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Gerontopsychiatrisch veränderte Menschen im Krankenhaus ...

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<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>: Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Dokumentation der Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur<br />

„Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger“<br />

am 12. Oktober 2005<br />

Internationales Jugendforum Bonn, Gästehaus <strong>im</strong> CJD<br />

Saarbrücken, Dezember 2005


© by Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso), Saarbrücken 2005<br />

Trillerweg 68, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681-9 54 24-0/Fax: 0681-9 54 24-27<br />

E-Mail: kontakt@iso-institut.de; Internet: www.iso-institut.de<br />

Veröffentlichung <strong>im</strong> Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit<br />

Redaktionelle Verantwortung: ℡<br />

Sabine Kirchen-Peters 0681-95424-25<br />

ISBN 3-935084-20-X


Inhalt<br />

1. Begrüßung<br />

RegDir Robert Schüßler, Bundesministerium für 7<br />

Gesundheit und Soziale Sicherung<br />

Dr. Daniel Bieber, Institut für Sozialforschung 10<br />

und Sozialwirtschaft e.V. (iso), Saarbrücken<br />

2. Vorträge und Präsentationen 13<br />

Moderation: Dr. Manfred Geiger, Institut für Sozialforschung<br />

und Sozialwirtschaft e.V. (iso), Saarbrücken<br />

2.1 Irene Fuhrmann, Deutsche Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft, Berlin 13<br />

Der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt gerontopsychiatrisch erkrankter<br />

<strong>Menschen</strong>: Erfahrungen der pflegenden Angehörigen<br />

2.2 Sabine Kirchen-Peters, Institut für Sozialforschung 22<br />

und Sozialwirtschaft e.V. (iso), Saarbrücken<br />

Ergebnisse des Modellprojektes „<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er<br />

Konsiliar- und Liaisondienst“ Kaufbeuren<br />

2.3 Dr. med. Klaus Nißle; Andreas Eichhorn, Modellprojekt 39<br />

Kaufbeuren<br />

Die Bedeutung frühzeitiger Diagnostik und Behandlung<br />

2.4 Maria Mahlberg; Irmgard Ernszt, Modellprojekt Kaufbeuren 55<br />

Die Rolle der gerontopsychiatrischen Pflege und der Ergotherapie<br />

2.5 Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher, Ev. <strong>Krankenhaus</strong> Königin 71<br />

Elisabeth Herzberge, Berlin<br />

Konsiliar- und Liaisondienste. Erfahrungen und Perspektiven<br />

3. Podiumsdiskussion: Neue Wege bei der Versorgung 89<br />

älterer Patient/innen <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />

4. Schlusswort 104<br />

Sabine Kirchen-Peters, Institut für Sozialforschung und<br />

Sozialwirtschaft e.V. (iso), Saarbrücken<br />

5. Anhang (Tagungsmappe) 105<br />

5


1. Begrüßung<br />

RegDir Robert Schüßler, Bundesministerium für Gesundheit<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Bieber, meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />

ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Tagung <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Modellprogramms zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger, die<br />

das BMG gemeinsam mit dem Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft<br />

durchführt.<br />

Erlauben Sie mir zunächst ein allgemeines Wort zum Stand des Modellprogramms.<br />

Bereits <strong>im</strong> letzten Jahr ist die Entscheidung gefallen, die Pflegemodelle<br />

nicht mehr <strong>im</strong> bisherigen Umfang weiter zu führen. Ursache hierfür<br />

war in erster Linie, dass innerhalb eines Zeitraums von mehr als drei Legislaturperioden<br />

bereits mehrere hundert Modellprojekte gefördert worden sind.<br />

Vieles Modellhafte konnte mittlerweile hinreichend erprobt und auch in die<br />

Regelversorgung der Pflegeversicherten übernommen werden. Zahlreiche<br />

geförderte Projekte haben nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der<br />

Pflegepraxis, sondern auch zu einer Ausweitung und Vertiefung der pflegewissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse geführt. Mittlerweile interessiert sich auch<br />

das Ausland für das eine oder andere Pflegemodell.<br />

Es wäre wünschenswert, auch in den nächsten Jahren gemeinsam mit dem<br />

iso-Institut jährlich eine Art „Workshop“ zu einem speziellen Modellthema<br />

durchzuführen. Hierfür könnte die heutige eintägige Veranstaltung ein Modell<br />

sein. Wenn ich richtig gezählt habe, ist dies heute die 15. Fachtagung,<br />

die das Ministerium gemeinsam mit dem iso-Institut durchführt. Es ist<br />

zugleich die achte Tagung hier in Bonn und außerdem die vierte Veranstaltung,<br />

die sich schwerpunktmäßig mit Fragen der dementiell und gerontopsychiatrisch<br />

<strong>veränderte</strong>n <strong>Menschen</strong> befasst.<br />

Die Bundesregierung hat bereits <strong>im</strong> letzten Pflegebericht darauf hingewiesen,<br />

dass rund ein Drittel der <strong>im</strong> Rahmen des Modellprogramms geförderten<br />

Vorhaben dem Thema „Demenz“ zugeordnet werden kann. Schon von daher<br />

ist es gerechtfertigt, dass derzeit der Schwerpunkt der Tagungen auf<br />

dem Thema Demenz liegt. Dementsprechend haben wir zusammen mit dem<br />

iso-Institut erst jüngst zwei Veranstaltungen zu diesem Thema in Berlin<br />

durchgeführt.<br />

7


Bei der ersten Tagung <strong>im</strong> Herbst 2004, die sich bereits mit neuen Wegen bei<br />

der Versorgung der dementiell und gerontopsychiatrisch <strong>veränderte</strong>n <strong>Menschen</strong><br />

befasst hat, stand die stationäre Versorgung <strong>im</strong> Vordergrund. Schon<br />

dort war der gerontopsychiatrische Konsiliar- und Liaisondienst ein wichtiges<br />

Thema. Die zweite Berliner Tagung <strong>im</strong> Frühjahr 2005 hat sich dann auf die<br />

ambulante Versorgung der Demenzkranken konzentriert.<br />

Nach dieser breiten Aufarbeitung verschiedener Demenz-Themen werden<br />

wir uns heute noch einmal schwerpunktmäßig mit der Versorgung gerontopsychiatrisch<br />

<strong>veränderte</strong>r <strong>Menschen</strong> und insbesondere mit dem in Kaufbeuren<br />

erprobten Modell befassen.<br />

Dies ist <strong>im</strong> Übrigen heute nicht die einzige Tagung zum Thema Pflege. Ich<br />

erwähne nur die parallel stattfindende „5. Konsensus-Konferenz in der Pflege“<br />

zum Expertenstandard „Kontinenzförderung“.<br />

Frau Lutter, die <strong>im</strong> Übrigen bereits in wenigen Wochen in den wohlverdienten<br />

Ruhestand gehen wird, n<strong>im</strong>mt heute an einer anderen Veranstaltung<br />

zum Thema „Pflege“ teil. Wir müssen deshalb leider auf ihre Anwesenheit<br />

verzichten.<br />

Es freut mich, dass unsere Tagung trotz der weiteren Veranstaltungen ein<br />

nicht unerhebliches Interesse findet. Bei einem derart speziellen Thema<br />

kann man sicherlich nicht mit einer allzu großen Zahl von Teilnehmern rechnen.<br />

Der etwas kleinere Rahmen dieser Tagung hat aber durchaus auch<br />

Vorteile, denn er wird sicherlich einer relativ hohen Zahl von Personen die<br />

Möglichkeit zu einer intensiven Beteiligung an der anschließenden Diskussion<br />

geben. Das ist auch gut so, denn es handelt sich hier um ein Thema,<br />

dem bisher in der Praxis nicht <strong>im</strong>mer die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet<br />

wurde.<br />

Der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt älterer psychisch kranker <strong>Menschen</strong> kann Folgen<br />

haben, die über den eigentlichen Krankheitsverlauf hinausgehen. So<br />

kommt es <strong>im</strong> Anschluss an somatisch bedingte <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalte<br />

älterer <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong>mer wieder zu an sich vermeidbaren He<strong>im</strong>unterbringungen<br />

oder zu Einweisungen in psychiatrische Fachkliniken. Diese Gefahr<br />

kann sich insbesondere dann realisieren, wenn <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> psychische<br />

Störungen von <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> fortgeschrittenen Alter nicht ausreichend beachtet<br />

werden. Die vermeidbaren vollstationären Anschlussaufenthalte<br />

8


schlagen sich in den Ausgabenstatistiken der Sozialversicherungsträger<br />

nieder. Ein Teil dieser Kosten wäre durchaus vermeidbar.<br />

Die heutige Veranstaltung soll ihren Beitrag dazu leisten, derartige Kosteneinsparpotentiale<br />

insbesondere für die Pflegeversicherung zu identifizieren.<br />

In erster Linie haben wir aber Vorsorge zu treffen, damit unvermeidbare<br />

<strong>Krankenhaus</strong>aufenthalte älterer <strong>Menschen</strong> nicht zu einem traumatischen<br />

Ereignis mit allen hieraus resultierenden negativen Folgen werden. Es muss<br />

unser Ziel sein, den psychisch beeinträchtigten älteren <strong>Menschen</strong> durch eine<br />

intensive medizinische und pflegerische Begleitung zu einem Mehr an Lebensqualität<br />

zu verhelfen.<br />

Der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt älterer psychisch <strong>veränderte</strong>r <strong>Menschen</strong> muss<br />

nicht zwingend zu einem Krisenerlebnis führen. Durch eine frühzeitige Diagnose<br />

und Therapie der psychischen Beeinträchtigungen kann der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt<br />

auch eine Hilfe zur Verbesserung der individuellen Lebensperspektive<br />

darstellen.<br />

Für die anschließende Podiumsdiskussion möchte ich ergänzend zur Einladung<br />

noch einen weiteren Diskutanten ankündigen.<br />

Herr RD Wobbe wird das Ministerium auf dem Podium vertreten. Er hat das<br />

Modell hervorragend betreut und will es sich daher nicht nehmen lassen,<br />

uns an seinen Erfahrungen mit diesem Projekt zu beteiligen.<br />

Jetzt bleibt mir nur noch, der Veranstaltung ein gutes Gelingen zu wünschen.<br />

Ich freue mich auf die angekündigten Vorträge. Der Geschäftsführer<br />

des iso-Instituts, Herr Dr. Bieber, an den ich nunmehr das Wort weitergebe,<br />

wird Ihnen sicherlich noch ein paar wichtige Hinweise zu den einzelnen Referaten<br />

geben.<br />

9


Dr. Daniel Bieber, Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V., (iso),<br />

Saarbrücken<br />

Sehr geehrter Herr Schüßler, sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich begrüße Sie ebenfalls sehr herzlich zu dieser 15. Fachtagung. Zunächst<br />

möchte ich ganz kurz ein paar Worte zum iso-Institut sagen, das diese Veranstaltung<br />

mit dem Ministerium geplant und organisiert hat. Das iso-Institut<br />

ist das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken, es<br />

besteht seit mehr als 35 Jahren. Wir arbeiten auf dem Gebiet der empirischen<br />

Sozialforschung - ohne jede Grundfinanzierung - und beschäftigen<br />

derzeit ungefähr zwanzig wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Wir sind in zwei größeren Forschungssträngen tätig. Der eine Strang beschäftigt<br />

sich mit Innovationen <strong>im</strong> Arbeitsleben und der andere Strang beschäftigt<br />

sich mit Innovationen in der Pflege. In diesem Bereich ist diese<br />

Tagung verankert.<br />

Ich will auf drei Aspekte kurz eingehen. Zum ersten - zum Thema der Veranstaltung<br />

- möchte ich mich kurz fassen, da Herr Schüßler hierzu die wesentlichen<br />

Dinge bereits erläutert hat. Dann werde ich auf zukünftige Tagungen<br />

eingehen, die wir planen und Ihnen schließlich einen knappen Überblick<br />

über das heutige Programm geben.<br />

Nachdem wir uns bei den letzten beiden Tagungen in Berlin mit dem Thema<br />

„<strong>Menschen</strong> mit Demenz“ beschäftigt haben, geht es nun heute wieder um<br />

gerontopsychiatrisch Erkrankte. Sie sollen <strong>im</strong> Mittelpunkt der Debatte stehen.<br />

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: warum ist der <strong>Krankenhaus</strong>bereich<br />

<strong>im</strong> Rahmen eines Modellprogramms Thema, das sich <strong>im</strong><br />

Wesentlichen mit Pflegeeinrichtungen beschäftigt? Dafür gibt es zwei Gründe.<br />

Der eine Grund ist, dass viele Aufenthalte in Krankenhäusern krisenhaft<br />

erlebt werden und diese Krisensituationen dazu führen, dass <strong>im</strong> Nachgang<br />

mit den Patienten wieder viel aufgearbeitet werden muss, sei es von pflegenden<br />

Angehörigen oder von Pflegeeinrichtungen. Insofern kann das, was<br />

<strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> an Innovationen entsteht, durchaus als eine Art Prävention<br />

betrachtet werden. Das zweite ist, dass, wenn man <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> frühzeitig<br />

interveniert - und wir werden heute hören, wie das <strong>im</strong> Einzelnen passiert -<br />

dies dazu beitragen kann, unnötige He<strong>im</strong>einweisungen zu vermeiden und<br />

die Rolle der häuslichen Versorgung zu stärken. Dies setzt aber voraus,<br />

10


dass man gleichsam funktionsübergreifend zusammenarbeitet und Netzwerke<br />

bildet. Dadurch wird den Patienten geholfen, aber es spart perspektivisch<br />

auch Geld, und das ist nicht ganz unwichtig angesichts der leeren Sozialkassen.<br />

Der nächste Aspekt, auf den ich kurz eingehen will, bezieht sich auf die zukünftige<br />

Tagungsstruktur. Wir werden keine mehrtägige Veranstaltungen<br />

mehr durchführen, wie es vorher üblich war, sondern uns auf jeweils einen<br />

Tag beschränken, an dem wir uns mit einem spezifischen Thema beschäftigen<br />

und dieses etwas intensiver durchdringen wollen. Die Veranstaltungen<br />

sollen stärker als Workshops organisiert werden, bei denen die Teilnehmerzahlen<br />

vielleicht nicht ganz so hoch sind, wo aber die Diskussion etwas intensiver<br />

sein kann, als das bei großen Veranstaltungen der Fall ist. Wir werden<br />

auch heute versuchen, der Diskussion trotz des engen Programms ausreichend<br />

Raum zu geben, damit Sie als Experten Ihre Beiträge einbringen<br />

können.<br />

Wie wollen wir heute vorgehen? Wir werden beginnen mit einer Bestandsaufnahme<br />

aus Sicht der pflegenden Angehörigen. Das ist ganz wichtig.<br />

Diese Bestandsaufnahme wird Frau Fuhrmann von der Deutschen Alzhe<strong>im</strong>er<br />

Gesellschaft vornehmen. Sie wird uns berichten, welche Probleme<br />

ihr und ihrer Institution von den Angehörigen geschildert werden. Die Deutsche<br />

Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit<br />

dem Thema <strong>Krankenhaus</strong>versorgung von Alzhe<strong>im</strong>erpatient/innen und arbeitet<br />

gerade an einer Handlungsempfehlung, an einer Checkliste für Angehörige.<br />

Danach werden wir uns intensiver mit dem Projekt „<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er<br />

Konsiliar- und Liaisondienst“ Kaufbeuren beschäftigen, das vom BMG <strong>im</strong><br />

Rahmen des Modellprogramms gefördert wurde. Frau Kirchen-Peters vom<br />

iso-Institut wird zunächst die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung<br />

vorstellen. Dann werden wir Vertreter/innen verschiedener Berufsgruppen<br />

hören, die <strong>im</strong> Rahmen des Projekts mitgewirkt haben: Ärzte, Pflegekräfte<br />

und Ergotherapeuten.<br />

Wir beginnen diesen Block mit Herrn Dr. Nißle, Chefarzt der Gerontopsychiatrie<br />

und Herrn Eichhorn, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sodann<br />

kommt Frau Mahlberg, Fachschwester für Psychiatrie. Frau Freiberg,<br />

die Ergotherapeutin, ist leider erkrankt, wird aber dankenswerterweise von<br />

Frau Ernszt fachkundig vertreten.<br />

11


Im Anschluss daran hören wir Herrn Prof. Dr. Diefenbacher, der über nationale<br />

und internationale Erfahrungen mit gerontopsychiatrisch erkrankten<br />

Patienten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus berichtet, das heißt, wir entwickeln eine<br />

Perspektive über Deutschland hinaus und schauen, was wir von anderen<br />

lernen können. Mit all diesen Beiträgen ist - so denken wir - der Boden für<br />

die Podiumsdiskussion am Ende bereitet, in der es darum geht, aus verschiedenen<br />

Perspektiven unterschiedliche und neue Wege bei der <strong>Krankenhaus</strong>versorgung<br />

älterer Patienten zu beleuchten. Hier werden dann auch<br />

Vertreter der Kostenträger und des Ministeriums sowie weitere Experten aus<br />

den Kliniken vertreten sein. Die Podiumsdiskussion wird von Herrn Panzer<br />

vom ZDF moderiert, der auch eigene familiäre Erfahrungen mit einbringen<br />

kann.<br />

Wir verbinden mit dieser Tagung die Hoffnung, dass wir am Ende etwas<br />

weiter sind <strong>im</strong> Austausch über neue Ideen, wie man mit älteren Patienten<br />

zukünftig besser umgehen und wie man sie besser versorgen kann. Es geht<br />

hier nicht um eine wissenschaftliche Veranstaltung <strong>im</strong> engeren Sinne, sondern<br />

es geht darum, Ansatzpunkte zu sammeln, wie die Erkenntnisse, die in<br />

Kaufbeuren gesammelt werden konnten, bundesweit umgesetzt werden<br />

könnten.<br />

Ich möchte Sie zum Schluss bitten, sich wo <strong>im</strong>mer möglich einzubringen.<br />

Wenn die Diskussion hier zu knapp gerät, gibt es auch Pausen, in denen Sie<br />

mit den Referenten oder mit anderen den Austausch suchen können. Wenn<br />

Sie sich bekannt machen wollen mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen<br />

Begleitung zu diesem und zu anderen Themen, verweise ich auf einen<br />

Büchertisch, an dem Sie sich bedienen können. Vielen Dank!<br />

12


2. Vorträge und Präsentationen<br />

2.1 Irene Fuhrmann, Deutsche Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft, Berlin<br />

Der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt gerontopsychiatrisch erkrankter<br />

<strong>Menschen</strong>: Erfahrungen der pflegenden Angehörigen<br />

Meine Erfahrungen als pflegende Angehörige basieren auf der über 17 Jahre<br />

andauernden Erkrankung meiner Mutter an einer senilen Demenz vom<br />

Alzhe<strong>im</strong>er-Typ. Sie starb <strong>im</strong> Jahre 2002. Ich war zehn Jahre Ansprechpartnerin<br />

in einer Selbsthilfegruppe und bin Gründungsmitglied der Alzhe<strong>im</strong>er<br />

Gesellschaft Berlin und des Bundesverbandes der Deutschen Alzhe<strong>im</strong>er<br />

Gesellschaft. Im Bundesverband bin ich ehrenamtlich als Vorstandsmitglied<br />

tätig.<br />

So sind es nicht nur eigene Erfahrungen mit meiner kranken Mutter, sondern<br />

auch Beobachtungen und Berichte von anderen Angehörigen, die mich heute<br />

zu Ihnen sprechen lassen.<br />

Ich habe keine Studien vorzustellen, keine wissenschaftlich geführten Protokolle,<br />

keine Tabellen, Diagramme oder ähnliches, sondern ich berichte von<br />

dem, was ich gesehen, gehört, erlebt habe, wenn <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> fortgeschrittenen<br />

Alter <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> sind.<br />

Bei der Themenstellung kam mir sofort die Frage: Ist ein <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt<br />

für ältere <strong>Menschen</strong> nicht sehr häufig <strong>im</strong> weitesten Sinne eine Art<br />

Krisenerlebnis?<br />

Eine akute Erkrankung soll stationär behandelt und möglichst geheilt werden.<br />

In den meisten Fällen hat ein älterer oder alter Mensch jedoch nicht nur<br />

diese eine akute Krankheit, sondern er leidet an diversen körperlichen<br />

Gebrechen. Außerdem fühlt er sich oft gänzlich überfordert <strong>im</strong> Wirrwarr der<br />

Administration und der technischen Anforderungen. Nicht jeder freundlicherweise<br />

mit Senior bezeichnete alte Mensch ist nämlich Teilnehmer an<br />

Schulungen über moderne Formen der Information und Kommunikation<br />

gewesen, so wie es uns in den Medien <strong>im</strong>mer wieder suggeriert wird.<br />

Wer zum Beispiel <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> an seinem Bett durch ein Telefon mit der<br />

Außenwelt verbunden sein möchte, muss schon einige Hürden überwinden:<br />

13


Eine aufladbare Karte muss aus einem Automaten gezogen werden, sie<br />

muss in dem Telefonapparat installiert werden, und die Gebrauchsanweisung<br />

muss gelesen und verstanden werden, sonst geht es so, wie bei einer<br />

alten Dame, die sich wütend einen Techniker kommen ließ, da der Telefonapparat<br />

auf ihrem Nachttisch gestört sei, sie bekäme keinen Anschluss nach<br />

draußen, sie könnte nur angerufen werden. Des Rätsels Lösung bestand<br />

darin, dass sie keine „0“ vorgewählt hatte, um eine Amtsleitung zu bekommen.<br />

Sie hatte das in der Anleitung nicht erkennen können.<br />

Zum Teil ist es ein Abenteuer, in einem <strong>Krankenhaus</strong> von einer Station zu<br />

den einzelnen Untersuchungsebenen zu gelangen und wieder zurückzufinden,<br />

auch wenn das vielleicht für die dort tätigen Fachkräfte nicht vorstellbar<br />

ist.<br />

Ich war neulich mit meinem Mann zu einer ambulanten Untersuchung in<br />

einem <strong>Krankenhaus</strong> in Karlsruhe. Nach der Untersuchung (unter Verwendung<br />

eines Computertomographen) wollten wir das Sprechz<strong>im</strong>mer eines<br />

Arztes aufsuchen. Farbige Linien auf dem Fußboden sollten als Wegweiser<br />

dienen. Wie in einem Labyrinth suchten wir den entsprechenden Weg. Von<br />

fünf befragten Ärzten glaubte nur einer, uns die Richtung weisen zu können<br />

- sein Glaube war stärker als sein Wissen. Da ich heute vor Ihnen stehe,<br />

sehen Sie, dass wir doch noch selbst fündig geworden sind.<br />

Eine ganz bittere Erfahrung hatte ich mit einer engen Freundin meiner Mutter.<br />

Sie war eine sehr gebildete und intelligente alte Dame, die an Osteoporose<br />

litt. Sie lief gebeugt und mühsam mit Gehhilfen, so dass sie mit über 90<br />

Jahren äußerlich das Bild eines alten Weibleins darstellte. Außerdem war<br />

sie wegen ihrer zunehmenden Schwerhörigkeit darauf angewiesen, dass<br />

man laut und deutlich mit ihr sprach. Als sie wegen einiger Probleme des<br />

Verdauungstraktes ins <strong>Krankenhaus</strong> kam, wusste sie nicht, warum man bei<br />

ihr eine Magensonde legen wollte. Sie hatte die Erklärungen einfach akustisch<br />

nicht verstanden. Auf ihre Nachfragen sah man mitleidig auf sie herab<br />

und stufte sie als leicht dement ein, und somit hielt es schon niemand mehr<br />

für nötig, sich noch mit der Aufklärung über eine Behandlung abzugeben.<br />

Man redete über ihren Kopf hinweg, als sei sie ein Gegenstand. So erfuhr<br />

sie auch nichts über die Risiken eines solchen Eingriffs.<br />

Diese alte Dame ergab sich quasi in ihr Schicksal, sie hörte auf zu fragen,<br />

die Sonde wurde gelegt, einige Tage später wegen Komplikationen wieder<br />

14


entfernt, und nach einigen weiteren Tagen verstarb die Freundin meiner<br />

Mutter.<br />

In einer Zeit, in der in der Bevölkerung <strong>im</strong>mer mehr Hochaltrige leben, nehmen<br />

auch die psychischen Erkrankungen <strong>im</strong> Alter zu. Hierbei zu beachten,<br />

inwieweit eine somatische Erkrankung in Wechselwirkung mit einer psychischen<br />

Erkrankung steht, wäre als eine Chance <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> zu benennen,<br />

die jedoch kaum genutzt wird.<br />

Ich habe mit vielen alten <strong>Menschen</strong> Kontakt gehabt, die erste Anzeichen<br />

einer möglichen psychischen oder dementiellen Erkrankung zeigten. In den<br />

seltenen Fällen, in denen bei einem <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt darauf geachtet<br />

wurde, waren oft Gründe dafür verantwortlich, die man problemlos abstellen<br />

konnte: einseitige Ernährung, viel zu wenig Flüssigkeit tagsüber, Vitaminmangel,<br />

Eisenmangel und ähnliches.<br />

Ebenso oft ist die Einsamkeit bei alten <strong>Menschen</strong>, die allein zu Hause leben<br />

und zum Teil unbewusst unter fehlenden Kontakten leiden, die Ursache,<br />

dass depressive Verhaltensweisen auftreten. Es wäre sicher nach der medizinischen<br />

Abklärung Aufgabe des Sozialdienstes, für die Zeit nach dem<br />

<strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt für begleitende Lebensumstände zu sorgen.<br />

Mindestens genau so wichtig wäre es, nach einer Diagnose „Demenz“ möglichst<br />

mit den Angehörigen nach Lösungen zu suchen, wie das Leben nach<br />

der Entlassung aus dem Akutkrankenhaus weiterhin gestaltet werden kann.<br />

Von einer Chance für Demenzkranke <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> zu sprechen, erscheint<br />

mir allerdings realitätsfern zu sein, ein Krisenerlebnis ist eigentlich<br />

vorprogrammiert.<br />

Meine Mutter lebte 1990 auf der geschlossenen Station einer psychiatrischen<br />

Klinik, war trotz der fortgeschrittenen Alzhe<strong>im</strong>er-Krankheit körperlich<br />

noch sehr agil. Nach einem Sturz kam meine Mutter mit einer Kopfplatzwunde<br />

aus dieser Klinik in ein Allgemeinkrankenhaus. Die Wunde am Kopf<br />

musste genäht werden, und anscheinend ließ meine Mutter diese medizinische<br />

Versorgung problemlos über sich ergehen. Das war ein untrügliches<br />

Indiz, dass man sie nett und freundlich behandelt hatte. Dass man sie jedoch<br />

nach dem Eingriff - auf einer fahrbaren Trage liegend - vor den OP<br />

schob und sie allein ließ, zeigte mir das fehlende Wissen des ärztlichen und<br />

pflegerischen Personals, das Verhalten einer Demenzkranken richtig einschätzen<br />

zu können.<br />

15


Die Erklärung, dass sie ruhig liegen bleiben sollte, bis sie abgeholt würde,<br />

hat meine Mutter sicher mit einem Lächeln und einem „Ja“ beantwortet, ohne<br />

sich über die Bedeutung <strong>im</strong> Klaren zu sein. Aber als sie allein war, versuchte<br />

sie nach kurzer Zeit, sich zu erheben und von der Trage zu klettern;<br />

ich kam gerade noch rechtzeitig, um sie vor einem erneuten Sturz zu bewahren<br />

oder vor dem Herauslaufen aus dem <strong>Krankenhaus</strong> in das umgebende<br />

große Waldgebiet hinein.<br />

Wenn in einem <strong>Krankenhaus</strong> gerontopsychiatrisch <strong>veränderte</strong>n <strong>Menschen</strong><br />

eine Chance gegeben werden soll, wenn versucht werden soll, für diese<br />

Kranken ein Krisenerlebnis zu vermeiden, dann genügt es nicht, dem Pflegepersonal<br />

best<strong>im</strong>mte Verhaltensregeln zu geben, die sie stereotyp befolgen.<br />

So legte man meine Mutter nach einem akuten Herzanfall aufgrund ihrer<br />

fortgeschrittenen Demenz mit zwei anderen alten kranken Frauen in ein<br />

Vierbettz<strong>im</strong>mer zusammen. Ich hatte einen guten Kontakt zum Pflegepersonal<br />

und somit keinerlei Schwierigkeiten, den Tag über bei meiner Mutter zu<br />

verbringen. Das ist nicht selbstverständlich, sondern zum Teil sogar unerwünscht.<br />

Angehörigen wird als Begründung gesagt, dass sie die Kranken<br />

durch ihre Anwesenheit beunruhigen würden, dass sie störend für den Ablauf<br />

des <strong>Krankenhaus</strong>alltags wirkten, andere Patienten sähen darin eine<br />

Belästigung und fühlten sich in ihrem Ruhebedürfnis gestört. Auf dieser Station<br />

konnte ich aber auch als Laie bei kleinen Verrichtungen helfen und die<br />

Schwerkranke beobachten, um bei Bedarf Hilfe zu holen. Für meine Mutter<br />

waren es opt<strong>im</strong>ale Bedingungen, da sie trotz ihrer Erkrankung meine Nähe<br />

erkannte und beruhigt war.<br />

Die zweite Frau <strong>im</strong> Nachbarbett verschlief fast den ganzen Tag. Sie äußerte<br />

keinerlei Anzeichen von Schmerzen, ich konnte sie mit beobachten und<br />

notfalls Hilfe holen. Die dritte Frau war noch in der Lage zu sprechen, aber<br />

sie war nicht in der Lage, irgendwelche Erklärungen zu verstehen. Sie begriff<br />

kaum, dass sie in einem <strong>Krankenhaus</strong> war und <strong>im</strong> Bett liegen sollte. Da<br />

sie ständig meinte, auf die Toilette gehen zu müssen, klingelte sie häufig,<br />

das heißt, sie drückte auf den Klingelknopf, aber sie begriff natürlich nicht<br />

die Technik der Gegensprechanlage an ihrem Nachttisch. So stellte man die<br />

Klingel ab, die Kranke drückte den Knopf ohne Erfolg, das Bett wurde nass,<br />

und man legte einen Katheter. Den riss sie sich heraus, und so erfolgte eine<br />

