Spezifikationsbericht E-Procurement
Spezifikationsbericht E-Procurement
Spezifikationsbericht E-Procurement
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<strong>Spezifikationsbericht</strong><br />
„E-<strong>Procurement</strong>“<br />
Von<br />
Landeshauptstadt Magdeburg<br />
KID Magdeburg GmbH<br />
Im Rahmen der Initiative<br />
MEDIA@Komm-Transfer<br />
Gefördert vom<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
Koordiniert und unterstützt von<br />
Transferagentur MEDIA@Komm-Transfer<br />
Capgemini Deutschland GmbH<br />
Oktober 2006
IMPRESSUM<br />
Impressum<br />
Dieser Bericht ist Teil der Veröffentlichungsreihe „<strong>Spezifikationsbericht</strong>e“ im Rahmen des Projekts<br />
MEDIA@Komm-Transfer, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
im Zeitraum Frühling 2004 bis Herbst 2006 gefördert wurde.<br />
Herausgeber:<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
Referat P3 – Öffentlichkeitsarbeit –<br />
www.bmwi.de<br />
Download:<br />
www.mediakomm-transfer.de<br />
Redaktion:<br />
Transferkommune Magdeburg, Marco Hauffe, KID Magdeburg GmbH, Bereichsleiter Anwendungen,<br />
Angela Kreutziger, Landeshauptstadt Magdeburg<br />
Transferkommune Berlin, Joachim Eckert, Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Zentraler<br />
Service, Frau Prof. Dr. Margrit Falck, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege<br />
Berlin<br />
Unterstützt durch Transferagentur MEDIA@Komm-Transfer, Anna-Jelena Krüger, Capgemini<br />
Deutschland GmbH, Public Services<br />
Qualitätsgesichert durch Dr. Norbert Niemeier (Projektleiter) und Ricarda König, Capgemini<br />
Deutschland GmbH, Public Services<br />
Design und Umsetzung Inhalt:<br />
Graphic Services, Capgemini Deutschland GmbH<br />
Stand: Oktober 2006<br />
2 von 64
VORWORT<br />
Vorwort<br />
An der Nahtstelle von Staat, Wirtschaft und Bürger sind leistungsfähige Kommunen<br />
ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. In Verbindung<br />
mit einer Optimierung der Prozesse bietet der Einsatz von E-Government-<br />
Lösungen ein hohes Potenzial für Verbesserungen. So können kommunale Aufgaben<br />
effizienter erbracht werden. Die Qualität und Transparenz der Dienste kann gesteigert<br />
werden. Der Kontakt zu Bürgern und Wirtschaft wird verstärkt. Erweiterte Dienstleistungen<br />
werden möglich.<br />
Anders als auf den Ebenen von Bund und Ländern mit ausgeprägten E-Government-<br />
Initiativen stehen die ca. 12.000 Kommunen und Kreise vor der großen Aufgabe, geeignete<br />
Lösungen mit beschränktem Know-how und Ressourcen bereitzustellen. Mit<br />
dem Förderprogramm MEDIA@Komm hat das Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Technologie (BMWi) in den Jahren 1999 bis 2003 die Entwicklung von rechtssicherem<br />
kommunalem E-Government maßgeblich vorangetrieben. Wichtige Standards für<br />
Dienste der öffentlichen Verwaltung (OSCI) mit großer Bedeutung auch für Bund und<br />
Länder (SAGA, KoopA ADV) sind entstanden.<br />
Mit MEDIA@Komm-Transfer hat das BMWi seine Aktivität zum E-Government in den<br />
Jahren 2004 bis 2006 fortgeführt. Zentrale Handlungsfelder waren Harmonisierung,<br />
Verbreitung und Internationalisierung. Getragen wird MEDIA@Komm-Transfer von<br />
20 Transferkommunen, die in einem Wettbewerb aus mehr als 100 Interessenten<br />
ausgewählt wurden, und der Transferagentur, die vom BMWi mit der zentralen Koordination<br />
beauftragt wurde.<br />
Die Transferkommunen haben 24 mit Blick auf E-Government besonders relevante<br />
kommunale Themen ausgewählt und in enger Abstimmung untereinander sowie in<br />
eigener Regie erarbeitet. Die Ergebnisse liegen nun in Form von <strong>Spezifikationsbericht</strong>en<br />
vor. In diesen Berichten wurden strategische, technische, funktionale und organisatorische<br />
Anforderungen an E-Government untersucht. Den Transferkommunen,<br />
die diese Themen mit hohem Einsatz bearbeitet haben, und den Experten der<br />
Qualitätssicherung gilt ein besonderer Dank.<br />
Die in den <strong>Spezifikationsbericht</strong>en zusammengetragenen Anforderungen, Verfahren,<br />
Vorgehensweisen und Erfahrungen stehen allen Akteuren für eigene weitere Schritte<br />
in das E-Government zur Verfügung. Aufgezeigter Nutzen und Wirtschaftlichkeit der<br />
harmonisierten Verfahren machen deutlich, dass E-Government sich lohnt für Verwaltung,<br />
Wirtschaft und Bürger. Als Leitfäden sollen diese <strong>Spezifikationsbericht</strong>e Impulse<br />
für den Transfer und die Verbreitung des eGovernment in Deutschland geben<br />
und helfen, bisherige Zurückhaltung in der Umsetzung zu überwinden.<br />
Ein Erfolgsfaktor von MEDIA@Komm-Transfer waren Netzwerke und Kooperationen,<br />
die zwischen Kommunen und zwischen Staat und Wirtschaft geknüpft wurden. Jetzt<br />
kommt es darauf an, dass die Akteure und Netzwerke (Kommunen, Datenzentralen<br />
und Softwareunternehmen, Deutschland-Online, kommunale Spitzenverbände, Ver-<br />
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VORWORT<br />
bände der Wirtschaft, Initiative D21) die angestoßenen Entwicklungen weiterführen<br />
und für möglichst flächendeckende Breitenwirksamkeit sorgen. Denn E-Government<br />
entwickelt sich mehr und mehr zu einem wesentlichen Standortfaktor im globalen<br />
Wettbewerb.<br />
Berlin, im Oktober 2006<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
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INHALTSVERZEICHNIS<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Impressum.................................................................................................................. 2<br />
Vorwort ....................................................................................................................... 3<br />
Inhaltsverzeichnis...................................................................................................... 5<br />
Abbildungsverzeichnis.............................................................................................. 7<br />
Tabellenverzeichnis................................................................................................... 8<br />
Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. 9<br />
1 Einleitung.......................................................................................................... 11<br />
1.1 Ziele und Inhalte der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e........................................... 11<br />
1.2 Gegenstand und Bearbeiter des <strong>Spezifikationsbericht</strong>s „E-<br />
<strong>Procurement</strong>“.......................................................................................... 13<br />
2 Harmonisierung im Rahmen der Initiative MEDIA@KommTransfer ........... 15<br />
3 Beschreibung des Verfahrens „E-<strong>Procurement</strong>“......................................... 18<br />
3.1 Definition und Funktionalität ................................................................... 18<br />
3.2 Einsatzfelder........................................................................................... 19<br />
3.3 Nutzen für verschiedene Nutzergruppen................................................ 19<br />
3.4 Wirtschaftlichkeit .................................................................................... 21<br />
3.5 Gesetzliche Vorgaben ............................................................................ 22<br />
4 Spezifikation des Verfahrens „E-<strong>Procurement</strong>“........................................... 24<br />
4.1 Organisatorische Anforderungen ........................................................... 24<br />
4.2 Der Prozess der Vergabe....................................................................... 26<br />
4.3 Funktionale Anforderungen .................................................................... 33<br />
4.3.1 Sicherstellung der Funktionalität des Verfahrens ................... 36<br />
4.3.2 Verfügbarkeit .......................................................................... 36<br />
4.3.3 Dokumentation ....................................................................... 37<br />
4.4 Technische Anforderungen .................................................................... 37<br />
4.4.1 Schnittstellen und Integration ................................................. 38<br />
4.4.2 Mindestanforderungen an den Arbeitsplatz............................ 39<br />
4.5 Anforderungen an die Sicherheit............................................................ 40<br />
4.5.1 Datenschutz............................................................................ 40<br />
4.5.2 Datensicherheit/IT-Sicherheit ................................................. 41<br />
5 Praxisbeispiele aus den Transfer-kommunen............................................... 47<br />
5.1 Landeshauptstadt Magdeburg................................................................ 47<br />
5 von 64
INHALTSVERZEICHNIS<br />
5.2 Land Berlin ............................................................................................. 50<br />
Literaturverzeichnis................................................................................................. 55<br />
Anhang 1 – Schutzbedarfsfeststellung.................................................................. 56<br />
Anhang 2 – Kriterienkatalog für Softwarelösungen zur elektronischen<br />
Vergabe, Stand April 2003............................................................................... 61<br />
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Charakterisierung der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e ....................................... 12<br />
Abbildung 2: Der Beitrag der Harmonisierungsvorhaben zur Fortentwicklung des E-<br />
Governments ............................................................................................................. 16<br />
Abbildung 3: Der Prozess der Vergabe ..................................................................... 27<br />
Abbildung 4: Teilprozess 1 – Vergabe- und Beschaffungsstrategie .......................... 28<br />
Abbildung 5: Teilprozess 2 – Marktkunde.................................................................. 29<br />
Abbildung 6: Teilprozess 3 – Vergabevorlauf ............................................................ 30<br />
Abbildung 7: Teilprozess 4 - Durchführung der Vergabe (1/2) .................................. 31<br />
Abbildung 8: Teilprozess 4 - Durchführung der Vergabe (2/2) .................................. 32<br />
Abbildung 9: Teilprozess 5 - Administration............................................................... 33<br />
Abbildung 10: Technisches Systemkonzept .............................................................. 38<br />
Abbildung 11: Anmeldung Magdeburger Vergabeplattform....................................... 48<br />
Abbildung 12: Übersicht über laufende Vergabeprojekte .......................................... 49<br />
Abbildung 13: Angebotsübersicht .............................................................................. 49<br />
Abbildung 14: Vergabe- und Beschaffungswesen im Land Berlin (Prozesslandkarte)<br />
................................................................................................................................... 52<br />
Abbildung 15: Vergabe- und Beschaffungswesen im Land Berlin (Rollenmodell)..... 54<br />
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TABELLENVERZEICHNIS<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Schutzbedarfsklassen ............................................................................... 56<br />
Tabelle 2: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit ............. 58<br />
Tabelle 3: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Integrität...................... 58<br />
Tabelle 4: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Authentizität und Nicht-<br />
Abstreitbarkeit der übertragenen Daten..................................................................... 59<br />
Tabelle 5: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Authentizität der<br />
Kommunikationspartner............................................................................................. 59<br />
Tabelle 6: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit ............. 60<br />
Tabelle 7: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit ............. 60<br />
Tabelle 8: Tabelle zur Auswahl eines Vergabeproduktes (Quelle: KGSt) ................. 64<br />
8 von 64
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
BITV Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung<br />
BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (vor September<br />
2005 BMWA)<br />
BSI Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
bzgl. bezüglich<br />
bzw. beziehungsweise<br />
d. h. das heißt<br />
DIN Deutsches Institut für Normung<br />
EDV Elektronische Datenverarbeitung<br />
E-Government Electronic Government<br />
E-Mail Electronic Mail<br />
EN Europanorm<br />
etc. et cetera<br />
EVB-IT Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnologie<br />
ggf. gegebenenfalls<br />
GIS Geografisches Informations-System<br />
GPRS General Packet Radio Service<br />
GSM Global System for Mobile communication<br />
GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />
HTML Hyper Text Markup Language<br />
ID Identity<br />
IEC International Electrotechnical Commission<br />
ISIS-MTT Industrial Signature Interoperability Specification MailTrusT-<br />
Standard<br />
ISO International Standardization Organization<br />
IT Informationstechnik /-technologie<br />
IuK Information und Kommunikation<br />
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />
KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement<br />
o. g. oben genannt<br />
OSCI Online Services Computer Interface<br />
PC Personal Computer<br />
PCMCIA Personal Computer Memory Card International Association<br />
PDA Personal Digital Assistant<br />
PKI Public Key Infrastructure<br />
SAGA Standards und Architekturen für E-Government<br />
SchwbG Schwerbehinderten Gesetz<br />
SMS Short Message Service<br />
sog. so genannt<br />
u. a. unter anderem<br />
URL Uniform Resource Locators<br />
usw. und so weiter<br />
VGG Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz<br />
VgV Vergabeverordnung<br />
VOL Verdingungsordnung für Leistungen<br />
VPN Virtual Private Network<br />
VSV Vorschriftensammlung<br />
WCAG Web Content Accessibility Guidelines<br />
WIMP Windows, Icons, Menus, Pointing devices<br />
X-ÖV Zusammenfassung der verschiedenen, fachlich orientierten Standards<br />
für den interoperablen Datenaustausch im E-Government<br />
z. B. zum Beispiel<br />
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EINLEITUNG<br />
1 Einleitung<br />
Die Initiative MEDIA@Komm-Transfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und<br />
Technologie verfolgt das Ziel, E-Government auf kommunaler Ebene zu fördern. Ein<br />
Netzwerk von zwanzig Transferkommunen erarbeitete Ansätze im nationalen und<br />
internationalen Bereich, wie kommunales E-Government weiterentwickelt werden<br />
kann. Hierbei wurden sie von der Transferagentur unterstützt, die durch Capgemini<br />
Deutschland gestellt wird.<br />
Die Initiative MEDIA@Komm-Transfer ist in drei Aufgabenbereiche untergliedert (nähere<br />
Informationen siehe Kapitel 2):<br />
• Harmonisierung: Ziel der Harmonisierung war es, Anforderungen an kommunales<br />
E-Government über regionale Grenzen hinweg zu bestimmen und zu dokumentieren.<br />
Die Transferkommunen haben sich hierfür in Arbeitsgruppen zusammengefunden<br />
und mit Unterstützung der Transferagentur zu einzelnen Themenstellungen<br />
<strong>Spezifikationsbericht</strong>e erarbeitet, die ein wesentliches Ergebnis der Initiative<br />
MEDIA@Komm-Transfer darstellen.<br />
• Verbreitung: Die in den Transferkommunen vorliegenden Erfahrungen und die<br />
Ergebnisse der Harmonisierung wurden auf zentralen und regionalen Veranstaltungen<br />
einem breiten Publikum vorgestellt und in individuellen Workshops mit interessierten<br />
Kommunen diskutiert. So wurde eine breite Öffentlichkeit für das<br />
Thema kommunales E-Government erreicht.<br />
• Internationale Kooperation: Weiteres Ziel war es, auch auf internationaler Ebene<br />
kommunales E-Government aus Deutschland bekannt zu machen und mit internationalen<br />
Initiativen zu vernetzen. Kooperationen wurden insbesondere im<br />
Bereich der EU und Osteuropa etabliert.<br />
Bei dem hier vorliegenden Dokument handelt es sich um einen <strong>Spezifikationsbericht</strong><br />
aus dem Aufgabenbereich der Harmonisierung. Im Folgenden werden die Ziele und<br />
Inhalte der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e zunächst allgemein und anschließend bezogen auf<br />
