Habitat für Biber und<br />
Fischotter sind. Zu den wichtigsten Maßnahmen<br />
gehören u.a. das Freihalten der Uferzonen<br />
von Brückenpfeilern und die Reduzierung<br />
des Baufeldes.<br />
19<br />
Bild 10:<br />
FFH-Gebiete der Elbebrücke<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner
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3 Bauwerksentwurf<br />
Das neue Brückenbauwerk überspannt die<br />
Elbe einschließlich der Polderflächen auf<br />
gesamter Länge, da der Bereich zwischen<br />
dem rechtselbischen und dem linkselbischen<br />
Deich zur Sicherung des Hochwasserabflusses<br />
freigehalten werden muss.<br />
Das 690,50 m lange Bauwerk stellt statisch<br />
einen Durchlaufträger über 12 Felder dar, der<br />
von der Strombrücke mit Stützweiten von<br />
84,50 m + 144,00 m + 120,00 m und 62,00 m<br />
und der über acht Felder durchlaufenden<br />
Vorlandbrücke mit 42,00 m + 6 × 35,00 m und<br />
Bild 11: Längsschnitt und Draufsicht<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
28,00 m gebildet wird. Der Flusslauf der Elbe<br />
wird ohne Strompfeiler mit einer Stützweite<br />
von 144 m überspannt, bei Mittelwasser ist<br />
über der Elbe eine lichte Höhe von 11 m vorhanden.<br />
Im Grundriss verläuft die Brücke in einem<br />
Kreisbogen mit einem Radius von 1.250 m.<br />
Der Überbau der Strombrücke wird als<br />
einseitig gevouteter Hohlkasten in Stahlverbundbauweise<br />
mit schlaff bewehrter<br />
Fahrbahnplatte ausgeführt. Im Bereich der<br />
rechtselbischen Vorlandbrücke geht östlich<br />
der Achse 4 der Überbau in einen massiven<br />
Spannbetonmittelträgerquerschnitt über.<br />
Die Konstruktionshöhe des Verbundüberbaus<br />
nimmt vom Widerlager Achse 0 von 3,50 m<br />
bis zur Achse 2 zu einer kräftigen, 10 m hohen<br />
Voute zu. Im Bereich dieser Voute wird<br />
der Überbau in zwei Stiele und ein Zugband<br />
aufgelöst. Die Sprengwerksstiele in Achse 2<br />
bilden einen Halbrahmen und sind durch<br />
den durchlaufenden Überbau als Zugband<br />
gekoppelt. Anschließend verringert sich die<br />
Konstruktionshöhe des Überbaus bis zum<br />
20<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Übergang Massivquerschnitt auf 2,20 m.<br />
Sowohl aus ästhetischer als auch aus ingenieurtechnischer<br />
Sicht stellt die Auflösung des<br />
biegesteif angeschlossenen Pfeilers in Achse 2<br />
die Besonderheit dieser Brücke dar. Die um<br />
ca. 36°C geneigten Stiele mit ihrem ober- und<br />
unterseitig jeweils gegenläufig parabolisch<br />
gekrümmten Verlauf bilden zusammen mit<br />
dem Riegel des Überbaus eine breite, weithin<br />
sichtbare Öffnung, die bereits als »Auge von<br />
Mühlberg« in der Öffentlichkeit bekannt geworden<br />
ist. Sie bestimmt das Erscheinungsbild<br />
der Brücke maßgeblich.<br />
Bild 13: Pfeiler in Achse 2<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Bild 14: Längsschnitt in Achse 2<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Der Verbundüberbau geht nahtlos in die<br />
Rahmenstiele über. Dabei wird unter Traglasten<br />
die Druckkraft von ca. 90 MN aus den<br />
Rahmenstielen mit der Zugkraft im Überbau<br />
kurzgeschlossen werden. Die Zugkraft im<br />
Überbau nimmt etwa zur Hälfte eine im Hohlkasteninnern<br />
geführte externe Vorspannung<br />
auf. Die andere Hälfte verteilt sich im Normalbereich<br />
anteilig auf die Stahlquerschnitte des<br />
Bodenbleches einschließlich der Steifen, der<br />
Stege, der oberen Flanche sowie der schlaffen<br />
Längsbewehrung der Fahrbahnplatte.<br />
Die externen Spannglieder werden in der<br />
Koppelstelle Überbau–Rahmenstiel gestaffelt<br />
gespannt und umgelenkt. Die Vorspannung<br />
im Überbau reduziert die Momente in den<br />
Rahmenstielen erheblich, die durch die Verlängerung<br />
der Überbauten infolge Längszugs<br />
Bild 12: Regelquerschnitt der Strombrücke<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner
entstehen würden. Zum anderen wird die<br />
Zugkraft über Spannstahl wirtschaftlicher<br />
abgetragen als über den Konstruktionsstahl,<br />
und es werden die Stöße dicker Bleche, die<br />
arbeits- und lohnintensiv sind, vermieden.<br />
Durch die Umlenkung der Spannglieder wird<br />
ein positives Moment im Querschnitt erzeugt,<br />
das den großen negativen Stützmomenten<br />
entgegenwirkt.<br />
Die Vorspannung kriecht nicht, wie bei<br />
Verbundbrücken ohne Zugkraft, in den<br />
Stahlquerschnitt, so dass sie auch zur Verbesserung<br />
der Dauerhaftigkeit der Betonkonstruktion<br />
der Fahrbahnplatte beiträgt. Für die<br />
Verankerung und Umlenkung der Spannglieder<br />
werden massive Querträger eingebaut.<br />
Die Rahmenstiele werden als Verbunddruckglieder<br />
ausgeführt. Der Beton wird im<br />
Anschluss an die Rahmenstiele noch ca. 15 m<br />
im Bereich des Untergurtes des Hohlkastenquerschnittes<br />
in die anschließenden Felder<br />
weitergeführt. Es bildet so die Bodenplatte<br />
einen Doppelverbundquerschnitt. Um die<br />
Verdichtung des Betons im Bereich der Rahmenstiele<br />
gut zu gewährleisten wurde selbstverdichtender<br />
Beton C 55/67 verwendet. Als<br />
Verbundmittel zwischen Betonbodenplatte<br />
und Stahltrog sowie im Bereich der Rahmenstiele<br />
werden Betondübelleisten eingesetzt.<br />
Die Stützquerträger über den Pfeilern Achse<br />
1, 3 und 4 werden als liegende Massivquerträger<br />
ausgebildet. Unter ihnen sind die Lager<br />
und die Pressenstellflächen für den Lagerwechsel<br />
untergebracht. Über Perfobondleisten<br />
werden die Lagerlasten in den Stahlquerschnitt<br />
eingeleitet.<br />
Um die Verdrehungen des Überbaus an<br />
Achse 2 zu verringern, wird im Feld zwischen<br />
Achse 2 und 3 auf 25 m Länge ein Ballastbeton<br />
eingebaut, der das geringere Gewicht<br />
gegenüber dem längeren Stromfeld ausgleicht.<br />
Der Ballastbeton wird analog zum<br />
Doppelverbund im Bereich der Rahmenstiele<br />
ausgeführt.<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Der Stahlverbundüberbau der Strombrücke<br />
und der Spannbetonüberbau der Vorlandbrücke<br />
sind im Momentennullpunkt neben dem<br />
Pfeiler Achse 4 biegesteif verbunden.<br />
Der Spannbetonüberbau wird als Mittelträgerquerschnitt<br />
ausgebildet. Dieser weist<br />
beidseitig Kragarmlängen von 2,95 m auf. Die<br />
Konstruktionshöhe ist zwischen Achse 4 und<br />
Achse 5 variabel, ab Achse 5 beträgt sie konstant<br />
1,50 m.<br />
Bei Regelstützweiten von 35 m und Konstruktionshöhen<br />
von 1,50 m weist der Überbau<br />
eine Schlankheit von 23,40 auf, die gestalterisch<br />
ansprechend und wirtschaftlich ist. Die<br />
Stegaußenfläche ist wie im Strombrückenbereich<br />
mit 1:20 geneigt, die Untergurtbreite<br />
beträgt 6,90 m im Bereich der 1,50 m Konstruktionshöhe.<br />
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21<br />
Bild 15: Übergang<br />
Verbund-/Massivbereich<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner<br />
Bild 16: Querschnitt<br />
der Vorlandbrücke<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner<br />
Bild 17: Betongelenk<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner<br />
4 Technische Besonderheiten<br />
Neben ihrer gelungenen Gestaltung weist die<br />
Elbebrücke Mühlberg eine Reihe von technischen<br />
Besonderheiten auf.<br />
Die Doppelverbundplatte im Überbau in<br />
Achse 2, die Verbundrahmenstiele, die Betongelenke<br />
und die Bereiche unterhalb der<br />
Betongelenke der Stummelpfeiler wurden<br />
in selbstverdichtendem, hochfestem Beton<br />
der Festigkeitsklasse C55/67 ausgeführt.<br />
Da die Anwendung des selbstverdichtenden<br />
und hochfesten Betons im Brückenbau nicht<br />
geregelt war, wurde für die betontechnologischen<br />
und bemessungsrelevanten Fragen ein<br />
Gutachter eingeschaltet.<br />
Die Rahmenstiele und die Betongelenke müssen<br />
neben hohen Druck- und Biegebeanspruchungen<br />
aufgrund der Bauwerkskrümmung<br />
im Grundriss auch große Torsionsmomente<br />
aufnehmen.
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7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Die Gelenkhalsfläche weist Abmessungen<br />
von 40 cm × 5 m auf, die Stielquerschnittsfläche<br />
im direkten Anschluss an das Gelenk<br />
hat Abmessungen von 1,60 m × 5,50 m. Das<br />
Torsionsmoment wurde vereinfachend durch<br />
ein Kräftepaar innerhalb der effektiven Gelenkhalsfläche<br />
aufgenommen, was die Querkraftbeanspruchung<br />
der Betongelenke sehr<br />
deutlich erhöht.<br />
Gemäß [1] sollte das Verhältnis zwischen<br />
Querkraft und Normalkraft im Gebrauchszustand<br />
< 0,25 sein, ansonsten wird eine Panzerung<br />
als notwendig erachtet.<br />
Aufgrund der Literaturstudie im Rahmen der<br />
gutachterlichen Stellungnahme [2] wurde der<br />
Grenzwert der Begrenzung der Querkraft mit<br />
0,40 festgelegt und auf einen Nachweis der<br />
Querkraftbewehrung verzichtet. Um ein sprödes<br />
Versagen der Betongelenke sicher auszuschließen,<br />
wurde gemäß [2] eine Bewehrung<br />
in Form geneigter Bewehrungsstäbe in der<br />
22<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Mittellinie des Gelenkhalses angeordnet.<br />
Bereits im Entwurf war in Abstimmung<br />
mit dem Bauherrn festgelegt, die mit Stahl<br />
ummantelten Rahmenstiele aus selbstverdichtendem<br />
Beton herzustellen, da die Herstellung<br />
mit Rüttelbeton als sehr schwierig<br />
angesehen wurde. Deshalb wurden bereits<br />
in den Verdingungsunterlagen ein grober<br />
Rahmen für die Zusammensetzung und die<br />
Festlegung wesentlicher Eigenschaften des<br />
SVB aufgenommen.<br />
5 Überblick über die Bauausführung<br />
Mit den Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2006<br />
begonnen, besondere Verkehrsführungsmaßnahmen<br />
waren für die Herstellung des Brückenbauwerkes<br />
nicht zu beachten. Die Gründungen<br />
wurden aufgrund der vorhandenen<br />
hydrologischen Gegebenheiten in geschlossenen<br />
Spundwandkästen mit Unterwasserbetonsohle<br />
ausgeführt. Pfeiler und Widerlager<br />
wurden dabei in den gut tragfähigen Kiesen<br />
und Sanden flach gegründet.<br />
Die Sichtflächen der Pfeiler und Widerlager<br />
wurden mit einer senkrecht verlaufenden,<br />
gehobelten Brettschalung mit regelmäßig<br />
versetzten Stößen hergestellt.<br />
Bild 18: Bauablaufplan<br />
© Leonhardt, Andrä und<br />
Partner<br />
Besonderes Augenmerk wurde bei der Herstellung<br />
auf den Rahmen in Achse 2 gelegt.<br />
Vor der eigentlichen Herstellung der Betongelenke<br />
und der Verbundrahmenstiele wurden<br />
zuerst Misch- und Verarbeitungsversuche<br />
durchgeführt, die vor allem die Eignung<br />
des gewählten SVB sicherstellen sollten.<br />
Um die Betonierbarkeit der Betongelenke<br />
und der Rahmenstiele mit ihren hohen Bewehrungsgraden<br />
nachzuweisen, wurde ein<br />
Probekörper hergestellt, der in Form, Bewehrungsanordnung<br />
und Bewehrungsgrad dem<br />
tatsächlichen Bauwerk entsprach.<br />
Nachdem der Probekörper erhärtet war,<br />
wurde er aufgeschnitten, um eventuelle<br />
Hohlstellen und das Betongefüge genauer<br />
untersuchen zu können. Es zeigte sich, dass<br />
der Beton die Bewehrung in allen Bereichen<br />
sehr gut umhüllt, Fehlstellen wurden dabei<br />
nicht festgestellt.<br />
Die erfolgreiche Herstellung des Probekörpers<br />
lieferte den Beweis, dass die Betongelenke<br />
aus SVB bei diesem Bauwerk im Hinblick auf<br />
den Umgang mit den zu Verfügung stehenden<br />
innovativen Werkstoffen die richtige<br />
Wahl waren.
