Innovationen - car innovation
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INNOVATION – QUO VADIS?<br />
Wie brisant beurteilen Sie den Ingenieur-Mangel?<br />
Der Mangel an qualifizierten Kräften hat weit reichende Folgen.<br />
Schätzungen des VDI zufolge gehen pro unbesetzte Ingenieurstelle<br />
2,3 weitere Arbeitsplätze verloren. Deshalb<br />
müssen wir große Anstrengungen unternehmen, um hier eine<br />
Trendwende zu erreichen. Der prozentuale Anteil der Ingenieurwissenschaften<br />
an den Absolventen in Deutschland<br />
ist seit Mitte der 90er Jahre deutlich gefallen. Kurzfristig werden<br />
wir aber keine Wende erreichen können. Denn die<br />
durchschnittliche Studiendauer beträgt etwa sechs Jahre.<br />
Daraus ergibt sich, dass eine Trendwende, wenn sie denn jetzt<br />
eingeleitet würde, erst in sechs Jahren zu mehr Absolventen<br />
führt. Da die Trendwende aber selbst Zeit benötigt, sprechen<br />
wir über einen Zeitraum von zehn Jahren.<br />
Wo gilt es den Hebel anzusetzen – mittel- und langfristig?<br />
Kurzfristig wirken kann eine Reduzierung der viel zu hohen<br />
Abbrecherquoten; eine Erleichterung von gezielter Zuwanderung<br />
kann ebenfalls kurzfristig zur Verbesserung der Lage beitragen.<br />
Längerfristig muss es uns darum gehen, die Studierendenquote<br />
insgesamt – und dabei insbesondere den Anteil<br />
der Technikwissenschaften – spürbar zu erhöhen. Initiativen<br />
für mehr Begeisterung für Naturwissenschaft und Technik<br />
gibt es schon seit Jahren, ohne dass eine echte Trendwende<br />
erzielt worden wäre. Deshalb haben wir eine Evaluation von<br />
Projekten und Initiativen über die gesamte Bildungskette von<br />
den Schulen bis zu den Hochschulen gestartet, um wirklich<br />
wirksame Maßnahmen zu identifizieren. Das ist derzeit eines<br />
der größten Projekte von Acatech.<br />
Die Themen ,Umwelt’, ,Rohstoffverknappung’ und<br />
,Ressourcenschonung’ werden der deutschen Industrie<br />
noch viel abverlangen. Werden diese Themen Wissenschaften<br />
und Industrie künftig enger zusammen führen<br />
als bisher?<br />
Ich finde es gut, dass Sie in der Frage selbst den Zusammenhang<br />
von Innovation und Umweltschutz herstellen. Denn gerade<br />
wenn man den Klimaschutz ernst nimmt, darf das Innovationsthema<br />
nicht vernachlässigt werden. Die Herausforderung ist mit<br />
einem Dreieck vergleichbar: Auf der einen Seite die Notwendigkeit,<br />
die menschliche Umwelt, das Klima und die natürlichen<br />
Ressourcen so zu behandeln, dass die Grundlagen menschlichen<br />
Lebens nicht unwiderruflich vernichtet werden. Auf der anderen<br />
Seite die Herausforderung, individuelle wie kollektive<br />
menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei geht es nicht nur<br />
um den Konsum, sondern auch darum, eine Aufgabe zu haben,<br />
zum Beispiel eine Arbeit, in die man seine Kompetenz einbringt.<br />
Und die dritte Seite?<br />
Die dritte Seite schließlich ist durch die Notwendigkeit definiert,<br />
wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen, das in einer<br />
Industriegesellschaft alleine nachhaltigen Wohlstand und soziale<br />
Sicherheit ermöglicht. Dabei geht es um eine Balance,<br />
8 Car Innovation · Mai 2008<br />
„Wir wollen der Gesellschaft<br />
Mut machen, mehr auf<br />
eigene Stärken zu vertrauen.“<br />
Prof. Dr. Joachim Milberg,<br />
Präsident, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften<br />