das in diesem Bericht behandelte Verfahren erläutert.<br />
1.1 Ziele und Inhalte der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e<br />
Ein wesentliches Resultat der Arbeiten der einzelnen Vorhaben im Rahmen der Harmonisierung<br />
sind die <strong>Spezifikationsbericht</strong>e. Die <strong>Spezifikationsbericht</strong>e beschreiben<br />
Verfahren und Konzepte mit dem Ziel, eine Harmonisierung innerhalb des kommunalen<br />
E-Governments voranzutreiben (s. Abbildung 1).<br />
11 von 64
EINLEITUNG<br />
Der <strong>Spezifikationsbericht</strong> ist …<br />
• … eine detaillierte Beschreibung<br />
des Verfahrens hinsichtlich<br />
– der Grundmerkmale wie<br />
Funktionalität, Nutzen,<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
– der technischen, funktionalen<br />
und organisatorischen Anforderungen<br />
• … ein Leitfaden zur Handhabung<br />
des Verfahrens in den<br />
Kommunen<br />
* Vgl. KBSt 2005<br />
Abbildung 1: Charakterisierung der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e<br />
• … komplette Beschreibung der<br />
Verfahren<br />
• … Charakterisierung der Verfahren<br />
nach dem SAGA-Prinzip<br />
(Viewpoint etc.) *<br />
Der <strong>Spezifikationsbericht</strong> liefert<br />
keine …<br />
• … komplette Beschreibung der<br />
Verfahren<br />
• … Charakterisierung der Verfahren<br />
nach dem SAGA-Prinzip<br />
(Viewpoint etc.)<br />
• … Standards im Sinne der Festlegung<br />
von Lösungen<br />
• … Anleitung zum Roll-out von<br />
Produkten<br />
*<br />
Der <strong>Spezifikationsbericht</strong> liefert<br />
keine …<br />
• … Standards im Sinne der Festlegung<br />
von Lösungen<br />
• … Anleitung zum Roll-out von<br />
Produkten<br />
Hauptadressaten 1 der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e sind folglich zuerst Kommunen, 2 die<br />
sich damit befassen, die in den <strong>Spezifikationsbericht</strong>en beschriebenen Anwendungen<br />
oder Komponenten des E-Governments einzuführen. Zweite Zielgruppe sind Unternehmen,<br />
die Softwarelösungen für die in den Berichten beschriebenen E-Government-Anwendungen<br />
und -Komponenten entwickeln.<br />
Die <strong>Spezifikationsbericht</strong>e dienen vor allem als Leitfaden. Darüber hinaus sind es Berichte<br />
aus der Praxis mit Fallbeispielen zur Verdeutlichung von abstrakten Anforderungen.<br />
Weiterhin stellen die Transferkommunen ihre Vorgehensweisen zum jeweiligen<br />
Harmonisierungsverfahren vor. Damit wird der pragmatische Charakter der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e<br />
deutlich hervorgehoben.<br />
Die <strong>Spezifikationsbericht</strong>e sind das Ergebnis von interkommunalen Arbeitsgruppen,<br />
in denen die beteiligten Transferkommunen kooperativ zusammengearbeitet haben.<br />
Die Grundlage der Berichte sind die konkreten Entwicklungs- und Implementierungsaktivitäten<br />
der Kommunen, die an der jeweiligen Arbeitsgruppe beteiligt waren. Die<br />
Definition und Konkretisierung der jeweiligen Inhalte der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e erfolgte<br />
gemeinsam mit der Transferagentur. Um die Berichte auf ein solides Fundament<br />
1 In dem vorliegenden Dokument wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gesonderte Nennung beider<br />
Genera verzichtet. Bei Nennung nur einer grammatikalischen Form sind grundsätzlich sowohl weibliche als auch<br />
männliche Personen gemeint.<br />
2 Der Begriff „Kommunen“ wird hier als Oberbegriff für alle kommunalen (Gebiets-)Körperschaften, wie Gemeinden,<br />
Kreise, kreisfreie Städte oder Kommunalverbände mit eigenen Selbstverwaltungsaufgaben, verwendet (vgl. Andersen<br />
1997, S. 174).<br />
12 von 64
EINLEITUNG<br />
zu stellen, wurden diese von Anfang an mit Experten aus Kommunen, Verbänden,<br />
Wissenschaft und Wirtschaft abgestimmt. Hiermit geht die Zielstellung einher, einen<br />
möglichst breiten Konsens herzustellen und somit eine Doppel- oder Parallelarbeit an<br />
Spezifikationen in verschiedenen kommunalen Gremien zu vermeiden. Dies schont<br />
wertvolle Ressourcen und reduziert aufwändige und – aufgrund oftmals verfestigter<br />
Interessenlagen – mühselige Ex-post-Abstimmungen mit ungewissem Ausgang.<br />
Überdies ist im Falle verwaltungsebenen-übergreifender Anwendungen und Verfahren<br />
die frühzeitige Kooperation bei der Erstellung von Spezifikationen zwingend.<br />
Vor diesem Hintergrund wurden die Spezifikationen in allen relevanten Harmonisierungsvorhaben<br />
mit den Vertretern der nationalen Gremien (z. B. TeleTrusT, DIN,<br />
OSCI-Leitstelle) diskutiert und mit den Arbeitsgruppen der Initiative Deutschland-<br />
Online abgestimmt. Außerdem wurde bei der Erarbeitung der Spezifikationen der<br />
Sachverstand der Vertreter der MEDIA@Komm-Regionen Bremen, Esslingen und<br />
des Städteverbundes Nürnberg hinzugezogen, sofern dies inhaltlich geboten schien<br />
und alle Beteiligten dies als sinnvoll ansahen.<br />
1.2 Gegenstand und Bearbeiter des <strong>Spezifikationsbericht</strong>s<br />
„E-<strong>Procurement</strong>“<br />
Unter E-<strong>Procurement</strong> (elektronische Vergabe und elektronische Beschaffung) wird<br />
der Einsatz verschiedener DV-Lösungen zur effizienten und kostengünstigen Abwicklung<br />
des gesamten Vergabe- und Beschaffungsablaufs im Bereich der Öffentlichen<br />
Verwaltung und der Wirtschaft verstanden. E-<strong>Procurement</strong> ist ein Teilbereich von<br />
E-Government.<br />
Die öffentliche Verwaltung in Deutschland ist zurzeit der größte Einkäufer von Gütern<br />
und Dienstleistungen in Europa. Mit einem Anteil von rund 12 Prozent am deutschen<br />
Bruttoinlandsprodukt stellt das öffentliche Auftragswesen eine wichtige Komponente<br />
der jährlichen Wertschöpfung dar. Bund, Länder und Kommunen verfügen jedes Jahr<br />
gemeinsam über ein Auftragsvolumen in Höhe von mehr als 250 Milliarden Euro.<br />
E-<strong>Procurement</strong> besteht aus den zwei Teilprozessen E-Vergabe und E-Beschaffung.<br />
Die Vergabe bezeichnet die Prozesse von der Bedarfsermittlung über die Vorbereitung<br />
einer Ausschreibung und die eventuelle Bieterauswahl, die direkte Durchführung<br />
der Ausschreibung, die nach Ausschreibungsende erforderliche Bewertung der Angebote<br />
bis hin zum Lieferantenmanagement im Sinne der Zuschlagserteilung.<br />
Ein weiterer Teilprozess des E-<strong>Procurement</strong>s ist die Beschaffung. Sie bezeichnet das<br />
Bestellwesen und den Abruf der zuvor ausgeschriebenen oder freihändig vergebenen<br />
Produkte und Dienstleistungen. E-Beschaffung umfasst, wenn man den gesamten<br />
Prozess abbildet, die Suche nach und die Auswahl von geeigneten Lieferanten (oftmals<br />
auf Basis eines Katalogsystems), den internen Genehmigungsprozess, den integrierten<br />
Bestellprozess, die Zahlungsabwicklung und den Wareneingang sowie die<br />
Auswertung der Bestellaktivitäten.<br />
13 von 64
EINLEITUNG<br />
Der vorliegende <strong>Spezifikationsbericht</strong> E-<strong>Procurement</strong> konzentriert sich auf die Beschreibung<br />
der wesentlichen Anforderungen an ein E-Vergabe-System, da der Harmonisierungsbedarf<br />
hier am Größten ist und eine Berücksichtigung des E-Beschaffungsbereiches<br />
den Projektrahmen weit überschritten hätte. E-Beschaffung wird folglich<br />
nur teilweise bei der Prozessbetrachtung angerissen.<br />
Der Bericht gliedert sich in fünf Kapitel. Neben der Einleitung in Kapitel 1 erfolgt in<br />
Kapitel 2 die grundsätzliche Beschreibung der Harmonisierung im Rahmen der Initiative<br />
MEDIA@Komm-Transfer. In Kapitel 3 wird das Verfahren E-<strong>Procurement</strong> anhand<br />
der Definition, der Funktionalität sowie der Einsatzfelder beschrieben. Die Anforderungen<br />
an die Technik, Sicherheit sowie Ergonomie werden in Kapitel 4 betrachtet.<br />
Das Kapitel 5 beschreibt Praxisbeispiele aus den Transferkommunen.<br />
An der Erstellung des vorliegenden <strong>Spezifikationsbericht</strong>s wirkten mit:<br />
• für die federführende Transferkommune Magdeburg:<br />
─ Herr Marco Hauffe, KID Magdeburg GmbH, Bereichsleiter Anwendungen<br />
─ Frau Angela Kreutziger, Landeshauptstadt Magdeburg<br />
• für die Transferkommune Berlin:<br />
─ Herr Joachim Eckert, Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Zentraler Service<br />
─ Frau Prof. Dr. Margrit Falck, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege<br />
Berlin<br />
• unterstützend von der Transferagentur: Frau Anna-Jelena Krüger, Mitarbeiterin im<br />
Bereich Public Services bei Capgemini, sowie weitere Mitarbeiter.<br />
Die Autoren danken Herrn Stefan Jung von Public One – Governance Consulting aus<br />
Berlin für wertvolle Anregungen und die engagierte Unterstützung bei der Erstellung<br />
dieses <strong>Spezifikationsbericht</strong>es.<br />
14 von 64
HARMONISIERUNG IM RAHMEN DER INITIATIVE<br />
MEDIA@KOMMTRANSFER<br />
2 Harmonisierung im Rahmen der Initiative<br />
MEDIA@KommTransfer<br />
Harmonisierung ist – wie eingangs dargestellt – neben der Verbreitung und der Internationalisierung<br />
eine der drei Hauptaktivitäten der Initiative MEDIA@Komm-Transfer<br />
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi, vormals Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Arbeit, BMWA).<br />
Diese Initiative ist ein wesentlicher Pfeiler der Bemühungen der Bundesregierung,<br />
eine leistungsfähigere und dabei kostengünstigere öffentliche Verwaltung zu schaffen.<br />
MEDIA@Komm-Transfer unterstützt im Rahmen von Deutschland-Online die<br />
Modernisierung der Kommunalverwaltungen in Deutschland. Ein selbstorganisierter<br />
Prozess der Entwicklung und Verbreitung von E-Government-Verfahren wird in Gang<br />
gebracht, der geeignet ist, Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen, die Beteiligungsmöglichkeiten<br />
für die Bürgerinnen und Bürger zu fördern und die Nachfrage bei Hard-<br />
und Softwareherstellern sowie bei Dienstleistern zu erhöhen.<br />
MEDIA@Komm-Transfer soll dazu beitragen, die Entwicklung von E-Government<br />
bundesweit zu beschleunigen und zu harmonisieren sowie die Position des<br />
E-Government-Standorts Deutschland im internationalen Wettbewerb zu verbessern.<br />
Durch die Verknüpfung besonders viel versprechender kommunaler und regionaler<br />
Initiativen zu einem länderübergreifenden E-Government-Netzwerk sollen der Transfer<br />
von Best Practice-Verfahren und von Know-how erleichtert, Standards weiterentwickelt<br />
und Selbstorganisationsprozesse für die weiterführende Verbreitung angestoßen<br />
werden. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft intensiviert werden,<br />
damit das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial von E-Government genutzt<br />
werden kann. Dies schließt auch die Vertiefung internationaler Kontakte und Kooperationen<br />
zur Förderung der digitalen Integration Europas und die Erschließung neuer<br />
Exportchancen mit ein.<br />
Die zwanzig MEDIA@Komm-Transfer-Kommunen, welche im Jahre 2003 im Rahmen<br />
einer Interessenbekundung von einer unabhängigen Jury, gebildet von Vertretern<br />
der kommunalen Spitzenverbände, 3 des BMWi und der Wissenschaft, ausgewählt<br />
wurden, entwickeln Verfahren und Komponenten. Sie beschreiben diese unter<br />
technischen, funktionalen und organisatorischen Gesichtspunkten.<br />
Zur Unterstützung und Koordination der dezentralen Aktivitäten in den Transferkommunen<br />
wählte das BMWi die Unternehmensberatung Capgemini als Transferagentur<br />
für die mehr als zweijährige Laufzeit des Projekts MEDIA@Komm-Transfer aus.<br />
Die Harmonisierungsvorhaben im MEDIA@Komm-Transfer-Projekt haben eine wesentliche<br />
Bedeutung in der Herausbildung von zukunftsfähigem E-Government, das<br />
3 Die kommunalen Spitzenverbände haben sich beim letzten Wahlgang ihrer Stimme enthalten.<br />
15 von 64
HARMONISIERUNG IM RAHMEN DER INITIATIVE<br />
MEDIA@KOMMTRANSFER<br />
als integriertes, nutzenorientiertes und wirtschaftliches E-Government – fokussiert auf<br />
medienbruchfreie Transaktionen – zu verstehen ist.<br />
Harmonisierung bedeutet, jenseits der historisch gewachsenen, zum Teil gravierend<br />
unterschiedlichen Lösungsansätze, einzelne Verwaltungsverfahren bzw. Komponenten<br />
in ihren wesentlichen Anforderungen zu spezifizieren. Es werden funktionale und<br />
technische Anforderungen sowie die organisatorischen Voraussetzungen zur Gewährleistung<br />
einer rechtsverbindlichen, authentifizierten und sicheren Transaktion<br />
zwischen kommunaler Verwaltung und ihren Kunden ausreichend und detailliert dargestellt.<br />
Nach Maßgabe des in Art. 28a Grundgesetz verbrieften kommunalen Selbstverwaltungsrechts<br />
und des sich daraus ableitenden, spezifisch kommunalen Vergaberechts<br />
können weiterreichende Ziele, wie etwa eine für die Kommunen und Marktteilnehmer<br />
verbindliche Standardisierung von Verfahren und Komponenten, nicht verfolgt werden.<br />
Standardisierungen kann es unter den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
in Deutschland nur für die Bundesverwaltung und die Landesbehörden in ihrem<br />
rechtlichen Wirkungsbereich geben. So können sich Bundes- und Landesverwaltungen<br />
dazu verpflichten, zur Unterstützung der internen wie externen Aufgabenverrichtung<br />
und Kommunikation standardisierte Verfahren und Produkte beispielsweise<br />
aus der XÖV-Welt zu verwenden. Gegenüber den Kommunen wird es dagegen immer<br />
nur ein Angebot geben, ein einheitliches Verfahren zu nutzen.<br />
Von zentraler Bedeutung ist die Präzisierung unterschiedlicher Themenstellungen in<br />
den <strong>Spezifikationsbericht</strong>en, sei es in technischer, funktionaler oder organisatorischer<br />
Hinsicht. Dies bedeutet, dass durch die <strong>Spezifikationsbericht</strong>e eine Klärung der Semantik<br />
erfolgt. Bestehende Ansätze und Lösungen werden konkret für die Kommunen<br />
beschrieben und ausgearbeitet. Diese können als Richtschnur für das Handeln<br />
der Kommunen dienen. Über spezifische Anpassungen können einzelne Kommunen<br />
die Inhalte der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e auf ihren konkreten Bedarf hin ausrichten (siehe<br />
Abbildung 2).<br />
Leitbild von zukunftsfähigem E-Government<br />
Inhalt der Harmonisierung<br />
Beschreibung der technischen,<br />
funktionalen und<br />
organisatorischen Anforderungen<br />
der Verfahren und<br />
Komponenten des<br />
E-Governments<br />
Ziel<br />
Handlungssicherheit für<br />
Kommunen und<br />
Dienstleister<br />
Zukünftiges Ergebnis<br />
Modernisierung der<br />
Kommunalverwaltung<br />
Klärung der Semantik für<br />
E-Government-Anbieter und<br />
-Nachfrager<br />
Abbildung 2: Der Beitrag der Harmonisierungsvorhaben zur Fortentwicklung des<br />
E-Governments<br />
Weiterhin besteht die Hoffnung, dass die mit den <strong>Spezifikationsbericht</strong>en gegebene<br />
Harmonisierung der Verfahren dazu führen wird, dass Kommunen ihre Ausschreibungen<br />
weitgehend nach diesen harmonisierten Verfahren ausrichten und Softwarehersteller<br />
zunehmend ihre Produkte entsprechend der Verfahrensbeschreibungen<br />
16 von 64
HARMONISIERUNG IM RAHMEN DER INITIATIVE<br />
MEDIA@KOMMTRANSFER<br />
entwerfen bzw. anpassen. Dies ist ein Beitrag, um dem Flickenteppich aus Einzellösungen<br />
durch eine relative Vereinheitlichung der Vorgehensweisen und der Softwareprodukte<br />
– oder zumindest deren Schnittstellen – entgegen zu wirken.<br />
Harmonisierungsaktivitäten bewegen sich strikt im vorwettbewerblichen Raum, dienen<br />
aber dazu, den Wettbewerb transparenter zu gestalten. Harmonisierung trägt<br />
somit dazu bei, das Handlungsfeld für Kommunen wie für Produkt- und Dienstleistungsanbieter<br />
transparent zu gestalten und einen gemeinsamen Bezugsrahmen für<br />
Angebot und Nachfrage zu schaffen.<br />
Was ist nun der Gegenstand der Harmonisierung? Betrachtet werden die technischen,<br />
funktionalen und organisatorischen Anforderungen an das jeweilige Verfahren.<br />
Nur wenn der Datenaustausch aufgrund einheitlicher Protokolle und eindeutiger<br />
semantischer Festlegungen erfolgt, können Transaktionen medienbruchfrei und mit<br />
gegenüber heutigen Verhältnissen erheblich verringertem Aufwand durchgeführt<br />
werden. Zukunftsfähiges E-Government ist ferner nur möglich, wenn die Geschäftsprozesse<br />
innerhalb der Verwaltung und in den Kooperationen mit externen (privaten<br />
oder öffentlichen) Akteuren angepasst sind. Eine wesentliche Aufgabe der <strong>Spezifikationsbericht</strong>e<br />
besteht folglich darin, für die jeweiligen Harmonisierungsvorhaben die<br />
technischen und funktionalen Merkmale der Verfahren bzw. Komponenten zu definieren<br />
und die organisatorischen Voraussetzungen zu identifizieren, die einen Datenaustausch<br />
und einen optimierten Geschäftsprozess möglich machen sowie die Funktionalität<br />
des Verfahrens sicherstellen.<br />