Bild 19 + 20: Fertiggestelltes Bauwerk<br />
© Leonhardt, Andrä und Partner<br />
Da auch der Bereich der Stummelpfeiler<br />
unterhalb der Betongelenke einen hohen Bewehrungsgrad<br />
aufwies, wurden im Zuge der<br />
Ausführung die beiden Köpfe der Stummelpfeiler<br />
ebenfalls mit SVB hergestellt.<br />
Die Betonage der Rahmenstiele in Achse 2<br />
erfolgte in zwei Abschnitten. Abschnitt 1<br />
umfasste die Betongelenke und jeweils ein ca.<br />
3,50 m langes Stück des Rahmenstieles. Der<br />
Rest der Rahmenstiele und der Rahmenriegel<br />
bildeten den zweiten Abschnitt. Die hierdurch<br />
entstandene Arbeitsfuge wurde rechtwinklig<br />
zur Rahmenstielachse angeordnet. Die Herstellung<br />
der Vorlandbrücke erfolgte in acht<br />
Abschnitten auf einem bodengestützten<br />
Traggerüst.<br />
Der Stahltrog des Verbundüberbaus wurde<br />
über Land mit Mobilkran auf Hilfsunterstützungen<br />
montiert. Im Bereich der Elbe wurde<br />
ein ca. 70 m langes Mittelteil des Stromfeldes<br />
eingeschwommen und mittels Litzenhebern<br />
eingeschoben.<br />
Nach Komplettierung des Stahltroges wurde<br />
die Fahrbahnplatte in 28 Abschnitten von Osten<br />
nach Westen durchlaufend betoniert.<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
6 Zusammenfassung<br />
Die Elbebrücke Mühlberg überzeugt sowohl<br />
in gestalterischer Hinsicht als auch durch<br />
technische Neuerungen in besonderem<br />
Maße.<br />
Das Bauwerk findet sowohl national als auch<br />
international eine große Anerkennung.<br />
Eine besondere Auszeichnung wurde dem<br />
Bauwerk am 15. März 2010 in Dresden zuteil,<br />
als es mit dem Deutschen Brückenbaupreis<br />
2010 in der Kategorie Straßen- und Eisenbahnbrücken<br />
ausgezeichnet wurde. Von der<br />
Jury wurde die Wahl wie folgt begründet:<br />
»Mit der neuen, 700 m langen Elbebrücke bei<br />
Mühlberg wurde eine schwierige Aufgabe<br />
hervorragend gelöst. Das inzwischen als<br />
Auge von Mühlberg bekannte Bauwerk überzeugt<br />
mit seiner Kombination aus schlichter<br />
Eleganz und innovativer Konstruktionsidee.<br />
Dank der im Strombereich dadurch möglichen<br />
Stützweite von 144 m erfüllt die neue<br />
Elbequerung auch die ökologischen Vorgaben<br />
optimal.«<br />
Beim Preis des Deutschen Stahlbaues 2010<br />
erhielt das Bauwerk eine Auszeichnung. Die<br />
Institution of Structural Engineers nominierte<br />
die Elbebrücke Mühlberg zusammen mit<br />
zwei anderen Bauwerken für den Structural<br />
Award 2009 in der Kategorie Transportation<br />
Structures.<br />
7 Beteiligte<br />
Bauherr:<br />
Land Brandenburg und Freistaat Sachsen<br />
Vorhabenträger:<br />
Landesbetrieb Straßenwesen, Niederlassung<br />
Cottbus, und Straßenbauamt Döbeln<br />
Vorplanung, Entwurf und Ausschreibung:<br />
Ingenieurgemeinschaft Leonhardt, Andrä und<br />
Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH,<br />
und VIC Brücken und Ingenieurbau GmbH<br />
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7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Ausführungsplanung:<br />
Kinkel und Partner GmbH<br />
Dr. Schütz Ingenieure<br />
Prüfingenieure:<br />
Prof. Dr.-Ing. Graße, Prof. Dr.-Ing. Schubert<br />
Bauüberwachung:<br />
EHS beratende Ingenieure für Bauwesen<br />
Landschaftsplanung:<br />
Plan T Planungsgruppe<br />
Baugrundbeurteilung, Gründungsberatung:<br />
GBA Ingenieurgesellschaft<br />
Gutachter SVB:<br />
Prof. Dr.-Ing. Ngujen Viet Tue<br />
König und Heunisch Planungsgesellschaft<br />
mbH<br />
Bauausführung:<br />
Arge Elbebrücke Mühlberg<br />
Dywidag Bau GmbH / Strabag AG<br />
Subunternehmer Stahlbau:<br />
Eiffel, Lauterbourg<br />
8 Literatur<br />
[1] Leonhardt, Fritz: Vorlesungen über Massivbau,<br />
Teil 2: Sonderfälle der Bemessung<br />
im Stahlbetonbau. Springer-Verlag Berlin,<br />
Heidelberg 1986.<br />
[2] Tue, Nguyen Viet und Jankowiak, Holger:<br />
Betongelenke aus selbstverdichtendem<br />
und hochfestem Beton bei der neuen Elbebrücke<br />
Mühlberg.<br />
23
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
1 Das Bauwerk<br />
Das Ufer des Alstersees ist einer der beliebtesten<br />
Orte in Hamburg. Die Alstertreppen gegenüber<br />
dem Rathaus sind an sonnigen Tagen<br />
voll besetzt. Die Menschen kommen hierher<br />
zum Ausruhen und Entspannen.<br />
Einen solchen Ort bekommt jetzt auch Ludwigshafen,<br />
einen Ort der Begegnungen, ein<br />
urbanes Quartier mit vielen Bausteinen.<br />
Die Rhein-Galerie Ludwigshafen ist eines<br />
der spektakulärsten Zukunftsprojekte der<br />
boomenden Wirtschaftsregion Rhein-Neckar<br />
und wird auf dem Gelände des ehemaligen<br />
Zollhafens direkt am Rheinufer errichtet und<br />
öffnet damit die Innenstadt Ludwigshafens<br />
zum Rhein.<br />
Der Hamburger Projektentwickler ECE bringt<br />
mit der Rhein-Galerie ein Stück Hamburg in<br />
die Pfalz. Das zentrale Element ist das Wasser.<br />
Dieses wird dort künftig nicht nur zu sehen,<br />
sondern auch zu spüren sein.<br />
Dipl.-Ing. Jochen Bartenbach<br />
Vollack Bautechnik GmbH & Co.KG<br />
Beim Bau des 220-Millionen-Projektes gibt es<br />
viel Bemerkenswertes architektonischer Art,<br />
aber auch rund um den Stahlbau, und dies in<br />
einer Art und Weise, die ihresgleichen sucht.<br />
Der Investor Union Investment Real Estate<br />
AG aus Hamburg lässt hier mit dem Generalübernehmer<br />
ECE aus Hamburg und dem GU<br />
Ed. Züblin AG aus Stuttgart ein monumentales<br />
Einkaufszentrum mit 32.000 m² Verkaufsfläche<br />
entstehen.<br />
Die Verkaufsebenen im EG und 1. OG werden<br />
zukünftig 120 Shops und Gastronomie, das<br />
2. und 3. OG 1.350 Parkplätzen Raum bieten.<br />
24<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Architektur Stahlbau: Rhein-Galerie Ludwigshafen<br />
Bild 1: Einkaufscenter Rhein-Galerie Ludwigshafen<br />
© ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG<br />
Bild 2: Computeranimation<br />
© ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG<br />
80 m × 400 m große lichtdurchlässige und<br />
illuminierte Membrandachkonstruktion, die<br />
das komplette Center überspannt und hier die<br />
markante architektonische Prägung darstellt.<br />
Stationiert am alten Winterhafen von Ludwigshafen,<br />
einem ehemaligen »Parkplatz« für<br />
Schiffe während der kalten Jahreszeit, der in<br />
den 1950er-Jahren zugeschüttet wurde, stellt<br />
der Untergrund eine problematische Gründungssohle<br />
dar.<br />
Bild 3: Eröffnung im September 2010<br />
© ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG<br />
So war bei Baubeginn eine aufwendige<br />
Pfahlgründung nötig, bei der 550 Pfähle vom<br />
Generalunternehmer, der Fa. Ed. Züblin, bis zu<br />
25 m tief in den Untergrund gerammt wurden.<br />
Die besondere Herausforderung für die<br />
Vollack®-Experten lag bei diesem Projekt jedoch<br />
beim Stahlbau. Die technische Federführung<br />
in der Arge Stahlbau Rhein-Galerie Ludwigshafen<br />
Vollack/Bühler wird von Vollack®<br />
Stahlbau HiTec erbracht und durchgeführt.<br />
Das architektonische Highlight ist jedoch die Bild 4: Winterhafen<br />
© Ed. Züblin AG
Bild 5: Baukörperanordnung<br />
© Ed. Züblin AG<br />
Sie ist somit zuständig und verantwortlich für<br />
die technische Planung der Sonderlösungen,<br />
Koordination und Umsetzung der kompletten<br />
Stahlkonstruktion im EG und 1. OG, der Stahlverbundkonstruktion<br />
der Parkebene im 2. OG<br />
sowie für die Ausführung der räumlichen<br />
Stahlrohrunterkonstruktion der Membrandächer,<br />
auf die in der hier vorliegenden Veröffentlichung<br />
noch näher eingegangen wird.<br />
An dieser Stelle sei gestattet, die Unternehmensgruppe<br />
Vollack® kurz vorzustellen:<br />
Neben dem reinen Geschäftsfeld Stahlbau ist<br />
die Unternehmensgruppe Vollack® ein innovativer<br />
Baudienstleister mit einer über Jahre<br />
kontinuierlich weiterentwickelten Methodenkompetenz<br />
zur Entwicklung und Steuerung<br />
von komplexen Industrie-Bauprojekten.<br />
Mit derzeit 350 Mitarbeitern, davon allein<br />
150 Architekten und Ingenieure, bearbeitet<br />
Vollack® von zehn Standorten aus jährlich bis<br />
zu 100 Projekte mit einem Jahresumsatz von<br />
etwa 170 Mio. €.<br />
Die neue Firmenzentrale Vollack® Forum 1 in<br />
Karlsruhe, neu bezogen im Januar 2010, ist<br />
ein Gebäude, in dem heute schon in Bezug<br />
auf neue Arbeitswelten in der Bürolandschaft<br />
sowie auch in Bezug auf alternative Energien<br />
die Zukunft gelebt wird.<br />
Bild 8: Membrandachkonstruktion<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Das neue Werk 1, neu bezogen in 2009,<br />
geplant und weiterentwickelt als Durchlaufproduktion<br />
über mehrere Standorte hinweg<br />
(Werk 2 in Mihla bei Eisenach), gewährleistet<br />
einzigartige, effiziente Produktionsabläufe in<br />
einer der modernsten Stahlbaufertigungen.<br />
Bild 6 + 7: Firmenzentrale in Karlsruhe<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 9: Dach mit Giebelbindern<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
2 Das prägende Architekturmerkmal<br />
Das Membrandach ist das architektonische<br />
Highlight des Einkaufscenters Rhein-Galerie<br />
Ludwigshafen und besteht aus einer Unterkonstruktion<br />
aus Stahl und einer Membrankonstruktion<br />
aus glasfaserverstärkter<br />
PTFE-Folie.<br />
Das Membrandach ist in zwei Hauptteile<br />
gegliedert. Das »große Dach« ist rund 230 m<br />
lang und 80 m breit und besteht aus insgesamt<br />
22 Hauptachsen, das »kleine Dach« ist<br />
immer noch etwa 110 m lang und besteht aus<br />
zehn Hauptachsen.<br />
Gestützt werden die über 80 m in Querrichtung<br />
gespannten Kastenträger (aus Blechen<br />
unterschiedlicher Dicke zusammengesetzte<br />
Hohlkästen, b/d = 300 mm × 700 mm) in<br />
jeder Achse von je zwei Baumstützen mit<br />
jeweils vier Ästen und zwei V-Stützen mit<br />
zwei Ästen. Insgesamt ergeben sich somit 32<br />
Baumstützen mit 128 Ästen und 16 V-Stützen<br />
mit 32 Ästen. An den Längsrändern erfolgt<br />
die Lastabtragung über 30 m bzw. 40 m frei<br />
25
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
gespannte Längsbinder aus zweifach gekrümmten<br />
Rohren mit einem Außendurchmesser<br />
von 506 mm in unterschiedlichen<br />
Wandstärken. An den Stirnseiten erhält das<br />
Dach einen Randabschluss über freitragende<br />
Giebelrohrbinder mit den gleichen Abmessungen.<br />
Zwischen den Hauptquerbindern<br />
sind die Rundrohrpfetten mit Durchmesser<br />
244,50 mm in ebenfalls unterschiedlichen<br />
Wandstärken angeordnet.<br />
Jeder dieser Äste, Giebelrohr- und Längsrohrbinder<br />
und auch die Kastenträger wurden als<br />
geschraubte Konstruktion im Rahmen eines<br />
Sondervorschlages konzipiert. Ausgehend<br />
vom Entwurf der bauseitigen Planung des<br />
Bauherrn, bei der eine komplett geschweißte<br />
Konstruktion vorgesehen war, entwarfen und<br />
planten die Stahlbauexperten von Vollack®<br />
HiTec bereits im Angebotsstadium den jetzt<br />
ausgeführten geschraubten Entwurf.<br />
Am Anfang steht der Anspruch: Wir sind Partner<br />
von Anfang an, wenn es gilt, höchstes Ingenieur-Know-how<br />
in Gestaltung mit Stahl in<br />
Projekte einzubringen. Getreu diesem Motto<br />
von Stahlbau HiTec wurde der Sonderentwurf<br />
zur Ausführungsreife detailliert und ausgearbeitet.<br />
Gegenüber dem ausgeschriebenen<br />
Ursprungsentwurf wurden mehr als 1 Mio. €<br />
eingespart und die Montagezeit gegenüber<br />
der geplanten Version mit Hunderten von<br />
Baustellenschweißungen erheblich reduziert.<br />
»Architektenvisionen werden wahr und bleiben<br />
so bezahlbar − im Interesse des Bauwerks,<br />
des Bauherrn und aller anderen Planungsbeteiligten.«<br />