Fixierung der Arme.<br />

16


Das vierte Bett wurde etwas später belegt. Es kam eine ganz schweigsame<br />

alte Frau. Sie war angekleidet, man stellte einen Sessel für sie zurecht, und<br />

so verbrachte sie die ersten Tage <strong>im</strong> Sessel und nur die Nacht <strong>im</strong> Bett. Sie<br />

beobachtete meine Anwesenheit bei der Mutter mit unverhohlener Neugier,<br />

und schließlich kam sie an das Bett und fragte mich aus. Voller Mitleid betrachtete<br />

sie meine schwerkranke Mutter, und dann begann sie, von sich<br />

selbst zu erzählen. In zwei bis drei Tagen kannte ich ihre ganze Lebensgeschichte<br />

von der Kindheit an, über die Flucht bis zu dem Leben in Berlin.<br />

Sie war über 90 Jahre alt und hatte bisher in einer eigenen Wohnung gelebt.<br />

Jetzt hatte eine Nichte beschlossen, sie in einem He<strong>im</strong> unterzubringen. Hilflos<br />

hatte sie sich gefügt, und weil ihre Wohnung bereits aufgelöst wurde,<br />

hatte man sie <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> quasi „zwischengelagert“. Sie war in das<br />

Z<strong>im</strong>mer mit den dementen Patientinnen gelegt worden, da sie wegen<br />

Schwerhörigkeit und Sehschwierigkeiten und wegen ihres hohen Alters als<br />

gerontopsychiatrisch krank eingestuft worden war. Sie hatte keine akute<br />

körperliche Erkrankung. Sie konnte sich bewegen, sich aus- und anziehen,<br />

sich waschen, essen und zur Toilette gehen - es fehlte ihr nur an persönlicher<br />

Zuwendung, Verständnis und Hilfe <strong>im</strong> alltäglichen Leben.<br />

Jede Untersuchung durch einen Gerontopsychiater hätte ihr die Chance<br />

gegeben, aus diesem Z<strong>im</strong>mer herauszukommen. So aber passte sie sich<br />

ihren Z<strong>im</strong>mergenossinnen an. Allmählich sprach sie nur noch das Allernötigste,<br />

sie zog sich keine Kleidung mehr an, sondern lief <strong>im</strong> Nachthemd herum,<br />

dann blieb sie <strong>im</strong> Bett liegen. Das Essen schmeckte ihr kaum noch, sie<br />

ließ es stehen. Sie dämmerte meist und wollte nicht mehr angesprochen<br />

werden. Besuch erhielt sie nie.<br />

Wie ich schon sagte, hatte ich bei diesem <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt meiner<br />

Mutter ein recht gutes Verhältnis zum Pflegepersonal, das mir durchaus zu<br />

verstehen gab, dass es meine kleinen Hilfsdienste sehr gern in Anspruch<br />

nahm und meine Anwesenheit in dem Z<strong>im</strong>mer als positiv ansah. Im Gegensatz<br />

dazu hatte ich Schwierigkeiten bei der Verständigung mit der Stationsärztin.<br />

Sie konnte nur sehr schwer akzeptieren, dass sie mir - als amtliche<br />

Betreuerin meiner Mutter - die Notwendigkeit von speziellen medizinischen<br />

Versorgungen erklären musste.<br />

Meine Mutter erkrankte nach dem Herzanfall auch noch an Magenblutungen<br />

und einer Lungenentzündung. Es sollten eine Magenspiegelung und eine<br />

Darmspiegelung vorgenommen werden, um die Blutungsquelle zu erkennen.<br />

17


Obwohl mir die Ärztin zugestand, dass dies für meine demente schwerkranke<br />

Mutter äußerst belastende Untersuchungen sein würden, da sie nicht<br />

mehr verstehen konnte, was diese Manipulationen an ihrem Körper bedeuten<br />

würden und eine Narkose nicht in Frage käme, sollten die Untersuchungen<br />

durchgeführt werden.<br />

Man könnte sagen, diese Situation stürzte mich als Angehörige in eine Krise.<br />

In kürzester Zeit musste ich mir selbst die Frage beantworten, ob ich mit<br />

der Verweigerung dieser Eingriffe meine eigenen ethischen Grundsätze<br />

verletzten würde, nämlich alles zum Wohle meiner Mutter zu tun.<br />

Wider alle Erwartungen überstand meine Mutter diese Erkrankung. Allerdings<br />

war sie nicht mehr in der Lage, zu laufen oder zu sitzen, sondern in<br />

ihrer Schwäche war sie bettlägerig. So wurde sie entlassen. Niemand erwähnte<br />

die Möglichkeit einer Rehabilitationsmaßnahme auch für demente<br />

<strong>Menschen</strong>. Dass es sie gab, erfuhr ich durch eine Ärztin der Nervenklinik, in<br />

der meine Mutter lebte. Das erforderte allerdings weiterhin meine tägliche<br />

Anwesenheit wie <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>, aber nach mehreren Wochen konnte<br />

meine Mutter wieder - gestützt auf meinen Arm - langsam spazieren gehen.<br />

Das bedeutete, ihr einen sehr großen Teil ihrer Lebensqualität zurückzugeben.<br />

Das sind nur einige Beispiele von vielen. Auch heute noch sind wir weit davon<br />

entfernt, Demenzkranke <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> krankheitsgerecht zu betreuen.<br />

Das hat nichts mit einer absichtlichen Vernachlässigung zu tun, sondern<br />

in den meisten Fällen mit fehlendem Wissen um die fachgerechte Versorgung<br />

solcher Patienten. Es ist besonders gravierend, wenn man junge Pflegekräfte<br />

in der Ausbildung nicht auf die Versorgung dementer Patienten<br />

vorbereitet.<br />

So erlebte ich vor einigen Tagen, wie eine bettlägerige Patientin, die sich<br />

verbal kaum noch äußern konnte, nach etwas Trinkbarem verlangte, indem<br />

sie ihren leeren Becher dem jungen Pfleger entgegenhielt und unverständliche<br />

Worte stammelte. Er sagte daraufhin: „Dürfen Sie etwas trinken? Ich<br />

dachte, Sie werden morgen operiert.“ Die Frau stammelte so etwas wie „ja“,<br />

und daraufhin füllte er den Becher mit Wasser und sagte: „Na gut, aber auf<br />

Ihre Verantwortung.“ - Eine absurde, aber auch sehr von Hilflosigkeit geprägte<br />

Reaktion.<br />

18


Dass das nicht nur für junge Pflegekräfte gilt, habe ich erfahren müssen, als<br />

meine Mutter nach einigen Jahren erneut an einer Lungenentzündung erkrankte.<br />

Die Demenz war weit fortgeschritten, meine Mutter konnte nicht<br />

mehr laufen oder sitzen, das Bett war zu ihrem Aufenthaltsort geworden.<br />

Nachdem ein junger Arzt meine Mutter wegen des hohen Fiebers, des Hustens<br />

und der Atemprobleme untersucht hatte, wandte er sich sehr freundlich<br />

an mich und sagte leise: „Na, da machen wir gar nichts mehr. In diesem<br />

Zustand der Demenz …“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. Ich habe daraufhin<br />

um ein Gespräch in einer anderen Umgebung gebeten, nicht am Bett<br />

über den Kopf meiner Mutter hinweg. Ich habe ihm meine Ansicht mitgeteilt,<br />

dass ein Mensch auch als Dementer ein Anrecht darauf habe, ein Antibiotikum<br />

zu erhalten, um eine akute Lungenentzündung zu behandeln. Ich habe<br />

gesagt, dass die Lebensqualität eines Demenzkranken nicht aus unserem<br />

Blickwinkel zu beurteilen sei, sondern aus der Sicht des Dementen. Meine<br />

Mutter hatte trotz ihrer Bettlägerigkeit Zufriedenheit gezeigt, sie genoss offensichtlich<br />

eine gute Körperpflege, das Essen, das ihr schmeckte und meine<br />

tägliche Anwesenheit. Diese kleine Welt war für ihr Wohlbefinden ausreichend.<br />

Sagen konnte sie es nicht mehr, aber es gab genug nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten.<br />

Jetzt - unter der akuten Erkrankung - zeigte sie, dass sie litt. Man musste<br />

versuchen, das zu beheben. Der junge Arzt war von meinen Argumenten<br />

überrascht und sagte: „Das haben wir <strong>im</strong> Studium nie gelernt, über solche<br />

Dinge nachzudenken. In der Praxis haben wir uns solche Patienten so weit<br />

wie möglich gegenseitig zugeschoben, um keine derart schwierigen Entscheidungen<br />

treffen zu müssen.“ Für uns beide war es ein sehr gutes, in<br />

Ruhe geführtes Gespräch. Meine Mutter erhielt ein Antibiotikum und regenerierte<br />

sich sehr schnell von der Lungenentzündung - sehr zum Erstaunen der<br />

Fachkräfte.<br />

In jedem Fall ist die Einweisung in ein Akutkrankenhaus für demente <strong>Menschen</strong><br />

ein nicht zu verstehender Vorgang. Sie kommen aus einer gerade<br />

noch vertrauten Umgebung in eine für sie völlige Unübersichtlichkeit. <strong>Menschen</strong><br />

und Räume sind fremd und nicht mehr einzuordnen. Es werden Anforderungen<br />

gestellt durch diagnostische Verfahren und durch Behandlungsabläufe,<br />

die von Demenzkranken nicht als positive Maßnahmen, sondern<br />

als Angst machend - vielleicht sogar als lebensbedrohlich - angesehen<br />

werden. Die Kranken werden versuchen, sich dem zu entziehen. Sie werden<br />

Fluchtwege suchen, Abwehrmechanismen wie zum Beispiel Aggressionen<br />

19


entwickeln oder in eine depressive Phase geraten. In jedem Falle wird sich<br />

die Symptomatik der Demenz verschlechtern.<br />

All das führt zu einer schwierigen Situation <strong>im</strong> normalen Ablauf eines <strong>Krankenhaus</strong>es<br />

- sowohl bei der ärztlichen Behandlung, als auch bei der pflegerischen<br />

Versorgung. Hierbei ist auch die Beeinträchtigung anderer Patienten,<br />

die einen dementen Mitpatienten durchaus als störend empfinden können,<br />

nicht zu vernachlässigen. Um dem allem entgegenzuwirken, werden<br />

Sedierungen und Fixierungen eingesetzt, was be<strong>im</strong> Umgang mit dementen<br />

<strong>Menschen</strong> geradezu kontraindiziert ist.<br />

Die Möglichkeit, eine Krisensituation zu vermeiden, eine Chance zu bieten in<br />

Form demenzgerechter Pflege, das sollte nicht nur diskutiert, sondern in<br />

eine gängige Praxis umgewandelt werden. Die Frage nach Zusammenlegung<br />

oder Trennung von dementen und nichtdementen Patienten steht genauso<br />

an, wie die Frage nach der gesonderten Versorgung. Dabei steht an<br />

oberster Stelle, bei Verdacht auf eine gerontopsychiatrische Begleiterkrankung,<br />

diese durch einen fachlich qualifizierten Arzt abklären bzw. überprüfen<br />

zu lassen.<br />

Das, was von Patienten <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> als wünschenswert angesehen<br />

wird, nämlich einen Ansprechpartner zu haben für Fragen über Krankheit,<br />

Verlauf und Heilungschancen und auch als Hilfe bei der psychischen Belastung<br />

durch eine schwere Erkrankung, ist in der Realität des <strong>Krankenhaus</strong>alltags<br />

kaum zu finden. Es ist schon schwierig, Verständnis für die körperliche<br />

Beeinträchtigung durch eine schwere Erkrankung zu finden.<br />

So möchte ich es <strong>im</strong> freundlichsten Falle als gedankenlos bezeichnen, wenn<br />

einer Krebspatientin, die darum bittet, <strong>im</strong> Bett weiter nach oben gezogen zu<br />

werden, geantwortet wird: „Sie haben am Bett doch einen Griff, halten Sie<br />

sich daran fest, stemmen Sie die Füße gegen die Matratze, und Sie kommen<br />

aus eigener Kraft nach oben.“ Diese Patientin wiegt zwar nur noch 77<br />

Pfund und hat gerade einen Anus praeter bekommen, aber sie ist noch in<br />

der Lage zu antworten: „Wenn ich das noch selbst könnte, hätte ich Sie nicht<br />

darum gebeten, mir zu helfen.“<br />

Diese Frau ist 78 Jahre alt und lebt seit der Diagnose „Krebs <strong>im</strong> fortgeschrittenen<br />

Stadium“ zwischen Angst und Hoffnung, und sie zeigt stark depressive<br />

Verhaltensweisen. Sie wurde für eine eventuelle Chemotherapie oder<br />

Bestrahlung oder nochmalige Operation in ein universitäres <strong>Krankenhaus</strong><br />

20


verlegt. Die Fahrt quer durch Berlin <strong>im</strong> Krankenwagen belastete sie sehr.<br />

Auf einer Trage liegend wurde sie von einer Schwester auf der Station mit<br />

den Worten empfangen: „Was ist denn hier los, ist das eine Attrappe oder<br />

kann sie wirklich nicht aufstehen?“ Ich glaube, diese Situation erfordert keinen<br />

Kommentar.<br />

Nach solchen Erfahrungen habe ich mir leider <strong>im</strong>mer wieder erneut die Frage<br />

stellen müssen: Wo wird denn ein dementer oder gerontopsychiatrisch<br />

erkrankter Mensch in einem Akutkrankenhaus eingestuft? Interessiert es<br />

überhaupt, wenn er in eine Krise gerät oder wird das als kaum abzuwendende<br />

Begleiterscheinung angesehen. Stellt sich die Frage nach dem Wohlbefinden,<br />

und wo versucht wird, durch Kommunikation, durch Schaffung<br />

einer vertrauensvollen Atmosphäre ein Gefühl von Sicherheit aufzubauen,<br />

was diese Kranken in ganz besonderem Maße benötigen.<br />

Ich hoffe, darauf heute einige Antworten zu erhalten.<br />

21


2.2 Sabine Kirchen-Peters, Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft<br />

e.V. (iso), Saarbrücken<br />

22<br />

Ergebnisse des Modellprojektes „<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er Konsiliar-<br />

und Liaisondienst“ Kaufbeuren<br />

Meine Damen und Herren,<br />

ein Modellprojekt wie der gerontopsychiatrische „Konsiliar- und Liaisondienst“<br />

in Kaufbeuren kann mit Sicherheit nicht - und vor allem nicht von<br />

heute auf morgen - alle Probleme lösen, die Frau Fuhrmann eben geschildert<br />

hat. Dennoch hat der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt dank des Modells heute<br />

für viele alte <strong>Menschen</strong> an Schrecken verloren und kann sogar zu einer<br />

Chance <strong>im</strong> Sinne von Früherkennung und rechtzeitiger Intervention werden.<br />

Mein Vortrag leitet einen Block ein, in dem ausgewählte Ergebnisse und<br />

Erfahrungen aus dem Modellprojekt dargestellt werden.<br />

Hintergrund des Modellvorhabens<br />

Zunehmender Anteil gp Patient/innen <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

• 50 % der Pflegetage entfallen auf über 65-Jährige (Bergener 1998)<br />

• ein Drittel aller <strong>Krankenhaus</strong>patient/innen leidet neben den<br />

körperlichen Erkrankungen an behandlungsbedürftigen<br />

psychischen Störungen (Herzog 2003)<br />

Probleme in der Versorgungsqualität<br />

Altersbedingte psychische Erkrankungen erhalten durch die demographische<br />

Entwicklung zunehmende sozial- und gesundheitspolitische Relevanz.<br />

In den Allgemeinkrankenhäusern entfallen bereits 50% der Pflegetage auf<br />

über 65-Jährige. Dabei kann man davon ausgehen, dass ca. ein Drittel der<br />

Patient/innen neben ihren körperlichen Erkrankungen gleichzeitig an behandlungsbedürftigen<br />

psychischen Störungen leidet. Insbesondere Abtei-


lungen, deren Klientel <strong>im</strong> Schwerpunkt aus älteren Patient/innen besteht,<br />

wie z.B. Innere oder Orthopädische Stationen, haben mit gerontopsychiatrischen<br />

Erkrankungen zu tun. Dabei verstärkt sich der Druck vor allem hinsichtlich<br />

der Versorgung Demenzkranker, die in der Regel aufgrund somatischer<br />

Erkrankungen in die Kliniken eingewiesen werden. Die Demenz tritt<br />

dann bei der Behandlung dieser Erkrankungen als „Störfaktor“ auf und wird<br />

für die Mitarbeiter/innen und andere Patient/innen zum Problem.<br />

Aber nicht nur die reine Zahl älterer Patient/innen gibt zu denken, sondern<br />

vor allem die erheblichen Probleme in der Versorgungsqualität, die Frau<br />

Fuhrmann eben geschildert hat.<br />

Modellkonzeption:<br />

„<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er Konsiliar- und Liaisondienst“<br />

1. Konsiliarmodell<br />

Bedarfsweise Hinzuziehung des meist ärztlichen Beraters bei einzelnen<br />

Patient/innen<br />

2. Kontraktmodell<br />

Regelmäßige Hinzuziehung bei best<strong>im</strong>mten Patienten-, Diagnose- oder<br />

Problemgruppen<br />

3. Liaisonmodell<br />

Anfrageunabhängige, regelmäßige Präsenz in einer Behandlungseinheit und<br />

weiterführende Aufgaben<br />

• verbesserte Identifizierung gp Patient/innen<br />

• Fortbildung und Supervision für das Personal<br />

• Überbrückung von Schnittstellenproblemen<br />

Laufzeit: 1.10.2000 bis 30.9.2004<br />

Um Eskalationen und Negativspiralen zu vermeiden, bedarf es professioneller<br />

Unterstützung, die insbesondere von speziellen (geronto-)psychiatrischen<br />

Fachdiensten geleistet werden kann. Herzog unterscheidet in seinen Leitlinien<br />

1 drei Organisationsformen dieser Dienste. Während <strong>im</strong> Konsiliarmodell<br />

der meist ärztliche Berater lediglich bedarfsweise für einzelne Patient/innen<br />

hinzugezogen wird, ist dies <strong>im</strong> Kontraktmodell regelmäßig bei best<strong>im</strong>mten<br />

Patienten-, Diagnose- oder Problemgruppen der Fall. Die weitestreichende<br />

1<br />

Vgl. Rudolf, G.; Eich, W. (Hg.) (2003): Konsiliar- und Liaisonpsychosomatik und -psychiatrie,<br />

Stuttgart: 8.<br />

23


Form wird als Liaisonmodell bezeichnet. Es umfasst die anfrageunabhängige,<br />

regelmäßige Präsenz des Konsiliars in einer Behandlungseinheit.<br />

In Kaufbeuren handelt es sich um eine Mischform, denn es werden sowohl<br />

Konsile durchgeführt als auch in umfangreicher Weise Liaisonfunktionen<br />

übernommen. Das Projekt ist als Modell seit etwa einem Jahr ausgelaufen<br />

und befindet sich seither in der Dauerfinanzierung. Träger der Maßnahme ist<br />

das Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren.<br />

24<br />

Modellbeteiligte:<br />

Multiprofessionelles Team (BKH)<br />

1,0 Facharzt<br />

1,0 Pflegekraft<br />

0,5 Ergotherapeutin (Antje Losleben), Barbara Freiberg<br />

0,5 Schreibkraft<br />

Modellort Modellort:<br />

Andreas Eichhorn (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Klinische Geriatrie)<br />

Maria Mahlberg (Fachschwester für Psychiatrie)<br />

Irmgard Ernszt (Fachschwester für Gerontopsychiatrie)<br />

Franziska Hartmann<br />

2 Akutkrankenhäuser <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>zweckverband<br />

Haus Gutermannstraße Haus Heinzelmannstraße<br />

380 Betten<br />

700 Mitarbeiter/innen, darunter 350 Pflegekräfte<br />

Am Modell beteiligt sind einmal das multiprofessionelle Team des BKH, bestehend<br />

aus einem Facharzt (1,0), zwei Krankenschwestern für Psychiatrie<br />

(1,0), einer Ergotherapeutin (0,5) und einer Schreibkraft (0,5). Kooperationspartner<br />

sind die Allgemeinkrankenhäuser „Gutermannstraße“ und „Heinzelmannstraße“,<br />

die gemeinsam alle medizinischen Fachdisziplinen abdecken<br />

und in Form eines <strong>Krankenhaus</strong>zweckverbandes zusammenarbeiten. Im<br />

Modellverlauf hat man die beiden Häuser nach einer Umbaumaßnahme<br />

räumlich zusammengelegt. Neben dem sukzessiven Aufbau erweiterter liaisonpsychiatrischer<br />

Funktionen ist vor allem der multiprofessionelle Ansatz<br />

als modellhaft zu bewerten. Im Fachdienst sind nur lebens- und berufserfahrene<br />

Kräfte beschäftigt, die ihre unterschiedlichen Kompetenzen und Sicht-


weisen in die Arbeit einbringen. Aufgrund seines Innovationspotentials wurde<br />

das Modell <strong>im</strong> Jahr 2001 von der WHO ausgezeichnet. Die Zielsetzungen<br />

sind entsprechend umfangreich. Es geht um<br />

• die Steigerung der Lebensqualität gerontopsychiatrischer Patient/innen<br />

durch verbesserte Diagnostik, Behandlung und Krisenintervention sowie<br />

eine sorgfältigere Angehörigenbetreuung,<br />

• den Aufbau einer gerontopsychiatrischen Kompetenz be<strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>personal,<br />

die neben einer Erhöhung der Versorgungsqualität positive<br />

Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung haben soll,<br />

• eine schnittstellenübergreifende Behandlungskontinuität durch Initiierung<br />

von Koordinations- und Vernetzungsprozessen und<br />

• finanzielle Einsparungen durch Verringerung von <strong>Krankenhaus</strong>tagen<br />

und Vermeidung von He<strong>im</strong>unterbringungen.<br />

Ziele/Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitung<br />

(1) Bestandsaufnahme<br />

(2) Unterstützung bei der Implementation<br />

• Prozessbezogene Beratung<br />

•Modellbeirat<br />

(3) Datensammlung (Übertragbarkeit von Erfahrungen)<br />

• Patienten, Hilfebedarfe<br />

• Arbeitsinhalte<br />

• Arbeitsabläufe<br />

• Strukturelle Rahmenbedingungen<br />

• Hindernisse, Hürden, Problemlösungen<br />

(4) Einschätzung von Effekten<br />

Zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitung zählte zunächst eine<br />

Bestandsaufnahme der Situation und der Probleme in den beiden Modellkrankenhäusern.<br />

Eine wichtige Rolle spielte das iso-Institut bei der Unterstützung<br />

der Implementation. Vor allem in der Anfangsphase war wegen<br />

verschiedener Probleme eine prozessbezogene Beratung notwendig, auf die<br />

25


ich später noch näher eingehen werde. Nach etwa einem Modelljahr begann<br />

die Vorbereitung der Anschlussfinanzierung. In einem Modellbeirat wurden<br />

die Kostenträger über die laufenden Projektergebnisse informiert und deren<br />

Anregungen hinsichtlich einer Kostenübernahme in die weiteren Planungen<br />

aufgenommen.<br />

Im Hinblick auf die Übertragbarkeit der Erfahrungen wurden vielfältige Daten<br />

gesammelt: Welche Patient/innen mit welchen Hilfebedarfen versorgt der<br />

Konsiliar- und Liaisondienst? Welche Leistungen werden mit welchen Zeitanteilen<br />

erbracht? Wie gestalten sich die Arbeitsabläufe? Welche strukturellen<br />

Rahmenbedingungen sind notwendig? Wo liegen Hindernisse und Hürden<br />

bei der Projektumsetzung und wo deuten sich Problemlösungen an<br />

usw.?<br />

Schließlich war die Entscheidung über eine mögliche Dauerfinanzierung<br />

auch von einer Einschätzung der Effekte der Modellarbeit abhängig, bei der<br />

sich die wissenschaftliche Begleitung an den zuvor genannten Zielebenen<br />

zu orientieren hatte.<br />

Nachdem Frau Fuhrmann uns ausreichend über die Probleme <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

unterrichtet hat (1), werde ich in meinem Vortrag auf diese<br />

Einschätzung von Effekten (4) eingehen und einige Bemerkungen zur prozessbezogenen<br />

Beratung (2) machen, die für potentielle Nachahmer eines<br />

solchen Ansatzes von besonderem Interesse sind. Die Modellbeteiligten aus<br />

Kaufbeuren ergänzen meine Ausführungen und beziehen sich dabei neben<br />

ihren persönlichen Erfahrungen vor allem auf ausgewählte Ergebnisse der<br />

Datensammlung (3).<br />

26


Hürden/Probleme in der Implementationsphase<br />

Keine bestehenden Standards, keine<br />

Erfahrungswerte (Pionierarbeit)<br />

Ungünstige räumliche Bedingungen<br />

Schleppende Inanspruchnahme<br />

� Unkenntnis der Tätigkeitsschwerpunkte und der<br />

Aufgabenvielfalt<br />

� Anfängliche Unsicherheiten hinsichtlich der Finanzierung<br />

� Mangelnde Kommunikationsstruktur<br />

� Konsiliar- und Liaisondienst als Kontrollinstanz<br />

� Unterschiedliche Sichtweisen und Handlungslogik in<br />

somatischer Akutversorgung und in Psychiatrie<br />

In der Implementationsphase tauchten teilweise unerwartet Probleme auf,<br />

auf die die wissenschaftliche Begleitung reagieren musste. Dabei fiel erschwerend<br />

ins Gewicht, dass es in Deutschland kaum Erfahrungswerte über<br />

multiprofessionelle Konsiliar- und Liaisondienste gab, an denen man sich in<br />

den Abläufen und Rahmenbedingungen hätte orientieren können. Dazu<br />

zählte z.B. die Entscheidung, den Dienst in einem etwas abgelegenen Nebengebäude<br />

des Allgemeinkrankenhauses unterzubringen. Dies ist zwar<br />

<strong>im</strong>mer noch günstiger, als wenn die Modellbeteiligten vom BKH aus tätig<br />

würden. Die stationsfernen Räumlichkeiten haben sich jedoch vor allem in<br />

der Anfangsphase negativ auf die Wahrnehmung des Dienstes durch die<br />

<strong>Krankenhaus</strong>mitarbeiter/innen ausgewirkt. Ungünstig ist zudem, dass die<br />

Gespräche und Therapien wegen der räumlichen Entfernung zu den Büroräumen<br />

<strong>im</strong> Patientenz<strong>im</strong>mer erfolgen mussten, wo es durch Mitpatient/innen,<br />

Besucher/innen und das <strong>Krankenhaus</strong>personal zu erheblichen Störungen<br />

kam.<br />

Das größte Problem der Implementationsphase war die schleppende Inanspruchnahme<br />

des Fachdienstes, darunter vor allem der Leistungen der<br />

nichtärztlichen Berufsgruppen. Vor dem Hintergrund des vermuteten hohen<br />

Unterstützungsbedarfs hatten die Modellbeteiligten mit solchen Schwierig-<br />

27


keiten nicht gerechnet. Im Rahmen der Interviews <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

zeichneten sich verschiedene Gründe für die reservierte Haltung der Mitarbeiter/innen<br />

ab. Während die Funktion des Arztes als Konsiliarius aus anderen<br />

Zusammenhängen bekannt war, fehlte dem <strong>Krankenhaus</strong>personal eine<br />

Vorstellung darüber, was die Pflegekräfte und die Ergotherapeutin in diesem<br />

Zusammenhang leisten sollten. Unklarheit bestand zu Beginn auch hinsichtlich<br />

der Finanzierung der Leistungen. Man war unsicher, ob Anfragen zusätzliche<br />

Kosten verursachen würden und setzte den Dienst deshalb sparsam<br />

ein.<br />

Auch Formen der Zusammenarbeit mussten erst gefunden werden. Vor<br />

allem der Informationsfluss nach einer Intervention des Konsiliar- und Liaisondienstes<br />

erwies sich als schwierig. Es fehlten oft die Zeit und ein Forum,<br />

mit dem eine möglichst große Gruppe von Mitarbeiter/innen erreicht werden<br />

konnte. Zudem wurde der Fachdienst als Kontrollinstanz erlebt, die die Fehler<br />

des Personals <strong>im</strong> Umgang mit psychisch <strong>veränderte</strong>n <strong>Menschen</strong> wahrn<strong>im</strong>mt<br />

und ggf. transparent macht. Insgesamt entstand in der Implementationsphase<br />

der Eindruck, dass zwischen somatischer Akutversorgung und<br />

Psychiatrie sehr große Unterschiede in den Sichtweisen und in der Handlungslogik<br />

bestehen, dass hier quasi zwei Welten aufeinander prallen.<br />

28<br />

Lösungsansätze für die Implementationsphase<br />

(1) „langer Atem“ erforderlich<br />

(2) Räumliche Veränderungen (stationsnah)<br />

(3) Konzept der Schwerpunktabteilungen mit<br />

verstärkter Präsenz<br />

� Vertrauensaufbau durch intensivierten Kontakt<br />

� Verdeutlichung der Aufgabenvielfalt und der<br />

Effekte<br />

� Modellhafter Aufbau einer Kommunikationsund<br />

Kooperationsstruktur


Für potentielle Nachahmer der Modellkonzeption sollen nun noch einige<br />

Hinweise auf Lösungsansätze für die dargestellten Problemfelder gegeben<br />

werden. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass man Geduld und einen<br />