17 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
3 Beschreibung des Verfahrens<br />
„E-<strong>Procurement</strong>“<br />
3.1 Definition und Funktionalität<br />
Wie eingangs bereits erwähnt, konzentriert sich der vorliegende Bericht auf die Beschreibung<br />
des Teilbereiches E-Vergabe. Mit einer elektronischen Vergabelösung<br />
wird den öffentlichen Auftraggebern die rechtskonforme elektronische Durchführung<br />
kompletter Vergabeverfahren gemäß der einschlägigen Verdingungsordnungen ermöglicht.<br />
Dabei wird die gesamte Prozesskette von der Vorbereitung über die Bekanntmachung,<br />
Durchführung und Bewertung bis hin zum Zuschlag unterstützt. Die<br />
hohe Wiederverwertbarkeit von Ausschreibungsmustern bzw. Leistungsbeschreibungen<br />
einzelner Komponenten und die rechtskonforme Nutzerführung ermöglichen effiziente<br />
Vergabeverfahren.<br />
Die Zielsetzung, den Vergabeprozess effizienter und effektiver zu gestalten, erfordert<br />
unmittelbar die Einbeziehung von Überlegungen, dies IT-gestützt durchzuführen.<br />
Eine so genannte IT-basierte Vergabelösung muss dabei die folgenden Vergabeordnungen<br />
und Vergabearten unterstützen:<br />
• Öffentliche Ausschreibung (national)<br />
• Offenes Verfahren (EU-Verfahren)<br />
• Beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb (national)<br />
• Beschränkte Ausschreibung ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb (national)<br />
• Nichtoffenes Verfahren (EU-Verfahren)<br />
• Freihändige Vergabe (national)<br />
• Verhandlungsverfahren (EU-Verfahren)<br />
Herausragende Merkmale einer E-Vergabe-Lösung:<br />
• Unterstützung des gesamten Vergabeprozesses bzw. einzelner definierter Prozessschritte<br />
• Rechtliche Plausibilisierung von Nutzerentscheidungen<br />
• Bewertungsprozess wird unterstützt und ist anpassbar<br />
• Signifikante Prozesskostenreduktion, revisionssichere Zuschlagsentscheidung<br />
• Protokollierte Kommunikation mit Veröffentlichungsorganen und Bietern<br />
• Unterstützung qualifizierter elektronischer Signaturen und hochsichere Verschlüsselung<br />
für elektronische Angebote<br />
18 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
• Angebotsabgabe per Mantelbogen oder per digitaler Signatur, konventionell garantiert<br />
diskriminierungsfreier Bieterzugang sowie maximale Reichweite im Bezug<br />
auf potentielle Bieter<br />
3.2 Einsatzfelder<br />
Eine Ausschreibung ist ein rechtlich geregeltes Verfahren zur Ermittlung des Angebotspreises<br />
als Vorbereitung zur Vergabe eines Auftrages. Für Ausschreibungen öffentlicher<br />
Auftraggeber (Bund, Land, Gemeinden) gelten spezielle Regelungen. Die<br />
Verfahrensweise ist geregelt in<br />
• der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB),<br />
• der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL)<br />
• der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF).<br />
Eine E-Vergabelösung sollte den Nutzern der öffentlichen Verwaltung sowie der Wirtschaft<br />
als Plattform zur Verfügung gestellt werden. Sie unterstützt medienbruchfrei<br />
alle internen und externen Teilprozesse wie die Vorbereitung, Bekanntmachung und<br />
Durchführung für alle Vergabearten. Damit ist die E-Vergabe eingebettet in den komplexen<br />
Prozess des Übergangs zur Informations- und Wissensgesellschaft. Diese<br />
Einbettung liefert zugleich den Kontext für die vorgesehene Einführung der elektronischen<br />
Ausschreibung und Auftragsvergabe. Aus diesem Grund ist von Anfang an eine<br />
ganzheitliche Sicht auf diese Entwicklung erforderlich, die über ressortorientiertes<br />
Denken und die isolierte Betrachtung von Prozessen hinausgeht. Bei der Gestaltung<br />
von E-Government geht es sowohl um die Prozesse innerhalb des öffentlichen Sektors<br />
als auch um jene zwischen der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern,<br />
den Unternehmen der Wirtschaft und den Nicht-Profit- und Non-Government-<br />
Organisationen. Ziel ist eine reibungslose digitale, wenn möglich medienbruchfreie<br />
Abbildung des öffentlichen Vergabe- und Auftragswesens, wobei pragmatische Umsetzungen<br />
angestrebt werden sollen, auch wenn diese die hundertprozentige Medienbruchfreiheit<br />
nicht gewährleisten.<br />
3.3 Nutzen für verschiedene Nutzergruppen<br />
Für die Verwaltung können Nutzenpotentiale durch die Verkürzung der internen Prozessschritte<br />
erzielt und damit zeit- und kostengünstiger erledigt werden.<br />
Folgender Nutzen kann dabei erzielt werden:<br />
• Unterstützung der Vergabestelle bei der effizienten Durchführung rechtskonformer<br />
Vergabeverfahren<br />
• Beschleunigung und Vereinfachung des Informationsflusses in den Vergabe- und<br />
Bedarfsstellen sowie zwischen Auftraggebern und Bietern<br />
• Größere Publizität für die Ausschreibungen<br />
19 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
• Erleichterung des Austauschs und der Auswertung der Angebote durch verstärkte<br />
Nutzung<br />
• standardisierte Dateiformate (z.B. GAEB im VOB-Bereich)<br />
• Verbesserung der Angebotsqualität<br />
• Verbesserung des Außenauftritts<br />
• Unterstützung der Bieter bei der Abgabe formal korrekter Angebote<br />
• Maximale Bieterakzeptanz durch Entgegennahme elektronischer und konventioneller<br />
Angebote<br />
• Effizienzvorteile für die Vergabestelle auch bei konventionell eingehenden Angeboten<br />
• Nachvollziehbare Angebotsbewertung und Zuschlag an den wirtschaftlichsten<br />
Bieter (beispielsweise gem. UfAB-Formel, auch andere Formelansätze müssen in<br />
E-Vergabe-Lösungen abgebildet werden können)<br />
• transparente Informationsdarstellung zu den Vergabeverfahren für die Beteiligten<br />
• Reduzierung des Aufwandes beim Bieter<br />
• Reduzierung des Aufwandes beim Auftraggeber<br />
• Übergang in den Beschaffungsprozess ohne Medienbruch möglich (Voraussetzung<br />
dafür wäre die digitale Signatur)<br />
Eine E-Vergabe-Lösung sorgt für Prozesssicherheit und Transparenz bei der Vergabe<br />
an den wirtschaftlichsten Bieter, unabhängig davon, ob die Angebote elektronisch<br />
oder konventionell abgegeben wurden.<br />
In diesem Zusammenhang ist der Übergang zu einem elektronischen Vergabesystem<br />
nicht nur eine Substitution der bei einer Prozessdurchführung bisher genutzten Technologie<br />
durch eine neue, sondern erfordert in der Regel eine entsprechende Neugestaltung<br />
der Prozesse (Process-Reengineering). In diesem Sinne setzt die Einführung<br />
der elektronischen Ausschreibung/Auftragsvergabe eine integrative Gesamtsicht über<br />
die gesamte Prozesskette von der Entstehung des Bedarfes über die Ausschreibung,<br />
die Vergabe, den Vertragsabschluss bis hin zur elektronischen Bezahlung voraus,<br />
wenngleich den Kommunen überlassen bleibt, bis zu welchem Prozessschritt eine<br />
digitale Unterstützung umgesetzt wird. Alle Beteiligten, sowohl auf der Seite der Bedarfsträger<br />
in der öffentlichen Verwaltung als auch auf der Seite der Bieter, Dienstleister<br />
bzw. Lieferanten in der Wirtschaft, sind involviert. Handlungsrelevant sind in jedem<br />
Fall die rechtlichen Rahmenbedingungen, die sowohl für die Pilotierung der elektronischen<br />
Ausschreibung/Auftragsvergabe als auch nachfolgend deren routinemäßige<br />
Nutzung wesentliche Voraussetzungen darstellen.<br />
20 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
3.4 Wirtschaftlichkeit<br />
Die wirkungsvollsten Einsparpotentiale sind weniger durch die Reduzierung der Einkaufspreise,<br />
sondern vor allem durch die Optimierung der verwaltungsinternen Prozesse<br />
und Strukturen zu erzielen.<br />
Eine E-Vergabe-Plattform trägt mittel- bis langfristig zur Senkung der Kosten der Beschaffungs-<br />
und Ausschreibungsverfahren bei. Weiterhin führt die Einführung zu einer<br />
Erhöhung der Qualität hinsichtlich Geschwindigkeit und Fehlerfreiheit sowie hinsichtlich<br />
des Wettbewerbs unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes und der<br />
Einhaltung der Verträge. Insofern sind wirtschaftliche Aspekte in diesem Gesamtzusammenhang<br />
unbedingt zu bewerten, wenngleich sie schwer messbar sind.<br />
Diese Wirtschaftlichkeitsfaktoren betreffen auch die Herausforderungen, denen sich<br />
kleine Kommunen stellen müssen, damit diese nicht von vornherein aus Kostengründen<br />
von den Vorteilen der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
ausgeschlossen werden. Hier können weitere Nutzenaspekte durch die<br />
gemeinsame Verwendung einer Plattform durch mehrere Kommunen erzielt werden<br />
(sog. regionale Marktplatzlösungen wie bei der Landeshauptstadt Magdeburg, d-<br />
NRW, u.a.).<br />
Kostensenkungen lassen sich prozess- und systembedingt in aller Regel nur durch<br />
einen flächendeckenden Roll-out einer E-Vergabe-Lösung erzielen. Vergleichbar mit<br />
ERP-Systemen oder einem E-Mail-System steigt das Rationalisierungspotential exponentiell<br />
mit der Anzahl der Nutzer. Je mehr Nutzer eine solche Lösung innerhalb<br />
einer Behörde anwenden, desto größer sind die zu erzielenden Einsparpotentiale.<br />
Die verwaltungsweite Einführung der E-Vergabe und der E-Beschaffung wird dann zu<br />
einem vereinfachten, beschleunigten und vergaberechtlich sicheren Verfahren beitragen.<br />
Durch den geringen Bearbeitungsaufwand und schnelleren Zugang zu potenziellen<br />
Lieferanten verringern sich nachweislich Prozess- und Transaktionskosten.<br />
Die qualitativen und quantitativen Verbesserungen entstehen vor allem in den folgenden<br />
Bereichen:<br />
• Durch den Einsatz der E-Vergabe und der E-Beschaffung wird der Arbeitsfluss<br />
(Workflow) des bisherigen Vergabe- und Beschaffungsprozesses neu überarbeitet<br />
und somit Prozessineffizienzen vermieden. Die Digitalisierung vermindert Medienbrüche<br />
und erlaubt, Ausschreibungen schneller und unkomplizierter dem Bieterkreis<br />
zugänglich zu machen. Eine Doppelerfassung von Daten wird durch die<br />
automatisierte Datenübernahme bei späteren Prozessschritten vermieden und<br />
somit die gesamte quantitative Auswertung und Beurteilung beschleunigt.<br />
• Durch die Wiederholbarkeit von Vergabeverfahren, die Nutzung von Archiven<br />
(Bekanntmachung, Leistungsverzeichnisse, Stammdaten, etc.) und die elektronische<br />
Bekanntmachung verbessert sich die Prozessgeschwindigkeit.<br />
• Die Qualität wird durch Standardisierung, automatisierte Auswertungen und Integration<br />
von Best-Practice-Erfahrungen gesteigert.<br />
21 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
• Die Wirtschaftlichkeit wird auch durch die Intensivierung des Wettbewerbs erhöht:<br />
In der Regel kann ein größeres und qualitativ besseres Anbieterspektrum erreicht<br />
werden als über den herkömmlichen Veröffentlichungskanal (Amtsblatt, Zeitungen,<br />
etc.). Dadurch entsteht ein höherer Wettbewerb unter den Bietern, die dann<br />
nicht regional eingegrenzt sind. Regionsbedingte Preisgefälle können dazu genutzt<br />
werden, Beschaffungskosten zu senken.<br />
• Durch die einfache Aufteilung von Bedarfen in kleinere Lose werden auch die<br />
Anbieter erreicht, die bisher zu klein für die ausgeschriebenen Leistungen waren.<br />
• Korruptionsprävention<br />
• Weniger Nachprüfungsverfahren<br />
3.5 Gesetzliche Vorgaben<br />
Die elektronische Vergabe von Aufträgen und Leistungen ist in Deutschland möglich:<br />
Voraussetzung hierfür ist allerdings die vergaberechtskonforme Umsetzung. Viele<br />
Softwarelösungen haben sich deshalb bereits zertifizieren lassen, und den nachziehenden<br />
Kommunen wird empfohlen, ausschließlich geprüfte Lösungen bei der Umsetzung<br />
einzusetzen und von Eigenentwicklungen abzusehen.<br />
Den Startschuss zur elektronischen Vergabe im öffentlichen Auftragswesen gab die<br />
Europäische Kommission bereits in ihrer Richtlinie 97/52/EWG vom 13.10.1997. Darin<br />
ermunterte die Kommission die Vergabestellen der Mitgliedsstaaten, sich der elektronischen<br />
Übermittlung von Informationen im Internet zu bedienen. Das Grünbuch<br />
der Europäischen Kommission sah vor, dass bis zum Jahr 2003 ein Viertel der öffentlichen<br />
Aufträge über das Internet abgewickelt werden sollten. Durch die EU-Richtlinie<br />
vom 17. Juli 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr waren die EU-<br />
Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis zum 17.01.2002 die technischen Voraussetzungen<br />
für die elektronische Vergabe von Angeboten zu schaffen. In Deutschland haben nur<br />
wenige Kommunen diese Voraussetzungen geschaffen, allerdings sind sich die Beobachter<br />
heute einig, dass die E-Vergabe in den nächsten 5 Jahren eine stetige<br />
Verbreitung finden wird. Im deutschen Vergaberecht legte die neue Verordnung über<br />
die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) in § 15 fest, dass öffentlichen Auftraggebern<br />
die Möglichkeit offen steht, neben der schriftlichen Abgabe per Post auch andere Offerten<br />
zuzulassen. Mit anderen Worten: Die Vergabestellen von Bund, Ländern und<br />
Gemeinden können das Internet für den Schriftverkehr mit Auftragnehmern nutzen -<br />
vorausgesetzt, die Vertraulichkeit der Angebote bleibt gewahrt. Eine ähnliche Bestimmung<br />
findet sich in der VOB 2000, die in ihrem Teil A (VOB/A) zahlreiche, durch<br />
die digitale Angebotsabgabe bedingte Änderungen vorsieht. Kernstück der Öffnung<br />
für digitale Angebote ist die Neuregelung von § 21 VOB/A. Danach kann ein öffentlicher<br />
Auftraggeber neben Angeboten, die auf herkömmliche Weise unterzeichnet<br />
werden, auch Offerten zulassen, die mit einer digitalen Signatur versehen sind und<br />
verschlüsselt eingereicht werden.<br />
22 von 64
BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Eine ähnliche Regelung sahen grundsätzlich auch die VOL und VOF vor. Da die angestrebten<br />
Prozesskosteneinsparungen nur dann realisiert werden können, wenn<br />
Medienbrüche vermieden werden und der gesamte Leistungserstellungsprozess innerhalb<br />
der öffentlichen Beschaffung digital abgebildet ist, ist es auch für eine webbasierte<br />
Plattform von entscheidender Bedeutung, dass sie allen Rechtsnormen entspricht<br />
und mit dem elektronischen Teil der Wertschöpfungskette kompatibel ist, der<br />
die öffentlichen Ausschreibungen abbildet.<br />
Das Vergaberecht ist einem beständigen Wandel unterworfen. Bis zum 31.01.2006<br />
waren die europäischen Richtlinien in das nationale Recht vollständig umzusetzen.<br />
Gerade für Auftraggeber aus dem Sektorenbereich ergeben sich eine Vielzahl von<br />
Erleichterungen und Neuerungen aber auch Einschnitten. Neben der Umsetzung des<br />
EU-Legislativpakets 2004 soll das nationale Vergaberecht grundlegend vereinfacht<br />
und den Gegebenheiten der europarechtlichen Rechtsprechung angepasst werden.<br />
Nach vergaberechtlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes wird es<br />
u.a. für Städte und Gemeinden zunehmend schwieriger werden, eigenen Beteiligungen<br />
und Zweckverbänden Aufträge zu erteilen.<br />
Soweit im Rahmen des Betriebs einer E-Vergabe-Lösung personenbezogene Daten<br />
erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, sind neben dem Wettbewerbs- und Vergaberecht<br />
auch gesetzliche Vorgaben des Datenschutzes zu beachten, die u. a. im<br />
Bundesdatenschutzgesetz sowie in korrespondierenden Landesdatenschutzgesetzen<br />
normiert sind.<br />
Das Vergaberecht enthält Regeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche<br />
Auftraggeber (und in gewissen Sonderfällen durch private Auftraggeber).<br />
Grundlage bilden VOL, VOB und VOF.<br />
Die Regelungen über die konkrete Ausgestaltung des Vergabeverfahrens werden<br />
dadurch getroffen, dass in den §§ 4-7 VgV auf folgende, von Verdingungsausschüssen<br />
außerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtsetzungsverfahrens erarbeiteten Regelwerke<br />
verwiesen wird:<br />
• Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), Teil A<br />
• Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Teil A<br />
• Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF).<br />
Durch diese Verweisung erhalten die Teile A der VOL und der VOB (abgekürzt<br />
VOL/A bzw. VOB/A) und die VOF für Aufträge oberhalb der Schwellenwerte Rechtsnormqualität.<br />
23 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
4 Spezifikation des Verfahrens<br />
„E-<strong>Procurement</strong>“<br />
Die Umsetzung einer elektronischen Vergabelösung kann unterschiedlich weit reichend<br />
erfolgen. Der vorliegende <strong>Spezifikationsbericht</strong> geht von einer vollständigen,<br />
weitestgehend medienbruchfreien Umsetzung von VOL-, VOB- sowie VOF-Vergaben<br />
aus, wenngleich sich in allen beteiligten Projekten gezeigt hat, dass es vorteilhaft ist,<br />
mit jeweils einem VOL-Bereich zu starten und Erfahrungen zu sammeln. Mittelfristig<br />
sollte es aber immer um den Aufbau einer umfassenden Vergabelösung gehen. Institutionen,<br />