Neben der reinen geometrischen Planung<br />
sind bei solch komplexen und architektonisch<br />
anspruchsvollen Geometrien auch Punkte<br />
wie »optimierte Fertigung«, »reibungslose<br />
Logistik« und »effiziente Montage« bei der<br />
Ausarbeitung der Sondervorschläge zu berücksichtigen.<br />
Es gibt z. B. in Europa nur ganz wenige Betriebe,<br />
die solche Rohre entsprechend den<br />
CAD-Vorgaben biegen können. Daher waren<br />
höchstes technisches Know-how, intensives<br />
Vordenken, Anlieferung »just in sequence«<br />
und präziser Einbau nötig, um den Termin,<br />
das Budget und insbesondere die gewünschte<br />
Qualität zu erreichen.<br />
26<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 10: Längsrohrbinder mit festen Auflagern<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 11: Baum- und V-Stützen<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 12: Leergerüst der Längswandbinder<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 14: Knoten aus fünf Rohrteilen<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
So wurde aufgrund der komplizierten, räumlich<br />
zweifach gekrümmten Geometrie die<br />
Stahlkonstruktion der Längs- und Giebelbögen<br />
in einer um 90° zur Vertikalen gekippten<br />
1:1-Schablone gefertigt.<br />
Des Weiteren wurden aufgrund immer wiederkehrender<br />
Bauteile spezielle justierbare<br />
Schablonen zur Fertigung hergestellt, um<br />
eine entsprechende Genauigkeit zu gewährleisten.<br />
Bereits in der Fertigung wurden Bauteilgruppen<br />
in Echtgröße zusammengebaut, um hier<br />
auch Rückschlüsse für die spätere Montage<br />
vor Ort zu gewinnen und gleichzeitig die in<br />
separaten Plänen dargestellten Kontrollmaße<br />
zu überprüfen. Darüber hinaus wurden diese<br />
Bauteile dazu genutzt, Anschlussdetails, Verblendungen<br />
etc. zusammen mit den Architekten<br />
zu bemustern und zu besprechen.<br />
Bidl 13: Schablone zur Knotenfertigung<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 15: Knoten mit werkseitiger Grundierung<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG
Bild 16: Um 180° gedrehtes Teilelement<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Neben den Schablonen in der Werkstatt<br />
wurden auch entsprechende Schablonen<br />
für die Montage geplant und konzipiert, um<br />
eine vermessungstechnische Kontrolle der<br />
Konstruktion im Raum vornehmen zu können.<br />
Diese Montagegerüste wurden aus der<br />
3D-CAD-Planung abgeleitet und vor Ort von<br />
einem Vermesser entsprechend eingemessen<br />
und montiert.<br />
3 System Montageablauf<br />
Bild 19: Stadtseitige Baumstütze mit Hilfsgerüst<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 21: Einfahren der Schlussträger<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 17: Ausgelegter Hohlkastenquerträger<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
4 Zusammenfassung<br />
Bei komplexen modernen Gebäuden aus<br />
Stahl steht am Anfang der gestalterische<br />
Entwurf des Architekten. Ästhetik und Freiformen<br />
stehen oftmals im Vordergrund. Die<br />
Einbindung der Stahlbauexperten erfolgt<br />
jedoch meistens erst nach oder während<br />
der Ausschreibungsphase. Aus Sicht des<br />
Stahlbauexperten wäre es bei komplexen,<br />
Bild 20: Rheinseitige Baumstütze mit Hilfsgerüst<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
Bild 22: Lückenschluss der Dachbinder<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild 18: Hilfsgerüst der Längsbinder<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
architektonisch anspruchsvollen Gebäuden<br />
aber wünschenswert, wenn das stahlbauspezifische<br />
Ingenieur-Know-how und die Stahlbaukompetenz<br />
der Spezialisten früher zum<br />
Tragen kämen und diesen in vielen Bereichen<br />
schon in den Genehmigungsentwurf mit einfließen<br />
würden.<br />
So könnte man viele der beim vorliegenden<br />
Projekt im Nachgang aufgeworfenen Fragen<br />
und Details schon frühzeitig in die Gesamtplanung<br />
ohne Termindruck mit einfließen<br />
lassen: Grenzabmessungen für Rohrbiegungen,<br />
Verfügbarkeit und Walztermine der<br />
Rohrquerschnitte, Hilfsunterstützungen für<br />
Montage, Transportlängen, Terminfenster für<br />
Sonderbearbeitung wie »CAD-Rohrkonturfräsung«,<br />
Krankapazitäten, Montagestöße, Baustellenschweißungen,<br />
Schnittmengen mit<br />
angrenzenden Gewerken wie Betonbau und<br />
Membrandach, zu berücksichtigende Randbedingungen<br />
anderer Gewerke und vieles mehr.<br />
Partner von Anfang an – das ist das Ziel, das<br />
man anstreben sollte – im Sinne des Projektes<br />
und aller Planungsbeteiligten.<br />
Dann ist Vollack® mit seinen Stahlbauspezialisten<br />
ein Garant für die Architekten, moderne<br />
Architektur auch mit Stahl umzusetzen.<br />
Das Ergebnis kurz vor der Eröffnung – ein<br />
nicht alltägliches Bauwerk!<br />
Bild 23: Baustelle am 10. August 2010<br />
© Vollack Bautechnik GmbH & Co. KG<br />
27
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Dipl.-Ing. Uwe Heiland,<br />
Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH<br />
1 Masterplan<br />
Der Flughafen Berlin-Brandenburg International<br />
(BBI) ist nach München die zweite komplette<br />
Neuerrichtung eines Airportsystems<br />
in Deutschland mit unabhängig voneinander<br />
zu betreibenden Start- und Landebahnen<br />
sowie einer in der Mitte angeordneten Passagierabfertigung.<br />
Diese Konzeption garantiert<br />
kürzeste Rollwege für die Flugzeuge, damit<br />
schnelle Umkehrzeiten und einen wirtschaftlichen<br />
Betrieb.<br />
Im BBI werden die Verkehrsträger Bahn, Straße<br />
und Luftverkehr im Sinne des Passagiers in<br />
einem Punkt zusammengeführt, wobei durch<br />
den unterirdischen Flughafenbahnhof und<br />
die direkte Verknüpfung mit der Autobahn<br />
ein Höchstmaß an Vernetzung erreicht wird.<br />
Der Terminal besteht aus einer Haupthalle<br />
und vorgelagerten Piergebäuden. Seine klare<br />
räumliche Aufteilung bietet dem Reisenden<br />
die kürzestmöglichen Verbindungen und<br />
gewährleistet eine gute Orientierung. Anpassungsfähigkeit,<br />
Veränderbarkeit und Flexibilität<br />
waren für die bauliche Struktur des<br />
Terminals die wichtigsten Maximen.<br />
Dipl.-Ing. Thomas Stihl,<br />
Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH<br />
28<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Airport BBI: Die Stahlkonstruktion des Terminals<br />
2 Zum Tragwerk<br />
In einem Zeitungsbericht zur Gestaltung des<br />
Flughafens heißt es: »(…) wenn Schinkel einen<br />
Flughafen gebaut hätte...«, und weiter: »(…)<br />
sparsam im Aufwand, nobel im Gesims, der<br />
Landschaft angepasst …«<br />
Das funktionale und bauliche Konzept des<br />
Flughafens beruht auf einer in Ost-West-<br />
Richtung verlaufenden Hauptachse und<br />
orthogonalen anschließenden Nebenachsen.<br />
Dipl.-Ing. Peter Roßmeier,<br />
Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 1: Visualisierung des Terminalgebäudes<br />
© gmp Architekten/JSK Architekten<br />
Bild 2: Ansicht von Dach, Fassade und Vorfahrt<br />
© gmp Architekten/JSK Architekten<br />
Sie bilden die Symmetrieachse des Fluggastterminals,<br />
wobei die Dachscheibe dieses Ordnungsprinzip<br />
fortsetzt – durch in Haupt- und<br />
Nebenachsrichtung angeordnete Oberlichter,<br />
die wiederum 20 opak eingepasste Kassetten<br />
gliedern. Das Dachtragwerk überspannt auch<br />
den Bereich der Vorfahrt, die Check-in-Areale<br />
sowie den zentralen Marktplatz bis zur Abflugzone<br />
im Piergebäude.<br />
3 Komponenten und Geometrie<br />
Das Dachtragwerk des Fluggastterminals<br />
ist ein ebener Trägerrost mit einer Gesamtbauhöhe<br />
von ca. 4,20 m, der in einem Raster<br />
von 43,75 m durch 30 Pendelstützen getragen<br />
und an dem überbauten Stahlbetonbaukörper<br />
durch zwei Festpunkte horizontal ausgesteift<br />
wird. Er ruht auf der angrenzenden<br />
Massivbaukonstruktion des eingestellten<br />
Stahlbetonbaukörpers, des Piergebäudes sowie<br />
der Untergeschosse.<br />
Es gliedert sich entsprechend den Tragfunktionen<br />
einzelner Bauteile in eine Primär-,<br />
eine Sekundär- und eine Tertiärstruktur. An<br />
das Dachtragwerk schließen die Außen- und
Bild 3: System und Geometrie<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 4: Längs- und Querschnitt<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Innenfassaden an, die als transparente, durch<br />
Seilbinder stabilisierte Glashüllen ausgebildet<br />
sind. Aufgrund des Designs dieser »Glashaut«<br />
war es notwendig, die Stahlkonstruktion<br />
in den Anschlussbereichen zur Fassade<br />
mit einer außergewöhnlichen Genauigkeit<br />
von +/-5 mm herzustellen.<br />
Neben den die Dachscheibe erzeugenden<br />
Bauteilen<br />
– A: Primärtragwerk mit 4.532 t,<br />
– B: Sekundärtragwerk mit 2.265 t,<br />
– C: Tertiärtragwerk mit 1.415 t,<br />
waren auch die Elementgruppen<br />
– D: Stützen mit 484 t,<br />
– E: Marktplatzbrücken mit 80 t,<br />
– F: Pierdächer mit 574 t,<br />
und damit ein Gesamtgewicht von ca. 9.350 t<br />
Bestandteil der Stahlbauleistungen.<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
4 Konstruktive Lösungen<br />
Die vom Architektenteam vorgegebene Konstruktionsweise<br />
kombiniert verschiedene im<br />
modernen Stahlbau vorhandene Bauweisen.<br />
So wurden parallelgurtige Fachwerke (Sekundärtragwerk),<br />
dreieckige Fachwerkbinder<br />
(Tertiärtragwerk Obergeschoß) oder Vollwandbinder<br />
(Primärtragwerk) für den Entwurf der<br />
Dachscheibe verwendet – und unter anderem<br />
die Vollwandbinder des Haupttragwerks erstmalig<br />
als über 4 m hohe Träger mit Trapezsteg<br />
ausgebildet. Das heißt, es musste der bislang<br />
höchste Trapezsteg für eine Hochbaukonstruktion<br />
hergestellt werden. Die Fabrikation<br />
der Trapezstege war damit nicht allein eine<br />
Herausforderung für das Kanten der Stege,<br />
sondern ebenso eine neue Aufgabe für das<br />
Fügen der Kantsektionen. Insgesamt wurden<br />
ca. 300 Trapezstege in einer Länge von<br />
12,50 m und einer Höhe von 4,20 m gefertigt.<br />
Dies konnte mit automatisierter Technik auf<br />
einem Schweißroboter in der kurzen Zeit<br />
mit der verlangten Genauigkeit verwirklicht<br />
werden.<br />
Auch bei der Realisierung der Lager für die<br />
Pendelstützen der in 30 m Höhe schwebenden<br />
Dachscheibe wurde in Zusammenarbeit<br />
zwischen den Tragwerksplanern Schlaich<br />
Bergermann und Partner und Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH eine optimierte<br />
konstruktive Lösung gefunden: Die Gelenke<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
der Stützen wurden als wartungsfreie Kalottenwälzlager<br />
ausgeführt, bei denen jegliches<br />
Gleiten und infolgedessen ein Verschleiß ausgeschlossen<br />
bleiben. Dies ließ sich wiederum,<br />
für den Betrachter von außen nicht erkennbar,<br />
ohne Einfluss auf den Architektenentwurf<br />
technisch ändern und umsetzen.<br />
Bild 5: Struktur<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 6: Roboterportal zur Trapezstegfertigung<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
29
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
5 Werksfertigung<br />
Die Werksfertigung erfolgte unter Einbeziehung<br />
von neun (Fertigungs-)Standorten. Nur<br />
so ließ sich das gesamte Tragwerk von ca.<br />
9.350 t innerhalb von lediglich sieben Monaten<br />
montagefertig zur Baustelle nach Berlin<br />
liefern. Koordinierung und Überwachung der<br />
Fertigung und Schnittstellen oblagen dabei<br />
einem Team von Mitarbeitern, für das eine<br />
spezifische Projektstruktur in einem eigenen<br />
Großraumbüro geschaffen wurde.<br />