„langen Atem“ braucht. Es dauert, bis man vom <strong>Krankenhaus</strong>personal wahrgenommen<br />

wird und das Vertrauen soweit gewachsen ist, dass man in die<br />

Kooperation einsteigen kann. Von Beginn an sollte auf stationsnahe Räumlichkeiten<br />

geachtet werden. Zur Förderung der Akzeptanz hat es sich in<br />

Kaufbeuren als günstig erwiesen, die Implementation über so genannte<br />

Schwerpunktabteilungen voranzutreiben. Dabei handelte es sich um zwei<br />

Innere Abteilungen, aus denen auch <strong>im</strong> Vorfeld der konzeptionellen Umstellung<br />

die meisten Konsilanfragen kamen. Hier zeigten vor allem die nichtärztlichen<br />

Berufsgruppen eine verstärkte anfrageunabhängige Präsenz. Durch<br />

die Intensivierung des Kontaktes ist es gelungen, das Vertrauen der <strong>Krankenhaus</strong>mitarbeiter/innen<br />

zu steigern und die Aufgabenvielfalt des Dienstes<br />

zu verdeutlichen. Zudem sind die Effekte der Arbeit sichtbarer geworden.<br />

Diese Erfolge haben sich in den anderen Abteilungen herumgesprochen und<br />

haben in Verbindung mit den hausweit angebotenen Fortbildungen dazu<br />

geführt, dass auch die Nachfrage von anderen Stationen sukzessive ansteigt.<br />

Die Einschätzung von Effekten orientiert sich an den zuvor genannten Zielebenen.<br />

Effekte (1): Steigerung der Lebensqualität (25MP)<br />

Verbesserung der körperlichen und psychischen Verfassung<br />

• Bei Aufnahme: 90% der MP mit mittelstarken bis starken<br />

Einschränkungen <strong>im</strong> körperlichen und psychischen Status<br />

• Bei Entlassung: Verbesserungen in körperlichem Status (76%) und <strong>im</strong><br />

psychischen Status (56%)<br />

• Nach 6 Wochen: weitere Verbesserungen (jeweils 76%)<br />

• Nach 3 Monaten: weitere V erbesserungen oder stabil (jeweils 92%)<br />

• Nach 6 Monaten: weitere V erbesserungen oder stabil <strong>im</strong> körperlichen<br />

Status (76%) und <strong>im</strong> psychischen Status (68%)<br />

Aufbau eines häuslichen Versorgungssettings<br />

(Entlassungsmanagement)<br />

• Nach Entlassung kehren alle in gewohnte Umgebung zurück (24+1)<br />

• Nach 6 Monaten wohnen noch 19 Personen zu Hause (19+6)<br />

29


Die Auswirkungen der Modellarbeit auf die Lebenszufriedenheit und das<br />

Wohlbefinden der Patient/innen kann in erster Linie über 25 Modellpatient/innen<br />

nachvollzogen werden, die anhand einer Kriterienliste ausgewählt wurden.<br />

Für die Mehrzahl der Patient/innen konnte die körperliche und psychische<br />

Verfassung bereits zum Zeitpunkt der Entlassung deutlich verbessert werden.<br />

Dabei ist die Stabilisierung vor allem auf die frühzeitige Diagnostik sowie<br />

auf die zielgerichtete Behandlung der gerontopsychiatrischen Erkrankungen<br />

zurückzuführen, die auch die körperliche Genesung positiv beeinflussen.<br />

Weitere stützende Effekte entstehen durch die Begleitung und<br />

Betreuung der Patient/innen durch das Modellteam. Besonders hervorzuheben<br />

ist, dass sich die Modellarbeit nachhaltig auswirkt. So ist <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Nachbetreuung deutlich geworden, dass sich der Zustand der Patient/innen<br />

- von wenigen Ausnahmen abgesehen - auch zu Hause weiter verbessert<br />

hat oder zumindest auf gleichem Niveau gehalten werden konnte. Damit<br />

konnte der Nachweis erbracht werden, dass der Konsiliar- und Liaisondienst<br />

in der Lage war, die bekannten Negativspiralen bei der <strong>Krankenhaus</strong>behandlung<br />

älterer Patient/innen außer Kraft zu setzen und sogar positive<br />

Entwicklungen anzustoßen.<br />

Ein wichtiges Element von Lebensqualität ist für ältere <strong>Menschen</strong> der Verbleib<br />

in den eigenen vier Wänden. Zum Aufgabenspektrum des Konsiliar-<br />

und Liaisondienstes gehört in Kooperation mit dem <strong>Krankenhaus</strong>sozialdienst<br />

ein sorgfältiges Entlassungsmanagement. Nach der Entlassung kehrten alle<br />

Patient/innen in ihre gewohnte Umgebung zurück, wobei eine Patientin bereits<br />

<strong>im</strong> Pflegehe<strong>im</strong> untergebracht war. Nach sechs Monaten lebten <strong>im</strong>mer<br />

noch neunzehn Modellpatient/innen zu Hause. Bei fünf Personen wurde ein<br />

He<strong>im</strong>wechsel erforderlich. Es handelte sich in aller Regel um isolierte depressive<br />

Patient/innen, die sich durch den Umzug eine Verstärkung von<br />

Sozialkontakten versprachen.<br />

30


Effekte (2): Aufbau einer gp Kompetenz<br />

Lernerfolg durch<br />

• Fortbildung für Ärzte und Pflegepersonal<br />

• Zusammenarbeit am konkreten Fall<br />

Konkrete Auswirkungen auf<br />

• Erkennen gp Erkrankungen<br />

• Umgang mit dem Kranken<br />

• Einstellung/Sensibilität gegenüber gp Patient/innen<br />

Wenn die Effekte des Modells auf die Qualifikation des <strong>Krankenhaus</strong>personals<br />

beleuchtet werden, ist zunächst auf die sehr gute Akzeptanz der vom<br />

Team durchgeführten Fortbildungen für Pflegekräfte zu verweisen. Die viermal<br />

jährlich stattfindenden Angebote sind mit zwanzig Teilnehmer/innen<br />

stets voll ausgebucht. Die Evaluation der Veranstaltungen belegt, dass die<br />

Absolvent/innen mit den Fortbildungen hoch zufrieden sind, auch weil sie<br />

davon ausgehen, dass das Erlernte konkrete Auswirkungen auf ihr Pflegeverhalten<br />

haben wird. Das bezieht sich nach ihrer Ansicht sowohl auf das<br />

Erkennen der verschiedenen Erkrankungen als auch auf den Umgang mit<br />

den Kranken.<br />

Lernerfolge zeigen sich aber auch durch die Zusammenarbeit mit dem Konsiliar-<br />

und Liaisondienst am konkreten Fall. Berichteten Pflegekräfte zu Maßnahmebeginn<br />

noch von Unsicherheiten und Hilflosigkeit <strong>im</strong> Umgang mit den<br />

Kranken, konstatieren die Modellbeteiligten jetzt eine zunehmende Kompetenz<br />

vor allem auf den Schwerpunktstationen. Die Einstellung gegenüber<br />

psychisch kranken älteren <strong>Menschen</strong> hat sich verbessert, was allein schon<br />

in einer sensibleren Sprache zum Ausdruck kommt. Man versucht sogar in<br />

den gegebenen Grenzen, milieutherapeutische Akzente zu setzen und gibt<br />

Acht, dass die Patient/innen ihre Mahlzeiten einnehmen und genügend trinken.<br />

31


Auch die Ärzte profitieren von der Zusammenarbeit mit dem Konsiliar- und<br />

Liaisondienst. Wie sich gezeigt hat, sind sie <strong>im</strong> Modellverlauf sicherer in der<br />

diagnostischen Einordnung von gerontopsychiatrischen Erkrankungen geworden.<br />

Das spiegelt sich z.B. in den Konsilanforderungen, in denen <strong>im</strong>mer<br />

häufiger Diagnosen benannt sind, wo zuvor nur eine Symptomschilderung<br />

möglich war.<br />

Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass durch die erhöhte Handlungssicherheit<br />

<strong>im</strong> Umgang vor allem mit den demenzkranken Patient/innen<br />

und durch die Möglichkeit, in Krisensituationen schnell kompetenten Rat<br />

einzuholen, die Belastung auf den Stationen verringert wurde.<br />

32<br />

Effekte (3): Schnittstellenübergreifende Behandlungs-<br />

kontinuität<br />

Überbrückung interner Schnittstellen (z.B.<br />

unterschiedliche Berufsgruppen, Abteilungen)<br />

Initiierung von Vernetzungsprozessen <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Entlassungsplanung<br />

� Beratung von Angehörigen<br />

� Kooperation mit Pflegediensten und –einrichtungen (z.B.<br />

Organisation von Hilfen, Helferkonferenz)<br />

� Anbindung an die gp Ambulanz/an das Zentrum für Seelische<br />

Gesundheit des BKH<br />

� Sicherung der ambulanten ärztlichen Weiterversorgung über<br />

den Hausarzt/niedergelassenen Nervenarzt<br />

� Gespräche mit Betreuungsbehörde/Vormundschaftsgericht<br />

Zu den Aufgaben des Konsiliar- und Liaisondienstes gehören neben den<br />

direkt am Patienten erbrachten Leistungen auch Maßnahmen der Soziotherapie,<br />

die die Kontaktaufnahme zu krankenhausexternen Instanzen erfordern.<br />

Damit stellt der Dienst in gewissem Sinne die Brücke zwischen „Innen<br />

und Außen“ dar, die so wichtig ist, wenn es um die Vermeidung von Versorgungsbrüchen<br />

mit der Folge unnötiger Pflegehe<strong>im</strong>einweisungen geht. Die<br />

Kontaktaufnahme zu Angehörigen und dem Hausarzt dient neben anderem<br />

der Informationssammlung über die häusliche Situation, nach der oft weitere<br />

Schritte in die Wege zu leiten sind, wie z.B. sich zu kümmern, dass eine


Pflegestufe beantragt, dass eine gesetzliche Betreuung eingerichtet wird<br />

oder dass weitere Hilfen organisiert werden.<br />

Diese Aufgabe, die man auch mit „Case Management“ umschreiben könnte,<br />

wird vom Konsiliar- und Liaisondienst allerdings nur subsidiär übernommen,<br />

das heißt, wenn sie von anderen Instanzen, wie dem <strong>Krankenhaus</strong>sozialdienst<br />

oder von Angehörigen nicht geleistet wird oder werden kann. Dennoch<br />

stößt der Konsiliar- und Liaisondienst bei seiner Vernetzungsarbeit an<br />

personelle und strukturelle Grenzen. Deshalb wird versucht, eine Diskussion<br />

über die Installierung einer Pflegeüberleitung zwischen den Modellkrankenhäusern<br />

und krankenhausexternen Instanzen, wie z.B. den ambulanten<br />

Pflegediensten, in Gang zu setzen.<br />

Auch innerhalb des <strong>Krankenhaus</strong>es hat der Konsiliar- und Liaisondienst zur<br />

Überbrückung von Schnittstellen beigetragen, wie sie z.B. zwischen den<br />

verschiedenen Berufsgruppen oder zwischen unterschiedlichen Abteilungen<br />

bestehen. So gab es z.B. den Fall zweier dementer hochbetagter Schwestern,<br />

die zusammen wohnten und sehr aufeinander bezogen waren. Als die<br />

eine wegen somatischer Probleme in das <strong>Krankenhaus</strong> eingewiesen wurde,<br />

ging es der anderen zu Hause zunehmend schlechter, so dass auch sie<br />

nach ein paar Tagen ins <strong>Krankenhaus</strong> kam, dort aber ohne Wissen des Personals<br />

in einer anderen Abteilung aufgenommen wurde. Erst durch die Intervention<br />

des Modellteams wurden beide in ein Z<strong>im</strong>mer zusammengelegt<br />

und erholten sich nach und nach.<br />

Auch wenn die ökonomischen Effekte, die durch das Modell erzielt werden,<br />

offensichtlich sind, ist es schwierig und zum Teil unmöglich, diese <strong>im</strong> Einzelnen<br />

und präzise darstellbar zu machen. Dennoch soll der Versuch einer<br />

Schätzung von Einsparungen unternommen werden.<br />

33


Durch rechtzeitige Intervention des Konsiliar- und Liaisondienstes am Krankenbett<br />

können vorher notwendige Überweisungen ins BKH weitgehend<br />

vermieden werden. In der Folie kann man nachvollziehen, wie sich die Zahl<br />

der Überweisungen seit der Installierung des Modells <strong>im</strong> Oktober 2000 reduzierte<br />

und welche Einsparungen dadurch erzielt werden konnten. Als Grundlage<br />

der Berechnungen werden ein mittlerer Tagessatz von 244,10 € und<br />

eine durchschnittliche Liegezeit von 27 Tagen in der gerontopsychiatrischen<br />

Abteilung des BKH angenommen.<br />

Zur vorläufigen Berechnung eines mittleren Einsparpotentials wird das Jahr<br />

2000 außer Acht gelassen, weil das Modell erst <strong>im</strong> Herbst einsetzte und eine<br />

Anlaufphase in Rechnung gestellt werden muss. Die mittlere Kostenersparnis<br />

für die Krankenkassen liegt demnach bei rund 140.000 €. Damit sind die<br />

Kosten des Konsiliar- und Liaisondienstes von rund 150.000 € bereits durch<br />

die Einsparungen in der stationären psychiatrischen Versorgung fast abgedeckt.<br />

34<br />

Effekte (4): Finanzielle Einsparungen (Krankenkasse)<br />

1. Einsparungen durch vermiedene Überweisungen ins BKH<br />

Tabelle: Entwicklung der Überweisungen seit Modellbeginn<br />

Jahr<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

Zahl der Über weisungen ins BKH<br />

51<br />

42<br />

27<br />

35<br />

29<br />

26<br />

Tabelle: Einsparungen durch vermiedene Überweisungen<br />

Jahr<br />

Zahl der eingesparten<br />

Überweisungen ins BKH<br />

Kostenersparnis in Euro<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

Einsparungen pro Jahr: 143.000 Euro<br />

9<br />

24<br />

16<br />

22<br />

25<br />

59.316,30<br />

158.176,80<br />

105.451,20<br />

144.995,40<br />

164.767,50


Effekte (4): Finanzielle Einsparungen (Pflegekasse)<br />

2. Einsparungen durch Vermeidung von He<strong>im</strong>einweisungen<br />

150 Patienten/Quartal<br />

10 Vermeidungen<br />

600 Patienten/Jahr<br />

40 Vermeidungen<br />

Tabelle: Berechnung der Einsparungen in Euro (Pflegekasse)<br />

Patienten/<br />

Aufwendungen<br />

20 Patienten<br />

Pflegestufe I<br />

20 Patienten<br />

Pflegestufe II<br />

Insgesamt<br />

Aufwendungen für<br />

stationäre Pflege<br />

245.520<br />

306.960<br />

552.480<br />

Aufwendungen für<br />

ambula nte Pflege<br />

92.160<br />

221.040<br />

313.200<br />

Einsparungen<br />

153.360<br />

85.920<br />

239.280<br />

Als Anhaltspunkt, in welchen Größenordnungen sich die Effekte auf die<br />

Vermeidung von He<strong>im</strong>einweisungen bewegen, muss eine vorsichtige Schätzung<br />

des Konsiliar- und Liaisondienstes dienen. Danach kann von den pro<br />

Quartal behandelten rund 150 Patient/innen in etwa zehn Fällen die He<strong>im</strong>unterbringung<br />

vermieden werden. Geht man davon aus, dass jeweils die Hälfte<br />

davon in die Pflegestufe I und II eingestuft sind, ergäben sich Einsparungen<br />

von 552.480 € <strong>im</strong> Jahr. Demgegenüber entstünden bei Ausschöpfung der<br />

ambulanten Sachleistung Kosten von 313.200 €, womit der Pflegeversicherung<br />

<strong>im</strong>merhin noch eine Ersparnis von rund 240.000 € verbleibt.<br />

35


Neben den genannten Kosteneffekten ergeben sich durch den Konsiliar- und<br />

Liaisondienst weitere Einsparungen, die jedoch nicht weiter quantifiziert<br />

werden sollen bzw. können. Dabei hat sich die Hypothese, dass sich durch<br />

die Modellarbeit die Liegezeiten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus verkürzen, so<br />

pauschal nicht bestätigen lassen. Vielmehr kommt es in Einzelfällen auch zu<br />

Verlängerungen von Aufenthalten, wenn dies für den Patienten zuträglich ist.<br />

Die Liegezeit wird somit durch den Liaisondienst adäquater an die Bedürfnisse<br />

der Patienten angepasst.<br />

Auf jeden Fall können aber nicht indizierte Wiederaufnahmen („Drehtüreffekte“)<br />

vermieden werden. Dies betrifft z.B. diejenigen Patient/innen, bei denen<br />

eine gerontopsychiatrische Erkrankung erstmals vom Konsiliar- und Liaisondienst<br />

erkannt und behandelt wurde und die ansonsten wegen unklarer Beschwerden<br />

und sozialer Indikation wieder und wieder ins <strong>Krankenhaus</strong> eingewiesen<br />

worden wären.<br />

Nicht zu vernachlässigen sind auch Einsparungen, die sich durch die Vermeidung<br />

nicht angebrachter Leistungen ergeben. So hat der Konsiliar- und<br />

Liaisondienst z.B. <strong>im</strong> vergangenen Halbjahr durch seine Intervention zwei<br />

stationäre Rehaaufenthalte von Demenzkranken sowie zwei schwere nicht<br />

verantwortbare Herzoperationen verhindert. Dabei ist zu betonen, dass es in<br />

diesen Fällen nicht um eine Verweigerung notwendiger Leistungen ging,<br />

36<br />

Effekte (4): Finanzielle Einsparungen<br />

3. Weitere Kosteneffekte<br />

• Verkürzung von Liegezeiten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus (?)<br />

• Vermeidung von "Drehtüreffekten"<br />

• Verhinderung nicht angebrachter Leistungen<br />

4. Resümee<br />

Einsparungen KV<br />

Einsparungen PV<br />

Kosten des Konsiliar- und Liaisondienstes<br />

Insgesamt<br />

+140.000 €<br />

+240.000 €<br />

-150.000 €<br />

+230.000 €


sondern dass der Konsiliar- und Liaisondienst durch seine Fachkompetenz<br />

in der Lage war zu beurteilen, dass die Patient/innen von diesen Maßnahmen<br />

nicht profitiert bzw. diese ihnen sogar geschadet hätten.<br />

Allein wenn man sich die Auswirkungen des Konsiliar- und Liaisondienstes<br />

auf die Lebensqualität der gerontopsychiatrisch erkrankten <strong>Krankenhaus</strong>patient/innen<br />

vor Augen führt, müsste dies bereits Argument genug sein, das<br />

Modell dauerhaft zu etablieren. Es ist aber auch gelungen nachzuweisen,<br />

dass sich der Dienst durchaus „rechnet“, sich also nicht nur selbst trägt,<br />

sondern auch zusätzlich Mittel der Sozialversicherung einspart. Denn den<br />

Kosten von rund 150.000 € <strong>im</strong> Jahr stehen vorsichtig eingeschätzte Einsparungen<br />

von 380.000 € gegenüber, was einem „Plus“ von über 230.000 €<br />

entspricht.<br />

Der modellbegleitende Beirat mit Vertretern der Kostenträger war schnell<br />

vom Nutzen des Modells überzeugt. Etwas länger dauerte es, bis ein angemessenes<br />

Finanzierungsmodell gefunden wurde. Die Leistungen des Teams<br />

werden jetzt über Mehrerlöse der DRGs durch psychiatrische Nebendiagnosen<br />

abgegolten. Nach einer Probephase soll dann geprüft werden, ob die<br />

Erlöse reichen, um das Team aufzustocken, denn der bestehende Unterstützungsbedarf<br />

kann in der derzeitigen Personalkonstellation nicht in Gänze<br />

erfüllt werden. Die nächsten Planungen beziehen sich auf eine Verbesserung<br />

der Pflegeüberleitung und auf die Errichtung einer geriatrisch-gerontopsychiatrischen<br />

Abteilung.<br />

Mit einer breiten Öffentlichkeitsarbeit suchen wir derzeit nach Wegen, über<br />

das Modell zu informieren und mit anderen Expert/innen über Möglichkeiten<br />

einer breiteren Umsetzung zu diskutieren. Ich hoffe, dass die heutige Veranstaltung<br />

uns in dieser Hinsicht ein Stück weiterbringen wird.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

----------<br />

37


Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum<br />

Dr. Manfred Geiger: Frau Fuhrmann hatte vorhin deutlich gemacht, dass es<br />

be<strong>im</strong> Personal offenbar an Zeit für eine intensivere Beschäftigung mit den<br />

Patienten mangelt. Im Kaufbeurer Modell wird Zeit gefordert, nicht nur vom<br />

Konsiliardienst, sondern auch von den Pflegekräften und von den Ärzten <strong>im</strong><br />

<strong>Krankenhaus</strong>. Man muss mit den Patienten sprechen und sich in ihre Situation<br />

einfinden. Und plötzlich ist offenbar doch Zeit da, und es gibt auch noch<br />

Einspareffekte. Das scheint doch ein wunderbares Ergebnis.<br />

Sabine Kirchen-Peters: Die mangelnde Zeit wurde in der Implementationsphase<br />

<strong>im</strong>mer wieder als Grund vorgeschoben: „Wir haben keine Zeit für<br />

Besprechungen. Wann sollen wir das denn machen?“ Und dann fanden<br />

„zwischen Tür und Angel“ Gespräche statt, in denen wichtige Informationen<br />

verloren gingen. Im Laufe der Zusammenarbeit hat sich aber herausgestellt,<br />

dass es sich lohnt, diese Zeit einzusetzen. Im Endeffekt spart man Zeit, weil<br />

bei den Patienten weniger Probleme entstehen. Und man spart nicht nur<br />

Zeit, sondern schont auch sein Nervenkostüm. Das war ein Lernprozess.<br />

Man macht sich jetzt die Zeit.<br />

38


2.3 Dr. med. Klaus Nißle; Andreas Eichhorn, Modellprojekt Kaufbeuren<br />

Die Bedeutung frühzeitiger Diagnostik und Behandlung<br />

Ich möchte mich zunächst für die Einladung bedanken und auch be<strong>im</strong> Ministerium,<br />

das uns ja bei mehreren Projekten unterstützt hat.<br />

Um zu verstehen, wie der gerontopsychiatrische Konsiliar- und Liaisondienst<br />

entstanden ist, werde ich kurz unseren Weg von einer ehemals fünf Stationen<br />

umfassenden stationären Abteilung mit 120 Betten hin zu einem ausdifferenzierten<br />

<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>en Zentrum skizzieren.<br />

Gerontoambulanz<br />

� Angehörigenberatung<br />

� Gehstruktur/Hausbesuche<br />

� Diagnostik<br />

� Behandlung<br />

� Psychi atrisch e Hilfe<br />

� Organisation & Vermittlung<br />

Gerontoambulanz<br />

Liaisondienst <strong>im</strong><br />

Allgemeinkrankenhaus<br />

� Fachärztliche Diagnose & Therapieempfehlung<br />

� Problemorientierte & stützende G espräche<br />

� Beratung für Angehörige & Pflegepersonal<br />

� Gruppenaktivitäten & Ergotherapie<br />

� Fortbildungen<br />

Liaisondienst<br />

Stationäre<br />

Behandlung<br />

<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>es<br />

Zentrum<br />

Kaufbeuren<br />

Zentrum für<br />

seelische Gesundheit<br />

� Integrierte Versorgung<br />

� Selbsthilfeberei ch<br />

� Gemeinsames W ohnen<br />

Stationäre Behandlung<br />

� Tagesstruktur<br />

� Sozialberatung<br />

� Angehörigenberatung<br />

� Gruppenaktivitäten & Ergotherapie<br />

� Bezugspflege<br />

� Übergangspflege<br />

� Fachärztliche Diagno stik & Beh andlung<br />

Pflegeinstitut<br />

Pflegeinstitut<br />

� Fort- & W eiterbildung<br />

� Seminar e<br />

� Im-Haus-Angebote<br />

� Organisation sent wicklung<br />

� Konzeptberatung<br />

Blaue Blume<br />

Es wurde sehr rasch deutlich, dass die Angehörigen einen wichtigen Faktor<br />

bei der Vermeidung einer stationären Behandlung zugunsten einer ambulanten<br />

Versorgung darstellen. Die Angehörigen fühlen sich mit der Situation<br />

weitgehend allein und haben wenig Beratung. Eine erst kürzlich in der Bundesrepublik<br />

durchgeführte Umfrage in den öffentlichen psychiatrischen<br />

39


Krankenhäusern zum Thema Angehörigenarbeit konnte belegen, dass nach<br />

wie vor nur etwa 50% aller Kliniken z.B. Angehörigengruppen anbieten. Das<br />

ist eigentlich ein Skandal.<br />

Grundsätzlich ist es wichtig, dass nicht nur Gruppenangebote für Angehörige<br />

vorgehalten werden, sondern dass Angehörige sich auch selbst organisieren.<br />

Das ist in Kaufbeuren sehr früh passiert, weil wir sehr aktive Angehörige<br />

haben. In Kooperation mit der regionalen Alzhe<strong>im</strong>er-Gesellschaft bieten<br />

wir einmal <strong>im</strong> Monat solche Angehörigentreffen an.<br />

Wir erkannten, dass es nicht nur bei den Angehörigen große Unsicherheiten<br />

gab, sondern auch in den Alten- und Pflegehe<strong>im</strong>en, die gar nicht auf die<br />

psychisch kranken älteren <strong>Menschen</strong> vorbereitet waren und auch sehr ablehnend<br />

mit Aufnahmen umgingen. Das heißt, dass wir in den He<strong>im</strong>en tätig<br />

werden mussten, um dort zum einen die psychisch kranken älteren <strong>Menschen</strong><br />

ausreichend zu betreuen, zum anderen aber auch das Personal vor<br />

Ort weiterzubilden.<br />

Die niedergelassenen Nervenärzte in unserer Region versorgen psychisch<br />

kranke <strong>Menschen</strong> in ihren Praxen, sie machen keine Hausbesuche. Es ist<br />

nach wie vor die absolute Ausnahme in vielen Regionen Deutschlands, dass<br />

ein Nervenarzt überhaupt in ein Pflegehe<strong>im</strong> geht. In Mecklenburg-Vorpommern<br />

beispielsweise gibt es kaum niedergelassene Nervenärzte. Hier in<br />

Bonn mag das anders sein, Herr Prof. Hirsch ist sehr aktiv vor Ort, aber es<br />

bleibt insgesamt festzuhalten, dass in diesem Bereich enorme Versorgungslücken<br />

bestehen.<br />

Durch den Schritt ins He<strong>im</strong>, durch den Schritt nach draußen kamen wir in<br />

unserer ambulanten Tätigkeit <strong>im</strong>mer mehr mit den Betroffenen vor Ort zusammen,<br />

konnten auch viel mehr Patienten in einem früheren Stadium erreichen.<br />

Trotzdem blieb die Psychiatrie mit einem gewissen Stigma behaftet.<br />

Dieses Stigma führte am Anfang z.B. dazu, dass viele Angehörige Bedenken<br />

hatten, wenn wir zum Hausbesuch kamen und dann das Auto vom Bezirkskrankenhaus<br />

vor der Tür parkte. Dass Probleme in der Familie bestehen,<br />

sollte <strong>im</strong> ländlichen Bereich niemand wissen. Da gab es sehr viele Unsicherheiten.<br />

Wir führten Fortbildungsveranstaltungen zum Thema durch,<br />

und versuchten, in der Region auch zusammen mit den niedergelassenen<br />

Kollegen um mehr Offenheit zu werben. Diese waren anfänglich gegenüber<br />

dem Vorhaben sehr reserviert. „Was will der Psychiater jetzt bei meinen<br />

Patienten zu Hause?“ Da gab es bei Beginn riesige Aufregungen. Aber es<br />

40


zeigte sich <strong>im</strong> weiteren Verlauf, dass man miteinander viel bessere Erfolge<br />

erzielen kann. Es fanden zum Teil gemeinsame Hausbesuche mit Hausärzten<br />

statt. Die Nervenärzte betreuten gemeinsam mit dem Pflegepersonal von<br />

unserer Station die Ambulanzpatienten. Unsere Krankenschwestern machten<br />

Hausbesuche, und die Nervenärzte kümmerten sich in ihrer Praxis um<br />

die Pharmakologie. So entstand nach und nach eine Vernetzung.<br />

Ein wichtiges Spezifikum unserer Ambulanz besteht darin, dass die Mitarbeiter<br />

nicht exklusiv dem ambulanten Bereich zugeordnet, sondern auch <strong>im</strong><br />

stationären Bereich eingebunden sind. Von der Station aus begannen wir<br />

regionalisiert ambulant zu arbeiten. Das bedeutet, ein multiprofessionelles<br />

Behandlungsteam ist für die Patienten in einer best<strong>im</strong>mten Region zuständig,<br />

unabhängig davon, ob sich diese Patienten gerade in stationärer oder<br />

ambulanter Behandlung befinden.<br />

In dieser Situation stellten wir fest, dass auch viele Probleme bei Patienten<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus bestehen, und dass es Wissenslücken be<strong>im</strong> dortigen<br />