die zu klein für den Aufbau einer Komplettlösung sind, sollten im Verbund<br />
mit anderen öffentlichen Institutionen eine gemeinsame Lösung anstreben, wofür es<br />
bereits prototypische Lösungen gibt (z.B. Vergabemarktplatz Magdeburg, E-<strong>Procurement</strong>-Plattform<br />
im Rahmen von d-NRW, u.a.). Die dabei zum Einsatz kommenden<br />
Softwarelösungen sollten den durch die KGSt aufgestellten Kriterien unbedingt<br />
entsprechen und über eine Zertifizierung bzw. über ein juristisches Auditing verfügen.<br />
Eine vollständige Workflow-basierte elektronische Vergabelösung sollte die Phasen<br />
Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation des gesamten Vergabeprozesses<br />
entsprechend der Verdingungsordnungen (VOB/A und VOL/A inkl. des EU-Verfahrens<br />
sowie VOF) berücksichtigen. Die Vorteile einer elektronischen Lösung liegen<br />
darin begründet, dass die Prozesse über das Internet (i.d.R. mit Hilfe eines Web-<br />
Browsers) medienbruchfrei umgesetzt werden können. Keiner der Prozessbeteiligten,<br />
weder Vergabestelle noch Bieter, benötigen deshalb eine zusätzliche Applikation auf<br />
ihrem PC. Für die Verwendung einer elektronische Vergabelösung sollte lediglich ein<br />
Standard-Internetbrowser (ggf. Signatursoftware und Kartenlesegerät) erforderlich<br />
sein.<br />
Die KGSt erarbeitete in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit unterschiedlichen Firmen<br />
einen Kriterienkatalog, der die Anforderungen an ein öffentliches, vergaberechtskonformes<br />
elektronisches Vergabesystem beschreibt. Ein Auszug aus dem<br />
KGSt-Bericht ist im Anhang des <strong>Spezifikationsbericht</strong>s zu finden (siehe Anhang 2 –<br />
Kriterienkatalog für Softwarelösungen zur elektronischen Vergabe, Stand April<br />
2003). 4<br />
4.1 Organisatorische Anforderungen<br />
Die Einführung einer elektronischen Vergabelösung stellt alle öffentlichen Auftraggeber<br />
vor neue Herausforderungen. Bisherige Organisationsformen müssen überdacht<br />
werden und führen so zu einer kritischen Prüfung der bestehenden Organisations-<br />
4 KGSt-Bericht 04/2003 „Elektronische Vergabe und Beschaffung in Kommunalverwaltungen“<br />
24 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
formen. Grundsätzlich kann als eines der wichtigsten organisatorischen Prinzipien<br />
gesagt werden, dass mit Einführung der E-Vergabe die jeweiligen Vorteile einer zentralen<br />
sowie einer dezentralen Beschaffungsorganisation kombiniert werden können.<br />
Durch die Prozessdigitalisierung können beide Prinzipien erstmals zum Vorteil aller<br />
miteinander kombiniert werden. Das Organisationsprinzip orientiert sich folglich primär<br />
an den vorhanden und zu realisierenden Prozessen in der Verwaltung und weniger<br />
an der zu erfüllenden Funktion und markiert die Umstellung der Verwaltung von<br />
einer Funktionslogik, hin zu einer Prozesslogik.<br />
Die elektronische Abwicklung des Vergabeverfahrens von der Veröffentlichung der<br />
Ausschreibung über die Versendung bzw. Bereitstellung der elektronischen Vergabeunterlagen<br />
sowie die Übermittlung der elektronischen Angebote verlangt erweiterte<br />
Kenntnisse der Mitarbeiter beim Umgang mit dem neuen System, die zusätzlich zu<br />
den erforderlichen Kompetenzen über das Vergaberecht beherrscht werden müssen.<br />
Nicht zuletzt die Veränderungen aus dem neuen Vergaberecht haben zur Folge, dass<br />
hohe Ansprüche an die Weiterbildung der betroffenen Mitarbeiter gestellt werden.<br />
Aufgrund des hiermit verbundenen Aufwands zur Bereitstellung dieses Fachwissens<br />
sollte dieses Wissen deshalb in Form einer zentralen Vergabestelle vorgehalten werden.<br />
Die Einführung einer elektronischen Vergabelösung unterstützt die zentrale Vergabestelle,<br />
indem sie die Anwender durch das gesamte Vergabeverfahren leitet und<br />
dabei vielseitige Funktionen, z. B. bei der Terminplanung und -überwachung, anbietet<br />
und über Plausibilitätsprüfungen die Qualität gesichert wird.<br />
Dezentrale Bedarfsstellen ohne tiefer gehende Expertise im Vergaberecht können<br />
auf die zentrale Vergabestelle zurückgreifen und das Vergabeverfahren weitgehend<br />
selbständig durch die elektronische Vergabelösung abwickeln. Die zentrale Vergabestelle<br />
steht als interner Dienstsleiter für alle zentralen Fragen und Aufgaben als Qualitätssicherer<br />
zur Verfügung, übernimmt aber nicht das gesamte Vergabeverfahren für<br />
die dezentrale Bedarfsstelle. So wird eine hohe Qualität des Vergabeverfahrens gewährleistet<br />
bei gleichzeitiger Entlastung der Bedarfsträger.<br />
Gleichzeitig zeichnen die Bedarfsträger im Regelfall für die Definition der Anforderungen<br />
in Form eines Leistungsverzeichnisses verantwortlich. Ebenso erfolgt die<br />
Einbindung der Bedarfsträger bei der Submission, d. h. die inhaltliche Bewertung der<br />
Angebote erfolgt weiterhin durch den Bedarfsträger, ggf. unterstützt durch das elektronische<br />
System und die zentrale Vergabestelle.<br />
Durch eine elektronische Vergabe-Plattform wird die Zusammenarbeit zwischen Bedarfsträger<br />
und zentraler Vergabestelle vereinfacht, da neben einer klaren, von der<br />
Software unterstützten Rollenverteilung im Ausschreibungsverfahren auch die medienbruchfreie<br />
Kommunikation zwischen den Beteiligten ermöglicht wird, wie z. B. die<br />
elektronische Übermittlung des Leistungsverzeichnisses vom Bedarfsträger an die<br />
zentrale Vergabestelle.<br />
In welcher Form und welchem Umfang die zentrale Stelle bei einem Vergabeverfahren<br />
grundsätzlich mit einzubeziehen ist, ist durch die Verwaltung selbst zu definieren<br />
und ist in starkem Ausmaß davon abhängig, um welche Beschaffungen es sich im<br />
25 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Einzelfall handelt. Folgende Aufgaben sind i. d. R. der zentralen Vergabestelle zuzuordnen:<br />
• Aufbau und Betrieb einer zentralen Vergabelösung<br />
• Qualitätssicherung aller erzeugten Ausschreibungen<br />
• Erarbeitung von Dienstanweisungen zum Vergabeverfahren<br />
• Überwachung des Vergaberechts, dessen Änderungen sowie der internen Anpassungsbedarfe<br />
hinsichtlich der Organisation und der Technik<br />
• Aufbau einer Bibliothek mit Standard-Leistungsverzeichnissen bzw. Leistungsverzeichnis-Komponenten<br />
• Korruptionsprävention und Beratung<br />
• Zentrale Stelle zu Fragen des Vergaberechts<br />
• Zentrale Kommunikation mit Bedarfsträgern und Bietern bei Rückfragen zur elektronischen<br />
Verfahrensabwicklung<br />
Neben einer klar definierten Rollenverteilung zwischen Bedarfsträgern und zentraler<br />
Vergabestelle ist auch der Vergabeprozess selbst zu standardisieren und im System<br />
abzubilden. Diese systemunterstützte Standardisierung des Vergabeprozesses innerhalb<br />
der Verwaltung geht mit einer Reduzierung der Prozesskosten einher. Neben<br />
dem Nutzeneffekt innerhalb der Verwaltung ergeben sich durch eine standardisierte<br />
und elektronische Abwicklung des gesamten Vergabeverfahrens auch Nutzenpotenziale<br />
beim Bieter. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass es hier naturgemäß<br />
historisch gewachsene Prozesse in den unterschiedlichen Verwaltungen gibt, die sich<br />
nicht alle standardisieren lassen. Allerdings sollte der Spielraum für Harmonisierung<br />
nicht unterschätzt werden, handelt es sich doch um einen Prozess, der für alle öffentlichen<br />
Auftraggeber durch das Vergaberecht stark vorstrukturiert ist.<br />
4.2 Der Prozess der Vergabe<br />
Eine elektronische Vergabe-Lösung muss mittelfristig den gesamten Prozess der öffentlichen<br />
Vergabe von der Vorbereitung über die Durchführung bis hin zur Auswertung<br />
und dem Zuschlag unterstützen. Die Ablauforganisation der elektronischen Vergabe<br />
lässt sich in mehrere Teilprozesse unterteilen, wie wir sie im Folgenden näher<br />
beschreiben werden. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass die einzelnen Prozessschritte<br />
hier idealtypisch dargestellt sind und in der Praxis – je nach zu beschaffendem<br />
Produkt oder zu beschaffender Leistung – variieren können. Dennoch sollte<br />
sich eine Kommune bei der Einführung an diesem Prozess orientieren und die Digitalisierung<br />
auf die daraus entstehenden Anforderungen abstimmen.<br />
Der Hauptprozess lässt sich grob in die folgenden 3 Phasen gliedern:<br />
26 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Phase 1<br />
Vorbereitung<br />
• Bedarfsermittlung<br />
• Vergabe- und<br />
Beschaffungsstrategie<br />
• Vergabevorlauf<br />
Phase 2<br />
Durchführung<br />
Abbildung 3: Der Prozess der Vergabe<br />
• Vergabeverfahren<br />
und -art festlegen<br />
• Zeitplan erstellen<br />
• Verdingungsunterlagen<br />
erstellen und versenden<br />
Phase 3<br />
Nachbereitung<br />
• Öffnung der Angebote<br />
• Bewertung der Angebote<br />
• Zuschlagserteilung/<br />
Bekanntmachung<br />
Die folgenden Abbildungen stellen die einzelnen Phasen in ihren Teilprozessschritten<br />
genauer dar, wie sie von der Transferagentur innerhalb einer Prozessuntersuchung<br />
in der Landeshauptstadt Magdeburg aufgenommen und in Hinblick auf die Harmonisierungsbestrebungen<br />
von MEDIA@Komm-Transfer weiterentwickelt wurden. Die<br />
Teilprozessschritte sind in der Arbeitsgruppe vorgestellt, diskutiert und modifiziert<br />
worden, so dass sie sich als Grundlage für eine Harmonisierung eignen. Es wird ausdrücklich<br />
darauf hingewiesen, dass es in Deutschland verschiedene Softwarelösungen<br />
gibt, welche die hier dargestellten Prozesse abbilden können. Bei einer Auswahlentscheidung<br />
sollten die einzusetzenden Softwarelösungen anhand der hier<br />
dargestellten Prozessketten auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden. Darüber hinaus<br />
wird die Empfehlung ausgesprochen, den durch die KGSt entwickelten Kriterienkatalog<br />
für den Softwareeinsatz im Bereich E-Vergabe für einen Entscheidungsprozeß<br />
zu nutzen. Außerdem werden die bereits vorhandenen Altsysteme in einer Verwaltung<br />
mitunter den Auswahlprozess mit beeinflussen. Grundsätzlich kann aber von<br />
einer Eigenentwicklung stark abgeraten werden, da der Markt bereits umfassende<br />
Lösungspakete zur Verfügung stellt. Auch für kleine Kommunen bietet sich verstärkt<br />
die Möglichkeit, die bereits aufgebauten Vergabesysteme größerer Städte kostengünstig<br />
zu nutzen und auf aufwändige Eigeneinführungen zu verzichten.<br />
Die technologische Abbildung der hier dargestellten Vergabeprozesse ist jedoch ohne<br />
einen parallel aufzubauenden Change-Management-Prozess nur schwer darzustellen.<br />
Die Praxis zeigt, dass es vor allem um den Aufbau und die Etablierung von<br />
Organisationsentwicklungsprozessen in der Verwaltung geht, um die E-Vergabe nicht<br />
nur technologisch, sondern vor allem auch innerhalb der täglichen Arbeitsabläufe und<br />
Organisationsprozesse zu etablieren.<br />
27 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Bedarf<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
Ermittlung und<br />
Gewichtung der<br />
Kriterien<br />
1.2<br />
Bündelung /<br />
Standardisierung,<br />
generelle<br />
Vorgaben<br />
1.3<br />
Organisatorische<br />
Klärungen<br />
(Verantwortung /<br />
Prozessfragen)<br />
1.4<br />
Controlling<br />
Initiieren<br />
1.5<br />
Marktkunde<br />
2<br />
Entscheidung<br />
Eigen-/<br />
Fremdvergabe<br />
1.1<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Abbildung 4: Teilprozess 1 – Vergabe- und Beschaffungsstrategie<br />
Softwareabbildung<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
28 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Beschaffungs-<br />
Strategie<br />
1<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
Externe<br />
Markt-<br />
Beobachtung*)<br />
2.1<br />
Analyse und aktive<br />
Suche neuer<br />
Lieferanten<br />
2.2<br />
Klassifizierung der<br />
Lieferanten /<br />
Dienstleister<br />
2.3<br />
Vergabevorlauf<br />
3<br />
Abbildung 5: Teilprozess 2 – Marktkunde<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Softwareabbildung<br />
���<br />
���<br />
���<br />
*) Anmerkung: Das Diskriminierungsverbot ist unbedingt zu beachten.<br />
Eine Auswahl von Bietern kommt nur bei Freihändiger Vergabe oder<br />
bei beschränkter Ausschreibung in Betracht. Die Kriterien zur<br />
Zuverlässigkeit sind in VOB, VOL und VOF vorgegeben.<br />
Marktkunde spielt vor allem bei der Entwicklung der Leistungsspezifikation eine entscheidende<br />
Rolle. Während bei den freihändigen Vergaben eine laufende Marktbeobachtung<br />
einfacher darzustellen ist, muss die Verwaltung innerhalb öffentlicher oder<br />
beschränkter Ausschreibungen eine absolute Unabhängigkeitsstellung bewahren,<br />
damit einzelne Bieter nicht diskriminiert werden. Es hat sich als überaus vorteilhaft<br />
erwiesen, eine Trennung zwischen zentraler Vergabestelle (die den Vergabeprozess<br />
führt) und dezentralen bzw. teilzentralen Beschaffungsstellen (die die Leistung zu<br />
Beginn spezifizieren) aufzubauen. Die Vorteile von Zentralität und Dezentralität lassen<br />
sich technologisch durch die E-Vergabe produktiv machen, ohne die jeweiligen<br />
Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, die durch Beibehaltung jeweils nur einer Organisationsvariante<br />
entstehen würden.<br />
29 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Marktkunde<br />
2<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
nachweisen<br />
3.2<br />
Auftragswert<br />
schätzen<br />
3.3<br />
Verfügbarkeit<br />
von<br />
Haushaltsmitteln<br />
klären<br />
3.4<br />
Einhaltung<br />
sonstiger<br />
Vorschriften<br />
3.5<br />
Vergabedurchführung<br />
4 (1/2)<br />
Bedarf<br />
analysieren und<br />
Leistung<br />
spezifizieren<br />
(LV) 3.1<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Abbildung 6: Teilprozess 3 – Vergabevorlauf<br />
Softwareabbildung<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
30 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Vergabevorlauf<br />
3<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
Vergabeart /<br />
-verfahren<br />
festlegen<br />
4.2<br />
Zeitplan erstellen<br />
4.3<br />
Schritte bis<br />
Versand<br />
Verdingungs-<br />
Unterlagen<br />
4.4<br />
Versand<br />
Verdingungsunterlagen<br />
4.5<br />
Behandlung von<br />
Bewerberfragen<br />
4.6<br />
Angebotsöffnung<br />
4.7<br />
Vergabe-<br />
Durchführung<br />
(2/2)<br />
Vergabeakte<br />
anlegen<br />
4.1<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Abbildung 7: Teilprozess 4 - Durchführung der Vergabe (1/2)<br />
Softwareabbildung<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
31 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Vergabedurchführung<br />
(1/2)<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
Zuschlagsempfehlung<br />
nach<br />
formeller Prüfung<br />
4.9<br />
Information<br />
nicht<br />
berücksichtigter<br />
Bieter<br />
4.10<br />
Zuschlagserteilung<br />
(dadurch<br />
Vertragsschluss)<br />
4.11 *)<br />
Bekanntmachung,<br />
Melde- und<br />
Berichtspflichten<br />
4.12<br />
Abruf /<br />
Lieferung<br />
Bewertung<br />
der Angebote<br />
4.8<br />
Abschluss des<br />
Vergabeverfahrens<br />
4.13<br />
ggf. Vergabebeschwerde<br />
/<br />
Klage<br />
4.14<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
und Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Vergabestelle<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
*) Anmerkung: In Sonderfällen (vgl. VOL, VOB, VOF) fallen Zuschlag und Vertrag<br />
auseinander. In solchen Fällen werden Erstellung der Vertragsurkunde und<br />
Unterzeichnung der Vertragsurkunde extra behandelt.<br />
Abbildung 8: Teilprozess 4 - Durchführung der Vergabe (2/2)<br />
Softwareabbildung<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
���<br />
32 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Abruf /<br />
Lieferung<br />
Prozessschritt Ablauforganisation<br />
ggf. Reklamation<br />
5.2<br />
Ende<br />
Prüfung der<br />
Rechnung und<br />
Zahlungsanweisung<br />
5.1<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Fachamt /<br />
Fachbereich /<br />
Bedarfsträger<br />
Abbildung 9: Teilprozess 5 - Administration<br />
Softwareabbildung<br />
����<br />
Nicht alle Teilprozessschritte werden immer und in jedem Fachbereich und Amt gleichermaßen<br />
durchgeführt. Unterschiede zeigen sich besonders bei den strategischen<br />
Hauptprozessen (Abbildung 4: Teilprozess 1 – Vergabe- und Beschaffungsstrategie<br />
und Abbildung 5). Die operativen Prozessschritte (Abbildungen 6 bis 9) sind dagegen<br />
in allen beschaffenden Stellen vorzufinden.<br />
Die operativen Prozessschritte haben keine längerfristigen Auswirkungen auf das<br />
Vergabewesen und eher eine verwaltende als eine steuernde Funktion. In der Regel<br />