Schnittstelleninformationen waren somit<br />
»über den Tisch« verfügbar, so dass die räumliche<br />
Trennung der Fertigungsstellen keinen<br />
nachteiligen Einfluss auf den Ablauf hatte.<br />
Selbst die englische Schwestergesellschaft<br />
des Generalunternehmers Stahlbau, die<br />
Eiffel Steelworks UK, konnte so an der Maßnahme<br />
»Flughafenterminal BBI« beteiligt<br />
werden, um die anspruchsvollen Lieferzeiten<br />
zu gewährleisten. Zur Überprüfung der<br />
hergestellten Komponenten diente das eingeführte<br />
Qualitätsmanagementsystem, das<br />
alle Abläufe regelte und durch mehrere Kontrollebenen<br />
überwacht wurde. So gab es die<br />
Eigenüberwachung von Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie, die bei auswärtigen Fertigungsstellen<br />
durch die Ingenieurgesellschaft<br />
BGS Grontmij ergänzt wurde, sowie die ingenieurtechnische<br />
Kontrolle der bauseitigen<br />
Planungsgesellschaft PGBBI, die das Qualitätsmanagement<br />
komplettierte. Derart war<br />
es machbar, Fertigungsstellen mit optimalen<br />
Möglichkeiten und maschineller Ausrüstung<br />
(Roboterschweißen, Kantbänke, spanende<br />
Bearbeitung) für die unterschiedlichen Bauweisen<br />
(Fachwerke, Faltwerke, Vollwandträger,<br />
Stahlgussbauteile) auszuwählen – und im<br />
Ergebnis optimal aufeinander abgestimmte<br />
Bauteile zu fertigen und auszuliefern.<br />
Die geometriebestimmende Baugruppe Kapitelle,<br />
welche direkt auf den Pendelstützen<br />
ruht, wurde im Werk der Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH hergestellt. Bei<br />
diesen Kapitellen handelt es sich um kreuzförmig<br />
angeordnete, dicht verschweißte und<br />
innen ausgesteifte Kastenwände, die 7,60 m<br />
breit und 5,20 m hoch sind und eine Bautiefe<br />
von nur 312 mm aufweisen. In ihrer Spitze<br />
wurden die Kalottenpfannen der Pendelstützen<br />
angeschweißt, die für Lagerlasten bis zu<br />
15.700 kN ausgelegt sind.<br />
Im Detail mussten komplizierte Strukturen<br />
realisiert werden, die im architektonischen<br />
Entwurf leicht, glatt und klar gegliedert wirken.<br />
Durch die Entfernung des Betrachters<br />
zum Tragwerk sind die oft aufwendig gefertigten<br />
Anschlüsse jedoch nicht sichtbar, was<br />
die Schwierigkeiten bei der Herstellung gar<br />
nicht aufzeigt.<br />
30<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 7: Kalottenwälzlager aus Stahlguss<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 8: Knoten am Primärtragwerk<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 9: Ursprüngliches Montagekonzept<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
6 Montage und Vormontage<br />
Der Gesamtablauf sah folgendermaßen aus:<br />
– Auftragsvergabe: 2. Januar 2009 (1. Monat)<br />
– Werks- und Montageplanung: ab Februar<br />
2009 (2. Monat)<br />
– Materialbestellung, Walzung der Halbzeuge:<br />
ab März 2009 (3. Monat)<br />
– Werkstattfertigung transportabler Baueinheiten:<br />
ab Mai 2009 (5. Monat)<br />
– Vormontage der Bauteile zu Hubeinheiten<br />
im Baufeld: ab Juni 2009 (6. Monat)<br />
– Endmontage der Hubeinheiten im Baufeld<br />
auf dem Massivrohbau: ab August 2009 (8.<br />
Monat)<br />
– Einhub letztes Großbauteil: 7. März 2010<br />
(14. Monat)<br />
Für die Montage waren den am Bieterverfahren<br />
beteiligten Firmen Randbedingungen<br />
vorgeschrieben und eine Machbarkeitsstudie<br />
überreicht, aber die Ausführung an sich grundsätzlich<br />
freigestellt worden.<br />
Mit der Machbarkeitsstudie wurde gezeigt,<br />
dass ein auf dem obersten Geschoß des Terminals<br />
operierender Raupenkran in der Lage<br />
wäre, die notwendigen Baugruppen in die<br />
(Einbau-)Position zu verbringen. Basis dieses<br />
Vorschlages wäre jedoch eine Durchsteifung<br />
des Gesamtgebäudes bis auf die Gründung<br />
gewesen, die vor und während des Raupenkraneinsatzes<br />
zu montieren, vorzuhalten und<br />
zu warten gewesen wäre.<br />
Infolge des Baufortschritts von Vorgängergewerken<br />
und anderer Überlegungen konnte<br />
eine ausführbare Alternativlösung gezeigt<br />
werden, die<br />
– Vorlaufgewerken einen Zeitpuffer einräumte,<br />
– keine Einbauten (Aussteifungen) in den<br />
Terminalrohbau erforderlich machte und<br />
– die Anzahl der notwendigen Hubvorgänge<br />
erheblich reduzierte.<br />
Bild 10: Gewähltes Montageverfahren mit zwei Kranen<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH
Bild 11: Baustellenlayout: Vormontageflächen mit Zwischenlager (grün),<br />
Kranstandort (rot), Terminal (schwarz)<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Bild 12: 60-t-Portalkran zur Vormontage<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Das gewählte Montageverfahren (Einhub<br />
großer Hubeinheiten mittels großer Raupenkrane)<br />
ermöglichte ein zeitliches und räumliches<br />
Entzerren der Arbeiten, da bereits große<br />
Anteile der Montage- und Schweißvorgänge<br />
im Vorfeld auf den Vormontageplätzen durchgeführt<br />
werden konnten. Dadurch war es<br />
machbar, die Dachkonstruktion früher an die<br />
Nachfolgegewerke zu übergeben.<br />
Domänen des Stahlbaus<br />
Bild 13: 45.000 m² Zwischenlagerflächen<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
Voraussetzung für die Realisierung der zur<br />
Anwendung gekommenen Alternative waren<br />
jedoch das Zug-um-Zug-Bereitstellen,<br />
-Nutzen und -Räumen von Logistikflächen<br />
durch das Flächenmanagement sowie eine<br />
Arbeitsorganisation, welche in der Lage war,<br />
auf den diversen Vormontageflächen aus den<br />
antransportierten Bauteilen kontinuierlich<br />
Hubeinheiten mit bis zu 123 t und 51,50 m<br />
Länge zu erzeugen und diese mittels Schwerlasttransportfahrzeugen<br />
in die Schwenkbereiche<br />
der Raupenkrane zu verbringen.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
7 Zusammenfassung<br />
Die Errichtung der Stahlkonstruktion des<br />
Terminalgebäudes des neuen Großflughafens<br />
Berlin-Brandenburg International<br />
(BBI) innerhalb von 14 Monaten zwischen<br />
Auftragserteilung bzw. Planungsbeginn und<br />
Fertigstellung der Montage erforderte eine<br />
hohe koordinative und technische Kompetenz<br />
sowie adaptive logistische Konzepte. Im klugen<br />
Zusammenwirken und Weiterentwickeln<br />
der vorliegenden Basisplanung wurden im<br />
Rahmen der Werk- und Montageplanung optimierte<br />
Lösungen zwischen Architekten und<br />
Ingenieuren, dem Auftraggeber und dem ausführendem<br />
Unternehmen Eiffel Deutschland<br />
Stahltechnologie GmbH erarbeitet.<br />
Bild 14: Einhub eines 115-t-Elements<br />
© Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH<br />
8 Beteiligte<br />
Bauherr:<br />
FBS Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH<br />
Entwurf:<br />
gmp Architekten<br />
von Gerkan, Marg und Partner, Berlin<br />
JSK Dipl.-Ing. Architekten, Berlin<br />
Tragwerksplanung:<br />
Schlaich Bergermann und Partner,<br />
Stuttgart, Berlin<br />
Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH,<br />
Berlin<br />
Werkstatt- und Montageplanung:<br />
Gregull & Spang Ingenieurgesellschaft für<br />
Stahlbau mbH,<br />
Berlin<br />
Ausführung:<br />
Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH,<br />
Hannover<br />
31
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
1 Einleitung<br />
Bei der Herstellung von Großbauwerken<br />
wie zum Beispiel Kraftwerken, Brücken oder<br />
Stahlwasserbauten usw. ist es nicht nur in<br />
Deutschland üblich, dass eine Bauüberwachung<br />
durchgeführt wird. Oft werden dann<br />
sogenannte Inspektionsstellen vom Bauherrn<br />
damit beauftragt, die fachgerechte Umsetzung<br />
der vertraglich vereinbarten Leistungen<br />
zu überprüfen.<br />
Dipl.-Ing. Jörg Mährlein,<br />
GSI mbH, NL SLV Duisburg<br />
32<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Qualitätsüberwachung im Kraftwerksbau<br />
2 Überwachung –<br />
Grundlegende Betrachtung<br />
Unter dem Begriff der Überwachung ist nach<br />
Oppler [1] eine beobachtende, überprüfende<br />
und vergleichende Tätigkeit zu verstehen.<br />
Zum einen wird mit dem Begriff »Überwachung«<br />
also auch die Eigenüberwachung des<br />
Herstellers mit erfasst. Daneben werden aber<br />
auch noch öffentlich-rechtliche und privatrechtliche<br />
Bauüberwachungen durchgeführt.<br />
Unabhängig davon, welche von beiden Überwachungen<br />
durchgeführt werden, hat der<br />
Hersteller die Leistung immer in eigener Verantwortung<br />
zu erbringen.<br />
2.1 Eigenüberwachung<br />
Nicht erst mit Einführung der Richtlinie<br />
89/106/EWG (Bauproduktenrichtlinie) [2]<br />
wurde der Begriff »Eigenüberwachung«<br />
durch den Begriff der werkseigenen Produktionskontrolle<br />
ersetzt.<br />
Nach Nr. 6.3.1, 1 und 2 der DIN EN 1090-1 [3]<br />
muss der Hersteller ein System der werkseigenen<br />
Produktionskontrolle einrichten, dokumentieren<br />
und aufrechterhalten, um sicherzustellen,<br />
dass die in den Verkehr gebrachten<br />
Produkte die deklarierten Leistungsmerkmale<br />
aufweisen.<br />
Das System der werkseigenen Produktionskontrolle<br />
muss schriftlich festgelegte Verfahren,<br />
regelmäßige Kontrollen und Prüfungen<br />
und/oder Beurteilungen sowie die Anwendung<br />
von Ergebnissen zur Überwachung der<br />
Halbzeuge, der Ausrüstung, des Herstellungsverfahrens<br />
und des hergestellten Bauteils<br />
umfassen.<br />
2.2 Bauüberwachung nach Baurecht<br />
Nach Nr. 1, Satz 1 § 53 MBO [4] hat der Bauherr<br />
u. a. zur Vorbereitung, Überwachung<br />
und Ausführung eines nicht verfahrensfreien<br />
Bauvorhabens geeignete Beteiligte nach<br />
Maßgabe der §§ 54 bis 56, also Entwurfsverfasser,<br />
Unternehmer und Bauleiter zu<br />
bestellen, soweit er nicht selbst zur Erfüllung<br />
der Verpflichtungen nach diesen Vorschriften<br />
geeignet ist.<br />
Entsprechend Nr. 1, Sätze 1 und 2, § 56 MBO<br />
hat der Bauleiter darüber zu wachen, dass die<br />
Baumaßnahme entsprechend den öffentlichrechtlichen<br />
Anforderungen durchgeführt<br />
wird, und die dafür erforderlichen Weisungen<br />
zu erteilen.<br />
Nach Nr. 2, Sätze 1und 2 § 56 MBO muss der<br />
Bauleiter über die für seine Aufgabe erforderliche<br />
Sachkunde und Erfahrung verfügen.<br />
Verfügt er auf einzelnen Teilgebieten nicht<br />
über die erforderliche Sachkunde, so sind geeignete<br />
Fachbauleiter hinzuzuziehen.<br />
2.2 Privatrechtliche Bauüberwachung<br />
Daneben muss der Bauherr darüber entscheiden,<br />
ob die Annehmbarkeit des Produktes<br />
gegeben ist. Dies erfolgt, indem er die Abnahme<br />
durchführt. Nach Vygen [5] muss der<br />
Bauherr im Einzelnen überprüfen, ob das<br />
Produkt seinem Bestellerwillen entspricht.<br />
In der Rechtsprechung wird hier von der Billigung<br />
des hergestellten Werkes durch den<br />
Bauherrn gesprochen. Der Bauherr muss also<br />
über ausreichende Fachkenntnisse verfügen,<br />
um vorhandene Mängel erkennen zu können.<br />
Außerdem muss er die Prüfungen rechtzeitig<br />
durchführen, so dass der Hersteller die Möglichkeit<br />
zur Nachbesserung hat. Verfügt der<br />
Bauherr nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse<br />
und/oder die Personalkapazitäten,<br />
kann er, auf eigene Kosten, entsprechende<br />
Fachleute hinzuziehen. Diese müssen dann<br />
die Leistung dahingehend überprüfen, ob sie<br />
mit der vertraglich vereinbarten Soll-Leistung<br />
übereinstimmt.<br />
Auch nach Auffassung Opplers erscheint die<br />
Bauüberwachung angezeigt. Die Bauabnahme<br />
alleine reicht demnach nicht aus, um die<br />
ordnungsgemäße Bauausführung feststellen<br />
zu können.<br />
Viele Gutachten, so Oppler, die erst nach der<br />
Bauausführung durchgeführt wurden, um<br />