die alle Notwendigkeiten optimal austariert. Das wird nur<br />
durch Anwendung der neuesten Technologien möglich sein.<br />
Es geht darum, den Klimawandel auch als wirtschaftliche<br />
und technologische Chance zu begreifen. Wenn wir unseren<br />
Lebensstandard halten wollen und den aufstrebenden Ländern<br />
ebenfalls den Weg zu mehr Wohlstand durch Entwicklung<br />
zugestehen, müssen wir eine Herangehensweise entwickeln,<br />
die die unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigt.<br />
<strong>Innovationen</strong> sind dabei der wichtigste Schlüssel.<br />
Wo sehen Sie zukunftsweisende Ansätze, wo Technikwissenschaften<br />
und Wirtschaft bereits erfolgreich und<br />
zukunftsweisend zusammen arbeiten?<br />
Innovation ist für mich eine Invention, die sich erfolgreich am<br />
Markt durchgesetzt hat. Um dauerhaft <strong>Innovationen</strong> vorbringen<br />
zu können, ist daher eine gute Vernetzung von Wissenschaft<br />
und Wirtschaft erforderlich. Beide Seiten hängen elementar<br />
voneinander ab: Die Wissenschaft braucht Geld, um<br />
neues Wissen schaffen zu können; der Markt wendet das Wissen<br />
an, um Kapital zu generieren. Etwas verkürzt lässt sich also<br />
sagen, dass Gewinne auf der Marktseite die Grundlagen<br />
schaffen für Investitionen in Wissenschaft und Forschung.<br />
Sie sprechen sich dafür aus, die „Versäulung“ der Wissenschaftslandschaft<br />
aufzuweichen und neue vernetzte<br />
Strukturen zu schaffen. Was wünschen Sie sich als<br />
Ergebnis?<br />
Vernetzte Lebensläufe, also mehr Biographien mit Seitenwechseln<br />
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, daran<br />
könnte man ein Ergebnis vielleicht festmachen.<br />
Noch nehmen sich Wirtschaft und Wissenschaft<br />
häufig als getrennte und teilweise fremde Systeme<br />
wahr. Ein idealer Weg, Vorbehalte abzubauen und<br />
dabei auch einen Wissenstransfer zu erreichen, ist<br />
der Seitenwechsel. Denn Technologietransfer und<br />
Verständnis für die andere Seite vermittelt sich am<br />
besten über Köpfe. Ergebnis der Vernetzung der<br />
Lehre können beispielsweise die Betreuung von<br />
Abschlussarbeiten, Lehraufträge und duale Studiengänge<br />
wie auch Industriestipendien sein. Diese Formen<br />
der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen<br />
sind leider noch längst nicht so verbreitet, wie es wünschenswert<br />
wäre, das hat im Vorjahr eine Studie des Stifterverbandes<br />
für die Deutsche Wissenschaft sehr deutlich gezeigt.<br />
Deutsche Wissenschaftsvertreter kritisieren vielfach,<br />
dass die deutsche Industrie zu wenig ihre technologische<br />
Fachkompetenz anerkenne und statt dessen wissenschaftlichen<br />
Know-how-Import vor allem aus dem<br />
englischsprachigen Raum betreibe. Ein berechtigter<br />
Vorwurf?<br />
Ich glaube, dass diese Feststellung so nicht zutrifft. Forschung<br />
war allerdings schon immer weltumspannend und weltoffen.<br />
International tätige Unternehmen knüpfen deshalb dort Kontakte,<br />
wo sie aus fachlicher, lokaler oder auch aus menschlicher<br />
Erwägung glauben, mit den besten Ideen und Konzepten<br />
unterstützt zu werden. Das gilt übrigens für alle Richtungen.<br />
Daraus ergibt sich allerdings die Herausforderung, das<br />
deutsche Wissenschafts- und Forschungssystem so zu entwickeln,<br />
dass es dem Wettbewerb mit den Besten auch standhält.<br />
Das Interview führte Tina Rumpelt �