finden diese Prozessschritte pro Vergabevorgang statt.<br />
Die strategischen Prozessschritte haben dagegen längerfristige Auswirkungen auf<br />
das Vergabewesen. Sie haben eine steuernde Funktion und finden in der Regel unabhängig<br />
von konkreten Vorgängen statt. Unter die strategischen Prozessschritte fallen<br />
daher alle Teilprozessschritte, die bei den Hauptprozessschritten „Beschaffungsstrategie"<br />
und „Marktkunde" genannt werden. Diese Prozessschritte werden nicht in<br />
allen Vergabestellen durchgeführt. In der Regel führt die zentrale Vergabestelle diese<br />
Prozessschritte aus, während die dezentralen Nutzer sie partiell ausführen, was eine<br />
konsequente Arbeitsteilung zeigt.<br />
4.3 Funktionale Anforderungen<br />
Eine elektronische Vergabelösung muss den vollständigen Workflow des Vergabeprozesses<br />
entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, wie Verdingungsordnungen,<br />
weitestgehend medienbruchfrei über das Internet abdecken. Der gesamte Vergabeprozess<br />
sollte mittels einer Applikation abgewickelt werden können. Für den Anwender<br />
sollte lediglich der Internetbrowser notwendig sein. Es hat sich gezeigt, dass das<br />
Thema Medienbruchfreiheit sehr pragmatisch behandelt werden sollte. Zwar ist aus<br />
Prozesssicht eine medienbruchfreie Abbildung aller Prozesse vorteilhaft, allerdings<br />
zeigt die Praxis, dass das Voraussetzen einer digitalen Signaturkarte auf Bieterseite<br />
dazu führt, dass nur wenige elektronische Angebote abgegeben werden. Es sollte<br />
daher unbedingt darauf geachtet werden, dass das sog. Mantelbogenverfahren mit<br />
33 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
unterstützt wird und die Bieter immer die Möglichkeit haben, die Angebote handschriftlich<br />
zu signieren.<br />
Zu den grundlegenden Funktionalitäten einer E-<strong>Procurement</strong>-Lösung zählen:<br />
• Internet-basierte Fachanwendung zur rechtssicheren und anwenderfreundlichen<br />
Durchführung des Prozesses<br />
• Komplettes Vergabeverfahren nach VOL/A, VOF und VOB/A<br />
• Unterstützung aller Prozessschritte – Vorbereitung, Bekanntmachung, Durchführung,<br />
Wertung und Zuschlag<br />
─ die Erfassung der Vergabe<br />
─ die Bekanntmachung einer Vergabe (Veröffentlichung)<br />
─ die Online-Bewerbung<br />
─ das Erfassen der Bewerbungen<br />
─ das Prüfen und Erstellen einer Firmenliste<br />
─ das Bereitstellen der Vergabeunterlagen im Internet<br />
─ das Versenden der Vergabeunterlagen<br />
─ das Abrufen der Vergabeunterlagen im Internet<br />
─ das Versenden von Änderungsmitteilungen<br />
─ die Verwaltung zusätzlicher Informationen zu Vergaben<br />
─ die Online-Abgabe von Angeboten<br />
─ Lieferung eines Offline-Tools zur Angebotsbearbeitung durch den Bieter<br />
─ die Öffnung und Verlesung der Angebote (Submission), einschließlich Protokollierung<br />
• Nutzerführung in allen Vergabearten und Verwendung von Vorlagen<br />
• Übernahme vorhandener elektronischer Dokumente und Formulare in gängigen<br />
Formaten (Word, PDF, Excel, HTML)<br />
• Effiziente Kooperation von Vergabestelle und Bedarfsträger<br />
• Unterstützung elektronischer und papiergebundener Angebote<br />
• Umfassende Wertung aller Angebote nach spezifischen Kriterienkatalogen als<br />
Basis für einen wirtschaftlichen und revisionssicheren Zuschlag<br />
Die genannten Prozessschritte sollen von unterschiedlichen Funktionsträgern (z. B.<br />
Mitarbeiter der Vergabestellen, dezentrale Bedarfsträger) durchgeführt und verantwortet<br />
werden können. Dabei ist eine durchgängige Unterstützung der jeweiligen Mitarbeiter<br />
zu gewährleisten. Dies bedeutet u. a. die automatische Benachrichtigung der<br />
verantwortlichen Mitarbeiter für durchzuführende Prüfungen oder Freigaben, übersichtliche<br />
Aufgabenlisten und Terminüberwachungen. Eine einfache Benutzerführung<br />
in deutscher Sprache mit kontextsensitiver Hilfe ist ebenso Bestandteil wie die Hinterlegung<br />
eines Handbuches und ein vergaberechtskonformer Ablauf jeder Vergabe.<br />
34 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Eine intuitive graphische Bedieneroberfläche soll es ermöglichen, komplexe und umfangreiche<br />
Informationen strukturiert und übersichtlich zu präsentieren. Durch eine<br />
moderne Architektur sind auf Seiten der Anwender (Sachbearbeiter und Bieter) nur<br />
einfache PCs mit Internet-Browsern notwendig.<br />
Der Prozessnutzen ist für die Vergabestellen unmittelbar spürbar, auch ohne dass<br />
alle Bieter sofort die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen. Mit einer<br />
elektronischen Vergabe-Lösung lässt sich im Teilbereich des Ausschreibungswesens<br />
eine nachhaltige E-Government-Strategie verfolgen, nämlich die schrittweise Ausweitung<br />
der elektronischen Interaktion mit den Bietern auf Basis eines von Anfang an<br />
nutzbringenden, elektronisch unterstützten Prozesses bei der Vergabestelle.<br />
Praxisbeispiel E-Vergabe-Plattform Magdeburg<br />
Die Plattform E-Vergabe ist als rein web-basierte Vergabeplattform ausgelegt, auf die<br />
sowohl die Vergabestelle als auch die Bieter Zugriff haben und sich die jeweils relevanten<br />
Bekanntmachungsorgane anschließen lassen. Neben einer weit reichenden<br />
Detailfunktionalität über die gesamte Prozesskette sind zwei weitere wesentliche<br />
Merkmale zu nennen:<br />
Die Lösung arbeitet erstens Datenbank-gestützt, d. h. auf Basis strukturierter Informationen,<br />
die zu jedem Zeitpunkt des Prozesses komplett in einer Datenbank gehalten<br />
werden. Dies hat weit reichende Auswirkungen, z. B. im Bereich der Verwaltung<br />
und Wiederverwendung von Teilstrukturen von Ausschreibungen (Stichwort: Ausschreibungsarchiv),<br />
was Effizienzsteigerungen bewirkt, oder etwa im Bereich der systemgestützten,<br />
automatisierbaren Auswertungen, die ein weiteres Systemmerkmal<br />
darstellen.<br />
Das System erlaubt zweitens die Online-Kommunikation mit dem Bieter und unterstützt<br />
mehrere Varianten der Ausschreibungsabwicklung aus Bietersicht, von online<br />
über offline zu hybrid und der konventionellen Abwicklung bei gleichzeitiger Einhaltung<br />
der durch die Vergaberichtlinien gegebenen Anforderungen an die Sicherheit,<br />
Authentizität und Integrität von Informationen. Dies ist insbesondere wichtig im Hinblick<br />
auf die Akzeptanz des Verfahrens in der Außenwirkung und die Vermeidung von<br />
Diskriminierung einzelner Bieter, indem technische Voraussetzungen abgefordert<br />
werden, die einzelne Bieter nicht erbringen können oder wollen (z.B. digitale Signatur).<br />
Die optionale Anbindung eines E-Beschaffung-Moduls an die E-Vergabe erweitert<br />
den Vergabeprozess durch die Integration einer katalogbasierten Beschaffungsapplikation.<br />
Hierdurch ist es möglich, zugeschlagene Leistungsverzeichnisse zum unterjährigen<br />
Abruf von Teilleistungen, wie z.B. Jahresleistungsverzeichnisse und ausgeschriebene<br />
Rahmenverträge, zu realisieren. Dabei wird das Auftragsleistungsverzeichnis<br />
als Rahmenvertrag der E-Beschaffung per interner Schnittstelle übergeben.<br />
Ferner ist es durch diese Integration möglich, die E-Vergabe mit einem zusätzlichen<br />
Mutterleistungsverzeichnis zu ergänzen und im Bedarfsfalle Katalogpositionen inkl.<br />
35 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
aller Eigenschaften und Langtexte der E-Vergabe als Ausschreibungsposition zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
4.3.1 Sicherstellung der Funktionalität des Verfahrens<br />
Im Zuge der Beschaffung einer E-Vergabe-Plattform ist festzulegen, durch wen die<br />
Weiterentwicklung und Pflege des Systems betrieben werden soll.<br />
Die Verfahrensweiterentwicklung liegt in der Regel bei dem jeweiligen Hersteller oder<br />
bei einem Betreiber des Systems. Dieser stellt die Weiterentwicklung und die Funktionalität<br />
des Verfahrens sicher. Alle Veränderungen innerhalb des programmierten<br />
Systems werden über den Hersteller bzw. den Betreiber herbeigeführt. Ein entsprechender<br />
Pflege- und Wartungsvertrag ist mit dem Systemanbieter im Zuge der Beschaffung<br />
abzuschließen.<br />
Die Bearbeitung von variablen Daten und Unterlagen kann vom jeweilig geschulten<br />
Personal (Systemadministratoren) durchgeführt werden. Supportleistungen wie kleine<br />
Service- und Wartungsarbeiten können in der Regel im Rechenzentrum durchgeführt<br />
werden. Bei jedem Mandanten (Kommune, Ministerium, Sektorenbetrieb etc.) muss<br />
sichergestellt werden, dass der Datenbestand einheitlich und in elektronischer Form<br />
vorliegt und bei Notwendigkeit grundsätzlich nur an einer Stelle im System eingepflegt<br />
und verändert werden muss.<br />
4.3.2 Verfügbarkeit<br />
Hinsichtlich der Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des Verfahrens sind Service Level<br />
Agreements mit dem Betreiber zu vereinbaren. Es ist festzulegen, zu welchen<br />
Tageszeiten der Service mit welcher garantierten Verfügbarkeit zur Verfügung steht<br />
[z. B. werktäglich von 7 bis 20 Uhr (Tagesbetriebszeit) bzw. mit einer monatlichen<br />
Verfügbarkeit von 99,7 Prozent].<br />
Zudem ist festzulegen, wie lange eine maximale Unterbrechung des Services während<br />
der Tagesbetriebszeit andauern darf (z. B. Unterbrechung während der Tagesbetriebszeit<br />
muss nach maximal vier Stunden behoben sein). Auch die Summe der<br />
maximalen Ausfallzeiten innerhalb eines Kalenderjahres, die nicht überschritten werden<br />
dürfen, sind in den Service Level Agreements festzulegen (z. B. maximale Ausfallzeiten<br />
von zehn Stunden pro Jahr dürfen nicht überschritten werden).<br />
Aus der geforderten Verfügbarkeit sind rückwirkend die Anforderungen an die technische<br />
Architektur der Anwendung und die IT-Infrastruktur abzuleiten.<br />
Eventuell auftretende Ausfälle der Anwendung oder der IT-Infrastruktur dürfen keinesfalls<br />
zu Datenverlusten führen. Diesbezüglich sind geeignete Redundanzen zu<br />
schaffen und Logging- und Recovery-Strategien zu verwenden.<br />
Es müssen wirksame Vorkehrungen getroffen werden, die auch bei unvorhersehbaren<br />
Ereignissen im Umfeld (z.B. Brand, Explosion) die Wiederaufnahme des Betriebs<br />
nach kurzer Unterbrechung ermöglichen.<br />
36 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Hier sind u. a. die Punkte: Kommunikationswege, Informationen (kurz- und langfristig),<br />
Signieren von Archivinhalten, Key/ Message-Recovery, Virenschutz, etc. zu berücksichtigen.<br />
4.3.3 Dokumentation<br />
Es sind zielgruppenspezifische Dokumentationen zur E-Vergabe-Lösung beim Systemersteller<br />
einzufordern. Dies umfasst sowohl ein auf die Anwender zugeschnittenes<br />
Anwenderhandbuch, das den Umgang mit dem Verfahren beschreibt, die einzelnen<br />
Masken und deren Felder erläutert sowie typische Prozessschritte darstellt. Ferner<br />
werden auch Dokumentationen für die Fach- und Systemadministratoren benötigt.<br />
Den Anwendern (sowohl den Erstellern als auch den Bietern) sollte zusätzlich eine<br />
elektronische, kontextsensitive Benutzerhilfe in der E-Vergabe-Lösung zur Verfügung<br />
stehen. Alle wesentlichen, für die Benutzung des Verfahrens notwendigen Angaben<br />
sind hierüber zu dokumentieren.<br />
Zudem ist darauf zu achten, dass eine intuitive Benutzung der Anwendung möglich<br />
ist. Die Benutzeroberfläche sollte weitgehend selbsterklärend gestaltet sein und den<br />
Anwender durch das Verfahren führen. Plausibilitätsprüfungen sollten den Bearbeitungsaufwand<br />
reduzieren.<br />
4.4 Technische Anforderungen<br />
Die technische Realisierung einer Vergabeplattform trägt zur Senkung der Kosten der<br />
Beschaffungs- und Ausschreibungsverfahren bei sowie zu einer Erhöhung der Qualität<br />
hinsichtlich Geschwindigkeit, Fehlerfreiheit und des Wettbewerbs unter Beachtung<br />
des Diskriminierungsverbotes und der Einhaltung der Verträge.<br />
Funktional ist sicher zu stellen, dass die Plattform alle internen und externen Ausschreibungsprozesse<br />
– wie Vorbereitung, Bekanntmachung und Durchführung - für<br />
alle Vergabearten und seitens der EU diskutierten Änderungen der Vergaberichtlinien<br />
unterstützt. Zudem muss die Prozesssicherheit und die Transparenz bei der Vergabe<br />
an den wirtschaftlichsten Bieter gewährleistet sein, unabhängig davon, ob die Angebote<br />
elektronisch oder konventionell abgegeben wurden. 5<br />
Die folgenden grundlegenden technischen Voraussetzungen sollten durch die E-Vergabe-Lösung<br />
erfüllt werden:<br />
5 In Abhängigkeit davon, wie ein Bieter sein Angebot abgibt (konventionell in Papierform oder elektronisch), kann man<br />
ggf. nicht mehr von einer medienbruchfreien Prozesskette sprechen. Man hat sich in Magdeburg dafür entschieden,<br />
dass dies der Bieter entscheiden muss, da eine digitale Signatur vielfach (noch) nicht im Einsatz ist. Diese wäre<br />
aber für eine komplett medienbruchfreie Abbildung notwendig.<br />
37 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
• Integriertes Benutzer- und Sicherheitsmanagement über ein umfangreiches<br />
Rechte- und Rollenkonzept<br />
• Uneingeschränkte Benutzeranzahl durch Skalierbarkeit und Mandantenfähigkeit<br />
• Datenverschlüsselung<br />
• Web-basierte Software (Softwareverteilung entfällt, ASP-Nutzung möglich)<br />
• Moderne Architektur (die sich im konkreten Anwendungsfall in die Systemlandschaft<br />
vor Ort einpasst)<br />
Praxisbeispiel Technisches Systemkonzept<br />
Die folgende Abbildung zeigt das technische Systemkonzept, wie es in Magdeburg<br />
realisiert wurde. Die Darstellung zeigt eine mögliche Realisierungsform des technischen<br />
Systemaufbaus von E-Vergabe-Lösungen.<br />
AppUser IE>5.x<br />
NS>6.x<br />
Admin<br />
Terminal<br />
Services<br />
Router<br />
Internet<br />
VPN<br />
HTTP/HTTPS<br />
SMPT<br />
Router Terminal Services<br />
TCP 3389<br />
FTP/SFTP<br />
Abbildung 10: Technisches Systemkonzept 6<br />
4.4.1 Schnittstellen und Integration<br />
WebServer<br />
IIS6.0<br />
(Cluster)<br />
FileServer<br />
TCP port 1433<br />
UDP port 1434<br />
Terminal Services<br />
TCP 3389<br />
FTP/SFTP<br />
DBServer<br />
SQL2000<br />
(Cluster)<br />
Bei der Auswahl einer E-Vergabe-Lösung ist zu überprüfen, welche Schnittstellen<br />
durch das Verfahren zu bedienen sind. Beispielsweise sollte es möglich sein, Termine<br />
und Aufgaben in Standard-Programme zu übertragen (z. B. Lotus Notes oder MS<br />
Outlook). Auch die Übernahme von Firmenadressen von der Plattform in vorhandene<br />
Adressdatenbanken sollte z. B. über eine CSV-Schnittstelle ermöglicht werden. Weitere<br />
Schnittstellenanforderungen sind zu überprüfen.<br />
6 in Magdeburg realisiert<br />
38 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Folgende weitere Fragestellungen sollten vor der Auswahl der E-Vergabe-Lösung<br />
beantwortet werden, um das System in die bestehende System-Landschaft zu integrieren:<br />
• Wird ein API (Application Programming Interface) benötigt, um z. B. Fremdsysteme<br />
an die Plattform anzubinden oder externe Erweiterungen zu programmieren<br />
(z.B. ERP-Systeme)?<br />
• Soll ein interkommunaler und interministerieller Austausch von Leistungsverzeichnissen<br />
oder Katalogdateien mit anderen Katalog-basierten Beschaffungssystemen<br />
ermöglicht werden?<br />
• Wird eine Schnittstelle zum Reporting benötigt?<br />
• Sind SAP Backendsysteme oder andere Systeme in die Plattform z. B. über<br />
NetWeaver, IST, WebAS, BusinessConnector oder Microsoft BizTalkServer zu integrieren?<br />
• In welchen Formaten sollen die Schnittstellen umgesetzt werden können (z. B.<br />
XLS, XML oder ASCII)?<br />
• Wie und in welchem Format soll der Export von Dateien ermöglicht werden? Zum<br />
Beispiel:<br />
• Automatisierter Export von Dateien per Mail als PDF, Excel, XML oder TIFF über<br />
zeit- und eventgesteuerte Aufgaben<br />
• Manuelle Ex- und Importe von Dateien<br />
• Exporte über WebService-Schnittstellen, die von Fremdapplikationen angesprochen<br />
werden?<br />
4.4.2 Mindestanforderungen an den Arbeitsplatz<br />
Die Einführung einer web-basierten E-Vergabe-Plattform stellt technische Mindestanforderungen<br />
an die Arbeitsplätze der Anwender. Es ist entsprechend zu überprüfen,<br />
ob die IT-Infrastruktur der Verwaltung diesen Mindestanforderungen entspricht oder<br />
Investitionen in die Infrastruktur notwendig sind.<br />
Zu den Mindestanforderungen des Arbeitsplatzes zählen:<br />
• Gängige Internetzugänge wie DSL, ISDN oder analoge Zugänge mit einer Bandbreite<br />
von min. 56 kbit (Breitbandzugänge sind unbedingt vorzuziehen)<br />
• E-Mail-Konto der Anwender<br />
• Jeder Mitarbeiter muss über einen PC-Arbeitsplatz verfügen, der mit dem Intranet,<br />
Extranet und Internet vernetzt ist. Absicherung des Internetzugangs durch eine<br />
Firewall<br />
• Verfügbarkeit von Standard-Softwareprodukten wie MS Office, Open Office oder<br />