die Mängelursache festzustellen, bestätigen<br />
diese Annahme.<br />
3 Ergebnisse durchgeführter<br />
Bauüberwachungen<br />
Bei der Herstellung von Produkten kann es<br />
immer wieder einmal zu Abweichungen von<br />
den Soll-Vorgaben kommen.<br />
Grundsätzlich sollten diese Abweichungen<br />
aber im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle<br />
festgestellt werden. In Abhängigkeit<br />
vom Grad der Abweichung bestehen<br />
mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen.<br />
Die einfachste, jedoch für den Hersteller<br />
nicht immer wirtschaftlichste Lösung besteht<br />
darin, die Abweichung zu korrigieren und die<br />
Übereinstimmung mit der Soll-Vorgabe herzustellen.<br />
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass<br />
der Hersteller sich die Abweichung vom Bauherrn<br />
genehmigen lässt. Dazu muss der Hersteller<br />
einen Abweichungsbericht erstellen,<br />
darauf aufbauend einen Lösungsvorschlag
erarbeiten und mit beiden Unterlagen dann<br />
einen sogenannten Tolerierungsantrag beim<br />
Hersteller stellen. Somit hat der Hersteller die<br />
Möglichkeit, über die Zulässigkeit der Abweichung<br />
zu entscheiden.<br />
Die Gründe dafür, wieso es aber überhaupt zu<br />
den Abweichungen kommen kann, sind sehr<br />
vielschichtig.<br />
Interessanterweise waren viele dieser Abweichungen<br />
auf sehr ähnliche, u. a. nachfolgend<br />
beschriebene Ursachen zurückzuführen.<br />
3.1 Planung und technische Unterlagen<br />
3.1.1 Spezifikationen<br />
Die zu erbringende Leistung wird in den<br />
Spezifikationen unvollständig oder missverständlich<br />
beschrieben. So enthalten z. B. die<br />
Spezifikationen Normen und Regelwerke, die<br />
nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik<br />
entsprechen. Auch wird oft nicht erkannt,<br />
dass manche Texte in den Normen einer<br />
Präzisierung bedürfen, damit der Hersteller<br />
genau weiß, was er später umzusetzen und<br />
einzuhalten hat.<br />
Beispiel:<br />
Pos. 12345 Verzinkter Träger HEB 500 mit<br />
Stirnplatten t = 45 mm, alles aus S355J0+N<br />
nach DIN EN 10025-2 [6] mit Verzinkung nach<br />
DIN EN ISO 1461 [7], Schichtdicke 80 µm, Ausbesserungen<br />
sind nur mittels thermischen<br />
Spritzens nach DIN EN 22063 [8] zulässig. Hier<br />
fehlen z. B. die Hinweise darauf, dass<br />
a) die Verzinkerei den Übereinstimmungsnachweis<br />
ÜZ nach DASt 022 [9] und<br />
b) der Hersteller, welcher das thermische<br />
Spritzen ausführt, den Übereinstimmungsnachweis<br />
ÜHP zu erbringen hat.<br />
3.1.2 Bauliche Durchbildung<br />
Viele Hersteller verfügen heutzutage nicht<br />
mehr über eigene technische Büros. Die<br />
Erstellung der technischen Unterlagen wird<br />
untervergeben. Allerdings verfügen nicht alle<br />
dieser Unterlieferanten über die notwendigen<br />
Erfahrungen, die jedoch notwendig sind,<br />
ein Stahlbauwerk schweiß-, schraub-, prüf-<br />
und korrosionsschutzgerecht konstruieren zu<br />
können.<br />
Bild 2: Nicht schweiß- und korrosionsschutzgerecht<br />
konstruiertes Verstärkungsblech<br />
© GSI mbH<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Auch kennen diese Unterlieferanten häufig<br />
nicht die fertigungstechnischen Möglichkeiten<br />
des Herstellers, so dass es auch hierdurch<br />
zu Festlegungen kommt, welche die Fertigung<br />
dann später nicht erfüllen kann.<br />
3.1.3 Zeichnerische Darstellung<br />
von Schweißverbindungen<br />
Oftmals werden Nahtvorbereitungen nicht<br />
oder nur unvollständig dargestellt. Auch<br />
fehlen Angaben zu ggf. notwendigen Prüfumfängen<br />
für die zerstörungsfreien Prüfungen,<br />
obwohl diese entsprechend dem statischen<br />
Nachweis oder nach dem Betriebsfestigkeitsnachweis<br />
erforderlich sind.<br />
Beispiel:<br />
Vorgabe Statik:<br />
Durchgeschweißte Naht, Tab. 19, Zeile 2<br />
Vorgabe Zeichnung:<br />
Bewertungsgruppe C nach DIN EN ISO 5817<br />
Ergebnis:<br />
Es wurde eine über die Gesamtlänge nicht<br />
durchgeschweißte Stumpfnaht hergestellt.<br />
Auch der nachträglich berechnete Soll-Einbrand<br />
wurde nicht erreicht.<br />
7 4<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Bild Bild 2. 1: Symbolische Darstellung Darstellung einer I-Naht I-Naht für den für den Stumpfstoß von I PE 160<br />
Stumpfstoß von IPE 160<br />
© GSI mbH<br />
Bild 3: Ungenügende Durchschweißung<br />
Bild 3: Ungenügende Durchschweißung<br />
© GSI mbH<br />
3.2 Werkstoffe<br />
3.2 Werkstoffe<br />
Neben der Festlegung der Festigkeitsklassen<br />
wird es notwendig, die zusätzlichen Anforderungen<br />
an den Werkstoff bereits beim Erstellen<br />
der Spezifikation festzulegen.<br />
Dazu gehören zum Beispiel:<br />
– Nachweis der Sprödbruchsicherheit durch<br />
Wahl der entsprechenden Stahlgütegruppe<br />
– Nachweis der verbesserten Verformungseigenschaften<br />
senkrecht zur Erzeugnisoberfläche<br />
nach DIN EN 10164 [10] (für Stähle<br />
z. B. nach DIN EN 10025-2 aber nur für die<br />
Gütegruppen J2 und K2)<br />
– Nachweis der Freiheit von Dopplungen und<br />
anderen inneren Fehlern<br />
– Begrenzung der zulässigen Oberflächenungänzen<br />
und der Art des Ausbesserns von<br />
Oberflächenfehlern durch Schleifen und/<br />
oder Schweißen z. B. nach DIN EN 10163-2<br />
[11] für Bleche und Breitflachstähle usw.<br />
��������<br />
160<br />
Neben der Festlegung der Festigkeitsklassen wird es notwendig,<br />
Anforderungen an den Werkstoff bereits beim Erstellen der Spezifikation fe<br />
33<br />
Dazu gehören zum Beispiel:
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
3.2.1 Anwendung des Ersatzkriteriums<br />
für den Aufschweißbiegeversuch<br />
Das Durchführen des Aufschweißbiegeversuches<br />
nach DIN 18800-7, Tab. 100 [12] dient<br />
zum Nachweis eines ausreichenden Rissauffangvermögens.<br />
Typische Abweichungen ergeben sich häufig,<br />
weil nicht auf die richtige Werkstoffbezeichnung<br />
bei der Bestellung geachtet wird bzw.<br />
die Lieferzustände nicht eindeutig festgelegt<br />
werden.<br />
Beispiel:<br />
Vorgabe Statik:<br />
Blech S235, Dicke t = 45 mm<br />
Vorgabe Zeichnung:<br />
S235JR – DIN EN 10025-2<br />
Ist-Werkstoffnachweis:<br />
S235JR + AR nach DIN EN 10025-2<br />
Anforderung Äquivalenzkriterium:<br />
Lieferzustand +N oder +M nach DIN EN<br />
10025-2<br />
Ergebnis:<br />
Die Anforderungen sind nicht erfüllt.<br />
Der Aufschweißbiegeversuch ist nachträglich,<br />
sofern noch Restmaterial zur Verfügung steht<br />
und eine eindeutige Rückverfolgbarkeit gegeben<br />
ist, durchzuführen.<br />
3.2.2 Nachweis der Freiheit von<br />
Dopplungen und anderen (inneren)<br />
Fehlern<br />
Die modernen Herstellungsverfahren der europäischen<br />
Walzwerke ermöglichen eine weitestgehend<br />
fehlerfreie Fertigung. Dennoch<br />
lassen sich Fehler nie ganz ausschließen. Die<br />
Durchführung von Wareneingangsprüfungen<br />
sollte immer unter Berücksichtigung des<br />
Verwendungszweckes und des Sicherheitsniveaus<br />
des Bauteils erfolgen.<br />
So weist z. B. das OLG Hamm (19 U 35/86 vom<br />
28.10.1986, rechtskräftig, Revision zum BGH<br />
nicht zugelassen) in seinem Urteil darauf hin,<br />
dass es auch eine Pflicht des Stahlbauunternehmens<br />
als Herstellers einer geschweißten<br />
Konstruktion ist, die Wareneingangsprüfung<br />
durchzuführen und sich nicht alleine auf das<br />
Vorhandensein einer Werkstoffbescheinigung<br />
zu verlassen.<br />
34<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Bild 4: Riss im Stegbereich eines Walzprofiles<br />
© GSI mbH<br />
3.3 Unwirksamkeit der werkseigenen<br />
Produktionskontrolle<br />
Vielen dieser Abweichungen ist gemeinsam,<br />
dass sie eigentlich bereits im Rahmen der<br />
durch den Hersteller durchzuführenden<br />
werkseigenen Produktionskontrolle hätten<br />
erkannt werden müssen.<br />
Da es sich hier um Bauprodukte handelt,<br />
bedürfen diese nach Nr. 1 § 22 MBO einer<br />
Bestätigung ihrer Übereinstimmung mit den<br />
technischen Regeln nach § 17 Abs. 2 (Bauregelliste<br />
A). Nach Nr. 1 § 23 darf der Hersteller<br />
eine Übereinstimmungserklärung aber nur<br />
abgeben, wenn er durch werkseigene Produktionskontrolle<br />
sichergestellt hat, dass das<br />
von ihm hergestellte Bauprodukt den maßgebenden<br />
technischen Regeln, der allgemeinen<br />
bauaufsichtlichen Zulassung, dem allgemeinen<br />
bauaufsichtlichen Prüfzeugnis oder der<br />
Zustimmung im Einzelfall entspricht.<br />
Bezogen auf die festgestellten Abweichungen<br />
bleibt jedoch festzustellen, dass eine funktionierende<br />
werkseigene Produktionskontrolle<br />
häufig nur sehr bedingt vorhanden ist.<br />
3.3.1 Schweißtechnische Ausführung<br />
Nach 13.3, l) der DIN 18800-7 ist zu prüfen, ob<br />
die geforderten Ausführungsgüten erreicht<br />
worden sind. Grundsätzlich sind im Rahmen<br />
der werkseigenen Produktionskontrolle die<br />
Prüfergebnisse zu dokumentieren und zu<br />
bewerten.<br />
3.3.2 Korrosionsschutz<br />
Die Forderung der DIN 18800-7, Pkt. 13.3 o),<br />
dass im Rahmen der werkseigenen Produk-<br />
tionskontrolle die erforderlichen Maßnahmen<br />
bei der Ausführung der Korrosionsbeschichtungen<br />
nach DIN EN ISO 12944-1 bis<br />
DIN EN ISO 12944-8 eingehalten und dokumentiert<br />
werden müssen, wird vielfach nicht<br />
berücksichtigt.<br />
Ebenso wenig findet die eindeutige Regelung<br />
der DIN EN ISO 12944-7, Pkt. 3.1.1, Satz 2 [13]<br />
Anwendung.<br />
Demnach hat der Unternehmer immer den<br />
Nachweis zu erbringen, dass er zertifiziertes<br />
Personal einsetzt.<br />
Alles andere wäre dann die Ausnahmeregelung<br />
und gesondert vertraglich zu vereinbaren.<br />
Bild 5: Eingesetztes Passstück am Gehrungsstoß<br />
© GSI mbH<br />
Bild 6: Strahlmittelreste in der Beschichtung<br />
© GSI mbH
4 Zusammenfassung<br />
Entsprechend Nr. 1, Satz 1, § 53 MBO hat der<br />
Bauherr u. a. immer dann einen Bauleiter zu<br />
bestellen, wenn er selber diese Aufgabe nicht<br />
wahrnehmen kann.<br />
Unabhängig davon benötigt der Bauherr aber<br />
auch jemanden, der ihn bei der Abnahme des<br />
Bauwerkes unterstützt. Auch hier gilt, das er<br />
geeignete Fachleute hinzuziehen kann, die<br />
ihn hierbei unterstützen.<br />
Wenn der Bauherr schon einen Bauleiter zu<br />
bestellen hat, liegt es also nahe, dass dieser<br />
sich durch Fachbauleiter unterstützen lässt,<br />
die dann gleichzeitig auch noch »technische<br />
Abnahmen« durchführen können.<br />
Dazu gehört aber z. B., dass der Bauüberwacher<br />
– über entsprechende Berufserfahrung und<br />
umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen<br />
in der Herstellung von Stahlbauwerken verfügt,<br />
– den Bauherrn auch auf technisch nicht<br />
durchführbare Leistungen hinweist oder<br />
auf solche, die nicht mehr den anerkannten<br />
Regeln der Technik entsprechen. Somit<br />
können diese Leistungen auf das technisch<br />
Machbare und Notwendige hin geändert<br />
werden,<br />
– bereits in die Planungsphase integriert<br />
wird, um so rechtzeitig auf notwendige<br />
Maßnahmen hinweisen zu können, z. B. auf<br />
Haltepunkte für das Auslegen und Aufmessen<br />
der Konstruktion oder für das Durchführen<br />
von zerstörungsfreien Prüfungen<br />
vor dem weiteren Zusammenbau,<br />
– den Hersteller rechtzeitig auf Abweichungen<br />
der zu erbringenden Leistung vom Sollzustand<br />
hinweist,<br />
– dem Bauherrn bei Abweichungen Lösungsvorschläge<br />
unterbreitet oder vom<br />
Unternehmer eingereichte Lösungsvorschläge<br />
bewertet, damit die zu erbringende<br />
Leistung fachgerecht hergestellt und das<br />
Bauwerk einer Abnahme ohne Vorbehalte<br />