Personal gibt.<br />

Wissenslücken gibt es auch in der Altenpflege. Nach wie vor ist es so, dass<br />

die Gerontopsychiatrie in der Altenpflegeausbildung kaum vorkommt. Das ist<br />

eigentlich ein Unding, denn derzeit haben ca. 60 bis 80% der Pflegehe<strong>im</strong>bewohner<br />

eine gerontopsychiatrische Erkrankung. In Bayern gelang es uns,<br />

ein Curriculum zur gerontopsychiatrischen Pflege auf den Weg zu bringen.<br />

Im Rahmen dieses Curriculums sind jetzt alle Pflegekräfte gehalten, zumindest<br />

eine siebenwöchige Basisinformation über gerontopsychiatrische Störungsbilder<br />

wahrzunehmen. Rund 10% dieser Teilnehmer können danach<br />

eine berufsbegleitende Weiterbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft<br />

machen, die zwei Jahre dauert.<br />

Warum ist das so wichtig? Weil in der Zukunft hinsichtlich der ambulanten<br />

und stationären Versorgung sehr viel auf den Schultern des Pflegepersonals<br />

liegen wird. Der Arzt wird bei uns nur hinzu gerufen, wenn sich eine psychische<br />

Veränderung ergibt. Verantwortlich für die kontinuierliche Behandlung<br />

der meisten Patienten vor Ort ist mittlerweile die Pflegekraft. Wir haben in<br />

Kaufbeuren ein Pflegeinstitut, das jetzt für Hausärzte geöffnet wird, weil<br />

diese ebenfalls einen großen Nachholbedarf in gerontopsychiatrischem Wissen<br />

haben. Es werden viele Psychopharmaka verordnet, die nicht indiziert<br />

oder kontraindiziert sind und bei denen Arzne<strong>im</strong>ittelinteraktionen nicht be-<br />

41


ücksichtigt werden. Aber auch das Erkennen von psychischen Störungen ist<br />

ein großes Problem.<br />

Den letzten Baustein, den wir aufgebaut haben, nennen wir „Blaue Blume“,<br />

unser Zentrum für Seelische Gesundheit <strong>im</strong> Alter. Dieses Zentrum ist als ein<br />

noch niedrigschwelligeres Angebot angelegt als die Ambulanz. Es handelt<br />

sich um ein Haus in Kaufbeuren, das wir mit Mitteln des bayrischen Sozialministeriums<br />

erwerben konnten. In diesem Haus sind eine Begegnungsstätte,<br />

eine Wohngemeinschaft für ältere <strong>Menschen</strong> und eine diagnostische<br />

Einheit untergebracht. Das ganze Angebot ist unterteilt in einen Selbsthilfebereich,<br />

der von den <strong>Menschen</strong> getragen wird, die dort hinkommen und sich<br />

gemeinsam eine Tagesstruktur geben und ein Projekt <strong>im</strong> Rahmen der integrierten<br />

Versorgung nach § 140 SGB V, in dessen Rahmen wir gemeinsam<br />

mit den Hausärzten und mit den niedergelassenen Nervenärzten die Zuweisung<br />

z.B. zur Gedächtnissprechstunde betreiben. Es gibt auch eine Depressionsbewältigungsgruppe,<br />

in die Patienten mit depressiven Störungen gehen<br />

können, auch wenn sie nicht stationär behandelt werden. Das Projekt wurde<br />

mit der AOK und mit einigen Ersatzkassen in die Dauerfinanzierung überführt.<br />

Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass wir jetzt noch früher, als<br />

das mit der Ambulanz der Fall war, gerade Patienten mit beginnenden dementiellen<br />

Störungen erreichen. Die kommen eher in dieses Zentrum, als<br />

dass sie sich in der stationären Psychiatrie oder in der Ambulanz melden.<br />

Ich glaube, dass dieses Verbundsystem ein Weg sein kann, wie in Zukunft<br />

die Probleme mit gerontopsychiatrisch Erkrankten in den Griff zu kriegen<br />

sind.<br />

Andreas Eichhorn<br />

Bevor ich auf die inhaltlichen Aspekte der ärztlichen Tätigkeit <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines gerontopsychiatrischen Konsiliar- und Liaisondienstes an einem Allgemeinkrankenhaus<br />

eingehe, möchte ich zur Verdeutlichung der Bedeutung<br />

eines derartigen Dienstes die aktuelle Ausgangssituation in der Bundesrepublik<br />

Deutschland anhand einiger Untersuchungen und Studienergebnisse<br />

kurz skizzieren.<br />

Bezüglich des Unterstützungsbedarfs von psychisch kranken alten <strong>Menschen</strong><br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus kann man nur auf wenig zielgenaue Daten<br />

zurückgreifen, denn die meisten Erfahrungen basieren auf der Arbeit der<br />

42


allgemeinpsychiatrischen Dienste, die altersunabhängig tätig werden. Herzog<br />

geht in seinen Leitlinien für Konsiliar- und Liaisondienste davon aus,<br />

dass ca. ein Drittel der wegen körperlicher Erkrankungen behandelten <strong>Krankenhaus</strong>patienten<br />

gleichzeitig unter psychischen Beschwerden leidet. Laut<br />

Hirsch kommt es bei rund 20 % der stationär behandelten älteren <strong>Menschen</strong><br />

mit körperlichen Erkrankungen zu Verwirrtheitszuständen, so genannte Delire,<br />

die häufig als Depression (42%) fehlinterpretiert oder gar übersehen<br />

werden (33%). Er zitiert eine Mannhe<strong>im</strong>er Studie in Inneren Abteilungen, die<br />

gezeigt hat, dass rund 30% der Patienten zwischen 65 und 80 Jahren an<br />

psychischen Störungen litten, darunter die Mehrzahl an einem dementiellen<br />

Syndrom. Diefenbacher, der sich speziell mit psychischen Erkrankungen<br />

älterer <strong>Menschen</strong> beschäftigt, geht davon aus, dass bei 36% dieser Klientel<br />

ein Konsilbedarf besteht. Von ihnen werden jedoch nur 3% tatsächlich von<br />

einem Psychiater gesehen.<br />

Dieses Missverhältnis zwischen dem Bedarf an Unterstützung und der realen<br />

Inanspruchnahme zeitigt für die Betroffenen, aber auch für deren Angehörige,<br />

zum Teil erhebliche, manchmal auch dramatische Folgen, worauf ich<br />

am Ende meines Vortrags noch einmal detaillierter eingehen werde.<br />

Wie stellt sich die Situation nun in Kaufbeuren dar? Das Klinikum Kaufbeuren-Ostallgäu<br />

ist ein Allgemeinkrankenhaus der zweithöchsten Versorgungsstufe,<br />

verfügt aktuell über ca. 360 Betten und hält beinahe alle somatischen<br />

Disziplinen vor. Im Jahr 2004 wurden ca. 13.700 Patienten (13.400<br />

DRG-Fälle) aufgenommen, ca. 52% waren 65 Jahre und älter, mehr als 60%<br />

aller Pflegetage entfielen auf diese älteren Patienten. In Folge des demographischen<br />

Wandels ist zu erwarten, dass der Anteil älterer <strong>Menschen</strong>, die<br />

in einem Allgemeinkrankenhaus behandelt werden, zukünftig weiter steigen<br />

wird.<br />

Seit Beginn des Modellprojekts Anfang Oktober 2000 wurden die anlässlich<br />

eines Konsils gestellten psychiatrischen Diagnosen gemäß der ICD 10 (Kapitel<br />

F) 2 quartalsweise erfasst.<br />

2 = > 10. Revision der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen.<br />

43


Tabelle 1: Diagnoseverteilung (4/2000 bis 2/2004):<br />

Von den gestellten Diagnosen entfallen rund 46% auf „organische, einschließlich<br />

symptomatischer psychischer Störungen“, 26% auf „affektive<br />

Störungen“ und 13% auf „neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“.<br />

Diese drei Hauptgruppen machen insgesamt rund 85% aller Diagnosen<br />

aus. Seit Modellbeginn gab es wenige Verschiebungen zwischen diesen<br />

drei Gruppen, die Abweichungen betrugen pro Jahr jeweils höchstens<br />

zwei bis drei Prozent <strong>im</strong> Vergleich zur Gesamtauswertung.<br />

Die Demenz macht mit rund 32% von 46% den Großteil der Diagnosen innerhalb<br />

der „organischen Störungen“ aus. Ca. jede dritte Diagnose betrifft<br />

demnach eine Form von Demenz. Von allen Diagnosen entfallen 5,5% auf<br />

Verwirrtheitszustände (Delire) unterschiedlichster Genese. Jede vierte Diagnose<br />

lautet Depression. Bis zum Ende des 2. Quartals 2004 wurde neunmal<br />

die Diagnose „vorsätzliche Selbstbeschädigung“ gestellt, hinter der sich ein<br />

Suizidversuch verbirgt. Bei sechs dieser neun Patienten war den Pr<strong>im</strong>ärbehandlern<br />

vor dem psychiatrischen Konsil nicht bekannt, dass die zur Aufnahme<br />

führende Symptomatik Resultat eines vorangegangenen Suizidversuchs<br />

war.<br />

44<br />

Diagnoseverteilung (4/2000 bis 2/2004):<br />

Diagnose<br />

Organische, einschl. symptomatischer psychischer<br />

Störungen<br />

Affektive Störungen<br />

Belastungs- und somatoforme Störungen<br />

Psychische und Verhaltensstörungen durch<br />

psychotrope Substanzen<br />

Krankheiten des Nervensystems<br />

Schizophrenie<br />

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen<br />

sonstiges<br />

insgesamt<br />

N<br />

954<br />

535<br />

280<br />

89<br />

66<br />

49<br />

41<br />

79<br />

2093<br />

v.H.<br />

45,6<br />

25,6<br />

13,4<br />

4,3<br />

3,2<br />

2,3<br />

2,0<br />

3,7<br />

100


Wo liegen nun innerhalb des umfangreichen Aufgabenspektrums die<br />

Schwerpunkte für den ärztlichen Mitarbeiter?<br />

� Diagnostik, Behandlungsempfehlung und Verlaufsmonitoring<br />

Bei direkten Konsilanfragen, die in den meisten Fällen vom Pr<strong>im</strong>ärbehandler<br />

gestellt werden, geht es in der Regel vor allem um eine schnelle<br />

Unterstützung bei der Diagnostik und der Behandlung. Diese Anfrage<br />

bezieht sich auf die fachärztliche Kompetenz. Die Behandlungsempfehlung<br />

umfasst einen Vorschlag zur medikamentösen Intervention, wenn<br />

notwendig, den Einsatz apparativer Zusatzdiagnostik, die Planung weiterer<br />

Unterstützung durch den Fachdienst, die Empfehlung, weitere krankenhausinterne<br />

Berufsgruppen in die Behandlung mit einzubeziehen,<br />

wenn dies sinnvoll erscheint, wie z.B. die Sozialberatung, Krankengymnastik<br />

oder die Logopädie sowie konkrete Tipps über den Umgang mit<br />

dem Patienten. Wichtig ist zudem, den eingeschlagenen Therapieweg in<br />

festgelegten Abständen zu überprüfen und die Maßnahmen gegebenenfalls<br />

neuen Erfordernissen anzupassen.<br />

� Krisenintervention<br />

Die patientenbezogene Krisenintervention wird in aller Regel bei schweren<br />

Verhaltensauffälligkeiten notwendig. Dazu zählen aggressives Verhalten<br />

gegenüber dem Klinikpersonal oder gegenüber Mitpatienten, die<br />

Verweigerung notwendiger Maßnahmen <strong>im</strong> Bereich der Pflege oder medizinischen<br />

Behandlung sowie Wahnzustände, die den Eindruck einer<br />

Unberechenbarkeit der Person vermitteln und zu Ängsten be<strong>im</strong> Personal<br />

führen. Beide Berufsgruppen sind hier gefragt, die Pflegekräfte und der<br />

Arzt. Um Hilfe nachgesucht wird auch bei Patienten mit plötzlichen Verwirrtheitszuständen,<br />

z.B. nach Operationen (Delire), bei Personen mit<br />

suizidalen Äußerungen oder vorangegangenen Suizidversuchen oder<br />

bei Erkrankten mit massiven emotionalen Überforderungen, z.B. bei der<br />

Erstdiagnose einer Tumorerkrankung.<br />

� Die Beratung der Angehörigen, die vom gesamten Team wahrgenommen<br />

wird, spielt eine ganz zentrale Rolle. Darüber wird Frau Mahlberg<br />

<strong>im</strong> Anschluss an die Mittagspause referieren.<br />

� Ebenso wichtig ist die Sicherstellung einer Schnittstellen übergreifenden<br />

Behandlungskontinuität. Auch diese Aufgabe wird von allen Berufsgruppen<br />

gleichrangig wahrgenommen. Um die stationäre Phase mit der ambulanten<br />

Weiterbehandlung möglichst opt<strong>im</strong>al zu verzahnen und Be-<br />

45


46<br />

handlungsbrüche zu vermeiden, unterhält der Liaisondienst Kontakte zu<br />

allen in der Altenpflege tätigen Einrichtungen und Berufsgruppen, wie<br />

ambulante Pflegedienste, Altenhe<strong>im</strong>e, Hausärzte, niedergelassene Nervenärzte,<br />

Betreuer und zu dem von Herrn Dr. Nißle soeben vorgestellten<br />

gerontopsychiatrischen Netzwerk. Selbstverständlich stehen wir auch für<br />

Rückfragen jederzeit zur Verfügung.<br />

� Unverzichtbarer Bestandteil zur Sensibilisierung für gerontopsychiatrische<br />

Fragestellungen und Vermittlung von Hintergrundwissen ist die berufsgruppenbezogene<br />

Fortbildung. Mehrmals <strong>im</strong> Jahr werden bei den<br />

Ärzt/innen der unterschiedlichen Abteilungen ca. einstündige Unterweisungen<br />

durchgeführt. Dabei geht es um (geronto-)psychiatrische Krankheitsbilder,<br />

deren Behandlungsmöglichkeiten und pharmakologische<br />

Besonderheiten <strong>im</strong> Alter.<br />

Vergegenwärtigt man sich den Anteil der älteren <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus,<br />

die neben ihren körperlichen Erkrankungen auch unter einer<br />

psychischen Beeinträchtigung leiden, so ergibt sich allein daraus schon die<br />

enorme Bedeutung frühzeitiger Diagnostik und Behandlung. Bei vielen dieser<br />

<strong>Menschen</strong> ist vor Beginn der stationären Behandlung eine psychische<br />

Störung nicht bekannt. Dies hat vielerlei Gründe, z.B. Schamgefühle bei den<br />

Betroffenen oder ihren Angehörigen. Wer gesteht sich oder anderen schon<br />

gern ein, dass seine Gedächtnisleistungen nachlassen und er oder sie Mühe<br />

hat, sich <strong>im</strong> Alltag noch zurechtzufinden. Es gibt <strong>im</strong>mer noch eine große<br />

Scheu und Skepsis gegenüber der Psychiatrie, Berührungsängste, Angst<br />

vor Stigmatisierung. Da ist aber auch die <strong>im</strong>mer noch vorhandene Unkenntnis<br />

von Krankheitsbildern und deren Behandlungsmöglichkeiten auf Seiten<br />

der Hausärzte zu nennen, um nur einige Gründe anzuführen. Gerade in dem<br />

vorurteilsfreien, „neutralen“ Raum eines Allgemeinkrankenhauses besteht<br />

die Möglichkeit, diese <strong>Menschen</strong> zu erreichen und sie fachübergreifend einer<br />

effektiven Behandlung zuzuführen. Generell lässt sich sagen, je früher<br />

eine entsprechende Diagnose gestellt und eine zielführende Behandlung<br />

eingeleitet werden, desto besser ist das Ergebnis. Ich denke, es ist für jeden<br />

nachvollziehbar, dass sich der Genesungsprozess beispielsweise be<strong>im</strong> Vorliegen<br />

einer Depression erheblich verzögern oder sogar misslingen kann.<br />

Diese Patienten sind nicht motiviert, am Genesungsprozess aktiv mitzuwirken,<br />

sie sehen keinen Sinn darin. Aus einer traurig-resignativen Grundhaltung<br />

heraus verweigern sie eine notwendige Medikamenteneinnahme, essen<br />

und trinken zu wenig oder gar nicht mehr, ziehen sich sozial zurück und


suchen auch den Hausarzt nach der Entlassung nicht auf. Ältere <strong>Menschen</strong><br />

mit einer behandlungsbedürftigen Depression verstehen nicht, was mit ihnen<br />

geschieht, verstehen nicht, dass sie an einer grundsätzlich gut behandelbaren<br />

Erkrankung leiden, sie halten ihre seelische Befindlichkeit vielmehr für<br />

ein unabwendbares Schicksal <strong>im</strong> Alter und ergeben sich darin.<br />

Ich will nun einige Situationen beschreiben, wie sie meines Erachtens häufig<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus angetroffen werden und die verdeutlichen sollen,<br />

warum eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung so wichtig sind. Da ist<br />

zum einen die Identifizierung von Patienten mit leichten kognitiven Störungen<br />

oder einem dementiellen Syndrom. Neben einer adäquaten medikamentösen<br />

Behandlung liegt hier der Schwerpunkt in der sozialpsychiatrischen<br />

Weiterversorgung dieser <strong>Menschen</strong>. Dies beginnt schon mit der Sicherstellung<br />

der regelmäßigen Medikamenteneinnahme nach der Entlassung. Das<br />

klingt banal, ist es aber nicht. Sie kennen sicherlich die Ergebnisse von Studien,<br />

die aufzeigen, dass rund die Hälfte aller verordneten Medikamente gar<br />

nicht oder nicht in der Form und Regelmäßigkeit eingenommen werden, wie<br />

sie verordnet wurden. Dies geht weiter mit der Intensivierung sozialer Kontakte<br />

bis hin zur Vermeidung unnötiger He<strong>im</strong>einweisungen, was in den allermeisten<br />

Fällen durch eine intensive Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst<br />

des <strong>Krankenhaus</strong>es und den Angehörigen erreicht werden kann, indem<br />

durch Schließen vorhandener Versorgungslücken eine bessere häusliche<br />

Versorgungssituation erreicht wird. Zum anderen ist die zügige und adäquate<br />

Behandlung deliranter Syndrome jedweder Ätiologie wichtig. Wird<br />

ein Delir nicht erkannt und Ziel gerichtet behandelt, hat dies oft gravierende<br />

Folgen.<br />

Die häufig mit einem Delir einher gehende psychomotorische Unruhe, Desorientiertheit<br />

und Tendenz zur illusionären situativen und personellen Verkennung<br />

führt vielfach dazu, dass diese Patienten sich venöse Zugänge,<br />

Verbände oder Elektroden entfernen, so dass z. B. eine postoperative Versorgung<br />

und Überwachung mittels Monitoring undurchführbar wird; sie ziehen<br />

sich blockierte Dauerkatheter mit der Gefahr, erhebliche Verletzungen<br />

zu erleiden, neigen dazu, ihr Bett zu verlassen und zu stürzen, was gerade<br />

in der Chirurgischen Abteilung den Therapieerfolg häufig konterkariert oder<br />

zumindest erheblich gefährdet. Um Stürze und andere tatsächliche oder<br />

vermeintliche Gefährdungen zu vermeiden, und auch aus Furcht vor möglichen<br />

Regressforderungen, tendiert man sehr schnell zu einer oft unnötigen<br />

und unmenschlichen mechanischen Fixierung. Diese wiederum kann trau-<br />

47


matisierend für die betroffenen <strong>Menschen</strong> sein und führt gegensätzlich zur<br />

intendierten Wirkung häufig dazu, dass die Situation weiter eskaliert. Oft<br />

steht der Pr<strong>im</strong>ärbehandler deliranten Patienten hilflos gegenüber, kann das<br />

herausfordernde Verhalten nicht einordnen, erlebt den Druck von Seiten des<br />

Pflegepersonals, doch endlich etwas zu unternehmen, insbesondere bei<br />

Patienten, die ihre Umgebung verzerrt wahrnehmen, paranoid verarbeiten,<br />

ängstlich sind und konsekutiv fremdaggressive Verhaltensweisen entwickeln<br />

können. Die Pr<strong>im</strong>ärbehandler neigen dann oftmals zu einer vollkommen<br />

irrationalen Polypharmazie, die manchmal einer gewissen aggressiven Gegenübertragung<br />

geschuldet ist. Diese unreflektierte Polypharmazie kann<br />

wiederum gravierende Nebenwirkungen zur Folge haben, so dass sehr<br />

schnell eine sich beschleunigende Negativspirale entsteht.<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass durch den Einbezug<br />

eines Facharztes unnötige kurzfristige oder längerfristig angelegte<br />

psychopharmakologische Interventionen mit all ihren gesundheitlichen und<br />

ökonomischen Implikationen vermieden werden könnten. Immer wieder bin<br />

ich mit der unnötigen Verordnung eines Antidepressivums konfrontiert, weil<br />

vom Pr<strong>im</strong>ärbehandler ein dementielles Syndrom oder ein Delir als Depression<br />

fehlinterpretiert wird. Da auf Seiten der Pr<strong>im</strong>ärbehandler bezüglich der<br />

Psychopharmakologie oft große Unkenntnis besteht, werden auch bei<br />

grundsätzlich richtiger Indikation Präparate eingesetzt, die insbesondere bei<br />

älteren <strong>Menschen</strong> mit einer hohen Komplikationsrate verbunden sein können.<br />

Die Wahl der richtigen Substanz ist auch unter dem Aspekt möglicher<br />

Arzne<strong>im</strong>ittelinteraktionen von großer Bedeutung. Ältere <strong>Menschen</strong> sind häufig<br />

mult<strong>im</strong>orbid und nehmen <strong>im</strong> Schnitt fünf verschiedene Medikamente pro<br />

Tag ein. Hinweisen möchte ich außerdem auf die <strong>im</strong>mer noch häufige<br />

gleichsam reflexhafte Verordnung von Benzodiazepinen bei Schlafstörungen,<br />

die eigentlich obsolet sein sollte. Folgen einer derartigen Verordnungspraxis<br />

können u.a. eine iatrogene Abhängigkeit sein, eine erhöhte Sturzgefahr<br />

durch Muskelrelaxation oder auch eine Prolongation bereits vorbestehender<br />

Verwirrtheitszustände. Um das Gesagte und die multiprofessionelle<br />

Arbeitsweise des Liaisondienstes exemplarisch zu verdeutlichen, möchte ich<br />

nun einen Einzelfall vorstellen:<br />

48


A) Modellpatientin Frau D.<br />

1. Kurzvorstellung der Patientin<br />

� 78 Jahre, weiblich<br />

� ledig<br />

� lebt allein in seniorengerechter Eigentumswohnung (ebenerdig)<br />

� schwere Osteoporose - kann kaum laufen<br />

� legte in ihrem Leben <strong>im</strong>mer sehr viel Wert auf Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

und Eigenständigkeit<br />

2. Anlass der stationären Einweisung<br />

� Sturz aufgrund einer Exsikkose<br />

3. Psychische Auffälligkeiten/Problematik be<strong>im</strong> Erstkontakt<br />

� desorientiert in allen Bereichen<br />

� weinerlich, gereizt, ängstlich, unsicher, zum Teil aggressiv gegenüber<br />

dem Pflegepersonal<br />

� psychomotorisch unruhig<br />

� optische Halluzinationen<br />

� Ablehnungsverhalten - pflegerische Maßnahmen werden nicht zugelassen,<br />

abgewehrt, verweigert (Trinken)<br />

� Laut Pflegepersonal verwahrloster Eindruck bei Aufnahme<br />

4. Psychosozialer Hintergrund<br />

� wenig soziale Kontakte<br />

� Bruder vor zwei Jahren verstorben<br />

� aktuelle Versorgung zu Hause:<br />

- Nachbarin und Nichte (sporadisch)<br />

- Essen auf Rädern<br />

- Taxifahrerin (Einkäufe) - einmal pro Woche<br />

� keine Pflegestufe/keine gesetzliche Betreuung<br />

49


5. Interventionen während der stationären Behandlung<br />

50<br />

Krisenintervention<br />

� diagnostische Einschätzung vorgenommen: Dementielles Syndrom<br />

und delirante Symptomatik<br />

� Absetzen des vom Stationsarzt verordneten Antidepressivums (Saroten)<br />

� Beratung der Pflegekräfte (Erleben der Patientin dargestellt, Symptome<br />

erklärt, Veränderung der Situation und des Umgangs angeregt)<br />

� Kontaktaufnahme mit Hausarzt und Angehörigen<br />

� regelmäßige Kontakte durch Liaisondienst<br />

� validierende Gespräche zur Orientierung<br />

� Aktivierung durch Ergotherapie<br />

� Betreuung und Pflegestufe werden beantragt<br />

� Helferkonferenz bei Entlassung<br />

6. Einschätzung / Entlassungsperspektive<br />

Klinikpersonal:<br />

� Patientin kann nicht allein zu Hause leben<br />

� Entlassung in Pflegehe<strong>im</strong><br />

Liaisondienst:<br />

� Rückkehr in häusliches Milieu mit tragfähigem Hilfenetz möglich<br />

7. Verlauf nach Entlassung (sechsmonatiger Beobachtungszeitraum)<br />

� Helferkonferenz zu Hause, konkrete Absprachen, wichtig: gegenseitiges<br />

Kennenlernen der Helfer<br />

Hausbesuche des Liaisondienstes nach 3 Monaten:<br />

� Patientin wohnt allein in eigener Wohnung mit Hilfenetz<br />

- Pflegestufe I<br />

- Pflegedienst zwe<strong>im</strong>al täglich<br />

- Essen auf Rädern


- Nachbarin reinigt Wohnung, weitere Nachbarin kommt zu regelmäßigen<br />

Besuchen<br />

- Taxifahrerin erledigt Einkäufe<br />

- <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>e Ambulanz BKH (Pflege und Ergotherapie)<br />

- Hausarzt kommt regelmäßig<br />

- Gesetzliche Betreuung (Nichte)<br />

� räumliche und situative Orientierung weiterhin verbessert<br />

� zeitliche Orientierung weiterhin gestört<br />

� bewegt sich mit Rollator sicher<br />

� freundlich, kooperativ, dankbar für jede Hilfe<br />

� Hohes Maß an bewahrter Lebensqualität!<br />

Hausbesuch des Liaisondienstes nach 6 Monaten:<br />

� Demenz weiter fortgeschritten<br />

� Pflegestufe II<br />

� Pflegedienst kommt dre<strong>im</strong>al täglich<br />

� kein weiterer <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt<br />

� leidet abends unter dem Alleinsein, dadurch depressiver = > leichte<br />

Erhöhung des Antidepressivums<br />

� körperlich keine Veränderung<br />

� Frau D. führt am Ende des Beobachtungszeitraums trotz ihrer<br />

Beeinträchtigungen ein zufriedenes Leben.<br />

B) Präsentation eines fiktiven Verlaufs<br />

Der von mir präsentierte fiktive Verlauf ist nicht minder unrealistisch, wie<br />

die tagtägliche Erfahrung zeigt.<br />

� Immobilisierung<br />

� Delir wird nicht erkannt, sondern als Ausdruck des dementiellen<br />

Syndroms gesehen, keine Überprüfung der Medikation � weiterhin<br />

Saroten ® (+ evtl. Gabe eines Benzodiazepins wegen zunehmender<br />

psychomotorischer Unruhe)<br />

51


52<br />

� keine Rückkehr nach Hause � Kurzzeitpflege mit der Option Übersiedlung<br />

in ein Pflegehe<strong>im</strong> � Kurzfristige He<strong>im</strong>aufnahme überhaupt<br />

möglich? Rechtliche Rahmenbedingungen nicht geklärt<br />

� in Kurzzeitpflege Saroten ® -bedingter Harnverhalt � aufsteigende<br />

Harnwegsinfektion � Fieber � erneute <strong>Krankenhaus</strong>einweisung<br />

� wegen Inkontinenz Anlage eines Dauerkatheters � wegen Sturzgefahr<br />

(Delir!) weitere Immobilisation (Ängste des Personals vor Regressforderungen,<br />

Zeitmangel etc.)<br />

� Delir- u. demenzbedingt unzureichende Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr<br />

� nach vorübergehender Infusionstherapie Anlage einer PEG-Sonde<br />

� Patientin nach Wochen vollkommen auf Pflege angewiesen (Pflegestufe<br />

III)<br />

� Pflegehe<strong>im</strong>aufnahme, dort bettlägerig � subakute Verschlechterung<br />

des Allgemeinzustandes, zunehmende Atemnot später Fieber,<br />

Hausarzt wird hinzugezogen � Einweisung wegen Pneumonieverdacht<br />

� Patientin verstirbt nach wenigen Tagen <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch eine frühzeitige Diagnostik<br />

und interdisziplinäre Behandlung Sekundärkomplikationen reduziert, eine<br />

Chronifizierung vermieden, Behandlungsbrüche verhindert und Handlungsabläufe<br />

opt<strong>im</strong>iert werden können. Dies zeigt nicht zuletzt die Kaufbeurer Erfahrung.<br />

----------<br />

Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum<br />

Dr. Manfred Geiger: Fast könnte man den Eindruck gewinnen, <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />

würde systematisch auf eine Pflegebedürftigkeit hin gearbeitet, wenn<br />

es nicht gelingt, einen solchen Fachdienst in der beschriebenen Art und<br />

Weise dazwischen zu schalten.<br />

Dr. Bernd Meißnest: Der Job des Psychiaters in einem Allgemeinkrankenhaus<br />

ist nicht sehr willkommen bei den Fachkollegen. Das ist meine Erfahrung,<br />

ich bin Chefarzt der Gerontopsychiatrie in Gütersloh. Die Türen öffnen


sich erst langsam, und wenn wir Handlungsempfehlungen aussprechen, ist<br />

die Frage, wie die umgesetzt werden. Wir treffen ohnehin meistens nur auf<br />

die Assistenzärzte und nehmen große Hürden wahr. Was ist da Ihre persönliche<br />