Acrobat Reader<br />
39 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
4.5 Anforderungen an die Sicherheit<br />
Die Gewährleistung sicherer und vertraulicher Kommunikations- und Dienstleistungsangebote<br />
über das Internet ist eine zwingende Voraussetzung für die Akzeptanz und<br />
den Erfolg einer E-Vergabe-Lösung bei den Nutzern.<br />
Anforderungen an die Sicherheit beziehen sich einerseits auf den Datenschutz sowie<br />
andererseits auf die Daten- bzw. IT-Sicherheit.<br />
Aufgabe des Datenschutzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch<br />
den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten 7 in unzulässiger Weise in seinem<br />
Recht beeinträchtigt wird, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten<br />
zu bestimmen.<br />
Die Daten- bzw. IT-Sicherheit umfasst alle Maßnahmen für die Sicherstellung der<br />
Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität von Daten.<br />
Im Folgenden werden Anforderungen im Zusammenhang mit dem Datenschutz sowie<br />
der Daten- bzw. IT-Sicherheit erläutert.<br />
4.5.1 Datenschutz<br />
Eine Kommune bzw. ein Kreis hat zu prüfen, ob und inwieweit personenbezogene<br />
Daten über die Vergabelösung erhoben, verarbeitet 8 oder genutzt werden. Für personenbezogene<br />
Daten muss generell ein Grundschutz gewährleistet werden. Im<br />
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist darüber hinaus geregelt, dass personenbezogene<br />
Daten verstärkt zu schützen sind (vgl. § 3 Abs. 9 BDSG).<br />
Werden über die Vergabelösung personenbezogene Daten (z. B. Kontaktdaten eines<br />
Mitarbeiters) übermittelt, sind entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen<br />
des Datenschutzes zu treffen, so z. B.:<br />
• Feststellung und Bewertung des Schutzbedarfs personenbezogener Daten:<br />
Personenbezogene Daten sind im Hinblick auf ihren Schutzbedarf sowohl einzeln<br />
als auch im Gesamtkontext der Anwendung zu bewerten. Da an einer Vergabelösung<br />
verschiedene Stellen mitwirken können, ist darauf zu achten, dass die Daten<br />
der beteiligten Einrichtungen insgesamt bewertet werden. Die Ausgestaltung<br />
von Schutzmaßnahmen muss sich daran orientieren, welche Folgen für einen Betroffenen<br />
bei Datenschutzverletzungen entstehen können und welcher potenzielle<br />
Schaden für die Behörde eintreten kann.<br />
• Personelle Maßnahmen: Es ist ein Rollen- und Zugriffsrechtekonzept zu erstellen,<br />
das regelt, welche Personen im Rahmen ihrer jeweiligen Funktion (Anwen-<br />
7 Als personenbezogene Daten werden einzelne Informationen gewertet, durch die sich Rückschlüsse auf die Identität<br />
oder die sachlichen Verhältnisse einer Person ziehen lassen (vgl. § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz), so z. B.<br />
Name, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Beruf oder Einkommen.<br />
8<br />
Zur Verarbeitung personenbezogener Daten zählen das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen<br />
(§ 3 Abs. 5 BDSG).<br />
40 von 64
SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
dungsentwickler, Systemadministrator, Anwenderbetreuer, Sachbearbeiter, Datenschutzbeauftragter)<br />
welche Daten erheben, verarbeiten und nutzen dürfen.<br />
• Veröffentlichung von Mitarbeiterdaten der Kommune bzw. des Kreises: Eine<br />
Die Veröffentlichung von Bedienstetendaten (z. B. Kontaktdaten) auf der Vergabeplattform<br />
sollte nur erfolgen, wenn der Dienstverkehr es erfordert oder die Einwilligung<br />
des Bediensteten eingeholt wurde.<br />
• Veröffentlichung personenbezogener Daten weiterer Akteure: Die Veröffentlichung<br />
von personenbezogenen Daten weiterer Akteure setzt in jedem Fall eine<br />
Einwilligung voraus.<br />
• Protokollierung der Nutzung: Für Art, Umfang und Aufbewahrung der Protokollierung<br />
und Bestandsdaten gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit. Protokolldaten<br />
dürfen nur zu den Zwecken genutzt werden, die Anlass für ihre Speicherung waren.<br />
Die Verwendung von Protokolldaten zu Zwecken der Verhaltens- und Leistungskontrolle<br />
ist untersagt. Nur im Einzelfall ist eine Auswertung der Protokolldaten<br />
zur Aufdeckung von Missbräuchen zulässig.<br />
• Nutzungsbedingungen: Nutzungsbedingungen regeln die Bedingungen der Inanspruchnahme<br />
elektronischer Informations- und Dienstleistungsangebote. Dazu<br />
zählen beispielsweise Ausführungen zum Datenschutz, die Abgrenzung des Angebots<br />
der Verwaltung von dem Angebot anderer Behörden oder privater Rechtsträger<br />
sowie Regelungen zur Haftung bei mangelnder Verfügbarkeit der Dienste<br />
und für Verweise auf fremde Webseiten (Hyperlinks) etc.<br />
Die Formulierung der Nutzungsbedingungen ist abhängig vom Umfang des<br />
Dienstleistungsangebots. Die Nutzungsbedingungen sollten in der Vergabelösung<br />
integriert sowie über einen deutlichen Hinweis auf der Angebotsseite<br />
leicht erreichbar sein.<br />
• Beteiligung des Datenschutzbeauftragten: Durch den Einbezug des behördlichen<br />
Datenschutzbeauftragten wird gewährleistet, dass die Kommune bzw. der<br />
Kreis den Erfordernissen des Datenschutzes umfassend Rechnung trägt.<br />
Umfassende Lösungskonzepte sowie Leitlinien zum Thema Datenschutz sind im<br />
E-Government-Handbuch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
(BSI) 9 niedergelegt.<br />
4.5.2 Datensicherheit/IT-Sicherheit<br />
4.5.2.1 Schutzbedarfsfeststellung<br />
Mit der Schutzbedarfsfeststellung wird für identifizierte onlinefähige Dienstleistungen<br />
definiert, welchen Schutzbedarf die ihr zu Grunde liegende Kommunikation zwischen<br />
9 Vgl. BSI 2005b.<br />
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SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Nutzer und der Behörde nach sich zieht. 10 Die zu betrachtenden Sicherheitsziele sind<br />
Vertraulichkeit und Verbindlichkeit (Integrität, Authentizität und Nicht-Abstreitbarkeit,<br />
Authentizität der Kommunikationspartner). Unverzichtbare Voraussetzung für das<br />
Funktionieren der Lösung ist ferner die Verfügbarkeit der technischen Systeme auf<br />
Behördenseite (z. B. Web-Server). Für rechtsverbindliche Transaktionen ist grundsätzlich<br />
der Aspekt des Schriftformerfordernisses zu berücksichtigen (für eine umfangreiche<br />
Beschreibung der Schutzbedarfe siehe Anhang). 11<br />
Für eine kommunale Vergabelösung, wie im vorliegenden <strong>Spezifikationsbericht</strong> vorgestellt,<br />
wurde insgesamt die Schutzbedarfsklasse „hoch“ ermittelt (siehe Anhang 1 –<br />
Schutzbedarfsfeststellung).<br />
4.5.2.2 Maßnahmen zur Gewährleistung von Daten- bzw. IT-Sicherheit<br />
Auf Basis der ermittelten „hohen“ Schutzbedarfsklasse sind technisch-organisatorische<br />
Anforderungen zur Gewährleistung der Daten- bzw. IT-Sicherheit zu formulieren.<br />
Bei der elektronischen Angebotserstellung ist die Vertraulichkeit der Daten durch<br />
Verschlüsselungsalgorithmen der Bieterdaten zu sichern. Nach der elektronischen<br />
Angebotsabgabe sind die Angebote nur nach Verstreichen des Eröffnungstermins<br />
nach dem Vier-Augenprinzip durch zwei Mitarbeiter der Vergabestelle zu entschlüsseln.<br />
Folgende Punkte müssen gewährleistet sein:<br />
• SSL-verschlüsselter, gesicherter Online-Zugriff auf die Ausschreibungsunterlagen<br />
durch die Bieter<br />
• Hoch vertrauliche Online-Angebotserstellung durch hochgradige Verschlüsselung<br />
der Bieterdarten<br />
• Rechtssichere Online-Abgabe von Angeboten mit qualifizierter elektronischer<br />
Signatur nach Signatur-Gesetz<br />
• Kompatibilität zu allen X509 Signaturstandards<br />
• Rechtssichere Online-Angebotsabgabe mittels Hashwert-Generierung und Erzeugung<br />
eines papiernen Mantelbogens (ähnlich dem ELSTER – Verfahren)<br />
• Hoch sichere Verschlüsselung bei Online-Abgabe<br />
• Integrität und Authentizität der Angebote durch hochsichere kryptographische<br />
Mechanismen<br />
• Verschluss der Angebote bis zur Öffnung durch die Vergabestelle mit der Möglichkeit<br />
des Rückzugs bis zur Submission<br />
10<br />
Quelle: IT-Grundschutzhandbuch: 2.2. Schutzbedarfsfeststellung (http://www.bsi.de/gshb/deutsch/baust/02002.html<br />
am 25.09.2006).<br />
11 Quelle: E-Government-Handbuch: Phasenplan E-Government „Phase 3 Analyse”;<br />
(http://www.bsi.bund.de/fachthem/egov/download/3_Phase3.pdf am 25.09.2006).<br />
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SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
• Öffnung nach Vier-Augenprinzip unter Berücksichtigung der Stellvertreter-<br />
Regelung<br />
Um die sichere Abwicklung der Vergabeprozesse gewährleisten zu können, muss die<br />
E-<strong>Procurement</strong>-Anwendung eine Reihe von Sicherheitsanforderungen erfüllen. Diese<br />
Anforderungen können thematisch in folgende Aspekte gegliedert werden:<br />
• Rechtsverbindlichkeit<br />
• Authentizität<br />
• Vertraulichkeit<br />
• Verbindlichkeit<br />
• Verfügbarkeit<br />
• Integrität<br />
• Nichtabstreitbarkeit<br />
• Vertrauenswürdigkeit der Software<br />
• Rechte-Rollen-Konzept<br />
Im Folgenden werden die Anforderungen im Einzelnen beschrieben:<br />
Rechtsverbindlichkeit:<br />
Die Sicherstellung der Rechtsverbindlichkeit ist durch die Verwendung der „qualifizierten<br />
elektronischen Signatur“ zu erreichen, die per Gesetz der eigenhändigen Unterschrift<br />
gleichgestellt ist und diese ersetzen kann. Die qualifizierte elektronische Signatur<br />
wird auf Basis eines mathematischen Verfahrens und mit Hilfe eines privaten<br />
kryptographischen Schlüssels (Private Key) beim Absender erzeugt. Durch einen dazugehörigen,<br />
öffentlichen kryptographischen Schlüssel (Public Key) kann die Signatur<br />
jederzeit überprüft und gleichzeitig der Schlüsselinhaber und die Unverfälschtheit<br />
(Integrität) der Daten festgestellt werden. Die jeweils einmaligen Schlüsselpaare (privater<br />
und öffentlicher Schlüssel) werden durch staatlich überwachte Stellen (Zertifizierungsstellen,<br />
Trust Center) natürlichen Personen auf Antrag fest zugeordnet. Diese<br />
Zuordnung wird durch ein qualifiziertes Signaturschlüssel-Zertifikat beglaubigt.<br />
Die Bindung des Signaturschlüssels an den Inhaber erfolgt durch den zusätzlichen<br />
Besitz einer Chipkarte (Signaturkarte) mit PIN. Somit ist für den Einsatz der qualifizierten<br />
elektronischen Signatur immer die gleichzeitige Verwendung eines zertifizierten<br />
Schlüsselpaares und der Chipkarte mit PIN erforderlich.<br />
Für die elektronische Angebotsabgabe sind andere Signaturverfahren als die qualifizierte<br />
Signatur (z. B. fortgeschrittene Signaturverfahren nach PGP) nicht zugelassen.<br />
Authentizität:<br />
Im Vergabeprozess ist es erforderlich, sich zuverlässig von der Identität seines Partners<br />
zu überzeugen. Dies gilt insbesondere für die Zurechenbarkeit von Aktivitäten<br />
zu Personen und den Austausch sensibler Daten. Andererseits muss sichergestellt<br />
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SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
sein, dass es sich bei der Kommunikation mit dem Web-Server tatsächlich um den<br />
Server der ausschreibenden Behörde handelt (Web-Server Authentizität).<br />
In diesem Zusammenhang muss durch den Systemanbieter gewährleistet werden,<br />
dass Sperrinformationen zu Zertifikaten (z. B. bei Kartenverlust oder beim Wegfall<br />
bestimmter Eigenschaften) rechtzeitig vom System erkannt und verarbeitet werden<br />
können.<br />
Über ein personalisiertes Berechtigungs- und Rollenkonzept werden die Pflegeberechtigungen<br />
für die Ausschreibungsdaten sichergestellt. Für die folgenden Anwendergruppen<br />
sind Berechtigungs- und Rollenkonzepte zu realisieren:<br />
• Einkäufer<br />
• Zentrale Vergabestelle<br />
• Bieterfirmen<br />
Es muss die Möglichkeit bestehen, diese Rollen an die spezifischen Anforderungen<br />
der Organisation der jeweiligen Stadt anzupassen. Neue Rollen müssen eingerichtet<br />
bzw. an bestehende Hierarchien angepasst werden können.<br />
Hinsichtlich der Vergabe eines Passwortes sind folgende Kriterien zu erfüllen:<br />
• verdeckte Eingabe<br />
• Mindestlänge<br />
• Sperrung nach einer definierten Anzahl an Fehlversuchen<br />
Vertraulichkeit:<br />
Der Schutzbedarf der ausgetauschten Daten im E-<strong>Procurement</strong>-Verfahren hinsichtlich<br />
Vertraulichkeit ist als hoch bis sehr hoch zu bezeichnen (siehe hierzu auch Abschnitt<br />
4.5.2.1). Deshalb müssen Verschlüsselungssysteme eingesetzt werden, die<br />
eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der zu übermittelnden Daten ermöglichen.<br />
Bei der Datenübermittlung ist die Vertraulichkeit der Informationen durch Verwendung<br />
von SSL/TLS-verschlüsselten Kanälen unter Nutzung zugehöriger Server-<br />
Zertifikate sicherzustellen. Derzeitiger Standard für eine sichere Kommunikation bei<br />
symmetrischen Verfahren ist eine Schlüssellänge von 128 Bit RC4 oder 112 Bit 3-<br />
DES. Darüber hinaus muss durch geeignete Verschlüsselungsmechanismen für die<br />
Dokumente die Vertraulichkeit der Angebote sichergestellt werden. Bei einer softwarebasierten<br />
Verschlüsselung ist der derzeitige Standard ein RSA-Algorithmus mit<br />
einer Schlüssellänge von mindestens 1024 Bit.<br />
Auf Seiten der digitalen Signatur wird als Verschlüsselungsstandard ein Verfahren<br />
angewendet, das den aktuellen Stand des Signaturgesetzes (SigG) und der Signaturverordnung<br />
(SigV) einhält und somit eine Grundlage zur Schaffung rechtsgültiger<br />
Dokumente in digitaler Form schafft. Die Kommunikation ist bei dem E-<strong>Procurement</strong>-<br />
Verfahren generell mittels SSL-Verschlüsselung durchzuführen.<br />
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SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Verbindlichkeit:<br />
Verbindlichkeit wird durch die Gewährleistung der Integrität, der Authentizität und<br />
Nicht-Abstreitbarkeit sowie der Authentizität der Kommunikationspartner erreicht.<br />
Entsprechende Maßnahmen können der Schutz der Daten vor unberechtigter Veränderung<br />
durch entsprechende Rollen- und Zugriffsrechtekonzepte (siehe auch Beschreibungen<br />
zum Punkt „Rechte-Rollen-Konzept“) und die Sicherung der Datenverbindung<br />
sein.<br />
Verfügbarkeit:<br />
Mit der Verfügbarkeit der Vergabeplattform sind Anforderungen verknüpft, welche die<br />
kontinuierliche Bereitstellung der Lösung für die Nutzer gewährleisten.<br />
In diesem Zusammenhang sind Maßnahmen zur Sicherstellung eines geordneten<br />
Geschäftsverkehrs im „üblichen“ Rahmen zu ergreifen, so z. B. ein regelmäßiges<br />
Back-up.<br />
Integrität:<br />
Die Zuordnung empfangener Daten zu einem konkreten Absender und die nachweisbare<br />
Feststellung ihrer Unverfälschtheit ist insbesondere bei rechtsverbindlichen<br />
Verwaltungsprozessen unabdingbar, speziell dann, wenn grundsätzlich damit zu<br />
rechnen ist, dass diese Daten als Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren verwendet<br />
werden müssen. Zu diesem Zweck sind die zu übertragenen Dokumente unter<br />
Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur zu signieren. Damit kann<br />
eine Manipulation des Dokuments relativ sicher erkannt werden.<br />
Alle Unterlagen unterliegen dem Grundsatz der Vertraulichkeit, und jede Verletzung<br />
der Integrität würde dazu führen, dass sich der so genannte Hashwert, der gebildet<br />
wird, verändert. Bei Öffnung der Unterlagen wird als erstes die Unversehrtheit der<br />
Unterlagen geprüft.<br />
Nichtabstreitbarkeit:<br />
Beim Vergabeprozess handelt es sich um einen Austausch von Dokumenten, deren<br />
Zugang/Abgang mit Aufzeichnung des Zeitpunkts unabstreitbar dokumentiert werden<br />
muss. Diese Zeitpunkte beziehen sich auf das Erstellen, Signieren, Empfangen,<br />
Senden und erstmalige Öffnen der Dokumente. Diese Zeitpunkte müssen im Geschäftsprozess<br />
zuverlässig bestimmt und nachvollziehbar dokumentiert werden. Dazu<br />
muss ein qualifizierter Zeitstempel verwendet werden. Die Urheberschaft der übertragenen<br />
Dokumente ist zweifelsfrei durch digitale Signierung nachzuweisen (alternative<br />
teilelektronische Verfahren mit Mantelbogen sind zulässig, s. o.).<br />
Vertrauenswürdigkeit der Software:<br />
Der Geschäftsprozess der elektronischen Vergabe ist stark von der eingesetzten<br />
Software abhängig. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, für die Signaturkomponenten<br />
das E-<strong>Procurement</strong>-Verfahren nur Software einzusetzen, die nach anerkannten<br />
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SPEZIFIKATION DES VERFAHRENS<br />
„E-PROCUREMENT“<br />
Regelwerken evaluiert und durch Dritte mindestens nach den Stufen EAL 3+ (CC)<br />
oder E2 (IT-SEC) zertifiziert sind oder deren Zertifizierung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe<br />
aktenkundig beantragt ist.<br />