zugeführt werden kann.<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
5 Ausblick<br />
Die Schaffung des »Arbeitskreises Kraftwerksbau«<br />
unter der Federführung des DSTV war<br />
die wichtigste Voraussetzung dafür, alle an<br />
der Herstellung von Kraftwerkskomponenten<br />
beteiligten Parteien zusammenzubringen.<br />
In den bereits erfolgten Sitzungen bestand<br />
durchaus Einigkeit darüber, dass es als notwendig<br />
angesehen wird, Mindestanforderungen<br />
zu formulieren. Diese Mindestanforderungen<br />
sollen sich u. a. auf folgende Punkte<br />
beziehen:<br />
– Ausführung der Stahlbauprodukte<br />
– Qualifikation der Planungsbüros<br />
– Qualifikation der Hersteller (Schweißtechnik/Korrosionsschutz)<br />
unter Berücksichtigung<br />
der EN 1090-1<br />
– Personalqualifikation der Inspektoren<br />
– Schaffung einer Anhörungsstelle unter<br />
Leitung des DSTV. Diese Stelle soll in den<br />
Fällen, bei denen kein Konsens zwischen<br />
den Parteien gefunden wird, eine abschließende<br />
Klärung herbeiführen.<br />
Nach dem Erstellen dieser Mindestanforderungen<br />
sollen diese veröffentlicht werden.<br />
Damit besteht dann für alle am Bauvorhaben<br />
Beteiligten die Möglichkeit, bereits zum Zeitpunkt<br />
einer Angebotsabgabe prüfen zu können,<br />
ob sie diese Mindestanforderungen auch<br />
wirklich einhalten können.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
6 Literatur<br />
[1] Oppler, M.: in Ingenstau/Korbion, 14.<br />
Auflage, B § 4 Nr. 1, Rdn. 53. Düsseldorf:<br />
Werner 2001.<br />
[2] Richtlinie des Rates vom 21. Dezember<br />
1988 zur Angleichung der Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />
über Bauprodukte (89/106/EWG),<br />
veröffentlicht im Amtsblatt der EU, Nr. L<br />
040 vom 11/02/1989 S. 0012–0026.<br />
[3] DIN EN 1090-1: 2009-10; Ausführung von<br />
Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken<br />
– Teil 1: Konformitätsnachweisverfahren<br />
für tragende Bauteile; 2009.<br />
[4] Musterbauordnung – MBO – 11/2002,<br />
zuletzt geändert durch den Beschluss<br />
der Bauministerkonferenz vom Oktober<br />
2008, einschl. Änderung von § 20 Satz 1<br />
gem. Beschluss der FK Bauaufsicht vom<br />
Mai 2009.<br />
[5] Vygen, K.: Bauvertragsrecht nach VOB und<br />
BGB, Handbuch des privaten Baurechts,<br />
3. Auflage, Rdn. 367. Wiesbaden: Bauverlag<br />
1997.<br />
[6] DIN EN 10025-2:2005-02, Warmgewalzte<br />
Erzeugnisse aus Baustählen, Teil 2: Technische<br />
Lieferbedingungen für unlegierte<br />
Baustähle; 2005.<br />
[7] DIN EN ISO 1461: 2009-10, Durch Feuerverzinken<br />
auf Stahl aufgebrachte Zinküberzüge<br />
(Stückverzinken) – Anforderungen<br />
und Prüfungen, 2009.<br />
[8] DIN EN 22063: 1994-08, Metallische und<br />
andere anorganische Schichten – Thermisches<br />
Spritzen – Zink, Aluminium und ihre<br />
Legierungen, 1994.<br />
[9] DASt 022: 2009-08, Feuerverzinken von<br />
tragenden Stahlbauteilen, hrsg. Stahlbau-<br />
Verlagsgesellschaft, Düsseldorf, 2009.<br />
[10] DIN EN 10164: 2005-03, Stahlerzeugnisse<br />
mit verbesserten Verformungseigenschaften<br />
senkrecht zur Erzeugnisoberfläche<br />
– Technische Lieferbedingungen;<br />
2005.<br />
[11] DIN EN 10163-2: 2005-03, Lieferbedingungen<br />
für die Oberflächenbeschaffenheit<br />
von warmgewalzten Stahlerzeugnissen<br />
(Blech, Breitflachstahl und Profile)<br />
– Teil 2: Blech und Breitflachstahl, 2005.<br />
[12] DIN 18800-7: 2008-11, Stahlbauten<br />
– Teil 7: Ausführung und Herstellerqualifikation,<br />
2008.<br />
[13] DIN EN ISO 12944-7: 1998-07, Ausführung<br />
und Überwachung der Beschichtungsarbeiten<br />
Hrsg. für alle DIN-Normen: Deutsches<br />
Institut für Normung e.V.; Berlin: Beuth-<br />
Verlag<br />
35
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Dr.-Ing. Peter Schäfer,<br />
Produktionsleiter,<br />
Donges SteelTec GmbH<br />
Kraftwerksbau<br />
Ob Kesselgerüste oder Unterstützungskonstruktionen<br />
für umweltfreundliche Kraftwerksanlagen, immer do�<br />
miniert der Stahlbau durch seine Flexibilität und Lei�<br />
stungsfähigkeit.<br />
Kesselgerüst des<br />
800 MW Steinkohlekraftwerks<br />
Wilhelmshaven<br />
GDF SUEZ Energie Deutschland AG<br />
Donges Steeltec GmbH<br />
Mainzer Str.55, 64293 Darmstadt<br />
Tel. 06151889�221, Fax �219<br />
Email: info@donges�steeltec.de<br />
www.donges�steeltec.de<br />
36<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Qualitätsmanagement im Kraftwerksbau<br />
Dipl.-Ing. Alexander Lieber,<br />
Leiter Qualitätsmanagement,<br />
Donges SteelTec GmbH<br />
1 Einführung, Begriffe und Grundlagen<br />
Zu dem Begriff Qualität lassen sich viele<br />
verschiedene Definitionen finden. Nach EN<br />
ISO 9000: 2005, der zurzeit gültigen Norm<br />
zum Qualitätsmanagement, wird Qualität als<br />
»Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale<br />
Anforderungen erfüllt« definiert. Vereinfacht<br />
gesagt, gibt Qualität also an, in welchem<br />
Maße ein Produkt den bestehenden Anforderungen<br />
entspricht.<br />
Qualitätsmanagement hat demzufolge<br />
die Aufgabe, organisierte und aufeinander<br />
abgestimmte Tätigkeiten (Prozesse) im Unternehmen<br />
einzuführen und umzusetzen, die<br />
gewährleisten, dass alle Anforderungen an<br />
das Produkt sicher erfüllt werden. Hinsichtlich<br />
einer wirtschaftlichen Projektabwicklung<br />
ist dabei von besonderer Bedeutung, dass<br />
Übererfüllung nicht zusätzlich vergütet wird,<br />
dass Untererfüllung aber hart bestraft wird.<br />
Daraus wird deutlich, dass sich jedes Unternehmen<br />
sehr genau mit den Produktanforderungen<br />
(Vertrag, Spezifikation, Leistungsverzeichnis,<br />
Normen etc.) auseinandersetzen<br />
muss.<br />
Kraftwerksbau ist ein sehr umfangreiches Betätigungsfeld.<br />
Dieser Aufsatz beschäftigt sich<br />
nur mit dem Bau von Steinkohlekraftwerken<br />
und dabei ausschließlich mit den Bauteilen<br />
der Traggerüste und Bühnen, also mit dem<br />
eigentlichen Stahlbau.<br />
2 Das Produkt und seine Anforderungen<br />
2.1 Allgemeiner Lieferumfang<br />
und Produktbeschreibung<br />
Seit Mai 2008 wurden von der Donges Steel-<br />
Tec GmbH ca. 50.000 t Stahlkonstruktionen<br />
für folgende Steinkohlekraftwerke in Auftrag<br />
genommen und größtenteils hergestellt:<br />
Betreiber Kraftwerksstandort<br />
Leistung<br />
[MW]<br />
Lieferumfang<br />
[t]<br />
Davon gefertigt<br />
in Darmstadt [%]<br />
E.ON Datteln 1.100 ca. 3.800 ca. 100<br />
Electrabel Wilhelmshaven 800 ca. 13.250 ca. 60<br />
E.ON Maasvlakte 1.100 ca. 18.550 ca. 67<br />
Electrabel Rotterdam 800 ca. 13.900 ca. 85<br />
Wesentliche Gebäudeteile sind dabei die<br />
Kesselgerüste mit einer Höhe bis zu 106 m.<br />
Rund um das Kesselgerüst herum schließen<br />
Traggerüste und Bühnen für das Luvo-Haus,<br />
das Kesselhaus und das Bunkerhaus an. Zur<br />
weiteren Stahlkonstruktion gehören die<br />
Bunkertaschen, die die Kohle aufnehmen,<br />
die Bandagen, die den Kessel einrahmen, und<br />
diverse Hilfskonstruktionen, die zur Montage<br />
des gesamten Kraftwerksblocks benötigt<br />
werden.<br />
Bunkerhaus<br />
Bunkertaschen<br />
Kesselgerüst<br />
Kesselhaus<br />
Luvohaus<br />
Bild 1: 1: Kraftwerksblock in schematischer in schematischer Darstellung Darstellung<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
Dr.-Ing. P. Schäfer, Produktionsleiter der Donges SteelTec GmbH Seite 2 von 12<br />
Dipl.-Ing. A. Lieber, Leiter Qualitätsmanagement der Donges SteelTec GmbH
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
2.2. Beschreibung der Gebäudeteile am Beispiel des E.ON-Kraftwerks MPP3 in<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung 7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Maasvlakte<br />
Am Beispiel des E.ON-Kraftwerks MPP3 in Maasvlakte, siehe Bild 2, wird die<br />
Mengenstruktur für die einzelnen Gebäudeteile dargestellt.<br />
Bunkerhaus<br />
Kesseltragrost<br />
Bild 2: Stahlkonstruktion Kraftwerk Maasvlakte während der Montagephase.<br />
2.2 Beschreibung der Gebäudeteile<br />
am Beispiel des E.ON-Kraftwerks<br />
MPP3 in Maasvlakte<br />
Am Beispiel des E.ON-Kraftwerks MPP3 in<br />
Maasvlakte wird die Mengenstruktur für die<br />
einzelnen Gebäudeteile dargestellt.<br />
Die gesamte Stahlkonstruktion teilt sich wie<br />
folgt auf:<br />
Gebäudeteil Lieferumfang [t] Anzahl der Bauteile Durchschn. Teilegewicht [kg]<br />
Kesselgerüst ca. 4.000 ca. 1.300 ca. 3.100<br />
Luvo-Haus ca. 3.700 ca. 20.100 ca. 180<br />
Kesselhaus ca. 4.600 ca. 40.000 ca. 110<br />
Bunkerhaus ca. 1.750 ca. 6.300 ca. 280<br />
Bunkertaschen ca. 1.000 ca. 260 ca. 3.800<br />
Bandagen ca. 1.100 ca. 3.800 ca. 290<br />
Sonstiges ca. 2.400<br />
Gesamt ca. 18.550<br />
Kesselgerüst<br />
Luvo-Haus<br />
2.3 Anforderungen an das Produkt<br />
am Beispiel des E.ON-Kraftwerks<br />
MPP3 in Maasvlakte<br />
Die Anforderungen an die Herstellung der<br />
Stahlkonstruktion sind grundsätzlich in DIN<br />
18800-7 beschrieben. Darüber hinausgehende<br />
Anforderungen aus der Kundenspezifikation<br />
werden im Folgenden dargestellt.<br />
Die schwersten Einzelbauteile, die im Werk<br />
hergestellt Dr.-Ing. P. wurden, Schäfer, sind Produktionsleiter die oberen Kessel- der Donges SteelTec GmbH Toleranz-<br />
2 über<br />
Dipl.-Ing. A. Lieber, Leiter Qualitätsmanagement der Donges SteelTec bis GmbH 30 bis<br />
klassegerüstriegel<br />
mit knapp 83 t, die Kesselgerüst-<br />
30 120<br />
stützen mit bis zu 76 t und die Kesseldeckenträger<br />
mit ca. 66 t Bauteilgewicht.<br />
über<br />
120<br />
bis<br />
400<br />
über über Seite 3 von 13<br />
400 1.000<br />
bis bis<br />
1.000 2.000<br />
Bild 2: Stahlkonstruktion des Kraftwerks Maasvlakte<br />
während der Montagephase<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
Nennmaßbereich l (in mm)<br />
über über über über über<br />
2.000 4.000 8.000 12.000 16.000 über<br />
bis bis bis bis bis 20.000<br />
4.000 8.000 12.000 16.000 20.000<br />
Grenzabmaße t (in mm)<br />
A ± 1 ± 1 ± 2 ± 3 ± 4 ± 5 ± 6 ± 7 ± 8 ± 9<br />
± 1<br />
C<br />
± 3 ± 4 ± 6 ± 8 ± 11 ± 14 ± 18 ± 21 ± 24 ± 27<br />
Toleranzklasse<br />
2.3.1 Allgemeine Toleranzen<br />
für geschweißte Bauteile<br />
Während DIN 18800-7 für Längen- und Winkelmaße<br />
die Toleranzklasse C nach DIN EN<br />
ISO 13920 fordert, schreibt die Kundenspezifikation<br />
die Einhaltung der Toleranzen nach<br />
Toleranzklasse A der DIN EN ISO 13920 vor.<br />
Für die Ebenheits- und Parallelitätstoleranzen<br />
gilt nach der Kundenspezifikation die Toleranzklasse<br />
E, während nach DIN 18800-7 die<br />
Toleranzklasse G ausreichend wäre.<br />
Grenzabmaße für Längenmaße:<br />
Grenzabmaße für Winkelmaße:<br />
Nennmaßbereich l (in mm)<br />
(Länge oder kürzerer Schenkel)<br />
bis 400 über 400 bis 1.000 über 1.000<br />
37<br />
Grenzabmaße � �<br />
(in Grad und in Minuten)<br />
A ± 20’ ± 15’ ± 10’<br />
C ± 1° ± 45’ ± 30’
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Toleranzklasse<br />
über<br />
30 bis<br />
120<br />
über<br />
120<br />
bis<br />
400<br />
über<br />
400 bis<br />
1.000<br />
über<br />
1.000<br />
bis<br />
2.000<br />
38<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Grenzabmaße für Ebenheits- und Parallelitätstoleranzen:<br />
Nennmaßbereich l (in mm)<br />
über<br />
2.000 bis<br />
4.000<br />
über<br />
4.000 bis<br />
8.000<br />
über<br />
8.000<br />
bis<br />
12.000<br />
über<br />
12.000<br />
bis<br />
16.000<br />
über<br />
16.000<br />
bis<br />
20.000<br />
Grenzabmaße t (in mm)<br />
E 0,5 1 1,5 2 3 4 5 6 7 8<br />
G 1,5 3 5,5 9 11 16 20 22 25 25<br />
Toleranzen in Abhängigkeit von den Längenmaßen<br />
Bauteil<br />
• 6.000<br />
Längenmaße (mm)<br />
> 6.000 - • 12.000 > 12.000<br />