Erfahrung? Die zweite Frage betrifft das Stellenprofil, das Sie aufgezeigt<br />

haben. Dieses setzt voraus, dass Sie ein Kollege sind, der fachlich<br />

hoch kompetent ist, der diagnostisch hoch kompetent ist, der die aktuellsten<br />

Wirkungen und Wechselwirkungen von Medikamenten <strong>im</strong> psychiatrischen<br />

und somatischen Bereich kennt usw. Sie müssen zudem sozialpsychiatrisch<br />

und in ethisch-menschlicher Richtung die richtige Haltung haben. Sie müssen<br />

sich <strong>im</strong> Netzwerk hervorragend auskennen, die komplementären Einrichtungen<br />

kennen. Dieses geballte Anforderungsprofil wirkt erdrückend oder<br />

lädt viele unserer Kollegen nicht unbedingt ein, diesen Job zu machen. Was<br />

ist da Ihre persönliche Erfahrung?<br />

Andreas Eichhorn: In Kaufbeuren war es anfänglich nicht anders, wir sind<br />

auch auf sehr viel Skepsis und Zurückhaltung gestoßen. Ich habe von diesen<br />

Berührungsängsten gesprochen, die waren allenthalben spürbar, und<br />

wir haben etwa ein halbes Jahr gebraucht, bis letztlich eine gewisse Vertrauensbasis<br />

hergestellt werden konnte. Auf dieser Vertrauensbasis hat sich<br />

<strong>im</strong> Laufe der Jahre dann ein sehr kollegiales Verhältnis entwickelt. Man kann<br />

sogar schon fast von einem freundschaftlichen Verhältnis sprechen. Ich höre<br />

<strong>im</strong>mer wieder von verschiedensten Berufsgruppen, dass die Psychiatrie<br />

oder der Liaisondienst aus dem <strong>Krankenhaus</strong> nicht mehr wegzudenken ist.<br />

Sicherlich brauchen Sie, wenn Sie so einen Dienst <strong>im</strong>plementieren wollen,<br />

jemanden, der sehr viel Erfahrung in der Psychiatrie hat, und Sie brauchen<br />

auch Leute, die eine hohe soziale und kommunikative Kompetenz besitzen,<br />

sonst können Sie so was nicht machen.<br />

Ruth Schlichting: Sie haben sehr eindrucksvoll dargestellt, wie die medizinische<br />

und pflegerische Behandlung vonstatten geht und welches Versorgungs-<br />

oder Pflegekonzept Sie in Kaufbeuren praktizieren. Wird in dem<br />

Akutkrankenhaus in Kaufbeuren auch darüber nachgedacht, das soziale und<br />

das räumliche Milieu für die psychisch Kranken zu verändern?<br />

Dr. Klaus Nißle: Das ist etwas sehr Grundsätzliches, es geht letztlich um das<br />

<strong>Menschen</strong>bild, es geht darum, wie man den Patienten sieht. Natürlich hat<br />

ein Allgemeinkrankenhaus zunächst eine ganz andere Denkweise, das wissen<br />

wir aus der Zeit, bevor der Liaisondienst ins Leben gerufen wurde. Da<br />

wird sehr funktionell gedacht, „da liegt ein Magen“ oder „da liegt eine Ober-<br />

53


schenkelfraktur“. Es haben sich ganz spannende Aspekte ergeben. Man<br />

kann das daran sehen, dass sich die Anzahl der freiheitseinschränkenden<br />

Maßnahmen <strong>im</strong> Laufe des Modellzeitraums deutlich reduzieren ließ. Dann<br />

haben sich be<strong>im</strong> Pflegepersonal auf einmal Diskussionen ergeben: „Wieso<br />

können wir nicht auch so pflegen wie die Psychiatrieschwestern?“ Das wird<br />

nachher noch ausgeführt. Es ist zudem deutlich geworden, dass man den<br />

Patienten eine Tagesstruktur geben muss, z.B. durch Ergotherapie, damit<br />

sie nicht den ganzen Tag <strong>im</strong> Bett liegen und warten, dass der Tag vergeht.<br />

Diese Dinge sind durchaus ins Bewusstsein gerückt.<br />

Andreas Eichhorn: Man hat sich auch bemüht, kleinere räumliche Veränderungen<br />

herbeizuführen. Das ist sehr schwierig in einem Allgemeinkrankenhaus,<br />

da gibt es viele Auflagen wie z.B. die Brandschutzbest<strong>im</strong>mungen. Es<br />

gibt jetzt kleinere Sitzgruppen auf dem Flur, wo sich Patienten treffen und<br />

unterhalten können. Man hat Orientierungshilfen angebracht, man ist bemüht,<br />

dass die Patienten nicht <strong>im</strong>mer nur diese „Flügelhemdchen“ anhaben,<br />

sondern Privatkleidung tragen. Das sind zwar nur kleine Veränderungen,<br />

aber auch kleine Veränderungen haben in der Summe oft eine große Wirkung.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Frau Kirchen-Peters berichtete in ihrem Vortrag von<br />

Planungen in Richtung einer separierten Abteilung für geriatrisch-gerontopsychiatrische<br />

Patienten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus. So überzeugend ich die<br />

Darstellung des Liaisonmodells auch finde, bei der eigenen Abteilung habe<br />

ich doch Bedenken, ob diese wirklich sinnvoll ist.<br />

Andreas Eichhorn: Ich glaube am Fallbeispiel ist deutlich geworden, wie<br />

wichtig eine interdisziplinäre Versorgung ist. Es macht keinen Sinn in Fachrichtungen<br />

zu denken: „Hier ist die Chirurgie, da ist die Innere und dort ist<br />

die Psychiatrie“. In Zukunft muss man einen Patienten gemeinsam am Krankenbett<br />

versorgen. Da muss sich nach meiner Vorstellung der Psychiater in<br />

das Allgemeinkrankenhaus begeben, und dort muss eine interdisziplinäre<br />

Versorgung erfolgen. Es ist ein weiter Weg dorthin, weil sich ganz viele Hürden<br />

auftun, aber wenn man patientenorientiert denkt, gibt es eigentlich keinen<br />

anderen Weg.<br />

54


2.4 Maria Mahlberg; Irmgard Ernszt, Modellprojekt Kaufbeuren<br />

Die Rolle der gerontopsychiatrischen Pflege und der<br />

Ergotherapie<br />

Maria Mahlberg<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich über die Einladung zu dieser<br />

Tagung und werde Ihnen die Rolle der gerontopsychiatrischen Pflege<br />

innerhalb des Liaisondienstes <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus näher bringen.<br />

Berichten werde ich über meine Arbeit, meine Erfahrungen und Aufgabengebiete,<br />

wie sie sich <strong>im</strong> Laufe des Modellprojekts herauskristallisiert haben.<br />

An dieser Stelle möchte ich mich noch bei meiner Kollegin, Frau Ernszt,<br />

herzlich bedanken, die mich bei der Vorbereitung dieses Vortrages unterstützt<br />

hat.<br />

Was heißt gerontopsychiatrische Pflege? Unter dem Begriff „gerontopsychiatrische<br />

Pflege“ verstehen wir Pflege von älteren, psychisch kranken <strong>Menschen</strong><br />

mit dem Ziel, die psychische, körperliche und soziale Gesundheit<br />

soweit als möglich wieder herzustellen. Allgemein könnte man sagen: die<br />

Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens eines psychischen<br />

Alterskranken.<br />

Zentrale Aufgabe ist es, den alten <strong>Menschen</strong> so zu unterstützen, dass er<br />

sein Leben so gut wie möglich selbst bewältigen kann, er aber trotzdem die<br />

Verantwortung dafür beibehält. Im Mittelpunkt des pflegerischen Handelns<br />

steht, ihn mit all seinen Freuden und Leiden, Stärken und Schwächen, Hoffnungen<br />

und Enttäuschungen zu sehen. Das heißt z.B. auch, ihn zu begleiten,<br />

damit er vorhandene Gebrechen, Krankheiten akzeptieren und sein<br />

Leben darauf einstellen und trotzdem zufrieden leben kann.<br />

Im Allgemeinkrankenhaus wird die Pflege von einem organisch-medizinischen<br />

Bild des Pflegebedürftigen geprägt; man ist auf die Befriedigung der<br />

basalen Lebensbedürfnisse mit wiederkehrenden Verrichtungen ausgerichtet.<br />

Das bedeutet, dass die körperliche Pflege (Grundpflege, Ernährung,<br />

Vorbereitung zur OP, Verbände etc.) <strong>im</strong> Vordergrund steht. Schwierig wird<br />

dies bei Patienten, die in der Wahrnehmungs-, Einsichts- und Handlungsfähigkeit<br />

eingeschränkt sind.<br />

55


Für ältere <strong>Menschen</strong> führt ein <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt zu Veränderungen<br />

und Einschränkungen. Der Verlust an Selbstständigkeit mit dem Gefühl,<br />

hilflos und abhängig zu werden und auf das Wohlwollen und die Hilfe von<br />

anderen angewiesen zu sein, erzeugt Angstgefühle und Unsicherheit. Weitere<br />

persönliche Einschränkungen können zu zeitlichen und räumlichen Orientierungsverlusten<br />

führen. Dadurch kommt es bei vielen älteren <strong>Menschen</strong> zu<br />

massiven Krisen, die eine Verschlechterung des psychischen Befindens<br />

auslösen.<br />

Diese Krisen können sich in psychomotorischer Unruhe, Weglauftendenz,<br />

fremdaggressivem Verhalten, Schreien, Schlafstörungen, Verweigerung von<br />

pflegerischen Maßnahmen und selbstgefährdendem Verhalten äußern. Andere<br />

wiederum reagieren misstrauisch, ängstlich, wirken gleichgültig, zeigen<br />

regressives Verhalten oder eine depressive Symptomatik mit Appetitmangel<br />

und reduziertem Antrieb etc. Durch diese psychischen Symptome lassen<br />

Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit nach, oft verschlechtert sich auch das<br />

körperliche Zustandsbild.<br />

Ziel der gerontopsychiatrischen Pflegekraft <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus ist<br />

es,<br />

� den älteren <strong>Menschen</strong>, die aufgrund eines oft schwierigen und belastenden<br />

<strong>Krankenhaus</strong>aufenthaltes in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt sind,<br />

eine Steigerung der Behandlungs- und Lebensqualität mit einer Entlassung<br />

in die häusliche Umgebung zu gewährleisten,<br />

� dem Pflegepersonal durch vermehrtes Hintergrundwissen mehr Handlungssicherheit<br />

bei der Behandlung und Pflege zu geben und als Experte<br />

zur Kooperation mit einem ausgedehnten Spezialwissen zur Seite zu<br />

stehen.<br />

Voraussetzung ist die „personenorientierte Pflege“ mit den Grundlagen<br />

� Beziehungsgestaltung,<br />

� Kommunikation,<br />

� Biographiearbeit.<br />

Mit der Beziehungsgestaltung ist eine offene, akzeptierende Such- und<br />

Grundhaltung gemeint, die sich in einer Wertschätzung des Patienten äußert<br />

und zwar unabhängig von seiner Krankheit, seinem Verhalten und seiner<br />

56


Herkunft (validierende Grundhaltung). Das heißt, man versucht, sich in den<br />

Kranken hineinzuversetzen. Dies erfordert oft viel Geduld und Ausdauer.<br />

Die Kommunikation (das Verstehen und das Sich-Verständlich-Machen)<br />

Es muss <strong>im</strong>mer wieder nachgefragt werden, ob und wie vereinbarte Inhalte<br />

verstanden wurden. Zudem sollte man sich klar, verständlich und einfühlend<br />

äußern und vor allem Zurechtweisungen und Vorwürfe unterlassen. Auch<br />

nonverbale Kommunikation ist von großer Bedeutung.<br />

Die Biographiearbeit ist die Basis zur Einschätzung der Pflegesituation für<br />

die Pflege- und Behandlungsplanung. Um die Bedürfnisse unserer Patienten<br />

adäquat befriedigen zu können, sollten ihre Gewohnheiten und Interessen,<br />

Vorlieben und Abneigungen sowie Rituale bekannt sein. Dies schafft Sicherheit<br />

und Vertrauen und erleichtert den Aufbau einer Beziehung.<br />

Ich selbst arbeitete vor dem Modellprojekt einige Jahre <strong>im</strong> stationären und<br />

ambulanten gerontopsychiatrischen Bereich des BKH. Im Rahmen dieser<br />

Tätigkeit begleitete ich psychisch <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> auf der Station, zu<br />

Hause und in Altenhe<strong>im</strong>en, führte dort auch Beratungen durch, fühlte mich<br />

sicher in meiner Arbeit.<br />

Auf die neue Aufgabe <strong>im</strong> Klinikum habe ich mich gefreut. Ich dachte, ich<br />

könnte bewährte Konzepte auf die Stationen <strong>im</strong> Klinikum übertragen. Diesem<br />

war aber nicht so. Es ergaben sich folgende Probleme:<br />

Ich wurde freundlich, aber sehr skeptisch aufgenommen. Das Klinikpersonal<br />

wusste mit mir, einer „Psychiatrieschwester“, und meinen Kollegen trotz<br />

persönlicher Vorstellungsrunden auf den Stationen und trotz der Darstellung<br />

unserer Ziele und Absichten, nichts anzufangen. Für die psychischen Belange<br />

der Patienten, die nur auffielen, wenn sich die Patienten als „Störenfriede“<br />

zeigten, war der Psychiater zuständig - dies war durch vorherige Konsilarbeit<br />

bekannt. Es wurden fast ausschließlich medikamentöse Empfehlungen<br />

gefordert. Unsere Sichtweisen und die des somatischen Pflegepersonals<br />

klafften weit auseinander.<br />

Es ist natürlich vordergründig naheliegend, einen unruhigen Patienten, der<br />

ständig das Z<strong>im</strong>mer oder die Station verlassen will, zu fixieren und medikamentös<br />

ruhig zu stellen; jemandem, der zu wenig trinkt, eine Infusion anzuhängen;<br />

jemandem, der die Toilette nicht findet (und in die Ecke uriniert),<br />

eine Inkontinenzeinlage anzuziehen oder einen Katheter zu legen. Hinter-<br />

57


grund dafür ist häufig eine hohe Arbeitsbelastung und eine gewisse Hilflosigkeit.<br />

Sobald ein Patient unruhig, desorientiert oder sogar aggressiv war, konnte<br />

sich kaum einer vorstellen, dass „so jemand“ nach Hause entlassen werden<br />

könnte. So war die Suche nach einem He<strong>im</strong>platz oft die Regel oder die Forderung,<br />

den Patienten ins BKH zu verlegen. Auch dass durch gezielte Veränderungen<br />

<strong>im</strong> Umgang mit dem Patienten oder durch Veränderungen in<br />

der unmittelbaren Umgebung <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> auf Verhaltensauffälligkeiten<br />

positiv eingewirkt werden kann, wurde zunächst nicht akzeptiert. Es folgte<br />

eine lange Zeit des Vertrauensaufbaus. Meine Kollegin und ich mussten bei<br />

Empfehlungen zum Umgang mit den Patienten oder bei sonstigen Veränderungsvorschlägen<br />

sehr sensibel vorgehen. Es war <strong>im</strong>mer wieder eine Gratwanderung,<br />

dass unsere Empfehlungen nicht als Kritik, sondern als eine<br />

mögliche Unterstützung bewertet wurden.<br />

Für ausführliche Besprechungen war oft keine Zeit. Aber ich musste auch<br />

meine eigenen Ansprüche sehr weit nach unten schrauben. Vieles war <strong>im</strong><br />

Allgemeinkrankenhaus schon strukturbedingt einfach nicht machbar. Gespräche<br />

mussten fast ausschließlich <strong>im</strong> Z<strong>im</strong>mer (mit Zuhörern) stattfinden,<br />

Ausweichmöglichkeiten waren kaum vorhanden. Andere Therapien, Untersuchungen,<br />

Operationen oder körperliches Unwohlsein und Schmerzen bei<br />

den Patienten behinderten oft meine Vorhaben und erforderten eine hohe<br />

persönliche Flexibilität.<br />

Um unsere Aufgaben und unsere Tätigkeiten sichtbarer werden zu lassen,<br />

konzentrierten wir uns auf Anraten unserer wissenschaftlichen Begleiterin,<br />

Frau Kirchen-Peters, später auf diejenigen Stationen, von denen die meisten<br />

Konsile angefordert wurden; dies waren zwei Internistische Stationen. Das<br />

Verständnis füreinander und das Vertrauen wuchsen, Hemmschwellen von<br />

Seiten der Pflegekräfte, etwas zu fragen oder uns hinzuzuziehen, verringerten<br />

sich erheblich.<br />

Folgende Aufgabenschwerpunkte kristallisierten sich <strong>im</strong> Laufe der Zeit für<br />

die psychiatrischen Pflegekräfte heraus:<br />

58


a) <strong>im</strong> Bereich der Patientenversorgung<br />

Wahrnehmen von Patienten mit gerontopsychiatrischer Fragestellung<br />

Die Pflegekräfte können uns hinzuziehen, wenn Unsicherheiten in der Einschätzung<br />

eines Patienten bestehen, wenn sie z.B. nicht wissen, ob der<br />

Patient vergesslich ist oder eine dementielle Störung vorliegt oder bei Patienten,<br />

die sehr ruhig sind und kaum sprechen, ob sie etwas bedrückt oder<br />

ob sie depressiv sind? Häufig sind Umgangsprobleme die Folge. Wir erstellen<br />

einen psychopathologischen Befund mit Anamnese, können die Patienten<br />

danach oft schon einschätzen und Interventionen ableiten.<br />

Die Anforderung findet über Konsilschein, über telefonische Anmeldung oder<br />

persönlich statt, wenn wir auf Station sind. Durch die hierarchischen Strukturen<br />

<strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> muss <strong>im</strong>mer wieder deutlich gemacht werden, dass das<br />

Pflegepersonal uns auch ohne ärztlichen Auftrag hinzuziehen kann. Wir<br />

können aber auch von uns aus Patienten in die Behandlung mit einbeziehen,<br />

wenn sie uns in der Aktivierungsgruppe oder be<strong>im</strong> Besuch des Z<strong>im</strong>mernachbarn<br />

auffallen.<br />

Problem- und ressourcenorientierte Patientengespräche<br />

Patientengespräche sind eine Hauptleistung der Fachpflege. Diese personenzentrierten<br />

Gespräche mit den betroffenen Patienten finden <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Beziehungspflege statt, beinhalten also auch die notwendige Biographiearbeit.<br />

Es werden belastende Empfindungen, Sorgen, Unsicherheiten,<br />

Ängste, Kränkungen, erfreuliche Ereignisse und Zukunftsperspektiven thematisiert,<br />

und es wird auch psychoedukativ gearbeitet.<br />

Für das psychische Gleichgewicht älterer <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> ist<br />

eine Begleitung während des oft belastenden Aufenthaltes unerlässlich.<br />

Gerade bei schwerwiegenden Diagnosen oder bevorstehenden Untersuchungen<br />

ist eine ausführliche und verständliche Aufklärung über die Erkrankung<br />

notwendig. Viele Patienten benötigen hierbei Unterstützung bei der<br />

Belastungsverarbeitung (Ängste, Überforderung, Hilflosigkeit).<br />

Für beides bleibt dem <strong>Krankenhaus</strong>personal oft wenig Zeit. Auch die nötige<br />

kommunikative Kompetenz kann man nicht <strong>im</strong>mer voraussetzen.<br />

59


Kriseninterventionen sind <strong>im</strong>mer wieder notwendig<br />

� bei Patienten mit schweren Verhaltensauffälligkeiten wie aggressivem<br />

Verhalten gegenüber dem Pflegepersonal oder Mitpatienten oder Weglauftendenz;<br />

� bei Verweigerung notwendiger Pflege- und Behandlungsmaßnahmen<br />

oder von Prophylaxen. Zu nennen wären hier Einnahmeverweigerung<br />

von Medikamenten, das Ziehen von Infusionen/Katheter, Nahrungs- und<br />

Flüssigkeitsverweigerung, Verweigerung von Mobilisation. Diese Liste<br />

könnte noch lange weitergeführt werden.<br />

� Auch ein plötzlicher Verwirrtheitszustand (Delir nach OP) oder Suizidäußerungen<br />

machen eine Krisenintervention notwendig. Hier ist eine<br />

schnelle Abschätzung der Ursachen notwendig, auf deren Grundlage die<br />

weiteren Schritte eingeleitet werden. Wichtig ist dabei die Beurteilung<br />

der erforderlichen Nähe bzw. Distanz, die Sorge um eine ruhige, reizarme<br />

Umgebung, das beruhigende Einwirken auf den Patienten und die<br />

Vermittlung eines Gefühls der Sicherheit.<br />

Gruppenangebote in Form von Aktivierungsgruppen machen wir gemeinsam<br />

mit unserer Ergotherapeutin. Diesen Punkt wird Frau Ernszt in Vertretung<br />

von Frau Freiberg <strong>im</strong> Anschluss genauer ausführen.<br />

Beratung und Begleitung der Angehörigen<br />

Während in der psychiatrischen Pflege die Einbeziehung der Angehörigen<br />

die Regel ist, kann davon in der „Somatik“ noch nicht ausgegangen werden.<br />

Die Angehörigen sind für uns in zweierlei Hinsicht wichtige Bezugspersonen.<br />

Zum einen sind sie<br />

� Informationslieferanten (hilfreich vor allem bei Demenzkranken, aber<br />

auch bei depressiven Patienten),<br />

� zum anderen müssen sie ausführlich beraten werden, durch eine Begleitung<br />

werden sie oft erst ermutigt, Pflegeverantwortung zu übernehmen.<br />

Von zentraler Bedeutung sind<br />

� die Aufklärung über das Krankheitsbild,<br />

� Ratschläge über den Umgang mit dem Kranken,<br />

� Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten nach dem <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt<br />

und<br />

60


� die emotionale Entlastung.<br />

Angehörige werden <strong>im</strong> Stationsalltag häufig als „schwierig“ und als zusätzliche<br />

Belastung empfunden. Aber vor allem bei <strong>Menschen</strong> mit Demenz sind<br />

<strong>im</strong>mer auch die Nahestehenden betroffen. Deshalb sollten sie und ihre Erfahrungen<br />

mit einbezogen werden.<br />

Das Bewusstmachen der Situation der Angehörigen, z.B. ihre hohe Belastung<br />

vor allem bei eigener Hochaltrigkeit oder ihre Schuldgefühle, hat bei<br />

vielen Mitarbeitern eine Änderung der Sichtweise und eine Öffnung bzw.<br />

Kooperationsbereitschaft herbeigeführt.<br />

Die Entlassungsplanung erfolgt in Kooperation mit den Patienten, den Angehörigen<br />

und dem <strong>Krankenhaus</strong>sozialdienst. Für die meisten Patienten<br />

bedeutet Lebensqualität, in ihre gewohnte häusliche Umgebung zurückkehren<br />

zu können. Es werden Hilfenetze aufgebaut bzw. aktiviert, um eine Unterversorgung<br />

zu vermeiden. Herr Eichhorn hat die verschiedenen Schnittstellen<br />

in seinem Vortrag schon aufgeführt. Wichtig ist, dass Informationen<br />

über die Situation vor dem <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt eingeholt werden (z.B.<br />

bei Verwahrlosungstendenzen). Im Sinne von „Case Management“ werden<br />

dann wichtige Koordinationsfäden gesponnen, die für den Aufbau und für die<br />

Koordinierung eines poststationären Hilfenetzes notwendig sind. In Einzelfällen<br />

wird vor der Entlassung zu Hause eine Helferkonferenz organisiert.<br />

Über gerontopsychiatrische Patienten, die vom BKH ins Klinikum verlegt<br />

werden, werden wir grundsätzlich informiert, diese Patienten werden von<br />

uns während des Aufenthaltes weiter behandelt und begleitet. Verlegungen<br />

vom Klinikum ins BKH können nur erfolgen, wenn die Patienten von uns<br />

gesehen wurden. Hierbei ist eine ausführliche Übergabe Standard, bei Bedarf<br />

werden Patienten auch persönlich begleitet.<br />

Bei den patientenbezogenen Aufgaben nehmen wir psychiatrischen Pflegekräfte<br />

einen zentralen Stellenwert <strong>im</strong> Liaisondienst ein, weil wir durch die<br />

Begleitung den intensivsten Kontakt und somit umfangreiche biographische<br />

und soziale Informationen von den Patienten haben. Die individuelle Vorgehensweise<br />

wird innerhalb unseres Teams in regelmäßigen multiprofessionellen<br />

Fallbesprechungen dargelegt, diskutiert und ggf. angepasst. Dabei gilt<br />

der Grundsatz, den alten <strong>Menschen</strong> so zu unterstützen, dass er sein Leben<br />

so gut wie möglich selbstständig bewältigen kann und auch die Verantwortung<br />

dafür behält.<br />

61


Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt hat sich <strong>im</strong> Bereich Kooperation mit<br />

dem <strong>Krankenhaus</strong>personal herausgebildet.<br />

� Um den Umgang mit psychisch <strong>veränderte</strong>n <strong>Menschen</strong> zu erleichtern, ist<br />

das Sensibilisieren des Klinikpersonals für die Belange von älteren psychisch<br />

kranken <strong>Menschen</strong> eine <strong>im</strong>merwährende Aufgabe, die vom medizinischen<br />

und pflegerischen Personal bis zur Verwaltungs- und Servicekraft<br />

reicht. Hier sind allerdings alle von uns gefordert.<br />

� Durch Krisen be<strong>im</strong> Patienten entsteht oft gleichzeitig Stress und Überforderung<br />

be<strong>im</strong> Pflegepersonal.<br />

Allein die Sicherheit, dass rasch Hilfe angefordert werden kann, führt<br />

schon zu einer erheblichen nervlichen Entlastung. Das Pflegepersonal<br />

steckt hier häufig in der Klemme zwischen den Bedürfnissen von psychisch<br />

Kranken, den täglichen Routineaufgaben und Beschwerden der<br />

Ruhe wünschenden Mitpatienten.<br />

� Die Beratung über den Umgang mit den Kranken ist eine zentrale Aufgabe<br />

der psychiatrischen Pflegekraft.<br />

Im oft hektischen Stationsalltag bleibt häufig wenig Zeit für den Einzelnen.<br />

Dies wirkt sich gerade auf demente <strong>Menschen</strong> negativ aus. Durch die Einbuße<br />

an kognitiven Fähigkeiten verstehen sie nicht, was ihnen gesagt wird<br />

oder vergessen es gleich wieder. Sie kennen sich nicht mehr aus, verkennen<br />

die Situation oder Personen. Vor allem das Pflegepersonal, das die<br />

meiste Zeit mit dem Kranken verbringt, benötigt hierbei Hinweise und Unterstützung,<br />

um gezielt auf die Bedürfnisse dieser Patienten einzugehen und<br />

geeignete Strategien zu entwickeln.<br />

Das Pflegepersonal kann sich mit Fragen an uns wenden, oder es werden<br />

<strong>im</strong> Rahmen von regelmäßigen Besprechungen auf den Stationen aktuelle<br />

Probleme diskutiert und das weitere Vorgehen festgelegt.<br />

Fortbildungen für das Pflegepersonal ist ein weiterer Aufgabenschwerpunkt.<br />

In der Krankenpflegeausbildung werden gerontopsychiatrische Erkrankungen<br />

und die damit verbundenen Auswirkungen meist sehr spärlich behandelt.<br />

Das heißt, es fehlt den Pflegekräften in der täglichen Arbeit an dem so<br />

wichtigen Hintergrundwissen über unsere Patienten.<br />

Wir bieten mehrmals <strong>im</strong> Jahr Tagesfortbildungen zu den Themen Demenz<br />

und Depression an. Den medizinischen Teil, wie Krankheitsbild, medikamentöse<br />

Behandlung usw., übern<strong>im</strong>mt unser Arzt, Herr Eichhorn. Wir von der<br />

62


Pflege konzentrieren uns auf die damit verbundenen Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Deren Ursachen und mögliche Interventionen bilden die Schwerpunkte<br />

unserer Lerneinheiten. Aber auch die eigene Haltung, die Einstellung zum<br />

Alter und zum gerontopsychiatrisch erkrankten <strong>Menschen</strong> sind dort ein wichtiges<br />

Thema. Die Fortbildungen werden praxisnah und mit Selbsterfahrungsanteilen<br />

gestaltet. Ein zentraler Bestandteil der Kompetenzerweiterung<br />

bzw. -vermittlung ist zusätzlich das Lernen am Einzelfall in der direkten Kooperation.<br />

Eine enge Zusammenarbeit mit der <strong>Krankenhaus</strong>sozialberatung ist bei unseren<br />

meist mult<strong>im</strong>orbiden Patienten von besonderer Bedeutung. Im Rahmen<br />

der Entlassungsvorbereitung kommt es zu Überschneidungen in den Tätigkeitsbereichen.<br />