Rechte-Rollen-Konzept:<br />
Im gesamten Vergabeprozess wirken unterschiedliche Organisationseinheiten (Vergabestellen<br />
von Auftraggebern, externe Dienstleister, Bewerber) unterschiedlicher<br />
Mandanten mit. Auf der Basis der zu unterstützenden Vergabeprozesse ist deshalb<br />
für die Arbeitsteilung und die praktische Nutzung des E-<strong>Procurement</strong>-Verfahrens ein<br />
dynamisches, funktionsorientiertes Rechte-Rollen-Konzept erforderlich und zu implementieren.<br />
Die Definition unterschiedlicher Rollen ergibt sich aus der differenzierten<br />
Beteiligung und Verantwortung im Vergabeprozess und auf Grund unterschiedlicher<br />
Hierarchiestufen in den Vergabestellen. Die jeweiligen Rollen müssen frei definierbar<br />
sein.<br />
Folgende Rollen sind erforderlich:<br />
• Systemadministrator<br />
• Sachbearbeiter Vergabe<br />
• Qualifizierter Sachbearbeiter Vergabe<br />
• Freiberuflich Tätiger<br />
• Bewerber / Bieter<br />
Den definierten Rollen müssen wahlfrei Rechte für Fachfunktionen und Benutzeraktionen<br />
zugeordnet werden. Dadurch werden Lese- und Schreibrechte (Anzeigen, Erstellen,<br />
Ändern, Löschen, Speichern usw.) für einzelne Fachfunktionen und Informationsobjekte<br />
geregelt. Die praktische Umsetzung des Rechte-Rollen-Konzepts erfolgt<br />
in der Benutzerverwaltung.<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
5 Praxisbeispiele aus den Transferkommunen<br />
5.1 Landeshauptstadt Magdeburg<br />
Die Applikation, die in der Landeshauptstadt Magdeburg derzeit realisiert wird, trägt<br />
die Bezeichnung Public-e<strong>Procurement</strong>-Plattform und besteht aus den Modulen<br />
E-Beschaffung (stadtweites Katalogsystem), E-Vergabe (für Mitarbeiter der Vergabestellen<br />
und weitere ausgewählte Mitarbeiter wie Rechungsprüfer, Beschaffer, etc.)<br />
sowie einem Marktplatz-Modul zur Veröffentlichung von Ausschreibungen und der<br />
Abgabe von Angeboten seitens der Lieferanten. Über dieses komplett webbasierte,<br />
elektronische Vergabe- und Beschaffungssystem können die Bedarfsträger in der<br />
Verwaltung sowie die Vergabespezialisten den Vergabeprozess abwickeln und aus<br />
elektronischen Katalogen direkt und nahtlos Waren und Dienstleistungen beim Lieferanten<br />
bestellen. Dies gilt sowohl für direkte Materialien als auch für indirekte Güter<br />
und Dienstleistungen.<br />
Die bedarfsorientierte elektronische Abwicklung des Bestellprozesses reduziert Auftragsdurchlaufzeiten<br />
und Transaktionskosten. Sie erhöht die Prozessqualität des einkaufenden<br />
und liefernden Unternehmens durch die Integration der Prozessketten. Sie<br />
steigert die Effizienz des Einkaufs, der von nicht-wertschöpfenden Routinetätigkeiten<br />
entlastet wird. Diese gewonnene Zeit kann für strategische Einkaufsaufgaben, Lieferantenbewertungen<br />
oder Einkaufskostenmanagement verwendet werden und führt<br />
wiederum zu besseren Preisen und dem gezielten Einsatz der besten Lieferanten.<br />
Die Applikation soll mittelfristig in das verwaltungsinterne Finanzsystem integriert<br />
werden. Die Anbindung von externen Lieferanten oder elektronischen Marktplätzen<br />
aller Art ist durch die offene Architektur der Plattform möglich und auch angestrebt.<br />
Die Landeshauptstadt Magdeburg (deren kommunales Rechenzentrum, die KID<br />
Magdeburg GmbH, die Verfahren betreibt) nutzt das Microsoft.NET-Framework als<br />
Entwicklungsplattform für die Produkte und Lösungen im Umfeld der öffentlichen Beschaffung.<br />
Die folgenden Fachverfahren und Prozesse werden berührt:<br />
• Vergabeverfahren mit den Prozessschritten:<br />
• Bedarfsermittlung und Erstellung des Leistungsverzeichnisses<br />
• Vergabevorbereitung<br />
• Veröffentlichung / Ausschreibung<br />
• Distribution der Verdingungsunterlagen<br />
• Angebotsabgabe seitens der Lieferanten (digital/ konventionell)<br />
• Öffnung und Wertung der Angebote<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
• Zuschlag<br />
• Datenübernahme in den Warenkatalog<br />
• Archivierung und Prozessdokumentation<br />
• Beschaffungsverfahren mit den Prozessschritten:<br />
• Suche und Auswahl im webbasierten Katalog<br />
• Automatisierte Genehmigungsprozesse<br />
• Integrierte Bestellprozesse<br />
• Lieferung und Wareneingang<br />
• Rechungs- und Zahlungsabwicklung.<br />
• Beispielhaft sollen an der folgenden Stelle einige Einblicke in die konkrete Softwareumgebung<br />
gegeben werden. Eine komplette visuelle Darstellung ist in dem<br />
vorliegenden <strong>Spezifikationsbericht</strong> aus Platzgründen nicht möglich. Die Transferkommunen<br />
Magdeburg und Berlin geben gerne detaillierte Auskünfte.<br />
Abbildung 11: Anmeldung Magdeburger Vergabeplattform<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
Abbildung 12: Übersicht über laufende Vergabeprojekte<br />
Abbildung 13: Angebotsübersicht<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
5.2 Land Berlin<br />
Das Projekt „Bündelung interner Querschnittsaufgaben der bezirklichen Ebene und<br />
der Hauptverwaltung“ (ProQuer) ist ein zentrales Vorhaben der Neuordnungsagenda<br />
2006. ProQuer ist als ein organisatorisches Dach im Sinne einer „Gesamtlogik“ zu<br />
verstehen, unter dem einzelne Querschnittsaufgaben in Form von Teilprojekten behandelt<br />
werden. Das Thema Beschaffung stellt ein Teilprojekt von ProQuer dar. Das<br />
Projekt ist inzwischen abgeschlossen.<br />
Das Teilprojekt Beschaffung bezieht sich in erster Linie auf der Vergabeordnung für<br />
Leistungen (VOL) basierende Vorgänge. Soweit wie möglich werden auch Vorgänge<br />
nach der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einbezogen. Die Reorganisation<br />
von Beschaffungen nach der Vergabeordnung für Bauleistungen (VOB)<br />
wird im Projekt „eVergabe“ unter der Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
behandelt. Eine enge Abstimmung beider Projekte ist gewährleistet.<br />
Ein zentrales Ziel des Projekts war die Definition von Mustergeschäftsprozessen<br />
(Festlegung von Aufgaben, Rollen und Abläufen) als Mittel der Standardisierung und<br />
des Qualitätsmanagements sowie als Grundlage für die medienbruchfreien Gestaltung<br />
der Beschaffungsvorgänge im Land Berlin.<br />
Voruntersuchungen hatten gezeigt, dass im Zuge der Verwaltungsreform mit dem<br />
Ziel, die dezentrale Ressourcenverantwortung zu stärken, das Beschaffungswesen in<br />
der Mehrzahl der Verwaltungen auch innerhalb der Behörden dezentralisiert wurde.<br />
Dadurch haben sich sehr unterschiedliche Arbeitsweisen in der Vergabe und Beschaffung<br />
herausgebildet, die insgesamt wenig transparent waren.<br />
Die Unterschiede in den Prozessorganisationen wurden in der Ist-Analyse anhand<br />
ausgewählter Vergabestellen herausgearbeitet. Die Ursachen für die Unterschiede<br />
lagen vorrangig in der jeweiligen Personalausstattung (Kompetenzen und Qualifikationen),<br />
in den verschiedenen Aufgabenschwerpunkten (VOB, VOL) sowie in der von<br />
den Vergabestellen gewählten strategischen Zielstellung (z. B. Qualitätssicherung,<br />
Service, Bedarfsbündelung). Im Einzelnen handelte es sich um die Beschaffung:<br />
• im Bezirksamt Lichtenberg (Schwerpunkt Serviceangebote bei der Vergabe und<br />
Beschaffung bis hin zur Reparatur, Inventarisierung und Aussonderung);<br />
• im Landesverwaltungsamt (Schwerpunkt Bedarfsbündelung im Sammelbestellverfahren);<br />
• für die Polizei (Schwerpunkt Qualitätssicherung in Vergabe und Beschaffung);<br />
• im Bezirksamt Mitte (Schwerpunkt Vergabe);<br />
• im IT-Dienstleistungszentrum (Schwerpunkt Bedarfsbündelung in der IT-<br />
Beschaffung).<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
Anschließend wurden die fünf Prozessvarianten zu einem Muster-Prozessmodell<br />
verallgemeinert, das den IST-Situationen in den verschiedenen Vergabestellen<br />
Rechnung trägt. Der Weg der Verallgemeinerung führte über:<br />
• den Entwurf der Musterprozesse,<br />
• deren Qualitätssicherung durch „Mentorenteams“ und<br />
• die abschließende Abstimmung im Forum der Vergabestellen, zu dem alle Mitarbeiter<br />
im Vergabe- und Beschaffungswesen der Berliner Verwaltung Zugang haben.<br />
Hierzu ist anzumerken, dass mit der Verallgemeinerung nicht nur die Vereinheitlichung<br />
der verschiedenen IST-Zustände erreicht wurde, sondern auch eine Optimierung<br />
im Sinne der Übernahme von „Best Practices“ sowie durch Korrektur bekannter<br />
Defizite.<br />
Für die Entwicklung der Musterprozesse wurde ein ganzheitlicher Modellierungsansatz<br />
gewählt, der alle Prozesse von der Entstehung des Bedarfs über die Bedarfsdeckung<br />
bis hin zur Inventarisierung 12 und Aussonderung 13 von beschafften Waren<br />
einschließt, auch wenn noch nicht alle Teilprozesse im Detail modelliert wurden. Das<br />
Prozessmodell schließt auch die Prozesse zu externen Beteiligten (Bieter, Lieferanten,<br />
Fachberater) ein.<br />
12 Teilprozess im Geschäftsprozess J#-Wareneingang und Bezahlung (s. Abb.1)<br />
13 Teilprozess im Geschäftsprozess K#-Datenauswertung (s. Abb.1)<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
Abbildung 14: Vergabe- und Beschaffungswesen im Land Berlin (Prozesslandkarte)<br />
Ein wichtiges Optimierungsziel aus der Sicht der Mitarbeiter war die Qualitätssicherung<br />
im Sinne der Rechtskonformität von Vergabeverfahren. Hierzu wurden folgende<br />
Optimierungsmaßnahmen umgesetzt:<br />
• der Einsatz der elektronischen Vergabeplattform, mit der ein IT-System zur revisionssicheren<br />
Durchführung von Vergabeverfahren zur Verfügung steht und<br />
• ein prozessorientiertes Wissensmanagement, mit dem Praxiswissen u. a. in Form<br />
von Vordrucken, Formularen, Arbeitshilfen, und Gesetzestexten bedarfsgerecht<br />
an den Prozessschritten bereitgestellt wird. Die sich im Umlauf befindlichen Vordrucke<br />
wurden auf eine geeignete Anzahl reduziert, einheitlich gestaltet und sowohl<br />
in Papierform als auch in digitaler Form bereitgestellt.<br />
Ergebnisse:<br />
• Die Dokumentation der Musterprozesse liegt online als Vergabehandbuch sowohl<br />
in Form einer Web-Präsentation als auch in Form eines elektronischen Dokumentes<br />
vor. Das Handbuch kann als Nachschlagewerk genutzt werden, aber auch als<br />
Grundlage für ein Qualifizierungs- und Fortbildungsprogramm.<br />
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PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
• Alle Informationen und Dokumente sind zentral im Intranet zugänglich.<br />
• Die im Prozess benötigten Dokumente (prozessorientiertes Wissensmanagement)<br />
sind als Übersicht im Dokumentenmodell zusammengefasst und elektronisch<br />
an zentraler Stelle in einem Verzeichnis hinterlegt. Damit wird die Aktualisierung<br />
der Dokumente erleichtert.<br />
• Die im Prozessmodell angelegten Rollen sind als Übersicht im Rollenmodell dargestellt<br />
(s. Abb. 2) und die zu den Rollen gehörenden Aufgabenprofile wurden<br />
dokumentiert.<br />
Rollen sind keine Stellen, sondern Aufgabenprofile. Sie ergeben sich aus<br />
der Summe der Aufgaben, die einer Rolle in den Prozessen der Vergabe<br />
und Beschaffung zugeordnet sind. Damit wurde eine von der konkreten Behördenstruktur<br />
unabhängige Darstellung der Aufbauorganisation gewählt.<br />
So bleibt es den Behörden bei der Implementierung der Musterprozesse in<br />
eine konkrete Prozessorganisation überlassen, ob die Aufgaben einer Rolle<br />
einer oder mehreren Personen als Träger einer Rolle zugewiesen werden.<br />
Insofern kann aus der Auflistung der Rollen noch kein Personalbedarf abgeleitet<br />
werden.<br />
Die Aufgabenprofile können auch als Grundlage einer systematischen Personalentwicklung<br />
genutzt werden. Ebenso kann im Sinne des Serviceverständnisses<br />
die operative Ausführung einer Rolle durchaus an einen Dienstleiter<br />
(SE) übertragen werden, während die Verantwortung für die Rolle<br />
beim Rollenträger verbleibt.<br />
Die Ergebnisse stehen auch im Internet auf der „Virtual Community – Geschäftsprozessmanagement“<br />
(www.vc-gpm.de) zur Verfügung unter:<br />
http://www.fhvr-berlin.de/fhvr/fileadmin/dozent/falck/vc/schnupper-vc/Vergabe-<br />
Beschaffung-Berlin/Start.htm<br />
53 von 64
PRAXISBEISPIELE AUS DEN TRANSFER-KOMMUNEN<br />
Abbildung 15: Vergabe- und Beschaffungswesen im Land Berlin (Rollenmodell)<br />
Mit der Definition von Mustergeschäftsprozessen sind Voraussetzungen für den Aufbau<br />
von Kompetenzzentren geschaffen worden, die zur zentralen Unterstützung der<br />
dezentralen Bedarfsträger nach dem Prinzip „Einer oder wenige für alle“ die notwendigen<br />
Service- bzw. Supportfunktionen erfüllen, während die Ressourcenverantwortung<br />
im Sinne der Entscheidungsbefugnisse dezentral bei den Bedarfsträgern verbleibt.<br />
(Wahrung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung)<br />
Die Weiterentwicklung der Kompetenzzentren zu „Shared Services“ erfordert ein einheitliches<br />
Kennzahlensystem, das den Leistungsvergleich und Wettbewerb untereinander<br />
ermöglicht.<br />
54 von 64
LITERATURVERZEICHNIS<br />
Literaturverzeichnis<br />
BSI 2005a Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: BSI-<br />
Standard 100-2: IT-Grundschutz-Vorgehensweise. Version<br />
1.0, Bonn 2005.<br />
http://www.bsi.bund.de/literat/bsi_standard/index.htm<br />
Abruf 29.06.2006.<br />
BSI 2005b Projektgruppe E-Government im Bundesamt für Sicherheit in<br />
der Informationstechnik: Datenschutzgerechtes<br />
E-Government. Handlungsempfehlungen. Modul aus dem<br />
E-Government-Handbuch. Bonn 2005.<br />
http://www.bsi.bund.de/fachthem/egov/6.htm<br />
Abruf 28.10.2005.<br />
BSI 2005c Projektgruppe E-Government im Bundesamt für Sicherheit in<br />
der Informationstechnik: Phasenplan E-Government.<br />
Phase 3 Analyse. Modul aus dem E-Government-Handbuch.<br />
Bonn 2005<br />
http://www.bsi.bund.de/fachthem/egov/6.htm<br />
Abruf 28.10.2005.<br />
BSI 2005d Projektgruppe E-Government im Bundesamt für Sicherheit in<br />
der Informationstechnik: Phasenplan E-Government.<br />
Phase 3 Analyse. Modul aus dem E-Government-Handbuch.<br />
Bonn 2005<br />
http://www.bsi.bund.de/fachthem/egov/6.htm<br />
Abruf 28.10.2005.<br />
KBSt 2005 Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für<br />
Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt): SAGA.<br />
Standards und Architekturen für E-Government-<br />
Anwendungen. Version 2.1. Schriftenreihe der KBSt. Band<br />
82. September 2005.<br />
http://www.kbst.bund.de/cln_011/nn_836960/Content/<br />
Standards/Saga/Standards/standards__node.<br />
html__nnn=true<br />
Abruf 29.06.2006.<br />
55 von 64
ANHANG 1 – SCHUTZBEDARFSFESTSTELLUNG<br />
Anhang 1 – Schutzbedarfsfeststellung<br />
Das hier dargestellte Vorgehen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
(BSI) 14 , die so genannte E-Government-spezifische Schutzbedarfsfeststellung,<br />
betrachtet ausschließlich die Kommunikation zwischen Nutzern und Behörde<br />
und damit die Schnittstellen des Online-Dienstleistungsangebots.<br />
Dabei wird hinsichtlich der Schadensauswirkungen auf der Seite der Nutzer sowie<br />
auf der Seite der Behörde der Schutzbedarf festgelegt.<br />
Unter den Schadensauswirkungen auf Seite der Nutzer sind insbesondere Auswirkungen<br />
auf die gesellschaftliche Stellung oder auf die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
des Kunden (z. B. Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts,<br />
Beeinträchtigung der persönlichen Unversehrtheit, finanzielle Auswirkungen) zu verstehen.<br />
Auf Behördenseite stehen das gesetzmäßige Verwaltungshandeln (z. B. Verstoß gegen<br />
Gesetze/Vorschriften/Verträge) und ein damit verbundener Imageverlust (z. B.<br />
negative Außenwirkungen) im Vordergrund. Andere Auswirkungen (z. B. Beeinträchtigung<br />
der Aufgabenerfüllung, finanzielle Auswirkungen) sind denkbar. Dabei sind<br />
insbesondere die finanziellen Auswirkungen nicht generell in absoluten Zahlen zu<br />
quantifizieren.<br />
Als Orientierungshilfe werden im Folgenden fünf Schutzbedarfsklassen definiert. Da<br />
der Schutzbedarf meist nicht unmittelbar quantifizierbar ist, beschränkt sich die Definition<br />
auf eine qualitative Aussage:<br />
Schutzbedarfsklasse Ausprägung der Schutzbedarfsklasse<br />
kein Ein besonderer Schutz ist nicht notwendig, da keine Schadensauswirkungen<br />
zu erwarten sind.<br />
niedrig Die Schadensauswirkungen sind eng begrenzt.<br />
mittel Die Schadensauswirkungen sind begrenzt und überschaubar.<br />
hoch Die Schadensauswirkungen können beträchtlich sein.<br />
sehr hoch Die Schadensauswirkungen können ein existenziell bedrohliches,<br />
katastrophales Ausmaß erreichen.<br />
Tabelle 1: Schutzbedarfsklassen<br />
14 Quelle: E-Government-Handbuch: Phasenplan E-Government. Phase 3 “Analyse”<br />
(http://www.bsi.bund.de/fachthem/egov/download/3_Phase3.pdf).<br />
