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Kooperation und Verantwortung in der Gemeindepsychiatrie

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Klaus Dörner<br />

den Augen zu holen haben o<strong>der</strong> wie viel uns noch an <strong>der</strong> schmerzhaften<br />

E<strong>in</strong>sicht fehlt, dass wir Profis zwar unendlich viel können, bloß <strong>in</strong>tegrieren,<br />

die wirkliche Alltagslebensbegleitung, das können wir nicht; das können<br />

nur die übrigen Bürger des jeweiligen Sozialraums. Diese können das aber<br />

von sich aus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht wollen, son<strong>der</strong>n wir Profis haben sie dazu<br />

zu nötigen, durch unseren verantwortlich-riskanten Rückzug als Vorleistung,<br />

<strong>in</strong>dem wir den Betroffenen nicht nur das Recht auf Schutz, son<strong>der</strong>n<br />

auch das »Recht auf Risiko« zubilligen, auch wenn wir dabei – meistens nur<br />

sche<strong>in</strong>bar – unseren Arbeitsplatz gefährden.<br />

O<strong>der</strong> wie wollen wir es rechtfertigen, dass nach 30 Jahren glorreicher<br />

Reformerfolge (mehr für uns o<strong>der</strong> für die an<strong>der</strong>en?) die Zahl <strong>der</strong> Heimplätze<br />

sowohl für die geistig Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten als auch für die chronisch psychisch Kranken,<br />

um die es uns doch bei <strong>der</strong> Reform <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie gehen sollte, kont<strong>in</strong>uierlich<br />

bis heute nicht etwa gesunken ist, son<strong>der</strong>n zugenommen hat?<br />

E<strong>in</strong>e beschämende Bilanz, die zu <strong>der</strong> Frage berechtigt, ob wir immer<br />

noch mehr im Dienst des gesellschaftlichen Paradigmas <strong>der</strong> Trennung von<br />

Starken <strong>und</strong> Schwachen stehen o<strong>der</strong> wie wir von unserem bloß rhetorischen<br />

Lobpreis <strong>der</strong> Mischung <strong>und</strong> Integration <strong>der</strong> Starken <strong>und</strong> Schwachen zum<br />

Handeln kommen können.<br />

Natürlich steht im Zentrum <strong>der</strong> Antwort auf diese Frage das sozialräumliche<br />

Denken, die <strong>in</strong>tegrations-för<strong>der</strong>nde Kultivierung des Sozialraums.<br />

Auch das begann durchaus schon mit dem Anfang <strong>der</strong> Psychiatriereform,<br />

als wir die Institutions- durch die Geme<strong>in</strong>deorientierung ersetzten, weil die<br />

Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Raum für das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>der</strong> psychisch Kranken <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

psychisch Ges<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> sollte. Das war zwar damals denkerisch für uns<br />

schon e<strong>in</strong> großer Schritt. Weil aber niemand so recht wusste, wie man das<br />

<strong>in</strong> die Praxis umsetzen sollte, <strong>in</strong>teressierte man sich kaum für die Größe<br />

<strong>und</strong> für sonstige <strong>in</strong>tegrations-för<strong>der</strong>nde Eigenschaften <strong>der</strong> »Geme<strong>in</strong>de«, <strong>und</strong><br />

ähnlich unverb<strong>in</strong>dlich gehen die meisten heute auch noch mit dem Begriff<br />

»Sozialraum« um.<br />

So naiv (<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wenig <strong>in</strong>tegrationsorientiert) war auch ich lange<br />

Zeit, bis ich <strong>in</strong> Gütersloh mit <strong>der</strong> Integration aller 435 Langzeitpatienten, also<br />

<strong>der</strong> unheilbaren Lebenslänglichen, me<strong>in</strong>e eigenen Erfahrungen machte. Ich<br />

lernte schmerzlich die wichtigste Lektion, dass nur Bürger Bürger alltagstauglich<br />

<strong>in</strong>tegrieren können <strong>und</strong> dass ich als Profi daher <strong>in</strong> den Dienst dieser<br />

Bürger zu treten habe. Das heißt mehr von me<strong>in</strong>er immer zu knappen Zeit<br />

nicht für die psychisch Kranken selbst, auch nicht nur für die Angehörigen,<br />

son<strong>der</strong>n für die sonstigen Bürger zu verausgaben, um sie – meist anfangs<br />

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