Stützen ± 1,0 ± 1,5 ±2,0<br />
Riegel +0 / -2 +0 / -3 +0 / -4<br />
Bezeichnung Toleranzen<br />
Riegelanschlusshöhe ∆H = ±<br />
H<br />
4000<br />
= ±0,25 mm/m x H<br />
Riegelabstand<br />
Stützabstand<br />
h<br />
∆h = ±<br />
3000<br />
gewirkt werden. A<br />
∆A = ±<br />
3000<br />
= ±0,33 mm/m x h<br />
= ±0,33 mm/m x A<br />
Riegelschieflage ∆RS = ±<br />
L<br />
2000<br />
= ±0,50 mm/m x L<br />
über<br />
20.000<br />
Bei Gegenüberstellung der Grenzabmaße<br />
wird deutlich, dass zur Einhaltung der schärferen<br />
Toleranzanforderungen auch ein höherer<br />
Anspruch an den Herstellprozess gestellt<br />
wird.<br />
Insbesondere bei geschweißten Kopf- und<br />
Fußplatten mit starken Schweißnähten und<br />
bei Flanschen von Schweißprofilen muss<br />
der Schrumpfung und dem Verzug aus den<br />
Schweißnähten in geeigneter Form entgegen-<br />
2.3.2 Geometrische Toleranzen<br />
für die Kesselgerüstbauteile<br />
Die allgemeinen Toleranzen nach DIN EN ISO<br />
13920 wären hinsichtlich der Bauteile für das<br />
Kesselgerüst viel zu großzügig. Um eine reibungslose<br />
Montage zu sichern, werden hier<br />
für die Fertigung und die Vormontage wesentlich<br />
engere Toleranzen vorgeschrieben.<br />
Toleranzklasse<br />
über<br />
30 bis<br />
120<br />
über<br />
120<br />
bis<br />
400<br />
über<br />
400 bis<br />
1.000<br />
Nennmaßbereich l (in mm)<br />
über Längentoleranzen für über Stützen über und Riegel über<br />
über über<br />
am<br />
1.000<br />
8.000 12.000 16.000 über<br />
bis Einzelbauteil:<br />
2.000 bis 4.000 bis<br />
bis bis bis 20.000<br />
4.000 8.000<br />
2.000<br />
12.000 16.000 20.000<br />
Grenzabmaße t (in mm)<br />
E<br />
G<br />
Bauteil<br />
0,5<br />
1,5<br />
1 1,5 2 3 4 5 6<br />
Toleranzen in Abhängigkeit von den Längenmaßen<br />
3 5,5 9 11 Längenmaße 16 (mm) 20 22<br />
� 6.000 > 6.000 - � 12.000 > 12.000<br />
7<br />
25<br />
8<br />
25<br />
Stützen ± 1,0 ± 1,5 ±2,0<br />
Riegel +0 / -2 +0 / -3 +0 / -4<br />
Toleranzen in Abhängigkeit von den Längenmaßen<br />
Bauteil<br />
• 6.000<br />
Längenmaße (mm)<br />
> 6.000 - • 12.000 > 12.000<br />
Stützen ± 1,0 ± 1,5 ±2,0<br />
Riegel +0 / -2 +0 / -3 +0 / -4<br />
Auch die Verdrillung der Kastenprofile ist zu<br />
kontrollieren und darf den Maximalwert von<br />
± 0,33 mm/m nicht überschreiten.<br />
Toleranzen für den vormontierten Zustand:<br />
Bezeichnung Toleranzen<br />
Riegelanschlusshöhe ∆H = ±<br />
H<br />
4000<br />
= ±0,25 mm/m x H<br />
Riegelabstand ∆h = ±<br />
h<br />
3000<br />
= ±0,33 mm/m x h<br />
Stützabstand ∆A = ±<br />
A<br />
3000<br />
= ±0,33 mm/m x A<br />
Riegelschieflage ∆RS = ±<br />
L<br />
2000<br />
= ±0,50 mm/m x L<br />
2.3.3 Schweißnahtprüfungen<br />
Gegenüber den Prüfanforderungen nach DIN<br />
18800-7, Kapitel 12, ergeben sich aus der<br />
Kundenspezifikation folgende Zusatzanforderungen:<br />
1. Oberflächenrissprüfungen (Magnetpulverprüfungen)<br />
an 20 % aller Kehlnähte und<br />
HY/DHY-Nähte, 10 % aller durchgeschweißten<br />
Nähte, 100 % aller Hebeösen.<br />
2. UT- oder RT-Prüfungen an 10 % aller HV/<br />
DHV- Nähte und an 100 % aller durchgeschweißten<br />
Stumpfstöße – unabhängig<br />
von der Nahtauslastung.<br />
3. Bewertung der Schweißnahtqualität nach<br />
Bewertungsgruppe »B« der DIN EN ISO<br />
5817 für Kesselgerüst, Kesseldeckenträger,<br />
alle Stumpfnähte. Bewertungsgruppe »C«<br />
nur für Bühnenträger und leichten Stahlbau.<br />
Insbesondere an schlecht zugänglichen<br />
Schweißnahtenden und Blechumschweißungen<br />
können selbst bei geübter Handhabung<br />
kleine Nahtunregelmäßigkeiten entstehen,<br />
die bei Durchführung der MT-Prüfung zu<br />
Scheinanzeigen führen. Werden diese Anzeigen<br />
durch den Prüfer rein theoretisch und<br />
ohne den notwendigen Praxisbezug bewertet,<br />
kommt es zu vermeidbaren Kontroversen<br />
über die Zulässigkeit der Anzeige sowie zu<br />
unnötiger Nacharbeit.<br />
Bild 3: MT-Prüfung an einer Schweißnaht<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
Um den Prüfprozess effizient zu gestalten,<br />
haben wir uns dazu entschlossen, mehrere eigene<br />
Mitarbeiter zu zertifizierten VT- und MT-<br />
Prüfern ausbilden zu lassen und diese ständig<br />
weiterzuqualifizieren.<br />
Dr.-Ing. P. Schäfer, Produktionsleiter der Donges SteelTec GmbH Seite 14 von 14<br />
Dipl.-Ing. A. Lieber, Leiter Qualitätsmanagement der Donges SteelTec GmbH
2.3.4 Logistische Anforderungen<br />
zur Abnahme<br />
Eine besondere Herausforderung an Produktion,<br />
Produktionsplanung und Qualitätsmanagement<br />
im Stahlbaubetrieb entsteht durch<br />
die Forderung der Abnahmebereitschaftsmeldungen,<br />
die jeweils zehn Tage vor dem<br />
kommenden Abnahmetermin an den Kunden<br />
verschickt werden müssen.<br />
Dabei erfolgt eine Abnahmebereitschaftsmeldung<br />
zehn Tage vor dem geplanten Ende<br />
des Schweißprozesses und eine weitere ca.<br />
8–10 Tage vor dem Ende der Beschichtung.<br />
Zum Abnahmetag<br />
– sollen alle angemeldeten Bauteile (bis zu<br />
100 Bauteile am Tag) von der werkseigenen<br />
Produktionskontrolle bereits abgenommen<br />
sein und gut zugänglich zur Prüfung durch<br />
den Abnahmeinspektor vorgestellt werden,<br />
– müssen alle erforderlichen Bauteil- und<br />
Schweißnahtprüfungen abgeschlossen,<br />
protokolliert und dokumentiert sein,<br />
– muss der Abnahmeinspektor des Kunden<br />
betreut werden,<br />
– muss der IRN (Inspection Release Note) vorbereitet<br />
sein und unterschrieben werden.<br />
Für die Abnahme der Beschichtung müssen<br />
zusätzlich alle erforderlichen Korrosionsschutzprüfungen<br />
abgeschlossen, protokolliert<br />
und dokumentiert sein.<br />
Alle Bauteile mit einem Bauteilgewicht<br />
> 10 kg müssen durch einen IRN belegt sein.<br />
Erst danach darf die Auslieferung der Bauteile<br />
erfolgen.<br />
2.3.5 Anforderungen an die Qualitätssicherung<br />
auf der Baustelle<br />
Auf der Baustelle muss die Qualitätssicherung<br />
dafür sorgen, dass folgende Anforderungen<br />
erfüllt werden:<br />
1. Jeder Schweißer muss unabhängig von<br />
einer gültigen Schweißerprüfung eine Arbeitsprobe<br />
schweißen.<br />
2. Jede Schweißarbeit ist beim Kunden anzumelden<br />
und von diesem schriftlich zu<br />
genehmigen.<br />
3. Für jede Schweißnaht muss eine WPS erstellt<br />
werden, die vom Kunden geprüft und<br />
freigegeben wird und die der Schweißer<br />
mit sich führen muss.<br />
4. Jede ZfP ist beim Kunden anzumelden und<br />
im Beisein des Kunden durchzuführen.<br />
5. Die Dokumentation muss jederzeit für den<br />
Kunden einsichtig sein.<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Bild 4: RASI-Chart<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
3 Wesentliche Prozesse im Rahmen<br />
des Qualitätsmanagements<br />
3.1 Verantwortungsstruktur<br />
in der Projektabwicklung<br />
Im Rahmen des QM-Systems wurden die<br />
Verantwortlichkeiten für die einzelnen<br />
Prozesse der Projektabwicklung festgelegt.<br />
Bild 4 zeigt einen kleinen Ausschnitt aus einer<br />
umfangreichen Verantwortlichkeitsmatrix<br />
(RASI-Chart).<br />
Zerstörungsfreie�<br />
Prüfungen<br />
VT�Prüfung<br />
(Schweißnaht)<br />
MT�Prüfung<br />
PT�Prüfung<br />
UT�Prüfung<br />
RT�Prüfung<br />
Prüfung�ZfP�Protokolle�<br />
Bild 5: Aufgaben der QS im Werk<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
Zerstörungsfreie�<br />
Prüfungen<br />
VT�Prüfung<br />
MT�Prüfung<br />
PT�Prüfung<br />
UT�Prüfung<br />
LT�Prüfung<br />
(RT�Prüfung)<br />
QS�Werk�Darmstadt<br />
QS�Prüfungen� Schweißaufsicht<br />
Wareneingangs�<br />
prüfung<br />
Sichtprüfung<br />
(Bauteil)<br />
Bauteilvermessung<br />
Korrosionsschutz�<br />
prüfung<br />
Bild 6: Aufgaben der QS auf der Baustelle<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
3.2 Verantwortungsstruktur<br />
im Bereich QM / QS<br />
Alle qualitätssichernden Aufgaben im Werk<br />
Darmstadt, auf den Montagebaustellen und<br />
bei den Fremdfertigungsbetrieben sind dem<br />
Leiter des Qualitätsmanagements zugeordnet<br />
und von ihm und seinen Mitarbeitern<br />
durchzuführen. Dies ist insbesondere die<br />
werkseigene Produktionskontrolle bis hin zur<br />
Bauteilabnahme und Dokumentation.<br />
Bild 5 zeigt die umfangreichen Aufgaben der<br />
QS im Werk Darmstadt, Bild 6 die Aufgaben<br />
auf der Baustelle.<br />
39<br />
Prüfung�Vorwärm�<br />
temperaturen<br />
Prüfung�Schweißnaht�<br />
vorbereitung<br />
Prüfung�Schweiß�<br />
parameter<br />
Schweißerprüfungen<br />
Dokumentation�<br />
Materialzeugnis�<br />
prüfung<br />
Materialrück�<br />
verfolgung<br />
Zeichnungsprüfung Verfahrensprüfungen<br />
UT�/RT�Protokolle<br />
QS�Baustelle<br />
QS�Prüfungen� Schweißaufsicht<br />
Bauteilvermessung<br />
Korrosionsschutz�<br />
prüfung<br />
Schweißerschulungen<br />
Schweißtechnische<br />
Zeichnungsprüfung<br />
Prüfung�Vorwärm�<br />
temperaturen<br />
Prüfung�Schweißnaht�<br />
vorbereitung<br />
Prüfung�Schweiß�<br />
parameter<br />
Arbeitsproben<br />
Schweißer<br />
Erstellen�WPS<br />
Dokumentation�<br />
VT�Protokolle<br />
MT�/�PT�Protokolle<br />
Vermessungsprotokolle<br />
Korrosionsschutz�<br />
protokolle<br />
Verschraubungs�<br />
protokolle<br />
Materialrück�<br />
verfolgung<br />
VT�Protokolle<br />
MT�/�PT�Protokolle<br />
UT�/�RT�Protokolle<br />
Vermessungsprotokolle<br />
Korrosionsschutz�<br />
protokolle
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
40<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
3.3 Montageplanung und Festlegung<br />
einer Montageabrufstruktur<br />
Für den Erfolg des Bauvorhabens sind die<br />
frühzeitige und ganzheitliche Montageplanung<br />
und die Strukturierung der gesamten<br />
Stahlkonstruktion in kleinere Montageabrufeinheiten<br />
ein unbedingtes Muss. Alle<br />
Leistungen innerhalb der Projektabwicklung<br />
werden anhand solcher Montageabruflisten<br />
terminlich geplant und gesteuert. Bild 7 zeigt<br />
beispielhaft einen Ausschnitt aus der Montageabrufliste<br />
des Luvo-Hauses und den terminlichen<br />
Stand der jeweiligen Abrufe.<br />
Auftr.-Nr.: 20052 GB: K<br />
Terminplanung: zzz<br />
Datum: 12.07.10<br />
Projekt: Maasvlakte: Luvo Pl: xxx<br />
KW 28<br />
Gewicht: ca. 3200 t TB: yyy<br />
Wenn nicht anders bezeichnet, sind Termine Endtermine<br />
Mont.-abr. /<br />
Baugr.<br />
Zeichnung<br />
Benennung<br />
t<br />
Anford.<br />
Material<br />
Bestelltermin<br />
Liefertermin<br />
Zeichnungen<br />
Externes<br />
Büro<br />
AV- Bearbei-<br />
TB-<br />
Halle<br />
tung<br />
Freigabe<br />
PMZ PMH PMB<br />
76 Bühnenträger 35 erl erl erl erl erl erl 3 erl erl erl erl 02. 11<br />
77 Bühnenträger 36 erl erl erl erl erl erl 5 erl erl erl erl 08. 11<br />
78 Bühnenträger 36 erl erl erl erl erl erl 3 erl erl 20. 07 08. 08 08. 11<br />
79 Bühnenträger 36 erl erl erl erl erl erl 3 erl 12. 07 26. 07 12. 08 12. 11<br />
80 Bühnenträger 36 erl erl erl erl erl erl 4 12. 07 16. 07 30. 07 12. 08 12. 11<br />
90 Gerüstkonstruktion Achse F 90 erl erl erl erl erl erl 4 erl 20. 07 03. 08 12. 08 12. 11<br />
89 Gerüstkonstruktion Achse E1/E2 9 erl erl erl erl erl erl 15. 07 22. 07 05. 08 17. 08 17. 11<br />
94 Bühnenträger 39 erl erl erl erl erl erl 16. 07 26. 07 09. 08 17. 08 17. 11<br />
88 Gerüstkonstruktion Achse D 5 erl erl erl erl erl erl 19. 07 30. 07 13. 08 22. 08 22. 11<br />
87 Gerüstkonstruktion Achse B 27 erl erl erl erl erl erl 21. 07 03. 08 17. 08 24. 08 24. 11<br />
93 Bühnenträger 41 erl erl erl erl erl erl 23. 07 07. 08 21. 08 24. 08 24. 11<br />
85 Gerüstkonstruktion Reihe 15 24 erl erl erl erl erl 13. 07 27. 07 11. 08 22. 08 26. 08 26. 11<br />
96 Bühnenträger 71 erl erl erl erl erl 17. 07 31. 07 15. 08 24. 08 26. 08 26. 11<br />