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ANHANG 1 – SCHUTZBEDARFSFESTSTELLUNG<br />
Die Schutzbedarfsklasse für das Verfahren wird anhand der Sicherheitsziele<br />
• Vertraulichkeit,<br />
• Verbindlichkeit (Verbindlichkeit der Kommunikation, Integrität, Authentizität und<br />
Nicht-Abstreitbarkeit der übertragenen Daten, Authentizität der Kommunikationspartner),<br />
• Schriftformerfordernis sowie<br />
• Verfügbarkeit der technischen Systeme auf Behördenseite<br />
festgestellt.<br />
Bei der Feststellung des Schutzbedarfs wird bei der elektronischen Vergabe davon<br />
ausgegangen, dass umfangreiche Informationen im Internet angeboten werden. Darüber<br />
hinaus werden Möglichkeiten zur Kommunikation angeboten, z. B. E-Mail-<br />
Formulare. Der Schutzbedarf für die Abwicklung von Dienstleistungen bzw. Transaktionen<br />
über das Internet ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung.<br />
1. Vertraulichkeit der Kommunikation:<br />
Werden Daten zwischen Kunden und Behörde ausgetauscht, so ist es in vielen Fällen<br />
notwendig, sicherzustellen, dass diese nicht von unberechtigten Dritten mitgelesen<br />
werden; die Vertraulichkeit der übertragenen Daten muss also geschützt werden.<br />
Im herkömmlichen papiergestützten Verfahren wird dies in der Regel durch die Verwendung<br />
von Briefumschlägen sichergestellt.<br />
Einordnung Erläuterung Schutzbedarf<br />
Kein Allgemeine Informationen; konventionelle Übermittlung<br />
durch Veröffentlichung in Broschüren/<br />
Zeitungen/ allgemein zugänglichen<br />
Medien oder Versand per Postkarte.<br />
Niedrig Gering schützenswerte personenbezogene<br />
bzw. vertrauliche Daten; konventionelle Übermittlung<br />
durch Versand per Postkarte oder<br />
Brief.<br />
Mittel Eingeschränkt schützenswerte personenbezogene<br />
bzw. vertrauliche Daten; konventionelle<br />
Übermittlung durch Versand per verschlossenem<br />
Brief.<br />
Hoch Personenbezogene bzw. vertrauliche Daten;<br />
konventionelle Übermittlung durch Versand<br />
per verschlossenem Brief.<br />
Sehr hoch Besonders schützenswerte personenbezogene<br />
bzw. vertrauliche Daten; konventionelle<br />
Übermittlung üblicherweise durch Versand per<br />
Vergabe-Lösung<br />
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ANHANG 1 – SCHUTZBEDARFSFESTSTELLUNG<br />
Postzustellungsurkunde oder persönliche Übergabe.<br />
Tabelle 2: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit<br />
2. Verbindlichkeit der Kommunikation:<br />
Unter dem Sammelbegriff Verbindlichkeit von Daten sind im E-Government Schutzbedarfe<br />
hinsichtlich der Integrität, Authentizität und Nicht-Abstreitbarkeit zu betrachten.<br />
2.1 Integrität der übertragenen Daten:<br />
Werden Daten übertragen, so ist sicherzustellen, dass diese nicht auf dem Übertragungsweg<br />
verändert werden; ihre Integrität bedarf eines mittleren Schutzes.<br />
Einordnung Erläuterung Schutzbedarf<br />
Niedrig Allgemeine Informationen<br />
Mittel Informationen für einen eingeschränkten Benutzerkreis<br />
Hoch Steuererklärung, Steuerbescheid<br />
Sehr hoch Daten, die zu automatischen Handlungen oder zu<br />
Hilfseinsätzen führen<br />
Tabelle 3: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Integrität<br />
2.2 Authentizität und Nicht-Abstreitbarkeit der übertragenen Daten:<br />
Vergabelösung<br />
Es ist ferner zu prüfen, inwieweit es notwendig ist, die übersandten Daten ihrem Absender<br />
zuordnen zu können. Dies betrifft sowohl die Authentizität der kommunizierten<br />
Daten, d. h. die für den Empfänger verlässliche Zuordnung zum vermeintlichen Absender,<br />
als auch die Nicht-Abstreitbarkeit, also die gegenüber Dritten beweisbare<br />
Zuordnung.<br />
Einordnung Erläuterung Schutzbedarf<br />
Kein Der Abruf allgemeiner Informationen<br />
Niedrig Beispiel: Für die Vereinbarung eines persönlichen<br />
Beratungsgesprächs ist das Themengebiet und<br />
ggf. die Telefonnummer des Gesprächspartners<br />
relevant.<br />
Mittel Beispiel: Die Mitteilung über die Änderung der<br />
Bankverbindung, auf die eine monatliche geringe<br />
Förderung überwiesen wird, sollte nur der Förderberechtigte<br />
vornehmen können.<br />
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ANHANG 1 – SCHUTZBEDARFSFESTSTELLUNG<br />
Hoch Beispiel: Die Mitteilung über die Änderung der<br />
Bankverbindung, auf die eine einmalige hohe<br />
Summe überwiesen wird, darf nur der Förderberechtigte<br />
vornehmen können.<br />
Sehr hoch Beispiel: Bei der Aushändigung des Personalausweises<br />
ist persönliches Erscheinen unter Vorlage<br />
eines Dokuments zur Authentisierung erforderlich.<br />
Der Erhalt des Ausweises wird gegengezeichnet<br />
(Nicht-Abstreitbarkeit).<br />
Vergabelösung<br />
Tabelle 4: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Authentizität und Nicht-<br />
Abstreitbarkeit der übertragenen Daten<br />
2.3 Authentizität der Kommunikationspartner:<br />
Die Nutzung von Online-Dienstleistungen setzt oft voraus, dass Behörde und Nutzer<br />
sich „erkennen“ können.<br />
Einordnung Erläuterung Schutzbedarf<br />
Kein Die Kommunikationspartner können ungenannt<br />
bleiben<br />
Niedrig Die Behauptung der Identität reicht aus<br />
Mittel Die Identität der Kommunikationspartner lässt sich<br />
plausibel nachprüfen<br />
Hoch Die Identität der Kommunikationspartner lässt sich<br />
verbindlich nachprüfen<br />
Sehr hoch Bei der Aushändigung eines bestimmten Dokuments<br />
ist persönliches Erscheinen unter Vorlage<br />
eines Dokuments zur Authentisierung erforderlich<br />
(Nicht-Abstreitbarkeit)<br />
Vergabelösung<br />
Tabelle 5: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Authentizität der Kommunikationspartner<br />
3. Schriftformerfordernis:<br />
Im Zuge der Schutzbedarfsfeststellung wird auch erhoben, ob ein Schriftformerfordernis<br />
besteht, da dieses direkten Einfluss auf die einzusetzenden Sicherheitsmechanismen<br />
hat.<br />
Schutzbedarfsaspekt Kommentar<br />
Wird für diesen Kommunikationsschritt die Schriftform gefordert?<br />
Ist diese rechtliche Vorgabe notwendig oder kann das Gesetz/die<br />
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ANHANG 1 – SCHUTZBEDARFSFESTSTELLUNG<br />
Verordnung im Sinne des Bürokratieabbaus oder der Prozessoptimierung<br />
kurzfristig geändert werden?<br />
Gibt es in den zu Grunde liegenden Gesetzen und Verordnungen<br />
eine darüber hinausgehende Anforderung?<br />
Gibt es eine Abschwächung?<br />
Wenn keine Schriftform: Werden in diesem Kommunikationsschritt<br />
im konventionellen Verfahren Unterschriften eingesetzt?<br />
Wenn ja, zu welchem Zweck? Wodurch können sie ersetzt werden?<br />
Tabelle 6: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit<br />
4. Verfügbarkeit der technischen Systeme auf Behördenseite:<br />
Online-Dienstleistungen können nur genutzt werden, wenn die technischen Systeme<br />
auf Behördenseite verfügbar sind. Es ist für jede Dienstleistung zu prüfen, in welcher<br />
Zeit-Größenordnung ein Ausfall der Systeme akzeptabel ist.<br />
Einordnung Erläuterung Schutzbedarf<br />
Niedrig bis<br />
mittel<br />
Eine Ausfallzeit der Online-Dienstleistung von<br />
mehr als 24 Stunden kann toleriert werden.<br />
Hoch Eine Ausfallzeit der Online-Dienstleistung zwischen<br />
einer und 24 Stunden wird als tolerable eingeschätzt.<br />
Sehr hoch Die maximal tolerierbare Ausfallzeit der Online-<br />
Dienstleistung liegt unter einer Stunde.<br />
Tabelle 7: Schutzbedarfsfeststellung für das Sicherheitsziel Vertraulichkeit<br />
Vergabelösung<br />
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ANHANG 2 – KRITERIENKATALOG FÜR<br />
SOFTWARELÖSUNGEN ZUR ELEKTRONISCHEN<br />
VERGABE, STAND APRIL 2003TPF FPT<br />
Anhang 2 – Kriterienkatalog für Softwarelösungen<br />
zur elektronischen Vergabe, Stand April<br />
2003 15<br />
Dieser Kriterienkatalog beschreibt die Anforderungen an ein öffentliches, vergaberechtskonformes,<br />
elektronisches Vergabesystem (Software, Plattform). Unterschieden<br />
wird hierbei nach:<br />
• Muss-Kriterien (Funktionen, die vorhanden sein müssen, um Vergaberechtskonformität<br />
zu erfüllen; im Sinne einer rechtlichen, technischen und funktionalen Mindestanforderung),<br />
• Soll-Kriterien (Funktionen, die vergaberechtlich nicht unbedingt vorhanden sein<br />
müssen, die aber eine wirtschaftliche Vergabe erheblich unterstützen),<br />
• Kann-Kriterien (Funktionen, die die Wirtschaftlichkeit des Prozesses im Sine von<br />
E-Government unterstützen, z. B. Kommunikation zu den Bietern).<br />
• Der Kriterienkatalog wurde von der KGSt und den Firmen Administration Intelligence,<br />
Cosinex, CSC Ploenzke, Healy Hudson, Intersource und subreport gemeinsam<br />
entwickelt (weitere Unternehmen sind am Markt tätig). Er soll für öffentliche<br />
Auftraggeber als Checkliste und Leitfaden für die Bewertung und Auswahl<br />
von E-<strong>Procurement</strong>-Lösungen dienen. Gleichzeitig soll er Anbieter solcher Lösungen<br />
dabei unterstützen, ihre Softwareprodukte und Plattformen vergaberechtskonform<br />
zu gestalten und betreiben.<br />
• An dieser Stelle seien öffentliche Auftraggeber darauf hingewiesen, dass auch im<br />
Rahmen der elektronische Vergabe und Beschaffung jeweils die ausschreibende<br />
Stelle für die Abwicklung des Einkaufsgeschäfts verantwortlich bleibt. Eine sorgfältige<br />
Prüfung der Vergaberechtkonformität der Lösung gehört daher zu den<br />
Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung von E-<strong>Procurement</strong>, wie<br />
es in den Transferkommunen realisiert wird.<br />
1. Veröffentlichung des Bekanntmachungstextes<br />
Muss Eine Vergabeplattform muss in jedem Fall eine Möglichkeit bieten,<br />
die Bekanntmachung von Ausschreibungen bzw. das Bekanntmachungsformular<br />
gem. VOL, VOB und VgV elektronisch<br />
zu veröffentlichen.<br />
15 Auszug aus KGSt-Bericht 4/2003 – Elektronische Vergabe und Beschaffung in Kommunalverwaltungen<br />
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ANHANG 2 – KRITERIENKATALOG FÜR<br />
SOFTWARELÖSUNGEN ZUR ELEKTRONISCHEN<br />
VERGABE, STAND APRIL 2003TPF FPT<br />
2. Erstellung und Übermittlung der Vergabeunterlagen<br />
Muss Eine Softwarelösung zur elektronischen Vergabe muss Funktionen<br />
zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe es der ausschreibenden<br />
Stelle möglich ist, die Vergabeunterlagen vollständig und<br />
zusammenhängend an das Vergabesystem zu übertragen. Wichtig<br />
sind dabei Protokollierungsfunktionen über Zeitpunkt, Unversehrtheit<br />
der Datenpakete und Vollständigkeit der übertragenen<br />
Daten. Dabei muss die Softwarelösung in der Lage sein, die vom<br />
Auftraggeber übermittelten Daten gemäß seiner Standards an<br />
die Bewerber in lesbarer Form zur Verfügung zu stellen.<br />
3. Elektronischer Versand der Vergabeunterlagen<br />
Muss Auf der Basis der mit dem Lösungsanbieter zu vereinbarenden<br />
technischen Verfügbarkeit muss die Softwarelösung gewährleisten,<br />
dass über den gesamten, jeweils von der ausschreibenden<br />
Stelle festgelegten Zeitraum die Vergabeunterlagen bereitgestellt<br />
werden.<br />
Muss Es muss grundsätzlich eine Funktionalität bereitgestellt werden,<br />
die es dem Auftraggeber ermöglicht, den Zugriff des Bewerberkreises<br />
auf die Verdingungsunterlagen zu kontrollieren.<br />
Muss Im Falle einer notwendigen Veränderung der Vergabeunterlagen<br />
muss die Softwarelösung Funktionalitäten bereitstellen, um die<br />
Bewerber und eventuell bereits vorhandene Bieter über die Veränderung<br />
zu informieren und die veränderten Vergabeunterlagen<br />
bereit zu stellen.<br />
4. Rollenkonzept<br />
Muss Die Softwarelösung sollte ein geeignetes Rollen- und Nutzenkonzept<br />
vorsehen, um z. B. sicherstellen zu können, dass eine<br />
Unterscheidung von ausschreibender Person und Submissionsleitung<br />
stattfinden kann.<br />
5. Entgegennahme, Zurückziehen und erneute Entgegennahme elektronischer<br />
Angebote<br />
Muss Eine Vergabeplattform muss über die Funktion verfügen, digitale<br />
Angebote verschlüsselt entgegennehmen und diese bis zu einem<br />
Stichtag unversehrt aufheben.<br />
Es muss für den Bieter möglich sein, ein bereits an die Plattform<br />
versandtes Angebot bis zum Submissionstermin wieder zurück-<br />
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ANHANG 2 – KRITERIENKATALOG FÜR<br />
SOFTWARELÖSUNGEN ZUR ELEKTRONISCHEN<br />
VERGABE, STAND APRIL 2003TPF FPT<br />
zuziehen und ein neues (verändertes) Angebot abzugeben.<br />
6. Unterstützung der Angebotswertung<br />
Soll Zum Teil bieten Softwarelösungen auch eigene Funktionen an,<br />
um die Auftraggeber bei der Prüfung und Wertung der Angebote<br />
zu unterstützen. In jedem Fall muss dabei die Unversehrtheit der<br />
elektronischen Originaldokumente durch die Bewertung gewährleistet<br />
sein. Ebenso sollen konventionell eingereichte Angebote<br />
in der Wertung berücksichtigt werden können. Zusätzlich soll sichergestellt<br />
sein, dass eine Auswertung der Angebote in herkömmlicher<br />
Weise möglich bleibt.<br />
7. Unterstützung der digitalen Kommunikation bis zum Submissionstermin<br />
Kann Neben der Unterstützung in der Angebotsphase kann ein Vergabesystem<br />
auch in den weiteren Prozessschritten die Kommunikation<br />
zwischen den Auftraggebern und den Bietern ermöglichen.<br />
So können beispielsweise Teile der Aufklärungsgespräche<br />
über das Vergabesystem kommuniziert werden.<br />
8. Unterstützung der digitalen Kommunikation am dem Submissionstermin bis<br />
zum Zuschlag<br />
Soll Im Anschluss an den Submissionstermin sollte die Softwarelösung<br />
Funktionalitäten zur Übermittlung der Bieterinformation über<br />
die Nichtberücksichtigung sowie die Zuschlagserteilung bereitstellen.<br />
Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Versendung<br />
einer digitalen Zuschlagserteilung nur mit der qualifizierten<br />
digitalen Signatur rechtskräftig ist.<br />
9. Verschlüsselung<br />
Muss Aus technischer Sicht spielt die Art und Weise der Verschlüsselung<br />
eine entscheidende Rolle. Hierbei ist auf eine angemessen<br />
hohe Verschlüsselung zu achten. Derzeitiger Standard ist hier<br />
1024 Bit Schlüssellänge. Grundsätzlich werden die zwei im Folgenden<br />
beschriebenen Verschlüsselungsmechanismen eingesetzt:<br />
Verschlüsselung der Verbindung/SSL: Zum einen ist eine sichere<br />
Kommunikation zwischen öffentlichem Auftraggeber und<br />
den Bewerbern/Bietern über das Vergabesystem zu ermöglichen.<br />
Dies geschieht in der Regel über eine Verschlüsselung der<br />
Verbindungen zum Vergabesystem. Derzeitiger Standard für si-<br />
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ANHANG 2 – KRITERIENKATALOG FÜR<br />
SOFTWARELÖSUNGEN ZUR ELEKTRONISCHEN<br />
VERGABE, STAND APRIL 2003TPF FPT<br />
chere Kommunikation ist eine Schlüssellänge von 128 Bit.<br />
Verschlüsselung der Daten: Darüber hinaus ist es essentiell,<br />
dass mit geeigneten Verschlüsselungsmechanismen die Vertraulichkeit<br />
der Angebote sichergestellt wird. Dabei können sowohl<br />
software- als auch hardwarebasierte Verschlüsselungsmethoden<br />
angewandt werden. Bei einer softwarebasierten Verschlüsselung<br />
ist darauf zu achten, dass mindestens ein RSA-Algorithmus mit<br />
einer Schlüssellänge von 1024 Bit verwendet wird.<br />
10. 4-Augen-Prinzip bei Angebotsöffnung<br />
Muss Zum Submissionstermin müssen von der Softwarelösung Mechanismen<br />
zur Sicherstellung des 4-Augen-Prinzips bereitgestellt<br />
werden. Dies kann z. B. durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien<br />
und/oder Signaturkarten realisiert werden.<br />
11. Qualifizierte digitale Signatur<br />
Muss Für die vergaberechtskonforme Abwicklung ist zur Abgabe eines<br />
digital übermittelten Angebots und zur Erteilung/Übermittlung eines<br />
digital übermittelten Zuschlags die qualifizierte elektronische<br />
Unterschrift gemäß SigG zwingend erforderlich. Eine Softwarelösung<br />
muss dazu mindestens eine signaturgesetzkonforme qualifizierte<br />
digitale Signatur unterstützen.<br />
12. Dokumentation<br />
Muss Eine wesentliche Anforderung an eine Softwarelösung ist die<br />
Dokumentation der durchgeführten Verfahrensschritte. Es ist unbedingt<br />
erforderlich, die juristisch relevanten Sachverhalte vollständig<br />
und unverfälscht zu dokumentieren und verfügbar zu<br />
machen.<br />
13. Aufbewahrung der eingegangenen Angebote<br />
Muss Die eingegangenen Angebote müssen als Urdokumente dauerhaft<br />
als solche erkennbar und erhalten bleiben und dürfen auf<br />
keine Weise veränderbar sein. Dies bedeutet, dass diese als Originaldatei<br />
mit Hilfe geeigneter Archivierungsmechanismen gespeichert<br />
und aufbewahrt werden müssen.<br />
Tabelle 8: Tabelle zur Auswahl eines Vergabeproduktes (Quelle: KGSt)<br />
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