Entscheidend für die Festlegung unseres Einsatzes sind<br />

gerontopsychiatrische Fragestellungen. Hier sind Absprachen und häufige<br />

Kontakte unabdingbar. Zusätzlich finden regelmäßig alle zwei Wochen Treffen<br />

statt, in denen gemeinsame Patienten identifiziert und besprochen werden.<br />

Resümee und Ausblick<br />

Wie Sie gehört haben, ist das Arbeitsfeld der gerontopsychiatrischen Pflege<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus sehr facettenreich. Nach anfänglicher Unsicherheit<br />

und Skepsis hat sich mittlerweile ein gutes Arbeits- und Vertrauensverhältnis<br />

entwickelt.<br />

Es wird gemeinsam nach einem guten Weg für die Patienten gesucht. Biographische<br />

und sozialpsychiatrische Aspekte werden jetzt eher mit einbezogen,<br />

und es wird geschätzt, dass sich der psychische Zustand der Patienten<br />

durch unsere begleitenden Gespräche stabilisiert. Unsere Einschätzungen<br />

unter Berücksichtigung des sozialen Kontexts werden vom Klinikpersonal oft<br />

mit Spannung erwartet. Probleme können nun offener angesprochen werden.<br />

Das Vorleben einer akzeptierenden und empathischen Grundhaltung<br />

sehe ich als wichtigen Grundstein.<br />

Insgesamt kann gesagt werden, dass sich das Hintergrundwissen bei den<br />

Pflegekräften und die Haltung gegenüber psychisch kranken <strong>Menschen</strong> zum<br />

Positiven hin verändert haben. Diesbezüglich ist unsere Arbeit durch die<br />

ständige Personalfluktuation <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> ein fortlaufender Prozess.<br />

63


Mit dem zunehmenden Anteil älterer <strong>Menschen</strong> mit gerontopsychiatrischen<br />

Erkrankungen <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus und auch angesichts der kürzer<br />

werdenden Liegezeiten mit der Folge von Arbeitsverdichtung ist eine fachlich<br />

qualifizierte gerontopsychiatrische Pflegekraft neben der somatischen<br />

von zunehmender Bedeutung, um auf die individuellen Bedürfnisse der psychisch<br />

kranken alten Patienten mehr Augenmerk zu legen.<br />

Um dem Ziel näher zu kommen, die Lebens- und Behandlungsqualität älterer<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> insgesamt zu verbessern, sollte in Zukunft<br />

auch in der Pflege das interdisziplinäre Arbeiten zum Standard werden.<br />

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Irmgard Ernszt<br />

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,<br />

ich möchte Ihnen nun noch etwas über die Rolle der Ergotherapie innerhalb<br />

des Liaisondienstes berichten.<br />

Auf medizinischer und wissenschaftlicher Grundlage beruhend ist Ergotherapie<br />

an sich ein ärztlich zu verordnendes Heilmittel. Sie kommt zum Einsatz<br />

bei <strong>Menschen</strong> jeden Alters mit<br />

� motorisch-funktionellen,<br />

� sensomotorisch-perzeptiven,<br />

� neuropsychologischen und/oder<br />

� psychosozialen Störungen.<br />

Ergotherapie hat zum Ziel, <strong>Menschen</strong> dabei zu helfen, eine durch Krankheit,<br />

Verletzung oder Behinderung verloren gegangene bzw. noch nicht vorhandene<br />

Handlungsfähigkeit <strong>im</strong> Alltagsleben wieder zu erreichen. Handlungsfähig<br />

<strong>im</strong> Alltagsleben zu sein bedeutet dabei, dass der Mensch die Aufgaben,<br />

die er sich stellt, und die, die ihm durch sein Leben bzw. die Gesellschaft<br />

gestellt werden, für sich zufriedenstellend erfüllen kann. Für eine effiziente<br />

Handlungsfähigkeit ist deshalb Voraussetzung, dass körperliche, geistige<br />

und psychische Funktionen weitgehend intakt sind und der Mensch in eine<br />

sinnvolle Interaktion mit der Umwelt treten kann. Es interessiert, was kann<br />

64


der Mensch aufgrund seiner Erkrankung oder Verletzung nicht mehr tun und<br />

wie kann ihm geholfen werden.<br />

In der Gerontopsychiatrie hat die Ergotherapie spezielle Ziele, die vor allem<br />

den Erhalt und die Wiedergewinnung folgender Fähigkeiten umfassen:<br />

� psychische Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation und Belastbarkeit,<br />

� Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit in der Tagesstrukturierung,<br />

Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung,<br />

� Realitätsbezogenheit von Selbst- und Fremdwahrnehmung,<br />

� situationsgerechtes Verhalten, sozio-emotionale Kompetenzen und Interaktionsfähigkeit,<br />

� kognitive Funktionen,<br />

� psychische Stabilität und Selbstvertrauen sowie<br />

� eigenständige Lebensführung.<br />

Aus meiner vorherigen ambulanten Tätigkeit war ich mit diesen Aufgaben<br />

vertraut, ich konnte mit meiner Arbeit etwas bewirken, und ich habe gespürt,<br />

dass ich den alten <strong>Menschen</strong> helfen konnte. Was sollte es da mit der ergotherapeutischen<br />

Arbeit bei der gleichen Zielgruppe in einer somatischen<br />

Klinik für Probleme geben. „Das kann doch nicht so schwer sein!“, dachte<br />

ich ...<br />

Aber: Ergotherapie war für die Ärzte, die Pflegekräfte und auch für die Patienten<br />

noch etwas völlig Neues: „Was wird denn da gemacht?“ „Wozu ist<br />

denn das nötig?“ „Das sind doch nur Spielereien!“ Selbst als ich - nach zwei<br />

Jahren Vorarbeit durch meine Kollegin Antje Losleben - neu ins Team und<br />

damit ins Klinikum kam, hatte ich noch mit dieser Problematik zu kämpfen.<br />

Erst durch die Weiterbildungen für das Pflegepersonal, in denen ich konkret<br />

aufgezeigt habe, was z.B. in der Aktivierungsgruppe passiert, was bei den<br />

verschiedenen Krankheitsbildern zu beachten ist usw., kam es nach und<br />

nach zu mehr Akzeptanz. Die Pflegerinnen und Pfleger wussten, was passiert<br />

und konnten viel besser einschätzen, ob ein Patient Ergotherapie<br />

braucht oder für die Aktivierungsgruppe infrage kommt.<br />

65


Ich arbeite mit einzelnen Patienten, in Kleingruppen oder zuweilen auch in<br />

Gruppen mit sechs bis sieben Personen, bei letzteren gemeinsam mit einer<br />

Teamkollegin.<br />

Bei der Einzeltherapie<br />

1. ist es durch die kurze Verweildauer (sie lag zu Modellbeginn bei durchschnittlich<br />

9, mittlerweile bei 7 Tagen) nicht möglich, in der üblichen Arbeitsweise<br />

mit Anamnese und aufwändigen Tests vorzugehen. Im Gegenteil<br />

sind ein schnelles Erkennen der Problematik und sofortiges therapeutisches<br />

Arbeiten notwendig. Ich musste lernen, ohne Umschweife<br />

auf den Kern zuzugehen;<br />

2. sind auch die äußeren Rahmenbedingungen anders. So muss ich meist<br />

am Bett arbeiten, wo ein oder zwei Mitpatienten zusehen bzw. zuhören.<br />

Das wirkt sich zum Teil negativ auf die Konzentration und Aufmerksamkeit<br />

der Patienten aus. Sie fühlen sich beobachtet und wegen ihrer Defizite<br />

in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt;<br />

3. sind handwerkliche Tätigkeiten, die ein wichtiges Arbeitsmittel der Ergotherapie<br />

darstellen, aus den bereits genannten Gründen nur in ganz begrenztem<br />

Maße einsetzbar;<br />

4. kommt es sehr häufig vor, dass die Therapie nicht durchgeführt werden<br />

kann, weil die Patienten zur Bestrahlung, zu Untersuchungen, zu Diabetes-Schulungen<br />

usw. müssen bzw. kurzfristig entlassen werden.<br />

Neben diesen Umstellungen bestand als weiteres Problem die mangelnde<br />

Inanspruchnahme. Durch die anlässlich der Konsile verordneten Ergotherapie<br />

war ich nicht ausgelastet. Es bestand jedoch unabhängig von der konsiliarischen<br />

Tätigkeit Bedarf nach dieser Therapieform. So mussten neue<br />

Vermittlungswege gefunden werden. Heute werde ich, unabhängig vom<br />

Konsil, schriftlich oder telefonisch angefordert und weiß zeitweise nicht, wie<br />

ich alle Anfragen bewältigen soll.<br />

Neu war für mich auch die Gruppentherapie, die ich, wie bereits erwähnt,<br />

gemeinsam mit einer meiner beiden Kolleginnen durchführe. In den Gruppen<br />

geht es um die körperliche und geistige Aktivierung, die Sensibilisierung für<br />

die eigene Körperwahrnehmung und nicht zuletzt um die Förderung von<br />

sozialen Kontakten zwischen Patienten mit gleichen Wohnorten, Berufen,<br />

Hobbys, Herkunft und Problemen (z.B. Zustand nach Hüftoperation).<br />

66


Bei der Gruppentherapie haben wir uns auf Stationen mit Patienten konzentriert,<br />

die zu einer Aktivierung in der Lage sind. Das heißt, sie müssen ca.<br />

eine Stunde sitzen können und „gruppentauglich“ sein. Es finden mittlerweile<br />

wöchentlich drei Gruppen statt, bei denen Patienten von fünf Stationen (Orthopädie,<br />

Onkologie, Kardiologie, Unfallchirurgie und Gastroenterologie)<br />

regelmäßig teilnehmen können.<br />

Wie bereits bei der Einzeltherapie aufgeführt, verhindern auch bei der Gruppentherapie<br />

strukturelle Probleme auf den Stationen eine rege Teilnahme.<br />

So sind die Patienten nach einer Operation, Untersuchung oder einer anderen<br />

Akutphase teilweise körperlich nicht in der Lage, am Gruppenangebot<br />

teilzunehmen. Außerdem lassen sich die Termine nicht <strong>im</strong>mer mit den anfallenden<br />

Untersuchungen, den notwendigen pflegerischen sowie therapeutischen<br />

Maßnahmen, den Visiten und Besuchszeiten koordinieren, so dass<br />

wir zusätzlich Patienten von anderen Stationen integrieren, für die ein Konsil<br />

vorliegt bzw. Ergotherapie angefordert wurde.<br />

Zu Beginn boten wir die Gruppen getrennt für Demente und Nichtdemente<br />

an, was sich aufgrund von Auslastungsproblemen als nicht günstig erwies.<br />

Heute werden alle dafür in Frage kommenden Patienten über 65 Jahre in die<br />

Gruppen integriert, was zwar eine große Flexibilität unsererseits erfordert,<br />

sich aber für die Patienten als angenehmer erweist.<br />

Anfangs und selbst nach über einem Jahr noch kam ich auf die Stationen<br />

und musste <strong>im</strong>mer wieder aufs Neue erklären, weshalb ich komme. Das hat<br />

sich geändert. Die Arbeit wird anerkannt, und das Personal schaut auch mal<br />

zu, n<strong>im</strong>mt selbst teil und erfährt an den Reaktionen der Patienten, wie gut<br />

die Aktivierungsgruppe ankommt und von den alten <strong>Menschen</strong> angenommen<br />

wird.<br />

Die Teilnehmer der Aktivierungsgruppe - anfangs noch zurückhaltend und<br />

scheu - öffnen sich schnell. Wer Probleme hat, sich anfangs selbst vorzustellen<br />

- seinen Namen, Wohnort und sein Hobby zu nennen - wird durch die<br />

lockere und entspannte Atmosphäre in kleinen Schritten dazu gebracht,<br />

seine Angst zu überwinden und bringt es zum Schluss zu kognitiven Leistungen,<br />

über die wir - mittlerweile erfahrenen Hasen - manchmal staunen.<br />

Schon an meinen Worten werden Sie erkennen, dass ich mich eingelebt<br />

habe, dass mir meine Arbeit gefällt und Spaß macht. Das war nicht <strong>im</strong>mer<br />

so, geriet ich doch anfangs mit meinen eigenen Ansprüchen <strong>im</strong>mer wieder in<br />

Konflikt, musste diese herunterschrauben und mich darauf einstellen, dass<br />

67


meine Arbeit zum Teil nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. Aber ich<br />

merke, dass nach und nach die Erkenntnis wächst, dass Ergotherapie für<br />

die Patienten auch nach der Entlassung eine große Chance darstellt. So<br />

besteht die Möglichkeit der Weiterführung der Ergotherapie bei<br />

� einer Rehabilitation,<br />

� der weiteren ambulanten Ergotherapie durch mich,<br />

� der Weiterbetreuung durch die ambulante geriatrische Ergotherapie des<br />

BKH oder<br />

� der Weitervermittlung an das Zentrum für seelische Gesundheit „Blaue<br />

Blume“.<br />

Ergotherapie ist eine große Chance, denn sie ist ganzheitlich, erfasst Körper,<br />

Geist und Seele. Sie „dockt“ am gesunden Anteil an, an den Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten, die noch vorhanden sind. Dadurch erlebe ich Patienten<br />

mitunter ganz anders als meine Mitstreiter und deshalb ist die Arbeit <strong>im</strong><br />

Team so wichtig.<br />

Entgegen des Eindrucks, der oft durch die Medien, die Politik und die Familie<br />

bei den alten <strong>Menschen</strong> erzeugt wird, erfährt der Patient in der Ergotherapie,<br />

dass er noch zu etwas in der Lage ist, und das ist für den Gesundungsprozess<br />

außerordentlich wichtig.<br />

68<br />

----------<br />

Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum<br />

Kerstin Blass: Sie sagen, Sie sensibilisieren das Personal, geben Hilfestellungen<br />

und Tipps, erklären das Krankheitsbild. Wäre es das Ziel, sich perspektivisch<br />

irgendwann überflüssig zu machen oder werden die Fragen<br />

dann differenzierter, gehen die Hilfestellungen tiefer? Gibt es einen Punkt,<br />

an dem man sagen kann, dieses <strong>Krankenhaus</strong> hat es jetzt komplett begriffen<br />

und wir können zum nächsten gehen?<br />

Maria Mahlberg: Das denke ich nicht. Durch die hohe Personalfluktuation bei<br />

den Ärzten und be<strong>im</strong> Pflegepersonal ist es eine <strong>im</strong>merwährende Aufgabe.<br />

Wir merken zwar, dass die Fragen wesentlich differenzierter werden, der<br />

Unterstützungsbedarf bleibt aber bestehen.


Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Ich finde das ganz ausgezeichnet, was Sie in<br />

diesem Projekt machen. Gerade was Frau Mahlberg und Frau Ernszt geschildert<br />

haben, ist der Kern von Liaisontätigkeit. Sie sind beispielsweise in<br />

einem Z<strong>im</strong>mer und behandeln den Patienten A, bekommen dann aber mit,<br />

dass der Patient B eventuell auch behandlungsbedürftig ist. Und dann können<br />

Sie von sich aus tätig werden.<br />

Zur Frage, warum macht man sich nicht überflüssig: Am Mount Sinai Hospital<br />

in New York haben wir uns angeschaut, was passiert, wenn ein Liaisonprojekt<br />

auf einer orthopädischen Abteilung für ein Jahr installiert wird und<br />

dann nicht mehr weiter besteht. Während dieses Jahres mit Liaisontätigkeit<br />

wurden 70% der Patienten mit Hüftgelenksfrakturen gesehen. Dann wurde<br />

das Projekt abgeschafft, weil man dachte, diese Überweisungen laufen jetzt<br />

mehr oder weniger automatisch, und man kann sich dann aushelfen. Am<br />

Ende des Jahres stellte sich heraus, dass die Überweisungsquote von 70%<br />

auf 5% gesunken war. Hier geht es um Nachhaltigkeit und diese hat etwas<br />

mit Präsenz zu tun. Das Wichtigste an dem Kaufbeurer Modell ist letzten<br />

Endes die Nachhaltigkeit und dass man es geschafft hat, den Modellstatus<br />

zu überwinden und in eine Dauerfinanzierung zu kommen.<br />

Dr. Manfred Geiger: Ein Bestandteil von Nachhaltigkeit ist, dass es tatsächlich<br />

gelingt, <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> diese validierende Grundhaltung zu etablieren<br />

und in die Köpfe der Mitarbeiter/innen hineinzubringen. Jetzt könnte ich mir<br />

vorstellen: Da sind gewachsene Strukturen, da sind eingefahrene Arbeitsweisen,<br />

und Sie treten jetzt mit einem „erzieherischen“ Anspruch an die Leute<br />

heran oder sagen bei einer Krisenintervention „Moment, so geht das nicht.<br />

Das wird anders gemacht.“ Ganz harmonisch verläuft so etwas vermutlich<br />

nicht. Vielleicht können Sie auf best<strong>im</strong>mte Konfliktsituationen oder grundsätzliche<br />

Konfliktkonstellationen eingehen.<br />

Maria Mahlberg: Am Anfang war es ganz schwierig, in diese Richtung etwas<br />

zu äußern. Mittlerweile können es die meisten ganz gut annehmen. Allerdings<br />

haben wir dann <strong>im</strong>mer Verhaltensalternativen parat und sagen nicht<br />

nur „so geht’s nicht“, sondern „man könnte es so oder so machen“ oder „es<br />

wäre sinnvoll, jetzt noch einen Arzt mit hinzuzuziehen.“ Wir machen ganz<br />

konkrete Vorschläge. Der Erfolg zeigt sich dann in aller Regel, man merkt,<br />

dass die Tipps gut waren. Das war ein sehr langer Prozess.<br />

Irmgard Ernszt: Mit dem Pflegepersonal hat jetzt über Jahre ein Beziehungsaufbau<br />

stattgefunden. Wir sind be<strong>im</strong> Stammpersonal <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />

69


ekannt, und da ist etwas untereinander passiert. Weil wir eine gute Beziehung<br />

zueinander haben, können die auch mal Kritik einstecken. Die sind<br />

nicht mehr so gekränkt oder nehmen das nicht mehr so persönlich wie am<br />

Anfang. Es ist <strong>im</strong> Miteinander mit dem somatischen Pflegepersonal auch<br />

nicht anders als mit unseren Patienten: Beziehung ist einfach „das A und<br />

das O“.<br />

70


2.5 Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher, Ev. <strong>Krankenhaus</strong><br />

Königin Elisabeth Herzberge, Berlin<br />

Konsiliar- und Liaisondienste. Erfahrungen und Perspektiven<br />

Der Anteil älterer <strong>Menschen</strong> unter den Patienten, die auf somatischen Stationen<br />

in Allgemeinkrankenhäusern behandelt werden, ist hoch und wird auch<br />

in Zukunft weiter zunehmen. So waren etwa <strong>im</strong> Evangelischen <strong>Krankenhaus</strong><br />

Königin Elisabeth Herzberge, einem <strong>Krankenhaus</strong> der Grund- und Regelversorgung<br />

in Berlin-Lichtenberg, <strong>im</strong> Jahr 2002 ca. 56% der Patienten über 60<br />

Jahre alt, wogegen sich dieser Anteil <strong>im</strong> Jahr 2004 auf 61% erhöht hatte. Ein<br />

hoher Anteil dieser pr<strong>im</strong>är körperlich kranken Patienten in den Allgemeinkrankenhäusern<br />

weist aber zusätzlich eine psychische Begleiterkrankung <strong>im</strong><br />

Sinne einer so genannten somato-psychischen Komorbidität auf. Diagnose<br />

und Behandlung dieser Patienten ist Aufgabe psychiatrischer Konsiliar- und<br />

Liaisondienste. Im Folgenden werden einige Aspekte dieser besonderen<br />

Tätigkeit von Psychiatern beleuchtet und mögliche Modelle interdisziplinärer<br />

Kooperation in den Allgemeinkrankenhäusern vorgestellt.<br />

Psychiatrische Komorbidität <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

In der Lübecker Allgemeinkrankenhaus-Studie (Arolt et. al 1995) wurde untersucht,<br />

wie hoch der Anteil an psychischer Komorbidität bei pr<strong>im</strong>är wegen<br />

chirurgischen oder internistischen Problemen aufgenommenen Patienten <strong>im</strong><br />

Allgemeinkrankenhaus liegt und welche psychiatrischen Krankheitsbilder<br />

dabei überwiegen. Die Ergebnisse dieser Studie sind der Tabelle 1 zu entnehmen.<br />

71


Tabelle 1: Lübecker Allgemeinkrankenhausstudie (Arolt et al. 1995)<br />

An diesem Diagramm fällt auf, dass <strong>im</strong> Vergleich zur Häufigkeit psychiatrischer<br />

Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung (vordere Reihe des Diagramms)<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus vor allem drei psychische Störungsbilder<br />

besonders häufig auftreten: hirnorganische Psychosyndrome, alkoholverbundene<br />

Diagnosen sowie Anpassungsstörungen.<br />

In einer weiteren Studie mit 626 älteren <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Alter von 65 bis 80<br />

Jahren, die in Allgemeinkrankenhäusern in Mannhe<strong>im</strong> und Ludwigshafen<br />

aufgenommen waren, zeigte sich, dass eine psychiatrische Komorbidität bei<br />

30% dieser Patienten vorlag. Davon waren 9% Diagnosen aus dem Bereich<br />

hirnorganischer Psychosyndrome und 21% so genannte „funktionelle psychische<br />

Störungen”, wovon wiederum ca. die Hälfte „nicht psychotische depressive<br />

Zustände” waren (Bickel, Cooper und Wancata 1993). In dieser<br />

Studie wurden die so identifizierten Patienten nach einem Jahr sowie nach<br />

durchschnittlich 5,6 Jahren nachuntersucht. Dabei zeigte sich, dass in ca.<br />

72


75% der Fälle die ursprünglich diagnostizierten Erkrankungen weiter bestanden<br />

und dass die somato-psychisch komorbiden Patienten eine um<br />

157% erhöhte Wahrscheinlichkeit der Aufnahme in ein Alten- und Pflegehe<strong>im</strong><br />

hatten. Das Mortalitätsrisiko dieser Gruppe war um 43% erhöht. Dies<br />

weist eindeutig darauf hin, dass somato-psychische Komorbidität <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

kein zu vernachlässigendes Phänomen darstellt, sondern<br />

dass es sich hierbei um eine Risikogruppe schwerkranker Patienten handelt.<br />

Interessanterweise gibt es nun aber anscheinend deutliche Unterschiede <strong>im</strong><br />

Umgang mit älteren bzw. jüngeren Patienten mit psychischer Komorbidität<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus (vgl. Tabelle 2).<br />

Tabelle 2: Unterschiede von „Alt“ und „Jung“ <strong>im</strong> psychiatrischen CL-Dienst<br />

Anteil hirnorganischer Diagnosen<br />

bei Konsilpatienten <strong>im</strong><br />

Allgemeinkrankenhaus<br />

Konsiliar wird angekündigt 43%<br />

Anteil an Überweisungen an<br />

den CL-Dienst<br />

< 60 Jahre ≥ 60 Jahre<br />

8,3% 46,6%<br />

9,8%<br />

(≥ 80 Jahre)<br />

ca. 70% ca. 30%<br />

Small & Fawzy<br />

(1988)<br />

Niklewski et al.<br />

(2001)<br />

Wetterling & Junghans<br />

(2000),<br />

Stoppe et al. 2004<br />

Während bei den unter 60 Jahre alten Patienten in ca. 43% der Fälle der<br />

psychiatrische Konsiliar angekündigt wird, ist dies bei den älteren Patienten<br />

nur in rund 10% der Fall. Dieser Unterschied besteht auch dann weiter,<br />

wenn in der älteren Patientengruppe bewusstseinsgestörte Patienten ausgeschlossen<br />

werden. Ebenfalls ist es auffällig, dass trotz des hohen Anteils<br />

älterer <strong>Menschen</strong> an den Allgemeinkrankenhauspatienten nur ca. 30% von<br />

diesen an psychiatrische Konsiliardienste zur Mitbehandlung überwiesen<br />

werden.<br />

Der letzte Punkt könnte <strong>im</strong> Einklang mit Untersuchungen stehen, die darauf<br />

hinweisen, dass gerade hirnorganische Psychosyndrome (Verwirrtheitszustände,<br />

wie z.B. hypoaktive Delirien) bei diesen Patienten zwar häufig sind,<br />

aber nur selten diagnostiziert werden. Bereits in einer älteren Studie, die <strong>im</strong><br />

Umfeld der Psychiatrie-Enquête erstellt wurde, hat man festgestellt, dass die<br />

befragten Internisten und Chirurgen für die Gruppe der älteren Patienten,<br />

seinerzeit „Zerebralsklerotiker” genannt, deutlich seltener als für andere<br />

73


psychiatrische Patienten eine Vorstellung bei psychiatrischen Konsiliardiensten<br />

für indiziert erachteten.<br />

Tabelle 3: Anteil der Internisten und Chirurgen (in %), die eine Beratung durch<br />

den Psychiater für sinnvoll erachten, aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen<br />

Diagnosegruppen:<br />

“Alkoholiker”<br />

“Zerebralsklerotiker”<br />

Patienten mit<br />

Suizidversuch<br />

Innere Abteilung 84 45 87<br />

Chirurgische Abteilung 71 26 80<br />

insgesamt 78 36 84<br />

(Siede, Lindner, Wollbrink 1975)<br />

Auch heute muss man offenbar noch davon ausgehen, dass gerade die<br />

Behandlung älterer Patienten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus mit Schwierigkeiten<br />

verbunden ist. So wurde in einer weiteren Studie, in der Ärzte <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

befragt wurden, festgestellt, dass alterskranke Patienten z.B.<br />

mit Demenz be<strong>im</strong> Stationspersonal häufiger „atmosphärische Spannungen”<br />

auslösen als jüngere Patienten. Auch kommt es in dieser Altersgruppe häufiger<br />

zu Dissonanzen zwischen den pr<strong>im</strong>är behandelnden Ärzten und den<br />

Konsiliarpsychiatern: von ersteren wird z.B. in ca. 70% der Fälle eine Verlegung<br />

zur Weiterbehandlung in eine Psychiatrische Abteilung oder Klinik<br />

gewünscht, wohingegen die Konsiliarpsychiater dies nur in ca. 13% der Fälle<br />

für nötig hielten (Delius et al. 1993). Möglicherweise spielen hier Vorurteile<br />

eine Rolle, etwa in der Art eines „Ageism”, wobei angenommen wird, dass<br />

ältere <strong>Menschen</strong> grundsätzlich z B. „verwirrter” seien als jüngere. Dies ist<br />

aber so nicht richtig, wie beispielsweise Untersuchungen <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Berliner Altersstudie gezeigt haben (vgl. Tabelle 4).<br />

74


Tabelle 4: Zeitliche Orientierungsstörung nach Untersuchung sMMS<br />

Alter (Jahre)<br />

Männlich (%)<br />

(aus: Reischies/Diefenbacher, 2000)<br />

Datum (Tag <strong>im</strong> Monat)<br />

Jahr<br />

Monat<br />

Wochentag<br />

*** p < .001<br />

Konsilpatienten<br />

(70+ Jahre)<br />

n = 157<br />

78,89 (70-92)<br />

41,0<br />

BASE<br />

N = 121<br />

49,6<br />

Fehler (%) Fehler (%) Signifikanz<br />

59,2<br />

22,3<br />

18,5<br />

28,0<br />

19,0<br />

0,8<br />

3,3<br />

3,3<br />

In dem in dieser Tabelle aufgeführten Vergleich einer Stichprobe der Berliner<br />

Altersstudie, die aus nichtdementen älteren Berlinern bestand, mit einer<br />

Gruppe wegen u.a. kognitiver Störungen überwiesenen älteren Konsilpatienten<br />

zeigt sich, dass in der Allgemeinbevölkerung durchaus die meisten älteren<br />

<strong>Menschen</strong> etwa hinsichtlich der Orientierung zu Wochentag, Jahr und<br />

Monat sehr wohl orientiert sind. Dies heißt, dass der Einsatz von kurzen<br />

Screening-Instrumenten, wie etwa dem bei den Konsilpatienten eingesetzten<br />

Short-Mini-Mental-State, für das Stationspersonal und insbesondere die<br />

behandelnden Ärzte hilfreich sein könnte, um gerade leichtere Verwirrtheitszustände<br />

bei älteren <strong>Menschen</strong> zu diagnostizieren. Ein weiteres, mittlerweile<br />

auch häufiger eingesetztes Screening-Instrument zur Identifikation von Verwirrtheitszuständen,<br />

wie z.B. Delirien oder Demenzen, ist der so genannte<br />

Uhr-Zeichen-Test (vgl. Tabelle 5).<br />

***<br />

***<br />

***<br />

***<br />

75


Tabelle 5: Uhrzeichentest bei Gesunden und Demenzpatienten<br />

Diesem Vergleich lässt sich sehr gut entnehmen, dass die Zunahme von<br />

Schwierigkeiten, die Zifferstellung 10 vor 11 Uhr in einem Kreis einzutragen,<br />

mit einer Zunahme von EEG-Veränderungen einhergeht. Erstaunlicherweise<br />

scheint es nämlich <strong>im</strong>mer noch nicht klar zu sein, dass Verwirrtheitszustände<br />

mit einer Beeinträchtigung der Hirnfunktion einhergehen.<br />

Diese Unterscheidung ist insbesondere be<strong>im</strong> so genannten hypoaktiven<br />

Delir wichtig, eine Delirform, bei der die Patienten „zu ruhig” sind, „nicht bei<br />

rehabilitativen Maßnahmen mitmachen” und sich überhaupt vermehrt <strong>im</strong> Bett<br />

aufhalten. Der Zustand wird häufig mit einer „Depression” verwechselt und<br />

dann mit Antidepressiva behandelt, was aber einen Kunstfehler darstellt und<br />

möglicherweise zu einer Verschlechterung des Delirs beitragen kann.<br />

76


Hier ist eine der wesentlichen Aufgaben psychiatrischer Konsiliar- und Liaisondienste<br />

zu sehen: somatische Ärzte und Pflegepersonal müssen über<br />

diese Unterschiede aufgeklärt werden, sie müssen in die Lage versetzt werden,<br />