84 Gerüstkonstruktion Reihe 4 23 erl erl erl erl erl 19. 07 02. 08 18. 08 26. 08 29. 08 29. 11<br />
86 Gerüstkonstruktion Achse A 42 erl erl erl erl erl 22. 07 05. 08 20. 08 28. 08 29. 08 29. 11<br />
95 Bühnenträger 69 erl erl erl erl erl 25. 07 08. 08 22. 08 01. 09 02. 09 02. 12<br />
Bild 7: Ausschnitt aus einer Montageabrufliste<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
Fertigung<br />
Versand<br />
Montagebeginn<br />
Die Termine der Montageabruflisten dienen<br />
gleichzeitig als Grundlage für die Abnahmebereitschaftsmeldungen<br />
nach Kap. 2.3.4.<br />
3.4 Produktions- und Terminplanung<br />
Durch terminliche Zusammenfügung aller<br />
Montageabruflisten wird die Gesamtkapazität<br />
des Betriebs wöchentlich mit dem Bedarf<br />
abgeglichen. Mögliche Abweichungen vom<br />
Plan werden sofort sichtbar und können<br />
durch geeignete Maßnahmen korrigiert werden.<br />
Zerstörungsfreie�<br />
Prüfungen�<br />
VT�Prüfung�<br />
(Schweißnaht)�<br />
MT�Prüfung�<br />
UT�Prüfung�<br />
PT�Prüfung�<br />
RT�Prüfung�<br />
QS�Fremdfertiger�<br />
QS�Prüfungen�<br />
Sichtprüfung�<br />
(Bauteil)�<br />
Bauteilvermessung<br />
Korrosionsschutz��<br />
prüfung�<br />
Zeichnungsprüfung<br />
3.5 Lieferantenbeurteilung, -auswahl,<br />
-begleitung und -überwachung<br />
Da nicht alle Konstruktionsteile im eigenen<br />
Werk hergestellt werden können, müssen<br />
leistungsfähige Lieferanten ausgewählt werden,<br />
die die gestellten Anforderungen an das<br />
Produkt kennen und beherrschen. Bei Beurteilung,<br />
Auswahl und Vergabeentscheidung<br />
ist das QM an relevanter Stelle in den Prozess<br />
eingebunden.<br />
Nach der Vergabeentscheidung werden die<br />
Fremdfertigungsbetriebe bei der Abarbeitung<br />
des Auftrags begleitet. Dies umfasst die Terminkontrollen<br />
für alle Abwicklungsschritte,<br />
die Unterstützung bei Fragen zur Technischen<br />
Dokumentation sowie alle Aufgaben der<br />
eigentlichen Qualitätssicherung. Im Rahmen<br />
der Fertigungsüberwachung werden von uns<br />
unabhängige QS-Prüfungen beim Fremdfertigungsbetrieb<br />
durchgeführt.<br />
3.6 Zeichnungsprüfung<br />
Besonders wichtiges Element im Rahmen<br />
des Qualitätsmanagements ist die Zeichnungsprüfung.<br />
Mehrfach musste festgestellt<br />
werden, dass Angaben auf Werkstattzeichnungen<br />
unvollständig, fehlerhaft oder nicht<br />
ausführbar waren. Würde dies nicht im<br />
Vorfeld erkannt und geändert, so käme es<br />
spätestens bei der Herstellung im Werk zu<br />
Nachfragen und Zeichnungsänderungen bzw.<br />
zu Abweichungsberichten oder zu Abnahmeverweigerung<br />
durch den Kunden.<br />
Um diese Problematik frühzeitig zu umgehen,<br />
erhalten alle Konstruktionsbüros<br />
klare Vorgaben bezüglich der Lieferung von<br />
Fertigungsunterlagen. Diese beinhalten z. B.<br />
Festlegungen zu Zeichnungsinhalten, Zeichnungsdarstellung,<br />
Konstruktionsprinzipien,<br />
Schweißnahtausbildung etc.<br />
Die eigentliche Zeichnungsprüfung erfolgt<br />
dann mit Hilfe einer Checkliste und umfasst<br />
die formalen Anforderungen, die Umsetzung<br />
der allgemeinen Anforderungen und der Spezifikation<br />
sowie die fertigungs- und schweißtechnische<br />
Prüfung.<br />
Dokumentation�<br />
VT�Protokolle�<br />
MT�/�(PT)�Protokolle<br />
UT�/�(RT)�Protokolle<br />
Korrosionsschutz��<br />
protokolle�<br />
Bild 8: Aufgaben der QS im Fremdfertigungsbetrieb<br />
© Donges Steeltec GmbH
3.7 Wareneingangsprüfungen<br />
Alle eingehenden Materialien werden bei Wareneingang<br />
mit der Bestellspezifikation abgeglichen.<br />
Bei Stahlmaterial gewährleisten die<br />
Auswahl geeigneter Lieferanten und eine lückenlose<br />
Kontrolle der Materialprüfbescheinigungen,<br />
dass nur für den Verwendungszweck<br />
geeignetes Material zum Einsatz kommt.<br />
Kommen dennoch Zweifel an der Eignung<br />
eines Materials auf, so werden zusätzliche,<br />
eigene Materialprüfungen, z.B. UT, Spektralanalyse<br />
etc., veranlasst und dokumentiert.<br />
Bei Bedarf werden auch Probestücke für<br />
die nachträgliche Ermittlung einer Z-Güte<br />
entnommen. Die Durchführung der dazu<br />
erforderlichen Versuche wird bei externen<br />
Instituten beauftragt.<br />
3.8 Fertigungs- und<br />
Montageanweisungen<br />
Diverse Fertigungs- und Montageanweisungen<br />
wurden projekt- und teils bauteilbezogen<br />
erarbeitet und ergänzen Zeichnungen und<br />
Stücklisten. Nur mit Hilfe dieser Anweisungen,<br />
z. B. zum Bohren von Anschlussbohrungen<br />
in die Kesselgerüststützen, kann sichergestellt<br />
werden, dass der Herstellprozess mit<br />
der geforderten Sorgfalt und Genauigkeit<br />
abläuft und dass das Produkt später den Anforderungen<br />
genügt. Qualität kann nur durch<br />
gut organisierte Prozesse erzeugt werden. Sie<br />
kann nicht nachträglich »erprüft« werden.<br />
3.9 Schulung und Weiterbildung<br />
von Mitarbeitern<br />
Aufgrund der kontinuierlich durchgeführten<br />
Prüfungen und Kontrollen werden auch<br />
Schwachstellen in der Organisation und spezieller<br />
Schulungsbedarf bei den Mitarbeitern<br />
transparent. Wir erwarten von unseren Mitarbeitern,<br />
dass sie bereit sind, sich den steigenden<br />
Anforderungen anzupassen und Neues<br />
hinzuzulernen. So haben wir beispielsweise<br />
im Bereich der Schweißtechnik ein spezielles<br />
Projekt zur internen praktischen Aus- und<br />
Weiterbildung gestartet, bei dem wir bereits<br />
nach wenigen Monaten eine sehr gute Resonanz<br />
und wirtschaftliche Verbesserungen<br />
erkennen können. Letztendlich sind aber alle<br />
Abteilungen des Unternehmens in den kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozess und das<br />
übergeordnete QM-System eingebunden.<br />
Neues aus Forschung, Entwicklung und Normung<br />
Bild 9: Checkliste für Zeichnungsprüfung<br />
© Donges Steeltec GmbH<br />
4 Schlussfolgerung und Ausblick<br />
1. Ein gut durchdachtes Qualitätsmanagement<br />
ist Voraussetzung dafür, dass alle Anforderungen<br />
an das Produkt sicher erfüllt<br />
werden und dass der Kunde sein Bauwerk<br />
termingerecht in Betrieb nehmen kann.<br />
Wesentlich dabei ist, dass die einzelnen<br />
Prozesse optimal aufeinander abgestimmt<br />
sind und dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess<br />
im Unternehmen verankert<br />
ist.<br />
2. Die Durchführung der erforderlichen Planungen,<br />
Kontrollen und Schulungen im<br />
Unternehmen erzeugt Aufwand. Ohne diesen<br />
Aufwand können aber die sehr hohen<br />
Anforderungen nicht dauerhaft und sicher<br />
erfüllt werden.<br />
3. Aufwand schlägt sich auf der Kostenseite<br />
nieder. Die geforderte Qualität im Kraftwerksbau<br />
hat ihren Preis.<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
4. Ursprünglich kostengünstiger Einkauf von<br />
Stahlbauleistungen bei Firmen, die nicht in<br />
der Lage sind, die geforderte Qualität zu liefern,<br />
entpuppt sich im Nachhinein als teure<br />
Lösung, da Bauteile verschrottet und ein<br />
zweites Mal gefertigt werden müssen. Bauzeitenverlängerungen<br />
sind nicht selten die<br />
logische Folge aus dieser Vorgehensweise.<br />
Die teils immer noch vorherrschende Vergabepraxis<br />
sollte an dieser Stelle überdacht<br />
werden.<br />
5. Um den Gesamtprozess und die Anforderungen<br />
an den Stahlbau zu vereinheitlichen,<br />
wurde die Fachgemeinschaft Kraftwerksbau<br />
im Deutschen Stahlbau-Verband<br />
gegründet. An den Sitzungen der Fachgemeinschaft<br />
nehmen Anlagenbetreiber, Anlagenbauer,<br />
Stahlbauer und Planungsbüros<br />
teil. Weitere Interessenten sind herzlich<br />
eingeladen.<br />
41
<strong>Deutscher</strong> <strong>Stahlbautag</strong><br />
7.–8. Oktober 2010 in Weimar<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Deutscher</strong> Stahlbau-Verband DSTV<br />
Sohnstr. 65<br />
40237 Düsseldorf<br />
Tel.: 02 11/670 78 00<br />
Fax: 02 11/670 78 20<br />
www.deutscherstahlbau.de<br />
contact@deutscherstahlbau.de<br />
Verlag<br />
VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN<br />
mit<br />
MixedMedia Konzepts<br />
Biebricher Allee 11 b<br />
65187 Wiesbaden<br />
Tel.: 06 11/98 12 92-0<br />
Fax: 06 11/80 12 52<br />
kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de<br />
www.verlagsgruppewiederspahn.de<br />
Chefredaktion:<br />
Dipl.-Ing. Michael <strong>Wiederspahn</strong><br />
Satz/Layout<br />
Birgit Siegel<br />
Druck<br />
Schmidt & more Drucktechnik GmbH<br />
Ginsheim-Gustavsburg<br />
Schutzgebühr<br />
15 €<br />
Copyright<br />
Der Tagungsband und alle in ihm enthaltenen Beiträge<br />
und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde<br />
Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Tagungsbandes darf<br />
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner<br />
Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare<br />
Sprache übertragen werden.<br />
Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine<br />
Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar.<br />
Beilagen<br />
Die Gesamtauflage beinhaltet eine Beilage<br />
der Firma Carl Spaeter.<br />
42
Ad hoc<br />
laden wir zu einer Veranstaltung<br />
FLUGHAFENBAU<br />
national und international<br />
nach Frankfurt am Main ein.<br />
Am Dienstag, dem 26. Oktober 2010, werden wir im<br />
Steigenberger Airport-Hotel mit der Fraport AG nicht<br />
nur den Frankfurter Flughafen mit den großen Neu- und<br />
Ausbauprojekten (Rollbrücken, Start- und Landebahnen,<br />
Terminals usw.) erläutern und vorstellen, sondern vor allem<br />
auch Planer, wie z. B. JSK Architekten, in Vorträgen erleben.<br />
Ein besonderes Highlight wird sicher auch das Referat<br />
»Ausbau und Weiterbau des Internationalen Airports<br />
Charles de Gaulle« sein. Das vortragende Büro entwickelt<br />
und baut weltweit internationale Airports.<br />
Darüber hinaus erläutern Unternehmen, wie Max Bögl<br />
und Eiffel Stahltechnologie Deutschland, Ausführung und<br />
Umsetzung komplexer Projekte.<br />
Und last but not least laden wir am darauffolgenden Tag,<br />
Mittwoch, dem 27.10.2010, zu einer geführten Besichtigung<br />
der am Flughafen Frankfurt in Realisierung befi ndlichen<br />
Vorhaben ein. Dazu gehört natürlich auch das »The Squaire«<br />
(früher Airrail Center).<br />
Unter www.mixedmedia-konzepts.de<br />
bzw. www.verlagsgruppewiederspahn.de<br />
sind genaue Informationen wie<br />
Themenplan, Referentenverzeichnis,<br />
Anmeldemodalitäten und<br />
Teilnehmergebühren zu erhalten.<br />
Wir freuen uns auf Sie.<br />
V E R L A G S G R U P P E<br />
W I E D E R S P A H N<br />
mit MixedMedia Konzepts
MSH-Profile - das Original!<br />
Mannesmann-Stahlbau-Hohlprofile<br />
aus dem Hause VALLOUREC &<br />
MANNESMANN TUBES inspirieren<br />
seit Jahrzehnten führende<br />
Architekten weltweit zu gewagten,<br />
innovativen Werken. Es sind nicht<br />
nur die hohe Qualität oder die be-<br />
sonders glatten Oberflächen und die<br />
größte Auswahl an Abmessungen,<br />
auch unser technischer Support<br />
spricht für das Original. Wir beglei-<br />
ten mit unserer Erfahrung und<br />
unserem Know-how Ihr Bauwerk:<br />
von der Projektierung über die Just<br />
in Time-Lieferung – bis hin zum<br />
After Sales Service und sind Ihr<br />
verlässlicher Partner, wenn es um<br />
tragfähige wirtschaftliche Lösungen<br />
geht. Profitieren Sie von unserer<br />
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Präsenz.<br />
Allianz Arena, München<br />
Sprechen Sie mit uns:<br />
VALLOUREC & MANNESMANN TUBES<br />
Theodorstraße 90<br />
40472 Düsseldorf<br />
Tel: 0211-960 3580<br />
Fax: 0211-960 2345<br />
E-Mail: info.service@vmtubes.de<br />
www.vmtubes.com