Screening-Instrumente einzusetzen, um die Verdachtsdiagnose einer<br />

hirnorganischen Funktionsstörung zeitig selbst stellen zu können. Wichtig ist<br />

die Feststellung, dass gerade bei diesen älteren Patienten die Rolle des<br />

Konsiliarpsychiaters auch die Empfehlung von somatischen Zusatzuntersuchungen,<br />

wie z.B. weiteren Laboruntersuchungen, EEG-Untersuchungen,<br />

Röntgen etc. beinhaltet.<br />

Pess<strong>im</strong>istische St<strong>im</strong>men sagen, dass derartige Verhaltensänderungen be<strong>im</strong><br />

somatischen Personal nicht erzielt werden können.<br />

Dies ist aber nicht richtig, wie eine ältere Studie aus England belegt (vgl.<br />

Tabelle 6). Der Tabelle lässt sich entnehmen, dass <strong>im</strong> Laufe der achtjährigen<br />

Tätigkeit eines psychiatrischen Konsiliardienstes die Anzahl von Patienten,<br />

die wegen eines akuten Verwirrtheitszustandes an den Psychiater<br />

überwiesen wurden, deutlich abn<strong>im</strong>mt. Diese Abnahme ist so zu erklären,<br />

dass dem Personal von den Psychiatern vermittelt wurde, wie derartige<br />

Verwirrtheitszustände diagnostiziert und behandelt werden können. Umgekehrt<br />

hatten in dieser Studie die Psychiater Wert darauf gelegt, ihre Kompetenz<br />

vor allem aktiv in der Behandlung von Patienten mit depressiven Erkrankungen<br />

einzubringen. Dies hatte dann in der Tat zu einer Zunahme<br />

entsprechender Überweisungen geführt.<br />

Tabelle 6: Psychiatrischer Liaisondienst - Veränderung des Überweisungsmusters<br />

<strong>im</strong> Verlauf von 8 Jahren (nach Anderson und Philpott 1991)<br />

77


Konsiliarpsychiatrische Versorgung - die Rolle des Allgemeinkrankenhauses<br />

als „Filter“<br />

Es gibt Untersuchungen die darauf hinweisen, dass die Häufigkeit psychiatrischer<br />

Begleitdiagnosen bei Allgemeinkrankenhauspatienten bei 30 bis 50%<br />

läge. Möglicherweise sind diese hohen Raten wegen methodischer Schwierigkeiten<br />

kritisch zu sehen. Festgehalten werden kann allerdings, dass es<br />

doch anscheinend bei ca. 10% der wegen pr<strong>im</strong>är somatischer Erkrankungen<br />

aufgenommenen Patienten zu einer behandlungsbedürftigen psychiatrischen<br />

Komorbidität kommt bzw. diese bei Aufnahme bereits vorliegt. Tatsächlich<br />

ist aber die relative Konsilrate, d.h. der Anteil Patienten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus,<br />

die einem psychiatrischen Konsiliar vorgestellt werden,<br />

weit niedriger und liegt üblicherweise bei 1 bis 2% weltweit. Dies könnte,<br />

worauf bereits hingewiesen wurde, zum Teil an Vorurteilen gegenüber der<br />

Effizienz psychiatrischer Behandlungsmethoden liegen, wie sie erst kürzlich<br />

wieder einmal <strong>im</strong> Rahmen einer Befragung von Medizinstudenten festgestellt<br />

werden konnten (vgl. Tabelle 7).<br />

Tabelle 7: Einstellungen von Studierenden der Medizin zur Psychiatrie<br />

78<br />

Mittelwerte einzelner<br />

Aussagen<br />

Psychiater reden viel und tun wenig. 3,6<br />

In letzter Zeit wurde die psychiatrische Behandlung<br />

ziemlich effektiv.<br />

Meiner Meinung nach sind Psychiater nicht <strong>im</strong>mer<br />

Ärzte wie andere Ärzte auch.<br />

Skalierung:<br />

1 = starke Zust<strong>im</strong>mung<br />

3 = neutral<br />

5 = starke Ablehnung (nach Strebel et al. 2000)<br />

Es erscheint einleuchtend, dass die Vertreter eines Fachgebiets, dessen<br />

Effizienz bestenfalls als „neutral” eingeschätzt wird, von den späteren Internisten<br />

und Chirurgen wohl kaum als ausreichend kompetente Kooperationspartner<br />

wahrgenommen werden. Dies ist bedauerlich, da gerade das Allgemeinkrankenhaus<br />

einen „Filter“ darstellt, um psychisch komorbide Patienten,<br />

die vor ihrer Aufnahme noch niemals in Kontakt zum spezifisch psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />

Hilfesystem gestanden haben, entsprechenden<br />

2,9<br />

2,8


Hilfen zuzuführen: Während ca. drei Viertel der an psychiatrische Konsiliardienste<br />

überwiesenen Allgemeinkrankenhauspatienten bereits mehrfach in<br />

vollstationärer somatischer Behandlung waren, hatten ca. 70% der dem<br />

Psychiater überwiesenen Patienten noch nie Kontakt mit dem psychiatrischpsychotherapeutischen<br />

Versorgungssystem (vgl. Tabelle 8).<br />

Tabelle 8: Körperliche und psychiatrische Vorbehandlungen vor aktueller Aufnahme<br />

<strong>im</strong> Städtischen <strong>Krankenhaus</strong> (KH Am Urban)<br />

Die wichtige Rolle, die, so <strong>im</strong> englischen Beispiel, das Allgemeinkrankenhaus<br />

(„hospital doctor“) bei der Initiierung von „Wegen in die psychiatrische<br />

Behandlung“ spielt, ergibt sich aus der Tabelle 9: Internisten und Chirurgen<br />

etc. <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus nehmen eine zentrale Rolle bei der Weitervermittlung<br />

von Patienten mit somatischer und psychischer Komorbidität in<br />

die fachspezifische psychiatrische Behandlung ein.<br />

79


Tabelle 9: Wege in die psychiatrische Behandlung<br />

Die Bedeutung des Allgemeinkrankenhauses als „Filter” für die Zuweisung in<br />

fachspezifisch psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungen wird in<br />

Deutschland noch unterschätzt. Die englischen Konsiliarpsychiater definieren<br />

z.B. demgegenüber ein <strong>Krankenhaus</strong> der Schwerpunktversorgung mit<br />

regionaler Zuständigkeit für ca. 250.000 <strong>Menschen</strong> als Äquivalent zu einem<br />

halben psychiatrischen Sektor und sprechen auch vom Allgemeinkrankenhaus<br />

als „artifiziellem psychiatrischen Versorgungssektor”.<br />

Die australischen und neuseeländischen Konsiliarpsychiater fordern in diesem<br />

Zusammenhang, dass eine relative Konsilrate von 5% als unerlässlich<br />

für die Aufrechterhaltung einer guten psychosozialen Versorgung <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

zu betrachten sei. Sie regen an, dass bei einer Unterschreitung<br />

dieser Rate ein externes Audit durchgeführt werden solle, um die<br />

entsprechende Fallfindung durch die nicht-psychiatrischen Ärzte zu verbessern<br />

(vgl. Zusammenfassung in: Diefenbacher und Arolt 2004).<br />

80


Leitlinien in der Konsiliarpsychiatrie<br />

Gute Leitlinien für die konsiliar-liaison-psychiatrische Versorgung sind selten.<br />

An dieser Stelle soll die Beschäftigung mit den Leitlinien der englischen<br />

Konsiliarpsychiater empfohlen werden, die zusammen mit Internisten erstellt<br />

worden sind (vgl. http://www.rcpsych.ac.uk/publications/cr/cr108.htm).<br />

Im Vergleich zu anderen existierenden Leitlinien gehen die englischen Konsiliarpsychiater<br />

und Internisten sehr stark praxisorientiert vor und geben<br />

Handreichungen insbesondere für den Umgang mit hirnorganischen Störungen,<br />

Substanzmissbrauch, affektiven Störungen, Suizidalität und Angsterkrankungen.<br />

Insbesondere angesichts der Prävalenz von Delirien (akuten Verwirrtheitszuständen<br />

nach ICD 10: F05), einem unterschätzten Problem <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus,<br />

weist eine weitere englische Leitlinie, die von Psychiatern und<br />

Chirurgen gemeinsam erstellt worden ist, darauf hin, dass „idealerweise” alle<br />

älteren Patienten routinemäßig vor einer Operation mit einem kurzen standardisierten<br />

Screening-Test auf das Vorliegen von kognitiven Störungen<br />

untersucht werden sollten. Wichtig ist dabei, dass solche Screening-Untersuchungen<br />

ggf. auch von speziell geschultem Pflegepersonal durchgeführt<br />

werden können.<br />

Erstaunlicherweise gibt es aber europaweit offenbar nur in zwei Ländern,<br />

den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, Leitlinien, die den Umgang<br />

mit akuten Verwirrtheitszuständen (ICD 10: F05) <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

überhaupt thematisieren und Vorschläge für den entsprechenden<br />

Umgang unterbreiten (Leentjens und Diefenbacher 2005, eingereicht zur<br />

Publikation). Dies ist umso erstaunlicher, als einige Studien darauf hinweisen,<br />

dass internistische und psychiatrische Behandlungen zu einer Reduktion<br />

von Anzahl und Dauer von Delirepisoden führen können. Allerdings muss<br />

festgehalten werden, dass die Existenz bzw. Publikation von Leitlinien allein<br />

noch zu keiner Verbesserung der Versorgung führt: Leitlinien müssen vielmehr<br />

gezielt <strong>im</strong>plementiert werden, das Personal, das diese Leitlinien umsetzen<br />

soll, muss gezielt geschult werden.<br />

Versorgungsmodelle für somato-psychisch kranke Patienten<br />

Grundlegend ist zu fordern, dass die Versorgung dieser Patientengruppe<br />

interdisziplinär sein muss. Gerade für ältere Patienten gilt, dass die hier täti-<br />

81


gen Konsiliarpsychiater gerontopsychiatrische Erfahrung aufweisen sollten.<br />

Es sollten ebenfalls entsprechend geschulte Psychologen, vor allem aber<br />

konsiliarpsychiatrisches Pflegepersonal eingesetzt werden. Weitere Berufsgruppen<br />

sind selbstverständlich Sozialarbeiter und Ergotherapeuten. Insgesamt<br />

kann eine Kooperation mit Geriatern sehr hilfreich sein.<br />

Kritisiert wird an dem bis jetzt diskutierten üblichen konsiliarischen Versorgungsmodell,<br />

dass dieses in gewisser Weise konsekutiv, also zum Teil weit<br />

nach Beginn der somatischen Behandlung stattfände und unter Umständen<br />

nicht ausreichend mit der somatischen Behandlung verknüpft sei. Vor diesem<br />

Hintergrund werden integrierte Behandlungskonzepte gefordert, die<br />

gleichzeitig und koordiniert durchgeführt werden. Ein in Europa allerdings<br />

selten praktiziertes Modell ist die Liaisonversorgung, wie sie etwa <strong>im</strong> Kaufbeurer<br />

Modell sehr erfolgreich praktiziert wird (vgl. Kirchen-Peters 2005). Da<br />

auf dieses Modell <strong>im</strong> vorliegenden Band ausführlich eingegangen wird, soll<br />

es hier nicht weiter diskutiert werden.<br />

Stattdessen soll abschließend noch ein vor allem in den USA diskutiertes<br />

Modell vorgestellt werden, die so genannten kombinierten Medical-Psychiatric-Units<br />

(MPU) (vgl. Tabelle 10-13).<br />

82


Tabelle 10: Medical-Psychiatric-Units (1)<br />

Typ-I-Station<br />

• allgemeinpsychiatrische Station<br />

• allgemeinmedizinische Basisversorgung<br />

• Behandlung durch Psychiater<br />

• ggf. Supervision durch Internist<br />

Tabelle 11: Medical-Psychiatric-Units (2)<br />

Typ-II-Station<br />

• somatische Station<br />

• z.B. leicht depressiver Patient nach Herzinfarkt<br />

• Behandlung durch Internist<br />

• ggf. Supervision durch psychiatrischen CL-Dienst<br />

Tabelle 12: Medical-Psychiatric-Units (3)<br />

Typ-III-Station<br />

• somato-psychisch schwer erkrankte Patienten, z. B. mit Delirien<br />

• z.B. nicht complianter Patient mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus bei<br />

Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ<br />

• <strong>im</strong> Rahmen einer psychiatrischen Abteilung möglich<br />

Tabelle 13: Medical-Psychiatric-Units (4)<br />

Typ-IV-Station<br />

• invasive Maßnahmen erforderlich<br />

• z.B. Bülau-Drainagen, komplizierte intravenöse Behandlung, Dialyse<br />

• Ketoaszidose bei Anorexie/Bul<strong>im</strong>ie bei Persönlichkeitsstörung vom<br />

Borderline-Typ<br />

• Überwiegend innerhalb einer Inneren Abteilung<br />

83


Entsprechend diesem Schema könnte bereits, angesichts der hohen somatischen<br />

Komorbidität bei pr<strong>im</strong>är psychisch kranken Patienten, eine allgemeinpsychiatrische<br />

Station als niedrigschwellige MPU betrachtet werden<br />

(vgl. Tabelle 10). Hier würde z.B. der internistische Konsiliar den Psychiater<br />

in der Behandlung leichter körperlicher Erkrankungen bei psychisch kranken<br />

Patienten beraten.<br />

Umgekehrt wäre eine übliche internistische Station nach diesem Schema<br />

eine so genannte Typ II Station, wo nun eben der psychiatrische Konsiliar<br />

den Internisten bei der Behandlung leichterer psychischer Erkrankungen<br />

berät. (vgl. Tabelle 11). Interessant sind die für schwerer komorbid kranke<br />

Patienten gedachten MPUs vom Typ III und Typ IV (vgl. Tabelle 12 und 13),<br />

in denen sich grundsätzlich auch eine Behandlung von Delirpatienten vorstellen<br />

lässt.<br />

Wichtig ist, dass in den angelsächsischen Leitlinien sehr stark darauf hingewiesen<br />

wird, dass auch die Baulichkeiten von Allgemeinkrankenhäusern und<br />

Stationen auf die hohe Prävalenz und Inzidenz von Demenzerkrankungen<br />

und Delirien ausgerichtet sein sollten, z.B. gute Lichtverhältnisse, klar strukturierte<br />

Umgebung, Reduktion von verwirrenden Geräuscheinflüssen, ausreichende<br />

Orientierungsmaßnahmen wie z.B. Digitaluhren.<br />

Besonders wichtig ist allerdings, dass diese Spezialstationen selbstverständlich<br />

von spezifisch geschultem Personal besetzt sein sollten, wobei abgesehen<br />

von der sehr wichtigen Schulung des Pflegepersonals, kombinierte ärztliche<br />

Leitungen vorstellbar sind, wie z.B. einem internistischen Oberarzt, der<br />

von einem Psychiater vertreten wird (vgl. Kwentus und Kathol 1998). Mit den<br />

in Deutschland existierenden „psychosomatischen Stationen” sollten diese<br />

MPUs nicht verwechselt werden.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die Diagnose und Behandlung von älteren <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

sollte insbesondere <strong>im</strong> Hinblick auf das in dieser Altersgruppe häufige<br />

Vorliegen bzw. Auftreten von Delirien (akuten Verwirrtheitszuständen nach<br />

ICD 10: F05) sowie von dementiellen Syndromen verbessert werden. Opt<strong>im</strong>al<br />

erscheint eine Vermeidung von Aufnahmen <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus,<br />

wie sie etwa vom Kaufbeurer gerontopsychiatrischen Liaison-Modell angestrebt<br />

wird. Lässt sich eine Aufnahme <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus für ältere<br />

<strong>Menschen</strong> nicht vermeiden, dann sollten das somatische Pflegepersonal<br />

84


und die Ärzte der somatischen Stationen darin geschult sein, Verwirrtheitszustände<br />

frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dabei sollten sie von<br />

adäquat ausgestatteten konsiliar-liaison-psychiatrischen Diensten unterstützt<br />

werden.<br />

Literatur:<br />

• Ausführliche Literaturverweise sowie die bibliographischen Verweise für die <strong>im</strong><br />

Text zitierten Quellen finden sich <strong>im</strong> Kapitel „Konsiliarpsychiatrische Versorgung<br />

- Entwicklung und Perspektiven” von A. Diefenbacher und V. Arolt, In: V. Arolt;<br />

A. Diefenbacher (Hg.) (2004): Psychiatrie in der klinischen Medizin - Konsiliarpsychiatrie<br />

-psychosomatik und -psychotherapie. Darmstadt: Steinkopff-Verlag:<br />

54-85.<br />

• Eine Übersicht zum Thema Delir findet sich <strong>im</strong> selben Band (Kapitel „Delir” von<br />

F.M. Reischies, A. Diefenbacher, W. Reichwaldt: 259-284).<br />

• Ebenfalls <strong>im</strong> Kapitel „Delirium in General Hospital Inpatients: German Developments”<br />

von F.M. Reischies, A. Diefenbacher in Consultation-Liaison Psychiatry<br />

in Germany, Austria and Switzerland, Karger 2004.<br />

• Das Konzept der MPUs wird ausführlich vorgestellt <strong>im</strong> Kapitel „Integrierte medizinische<br />

Stationen und Behandlungskonzepte - Implementierung eines neuen<br />

Versorgungsmodells” von J. Kwentus und R.G. Kathol. In: A. Diefenbacher (Hg.)<br />

(1999): Aktuelle Konsiliarpsychiatrie und -psychotherapie. Stuttgart: Thieme-<br />

Verlag: 161-176.<br />

----------<br />

Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum<br />

Dr. Klaus Nißle: Im Grunde wird <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> deutlich, was wir auch von<br />

den Hausärzten kennen: Es ist ein riesiger Bedarf da, die gerontopsychiatrischen<br />

Erkrankungen überhaupt erst einmal zu diagnostizieren. Sie haben<br />

eben dieses Eisberg-Modell präsentiert. Was würden Sie vorschlagen: Was<br />

kann man hinsichtlich der Fortbildung, gerade auch der Chirurgen oder Internisten<br />

auf diesem Gebiet, tun?<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Da gibt es natürlich viele Modelle. Ich will<br />

Ihnen einfach sagen, was wir tun. Wir hatten den Eindruck, dass die Schwie-<br />

85


igkeiten mit psychisch kranken Patienten z.B. in unserer Notaufnahme sozusagen<br />

<strong>im</strong>mer wieder „explodierten“, und dass es da vor allem um die älteren<br />

<strong>Menschen</strong> ging, die wegen Exsikkose und daraus resultierender Verwirrtheit<br />

kamen. Wir starteten dann nach Rücksprache mit der Pflegedirektion<br />

in der Notaufnahme mit Fortbildungsveranstaltungen von dem von uns<br />

allen geschätzten Konsiliar. Solche Fortbildungsveranstaltungen sollten in<br />

Absprache mit den Leitern der jeweiligen Abteilungen bzw. Berufsgruppen<br />

stattfinden, und sie sollten von jemandem gemacht werden, der eine gewisse<br />

„street credibility“ hat, damit klar ist, dass da keiner kommt, der irgendetwas<br />

erzählt, was man dann doch nicht umsetzen kann. Am besten ist allerdings<br />

für die Nachhaltigkeit, wenn man wie in Kaufbeuren Liaisonpflegekräfte<br />

hat.<br />

Dr. Andreas Horn: Ich komme vom Alexianer-<strong>Krankenhaus</strong> in Krefeld: Herr<br />

Prof. Diefenbacher, Sie haben hier einen beeindruckenden und faszinierender<br />

Überblick gegeben. Ich möchte zur Aufmunterung beitragen, indem ich<br />

mitteile, dass es die Insel der Glückseligen vielleicht nicht nur in Kaufbeuren<br />

gibt. Ein bisschen davon gibt es eventuell auch in Krefeld, weil wir seit fünf<br />

Jahren ebenfalls eine Form von Konsiliar- und Liaisondienst betreiben. Es<br />

handelt sich um mobile Teams, die in Allgemeinkrankenhäusern der Umgebung<br />

tätig werden. In Zeiten <strong>im</strong>mer kürzerer Verweildauern können wir mit<br />

diesen mobilen Teams nicht nur <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus behandeln, sondern<br />

die Patienten anschließend auch zu Hause <strong>im</strong> Sinne eines Hometreatments<br />

weiter betreuen. Durch diese adäquate psychiatrische Nachbehandlung<br />

ergibt sich eine zusätzliche Qualität. Zu dieser Kombination aus Allgemeinkrankenhaus<br />

und psychiatrischem Fachkrankenhaus könnte man jetzt<br />

noch sehr viel sagen. Ich habe gehört, dass es da anscheinend noch sehr<br />

viel Entwicklungspotential gibt, und das hat mich sehr nachdenklich gemacht.<br />

Vielen Dank!<br />

Dr. Manfred Geiger: Können Sie noch etwas zum Stellenwert des Pflegepersonals<br />

in diesen internationalen Modellen sagen? Es ist angeklungen, aber<br />

Sie haben hauptsächlich über die ärztliche Diagnostik geredet.<br />

Prof. Dr. Diefenbacher: Das ist sozusagen ein Versäumnis aus meiner spezifisch<br />

deutschen Sicht. In England und USA sind die Konsiliardienste seit<br />

vielen Jahren multidisziplinär besetzt, und das Pflegepersonal und die Sozialarbeiter<br />

spielen da eine ganz große Rolle. Ergotherapeuten hat man weniger,<br />

das gibt es interessanterweise eher in Australien, wobei die Ergothera-<br />

86


peuten da auch die Entspannungsübungen machen. In den USA werden<br />

selbst in den sehr hoch spezialisierten Programmen, wie dem Transplantationsprogramm<br />

von Pittsburgh, die supportiven, psychotherapeutischen Gespräche<br />

mit den Patienten von speziell ausgebildetem Pflegepersonal geführt.<br />

Das sind so genannte „Clinical Nurse Specialists“. Das ist eine etwas<br />

andere Ausbildung als bei uns, die sind auch in supportiver Psychotherapie<br />

geschult, und das umfasst durchaus Elemente kognitiver Verhaltenstherapie.<br />

Bei den Diensten, die ich da besucht habe, waren seinerzeit mindestens<br />

ein oder zwei Pflegekräfte mit an Bord, z.B. in einem sehr interessanten<br />

Modell <strong>im</strong> Staat New York, wo es um die Behandlung von Patienten mit<br />

schweren Brandverletzungen ging. Diese Klinik hatte speziell für diese<br />

Brandverletztenstation eine Pflegekraft, die die psychotherapeutischen und<br />

supportiven Gespräche führte, und diese Pflegekraft hat mit dem zuständigen<br />

Psychiater, dem die Leitung des Konsildienstes oblag, auch ein Buch<br />

geschrieben. Vor allem in den angelsächsischen Ländern ist es ganz anders<br />

als bei uns. In Deutschland sind wir in der Tat sehr arztzentriert.<br />

Robert Schüßler: Ich habe Sie so verstanden, dass die Wertschätzung der<br />

Psychiater durch die nicht-psychiatrischen Kollegen sich - sagen wir mal -<br />

durchaus in Grenzen hält. Am Anfang Ihres Vortrags hatte ich jedoch den<br />

Eindruck, dass die Bereitschaft oder der Wunsch, an den Psychiater zu<br />

überweisen, doch sehr hoch ist. Wie verträgt sich das miteinander?<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Das verträgt sich leider relativ gut. Die Anforderungen<br />

an den Konsilpsychiater, die nehmen ohne Zweifel zunächst zu,<br />

aber <strong>im</strong> Wesentlichen mit dem Ziel, den Patienten zu verlegen. Und das ist<br />

etwas, das wir nicht für sinnvoll halten. Wenn wir dann versuchen, psychiatrisches<br />

Arbeiten in die somatischen Stationen zu integrieren, dann schreckt<br />

man zurück. Solange man die psychiatrische Abteilung <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus<br />

als „Miniatur-Irren-Asyl“ versteht, wohin man störende Patienten<br />

abschieben kann, dann ist man wohlgelitten. Wenn das nicht der Fall ist, gibt<br />

es Probleme. Und das ist eigentlich der Punkt, um den es geht. Wenn ich<br />

Patienten abschiebe und mich nicht darum kümmere, das ist in meinen Augen<br />

keine Akzeptanz.<br />

Robert Schüßler: Dann ist mir ein weiterer Punkt bei Ihrem Vortrag aufgefallen.<br />

Sie haben das interdisziplinäre Team angesprochen, Sie haben richtigerweise<br />

auch die Ergotherapie genannt. Nicht genannt haben Sie z.B. die<br />

Physiotherapie. Das ist mir aufgefallen, weil ich meine, be<strong>im</strong> Vortrag von<br />

87


Herrn Eichhorn herausgehört zu haben, dass gerade <strong>im</strong> Bereich der Mobilität<br />

ein Problem liegen kann.<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Das ist richtig. Ich würde davor warnen, dass<br />

man einen konsiliarpsychiatrischen Dienst zu schnell aufwertet und daraus<br />

von vorneherein eine komplette eigene Abteilung macht. Wir haben in unserem<br />

<strong>Krankenhaus</strong> eine sehr rege Physiotherapie, die die Aktivierung der<br />

kranken älteren <strong>Menschen</strong> ganz gut <strong>im</strong> Griff hat. Die Psychiater sollten nicht<br />

den Anspruch haben, als Reparateure eines Gesamtsystems aufzutreten.<br />

Das wäre ein bisschen größenwahnsinnig. Das ist eine Frage der Organisation<br />

eines <strong>Krankenhaus</strong>es. Solche Modelle, in denen ein Physiotherapeut <strong>im</strong><br />

Rahmen eines psychiatrischen Konsildienstes tätig wird, kenne ich weder<br />

aus Deutschland noch aus dem internationalen Zusammenhang.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ihre Begriffswahl „Ergotherapeut“ hat mich doch etwas<br />

bewegt und ich möchte an Herrn Schüßler anknüpfen. Wir kennen das klassische<br />

Behandlungsspektrum von Ergotherapeuten und Physiotherapeuten.<br />

Das, was hier geschildert wurde, hat auch in hohem Maße mit aktivierender<br />

Pflege zu tun und gehört zu den klassischen Aufgaben von Pflegefachkräften.<br />

Sie kennen alle die neuen Leistungen der Soziotherapie und der häuslichen<br />

psychischen Krankenpflege, die wir gerade eingeführt haben. Das alles<br />

vermischt sich hier mit der Ergotherapie, und die Frage ist, wie kommen wir<br />

zu einer Abgrenzung. Noch komplizierter wird es, wenn wir auch noch die<br />

Physiotherapie mit aufnehmen. Es stellt sich die Frage, welche verschiedenen<br />

Berufszweige man in einen solchen Liaisondienst integrieren müsste<br />

und wie man das Ganze eigentlich finanzieren will.<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Ich denke, es geht vor allem um eine sinnvolle<br />

Koordination und um eine Beseitigung von Schnittstellenproblemen. Ich<br />

fühle mich nicht ganz kompetent, für die Ergotherapeuten zu antworten. In<br />

der Ergotherapie gibt es zwei Strömungen, die ausdrucks- und die kompetenzzentrierte<br />

Strömung. Die kompetenzzentrierte Ergotherapie ist meines<br />

Erachtens <strong>im</strong> Rahmen eines geriatrisch-gerontopsychiatrischen Liaisondienstes<br />

von besonderem Interesse.<br />

88


3. Podiumsdiskussion: Neue Wege bei der Versorgung<br />

älterer Patient/innen <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />

Diskussionsteilnehmer/innen auf dem Podium:<br />

Werner Wobbe, Bundesministerium für Gesundheit<br />

Paul-Jürgen Schiffer, VdAK/AEV<br />

Dr. Michael von Cranach, Ärztlicher Direktor des BKH Kaufbeuren<br />

Friedhelm Gallinat, Vorstand Klinikum Ostallgäu<br />

Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher, Ev. <strong>Krankenhaus</strong> Königin Elisabeth<br />

Herzberge<br />

Sabine Kirchen-Peters, iso-Institut, Saarbrücken<br />

Moderation: Volker Panzer, ZDF<br />

Volker Panzer: Ich darf Ihnen zunächst diejenigen Gäste auf dem Podium<br />

vorstellen, von denen Sie noch kein Referat gehört haben. Zu meiner Linken<br />

sitzt Dr. Michael von Cranach, er ist Leitender Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses<br />

in Kaufbeuren, das ist eine Fachklinik für Psychiatrie,<br />

Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie mit insgesamt 780 Mitarbeiter/innen,<br />

und dieses <strong>Krankenhaus</strong> ist Träger des heute Morgen vorgestellten<br />

Modellprojektes. Friedhelm Gallinat sitzt rechts neben mir, er ist Vorstand<br />

des Klinikums Kaufbeuren-Ostallgäu, ist also in verantwortlicher Position<br />

der Geschäftsführung in dem Allgemeinkrankenhaus, in dem das Modell<br />

tätig wurde. Frau Fuhrmann ist zwar <strong>im</strong> Tagungsflyer nicht als Podiumsvertreterin<br />

aufgeführt, aber wir haben sie gebeten, sich für Ihre Fragen zur<br />

Verfügung zu stellen. Die politischen oder „geldgeberischen“ Gäste hier auf<br />

dem Podium sind Paul-Jürgen Schiffer, er ist Leiter der Abteilung Pflege<br />

be<strong>im</strong> Verband der Angestelltenkrankenkassen. Und schließlich Herr Werner<br />

Wobbe, er ist vom Bundesministerium für Gesundheit, dem Haus, das das<br />

Modellprojekt <strong>im</strong> Rahmen des Modellprogramms „Verbesserung der Versorgung<br />

Pflegebedürftiger“ gefördert hat. Mein Name ist Volker Panzer, ich leite<br />

das ZDF-Nachtstudio; der eine oder andere wird vielleicht die Sendung mit<br />

dem Kamin schon mal gesehen haben. Ich bin auch deshalb hier, weil mein<br />

Vater nicht eine fiktive Biographie hatte, wie Herr Eichhorn sie heute Morgen<br />

vorgetragen hat, sondern das war eine reale Gegebenheit. Es begann mit<br />

einem Oberschenkelhalsbruch, er war dement, in häuslicher Pflege. Ich<br />

89


habe um ihn herum zusammen mit dem Demenzverein Saarlouis quasi ein<br />

He<strong>im</strong> <strong>im</strong> Haus organisiert. Dann kam er ins <strong>Krankenhaus</strong>, dort wurde er<br />

fixiert. Der Bruch wurde zwar geheilt, er hatte sich aber wund gelegen am<br />

Schienbein. Er kam dann nach Hause, wurde ambulant behandelt, das funktionierte<br />

nicht, die Wunde ging nicht zu, das Bein musste amputiert werden.<br />

Dann lag er wieder <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> und musste schließlich in ein Pflegehe<strong>im</strong><br />

eingewiesen werden. Nach zwei Monaten bekam er dort eine Lungenentzündung,<br />

kam in ein anderes <strong>Krankenhaus</strong> und ist gestorben. Vielleicht<br />

würde er heute noch leben, wenn es so etwas wie einen Konsiliar- und Liaisondienst<br />

gegeben hätte, aber das ist nur Spekulation.<br />

Meine erst Frage geht an Herrn Wobbe. Herr Wobbe, wir haben heute über<br />

einen gerontopsychiatrischen Fachdienst gesprochen. Wird in der Öffentlichkeit<br />

und in der Politik über gerontopsychiatrische Themen genügend<br />

diskutiert?<br />

Werner Wobbe: In unserem Modellprogramm, das von 1991 bis 2004 die<br />

Pflegeversicherung vorbereitet und bei der Umsetzung und Einführung unterstützt<br />

hat, hat dieser Themenbereich seit der zweiten Hälfte der 90-er<br />

Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen. Seit der Veröffentlichung unserer<br />

Förderrichtlinien <strong>im</strong> Dezember 1994 <strong>im</strong> Bundesanzeiger war zu beobachten,<br />

dass sich <strong>im</strong>mer mehr Anträge in diese Richtung bewegten und solche<br />

Projekte, wie sie heute hier diskutiert wurden, auch in die Förderung gelangten.<br />

Diese Debatte hat meines Erachtens einen höheren Stellenwert bekommen.<br />

Volker Panzer: Frau Kirchen-Peters, wie ist Ihre Studie aufgenommen worden?<br />

Gibt es zum Beispiel darüber eine Debatte, die außerhalb der verschiedenen<br />

Fachrichtungen stattfindet? Ist das Thema Ihres Erachtens noch<br />

zu sehr <strong>im</strong> Hintergrund?<br />

Sabine Kirchen-Peters: Der Abschlussbericht ist gerade erst erschienen,<br />

und wir haben diesen zum Anlass genommen, verstärkt Öffentlichkeitsarbeit<br />

zu machen. Ich habe aber <strong>im</strong> Verlauf meiner Arbeiten in Kaufbeuren <strong>im</strong>mer<br />

schon Kontakt zur Deutschen Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft gesucht, die an diesem<br />

Thema ebenfalls stark interessiert ist, und darüber hat sich schon eine<br />

gewisse Breitenwirkung entwickelt. Ich habe zudem durch viele Anfragen<br />

während der Modelllaufzeit gemerkt, dass es sich um ein Thema handelt,<br />

das in vielen Krankenhäusern brisant ist, wo es aber offenbar noch sehr<br />

viele Hemmnisse gibt, in die Umsetzung zu gelangen; das ist die eine Rich-<br />

90


tung, was die Fachseite anbelangt. Ansonsten war ich nach der Bestandsaufnahme<br />

der Probleme <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus Kaufbeuren, bei<br />

der ich feststellen musste, welche schicksalhaften Entwicklungen sich hier<br />

für ältere Patienten ergeben, doch erstaunt, dass in der allgemeinen Öffentlichkeit<br />

über das Themengebiet eigentlich sehr wenig gesprochen wird. Mein<br />

persönlicher Eindruck ist, wenn man sich die in den Pflegeeinrichtungen<br />

stattfindenden Qualitätsdiskussionen vor Augen führt, dass man <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>bereich<br />

eher noch etwas hinterher hängt.<br />

Volker Panzer: Herr Schiffer, wie sehen Sie das als Vertreter der Krankenkassen?<br />

Wird dieses Problem in der Öffentlichkeit wahrgenommen oder wird<br />

es nur von den Krankenkassen unter dem Kostengesichtspunkt aufgegriffen?<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ich denke, dieses Thema ist insbesondere mit Blick<br />

auf die Einführung der Pflegeversicherung in den Fokus der Betrachtung<br />

geraten, das muss man ganz deutlich sehen. Als jemand, der beide Bereiche<br />

abzuwickeln hat, sowohl das SGB V als auch das SGB XI, alles das,<br />

was mit Pflege <strong>im</strong> weitesten Sinne des Wortes zu tun hat, muss ich sagen,<br />

beschäftigt uns dieses Thema vor allem <strong>im</strong> Zusammenhang mit der demographischen<br />

Entwicklung. Wir sind derzeit in der großen Diskussion, dass<br />

wir unsere Sozialsysteme reformieren müssen. Einiges ist schon getan worden<br />

<strong>im</strong> Zuge des Gesundheitsreformgesetzes, zum Beispiel der Paragraph<br />

140 SGB V, die integrierte Versorgung, die natürlich auch mit Mängeln behaftet<br />

ist, sonst wären wir sicherlich in diesen Feldern ein ganzes Stück weiter.<br />

Ich will das auch gar nicht nur unter dem Blickwinkel der Einsparung von<br />

Finanzmitteln diskutiert wissen. Für mich hat so etwas auch mit Ethik und<br />

<strong>Menschen</strong>würde zu tun. Dieses Modellprojekt hat mich in diesem Sinne<br />

begeistert, ich habe den Bericht an einem Wochenende regelrecht verschlungen,<br />

und da bin ich zu dem Schluss gekommen: Das ist ein Bereich,<br />

der muss jetzt auch umgesetzt werden! Ich habe mir heute Morgen in den<br />

Diskussionen durchaus manchmal die Frage gestellt, so was müsste doch<br />

eigentlich selbstverständlich sein, sowohl in den Krankenhäusern als auch<br />

<strong>im</strong> weitesten Sinne für unsere Altenpflegeeinrichtungen. Landauf und landab<br />

kennt eigentlich jeder die Problematiken des Personenkreises gerontopsychiatrisch<br />

<strong>veränderte</strong>r <strong>Menschen</strong>. Ich beziehe mich seit Jahren sehr stark<br />

<strong>im</strong>mer auf das Thema Alzhe<strong>im</strong>er und Demenz, und ich habe festgestellt,<br />

dass wir den Bogen viel umfangreicher spannen müssen. Das gilt, wenn wir<br />

beispielsweise über den Pflegebegriff neu diskutieren, dann muss auch die<br />

91


Demenzthematik stärker berücksichtigt werden, und dann müssen eben<br />

Türen geöffnet werden, wie wir es heute anhand von praktischen Beispielen<br />

gesehen haben.<br />

Volker Panzer: Ich will mal das Beispiel Kaufbeuren ins Spiel bringen. Wir<br />

haben heute etwas gehört, was eigentlich der gesunde <strong>Menschen</strong>verstand<br />

fordern könnte; dass man sagt, bei Demenzkranken oder bei gerontopsychiatrisch<br />

<strong>veränderte</strong>n Patient/innen muss jemand da sein, der eine Beziehung<br />

zu denen aufbaut. Da könnte man als Laie sagen, das liegt doch in der Natur<br />

der Sache; aber anscheinend ist dem nicht so. Anscheinend gab es<br />

schon sehr früh eine Trennung zwischen der somatischen und der psychiatrischen<br />

Medizin sowie der Pflege und Betreuung auf der anderen Seite. Herr<br />

Dr. von Cranach, warum ist gerade in Kaufbeuren so ein Modell entstanden?<br />

Das kann ja nicht nur Zufall gewesen sein?<br />

Dr. Michael von Cranach: Lassen Sie mich mal kurz 140 Jahre zurückgehen.<br />

Als Bismarck die RVO gründete und festlegte, dass die Kommunen<br />

zuständig für die stationäre Versorgung sein sollten, gab es eine Diskussion,<br />

wie das <strong>Krankenhaus</strong> <strong>im</strong> Kreis oder der Stadt aussehen soll, und da haben<br />

viele Psychiater gesagt, da muss auch die Psychiatrie rein. Aber es wurde<br />

beschlossen, dass die Psychiatrie zusammen mit dem „Krüppelwesen“ und<br />

den Lungenkrankheiten in großen staatlichen, getrennten Systemen zu behandeln<br />

sei. Und dagegen kämpfen wir <strong>im</strong>mer noch an, das ist das Problem.<br />

Kein Fach der Medizin hat sich in den letzten 25 Jahren so massiv verändert<br />

wie die Psychiatrie, aber jetzt ist sie soweit, dass sie wieder in der somatischen<br />

Medizin aufgenommen werden könnte. Und weil wir so nahe rangekommen<br />

sind an die Somatik, bestehen plötzlich Ängste aufgrund von Vorurteilen<br />

und aufgrund von Unkenntnissen, und diese müssen wir überwinden.<br />

Wir versuchen es. Warum bei uns? Als die Psychiatriereform in Bayern 1980<br />

mit dem Ersten Bayerischen Psychiatrieplan anfing, waren die Krankenhäuser<br />

in einem grauenvollen Zustand, mit einer unbearbeiteten Vergangenheit<br />

von Mord und Nazi-Zeit, und jetzt ging es darum, das zu verändern. Wir<br />

haben uns an die Arbeit gemacht und haben <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>, wie an vielen<br />

anderen Orten auch, die ehemals 1.000 geschlossenen Betten auf derzeit<br />

160 Betten reduziert. Gleichzeitig haben wir ganz viel ambulantisiert und<br />

versucht, das <strong>Menschen</strong>bild der Mitarbeiter/innen zu verändern und Vorurteile<br />

sowie Stigmatisierungen in der Bevölkerung abzubauen. Ein Problembereich<br />

war die Gerontopsychiatrie. Die Psychiatrischen Kliniken waren früher<br />

Orte, an die die Altershe<strong>im</strong>e ihre sterbenden und unbequemen Pati-<br />

92


ent/innen abgaben. Das waren Räume, Wachsäle, in denen zwanzig bis<br />

dreißig Patient/innen sterbend <strong>im</strong> Bett lagen, eine grauenhafte Situation.<br />

Und so haben wir angefangen, zunächst mit der Institutsambulanz aus dem<br />

stationären Bereich hinauszugehen. Dann haben wir vom Ministerium unsere<br />

erste Modellförderung bekommen, um dieses ambulante Versorgungssystem<br />

auszubauen und zu systematisieren. Und dabei sind wir auf Problembereiche<br />

aufmerksam geworden. Und so wurde die Idee des Konsiliar- und<br />

Liaisondienstes einerseits geboren und noch ein drittes Modellprojekt angestoßen,<br />

ein außerhalb des klinischen Betriebes sich befindendes Haus zur<br />

Prävention und Früherkennung von psychischen Störungen <strong>im</strong> Alter. Wir<br />

versuchen damit, nicht nur die Versorgung der <strong>Menschen</strong> zu ändern, sondern<br />

auch die Einstellung der Bevölkerung zum Altern und zu psychischen<br />

Erkrankungen.<br />

Volker Panzer: Herr Gallinat, Sie sind der Manager dieses Projektes. Was<br />

mir heute Morgen aufgefallen ist, dass sich dieses für die Versorgung der<br />

Kranken so positive Projekt auch noch rechnet. Wie funktioniert das in Wirklichkeit?<br />

Friedhelm Gallinat: Wir haben hier best<strong>im</strong>mt nicht ein Projekt entwickelt,<br />

das uns mit ein bisschen Personaleinsatz riesige Gewinne produziert. Die<br />

beste Phase, in der das vielleicht noch denkbar war, war die Modelllaufzeit,<br />

wo die Kosten vom Ministerium getragen wurden und wir nur die Einsparungen<br />

hatten, nämlich wir haben Leistungen in Anspruch nehmen können, wir<br />

hatten Qualitätsverbesserungen, wir hatten weniger externe Konsile, brachte<br />

uns eine Ersparnis von etwa 15.000 bis 18.000 € <strong>im</strong> Jahr. Die aktuellen Kosten<br />

des Konsiliar- und Liaisondienstes mit etwa 170.000 € <strong>im</strong> Jahr fielen<br />

aber eben nicht an. Als die Frage nach einer Übernahme des Konsiliar- und<br />

Liaisondienstes nach Modellende anstand, fingen wir an zu rechnen. Allerdings<br />

muss ich sagen, das Wichtigste war, dass wir uns einig waren, wir<br />

müssen es in jedem Falle weitermachen, wir können es nicht abbauen, weil<br />

das zu einem ganz großen Verlust in der Qualität unseres Hauses führen<br />

würde. Wir waren erfreut, dass auch die Krankenkassen diese Einstellung<br />

teilten. Als wir dann in die Pflegesatzverhandlungen einstiegen und sagten,<br />

wir brauchen hier mehr Budget, da haben die Kassenvertreter gesagt: ‚Wieso<br />

mehr Budget? Ihr seid doch jetzt unter DRG-Bedingungen und Ihr könnt<br />

doch die Mehrerlöse, die diese Tätigkeit abwirft, einfach durch höhere Codierung<br />

erzielen’. Das haben wir dann geprüft, weil wir das nicht so ohne<br />

weiteres geglaubt haben. Wir haben mal die Konsilscheine von zwei Mona-<br />

93


ten geprüft, allerdings noch in der Phase des Modellprojektes, da hatten wir<br />

in den zwei Monaten 98 Konsile, die sich dann auch in Codierungen, in Dokumentationen<br />

usw. niedergeschlagen haben. Wenn wir von rund fünfzig<br />

Konsilen pro Monat ausgehen, haben dreizehn Konsile zu einer Veränderung<br />

des Erlöses geführt. Viele Konsile oder psychiatrische Diagnosen hatten<br />

einen höheren CCL von zwei oder drei, aber die Beeinflussung des Erlöses<br />

war nicht mehr möglich, weil unsere Patient/innen bereits mit einem<br />

PCCL vier schon so krank und mult<strong>im</strong>orbid waren, dass da in der Pauschale<br />

einfach nicht mehr zu erzielen war. Wenn der Punkt erreicht ist, kann man<br />

codieren, was man will, man kann Leistungen erbringen, wie man will, es<br />

führt zu keinem Mehrerlös mehr. Insgesamt waren die Diagnosen ausschließlich<br />

psychiatrische Diagnosen, also keine Alkohol- oder Tablettenintoxikation.<br />

Ich habe hier so eine schöne Aufstellung, ich will die jetzt nicht <strong>im</strong><br />

Detail vortragen, aber <strong>im</strong> Wesentlichen macht sich Folgendes bemerkbar:<br />

ich nehme eine DRG mal raus, und zwar eine, die wirklich zu einem sehr<br />

guten Mehrerlös führt, das ist die G60D; die hat ohne die psychiatrischen<br />

Diagnosen einen Erlös von 1.594 €, und durch die psychiatrischen Mitdiagnosen,<br />

die Mitbehandlung, wird hier um zwei Stufen verbessert auf G60B<br />

und führt dann zu einem Erlös von 3.447,97 €, das heißt, wir haben 116%<br />

mehr erzielt. Dann haben wir noch eine weitere, die hat 85% Mehrerlöse<br />

gebracht, wir haben drei, die etwa 50% Mehrerlös gebracht haben, fünf, die<br />

etwa, jetzt fasse ich ein bisschen zusammen, um die 30% Mehrerlös gebracht<br />

haben. Und wenn ich das jetzt alles zusammenrechne, komme ich in<br />

der Summe auf einen Mehrerlös von 16.283 € für zwei Monate. Wenn ich<br />

das hochrechne auf das ganze Jahr, komme ich damit auf etwa 100.000 €,<br />

und wir erinnern uns, die aktuellen Kosten für den Konsiliar- und Liaisondienst<br />

liegen bei etwa 170.000 €.<br />

Seit der Phase der „Echtfinanzierung“ ist der Fachdienst jetzt dazu übergegangen,<br />

mehr Patient/innen zu übernehmen, die mitcodiert, mitbetreut und<br />

mitbehandelt werden, etwa 85 pro Monat sind nötig, um die Finanzierung<br />

auszugleichen. Die Finanzierung ist damit ausgeglichen, und wir haben<br />

dann zusätzlich noch die Einsparungen durch externe Konsile, die wir vermeiden.<br />

Vor allen Dingen haben wir eine erhebliche Qualitätsverbesserung,<br />

ich würde sagen, alleine diese Qualitätsverbesserung wäre bereits Argument<br />

genug. Insgesamt kann man sagen, bei uns <strong>im</strong> Hause rechnet sich der<br />

Konsiliar- und Liaisondienst.<br />

94


Volker Panzer: Herr Wobbe und Herr Schiffer, wäre das nicht tatsächlich<br />

ein Modell, das man bundesweit propagieren sollte, vielleicht in jedem Bundesland<br />

zumindest ein oder zwei solcher Fachdienste und inwieweit könnte<br />

man das durch Richtlinien, evtl. auch durch Gesetze erreichen? Ich bin jetzt<br />

kein Volkswirt, aber es scheint sich ja zu rechnen, wobei ich <strong>im</strong>mer noch die<br />

230.000 € vor Augen habe, die Frau Kirchen-Peters als Plus berechnet hat.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ja, das sind Einsparungen bei den Kassen.<br />

Werner Wobbe: Diese Idee finde ich großartig, ich würde es mir wünschen.<br />

Es ist heute mehr als deutlich geworden, dass der Konsiliar- und Liaisondienst<br />

wirklich eine ganz hervorragende Sache ist, und wenn wir auch hören,<br />

dass es sich rechnet, würde es sich anbieten, dass man das in jedem<br />

Bundesland einführt. Was aber die Einführung neuer gesetzlicher Grundlagen<br />

anbetrifft, kann man so kurz nach der Wahl keine Aussagen treffen.<br />

Robert Schüßler (Plenum): Ich hatte Herrn Gallinat so verstanden, dass<br />

die positiven Effekte, die er ausführlich geschildert hat, keinerlei gesetzliche<br />

Änderungen erfordern. Er hat uns geschildert, dass mit dem DRG-System,<br />

das wir haben, deutliche Verbesserungen bei den Erträgen der Krankenhäuser<br />

möglich sind; das war der eine Punkt. Ich habe ihn auch so verstanden,<br />

dass sich durch die Verbesserung der Qualität insgesamt erhebliche Vorteile<br />

für das <strong>Krankenhaus</strong> ergeben haben. Von daher kann ich <strong>im</strong> Moment in der<br />

Frage, ob man das Ganze nun gesetzlich regeln müsste, nicht allzu viel<br />

weiterführenden Sinn erkennen. Ganz <strong>im</strong> Gegenteil, ich würde sagen, der<br />

Trend in der Politik geht doch dahin, Entbürokratisierungspotentiale zu identifizieren<br />

und die Summe der Regelwerke keinesfalls zusätzlich auszuweiten.<br />

Volker Panzer: Ich meinte auch nicht unbedingt Gesetzeskraft, aber Herr<br />

Prof. Diefenbacher hat in seinem Vortrag zum Beispiel darauf hingewiesen,<br />

dass es in den USA und in England best<strong>im</strong>mte Richtlinien gibt, die bewirken,<br />

dass man in den Krankenhäusern Psychiater schon sehr früh einbezieht.<br />

Friedhelm Gallinat: Einen kleinen Wermutstropfen muss ich doch noch<br />

reinsetzen. Diese Rechnung, die ich eben aufgemacht habe, die gilt natürlich,<br />

solange ich mich mit meinem <strong>Krankenhaus</strong> <strong>im</strong> Rahmen des Budgets<br />

bewege. Das heißt, ich habe eine Obergrenze bei meinen Erlösen, und solange<br />

ich auf diese Obergrenze hin arbeite und mich in der bewege, erhalte<br />

ich diese Erträge zu 100%. Sobald ich mich darüber hinausbewege und<br />

95


wenn das jetzt ausgerechnet die Zusatzerträge wären, die ich erziele, bekomme<br />

ich davon nur noch 35%. Das ist jetzt natürlich eine Anfrage an die<br />

Kassen, und das haben wir denen auch gesagt. Aber wir sind zum Beispiel<br />

<strong>im</strong> letzten Jahr über unser Budget hinausgekommen, wir mussten zurückzahlen,<br />

und dann ist ein solcher Bereich natürlich, wenn man den für sich<br />

rechnet, eigentlich nicht mehr so ganz gesichert. Das heißt, hier sind die<br />

Kassen gefragt, uns dann, zumindest solange wir jetzt noch die Konvergenzphase<br />

haben, die entsprechende Erhöhung des Budgets zu gewähren<br />

und zu sagen, den Liaisondienst, den nehmen wir als Mehrleistung mit hinein<br />

ins Budget.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ich st<strong>im</strong>me Herrn Schüßler zu, ich denke, wir brauchen<br />

dafür keine gesetzliche Regelung. Das SGB V bietet Möglichkeiten<br />

genug. Wir haben den Paragraph 140, die integrierte Versorgung. Dann<br />

diskutieren wir auch über die bis heute noch nicht vollzogene Etablierung<br />

von so genannten „Medizinischen Versorgungszentren“. Das sind schon mal<br />

Grundlagen, die man heute hat. Mir ist klar, dass es in Kaufbeuren nur solange<br />

gut läuft, wie man sich finanziell <strong>im</strong> Rahmen des feststehenden Budgets<br />

bewegt. In dem Moment, wo es darüber hinausgeht, wird die Sache<br />

natürlich kritisch, und deshalb denke ich, müssen wir gucken, wie können<br />

wir das auf der Basis der bestehenden gesetzlichen Regelungen in eine<br />

Regelfinanzierung überführen, und ich denke, dafür wäre der Paragraph 140<br />

sicherlich geeignet. Was viel wichtiger ist: Wie kriegen wir die Schnittstelle<br />

mit der Pflegeversicherung geregelt? Das ist ein wesentliches Thema, weil<br />

ja viele pflegebedürftige Patient/innen ins Allgemeinkrankenhaus kommen.<br />

Wir haben selbst Studien durchgeführt, warum sich beispielsweise so viele<br />

Bewohner/innen aus Pflegehe<strong>im</strong>en <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong> Rahmen eines Drehtüreffektes<br />

in den Allgemeinkrankenhäusern befinden. Da sind die Gründe<br />

natürlich vielschichtig, das muss man einfach sehen. Von daher sage ich,<br />

die Pflegeversicherung muss auch mit Blick auf den Einspareffekt durch die<br />

Vermeidung stationärer Pflege in die Finanzierung einbezogen werden. Man<br />

wird prüfen müssen, wie man durch eine so genannte Schnittstellenbereinigung<br />

beide Systeme in die Finanzierung mit hineinbringen kann, weil es ist<br />

ein ureigenstes Interesse der Pflegeversicherung, dass gerade solche <strong>Menschen</strong><br />

eben nicht in der stationären Pflege landen, sondern in ihre Häuslichkeit<br />

zurückkommen. Und von daher hat auch die Pflegeversicherung die<br />

Verpflichtung, sich finanziell dort mit einzubringen, unabhängig von den<br />

Problemen mit der Gesamtfinanzierung dieses Konzeptes Pflegeversiche-<br />

96


ung. Für mich muss nicht unbedingt der Psychiater ein angestellter Arzt des<br />

<strong>Krankenhaus</strong>es sein, der kann durchaus aus dem ambulanten Bereich<br />

kommen. Eine Möglichkeit wären auch diese „Medizinischen Versorgungszentren“,<br />

die bisher in der Realität noch nicht in Erscheinung getreten sind,<br />

wie kann ich möglicherweise in einem <strong>Krankenhaus</strong> ein solches „Medizinisches<br />

Versorgungszentrum“ etablieren mit einer eigenständigen Finanzierungsstruktur.<br />

Im Grunde sind diese Zentren vergleichbar mit den früheren<br />

Polikliniken, die man zu meinem Bedauern damals in den neuen Ländern<br />

abgeschafft hat.<br />

Volker Panzer: Ich würde diese Frage gerne an Herrn Diefenbacher weitergeben.<br />

Ambulante Psychiater und Stichwort Polikliniken, wie funktioniert das<br />

mit der Finanzierung etwa in England oder in den USA, die ein ganz anderes<br />

Gesundheitssystem haben als wir?<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Grundsätzlich würde ich Herrn Schiffer zust<strong>im</strong>men,<br />

man kann sich hier Modelle überlegen, die auch jenseits von klassischen<br />

Angestelltenverhältnissen angesiedelt sind. In den USA, wo ich<br />

selbst teilweise gearbeitet habe, sind meines Wissens 30 Millionen <strong>Menschen</strong><br />

gar nicht versichert und werden in den Notaufnahmen behandelt,<br />

weswegen man dort eben auch diese ellenlangen Wartezeiten hat. Aber für<br />

einen Großteil derer, die eine ausreichende Versicherung haben, kommt der<br />

Hausarzt oder Facharzt, der sie ambulant behandelt hat, auch ins <strong>Krankenhaus</strong><br />

und macht dann Vorgaben für die Therapie, die vor Ort von den Assistenzärzten<br />

umgesetzt werden. Da hat in gewisser Weise der niedergelassene<br />

Arzt <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> die Funktion eines Oberarztes. Also das ist sicherlich<br />

ein Unterschied zu dem, was wir hier haben. Grundsätzlich, denke ich,<br />

geht es hier um die Weiterentwicklung der Institution <strong>Krankenhaus</strong> und um<br />

die Weiterentwicklung der Arbeit der Haus- und Fachärzte. In zehn bis fünfzehn<br />

Jahren wird sich der Arztberuf auch ein bisschen weiterentwickelt haben.<br />

Volker Panzer: In welche Richtung wird der sich weiterentwickelt haben?<br />

Prof. Dr. Albert Diefenbacher: Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In England<br />

gab es eine Diskussion: Muss eigentlich alles, was vom Dermatologen<br />

behandelt wird, von einem Arzt gemacht werden? Man hat doch, ich übertreibe<br />

jetzt ein bisschen, Bezüge beispielsweise zur Kosmetik, man hat sogar<br />

Bezüge zu Friseuren. Wäre es da nicht sinnvoll, dass man den Beruf<br />

des klassischen Dermatologen aufsplittet. Dann gäbe es vielleicht einen<br />

97


„Dermatezisten“, der die Teile macht, die jetzt nicht spezifisch arztgebunden<br />

sind, und der eigentliche ärztliche Dermatologe wird der dermatologische<br />

Chirurg. Und solche Modelle gibt es in den USA und in England für den Bereich<br />

der Psychotherapien. Das ist in Deutschland ein extrem heißes Eisen,<br />

wie Sie wissen. Also, wenn man in Deutschland sagt, man kann best<strong>im</strong>mte<br />

psychotherapeutische Verfahren von nichtärztlichen Berufsgruppen machen<br />

lassen, dann gibt es ein Riesengeschrei.<br />

Volker Panzer: Ich würde gerne noch mal nachfragen: In Kaufbeuren ist es<br />

doch so, dass die Pflege und die Ergotherapie sehr aufgewertet werden.<br />

Das heißt, es muss auch irgendwie eine finanzielle Aufwertung der jeweiligen<br />

Berufe geben, was ja wieder Geld kostet, denn die normale Krankenschwester,<br />

die eigentlich von den Nachtzuschlägen lebt, die gibt es zumindest<br />

in diesen Bereichen nicht mehr. Herr Gallinat, was sagen Sie dazu als<br />

der Mann, der das Geld verwaltet?<br />

Friedhelm Gallinat: Wir sind, sage ich mal ganz vorsichtig, glücklicherweise<br />

in der Lage, dass die höheren Qualifikationen, die die Mitarbeiter/innen <strong>im</strong><br />

Pflegedienst durch die Fortbildungen des Liaisondienstes erworben haben,<br />

noch nicht zu einer Erhöhung der Entgelte geführt haben. Die Mitarbeiter/innen<br />

haben das einfach gemacht, um besser zu werden.<br />

Volker Panzer: Aber das ist doch auf die Dauer eigentlich nicht haltbar?<br />

Man bildet sich fort, man arbeitet mehr, man hat mehr Anteil an dem Erfolg,<br />

auch an dem Kostensenkungserfolg, und wird da nicht belohnt?<br />

Friedhelm Gallinat: Das ist <strong>im</strong> Moment unser System, das heißt, es wird<br />

eher Geld aus dem System herausgenommen, das Ihnen zur Verfügung<br />

steht, und es entsteht ein sehr großer Druck gerade auf die Gehälter in den<br />

Krankenhäusern, jedenfalls in den Akutkliniken. Also ich sehe für einzelne<br />

Leistungsträger sicherlich höhere Entgelte, aber für die Vielzahl der Beschäftigten<br />

sehe ich keine größeren Verdienstmöglichkeiten <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>.<br />

Bertram Sellner (Plenum): Ich komme auch aus Kaufbeuren, bin da verantwortlich<br />

für den Pflegedienst. Leistung und Bezahlung dieser Leistung,<br />

das ist ja ein uraltes Thema für die Pflege, weil das Problem des Entgeltes<br />

<strong>im</strong> Pflegedienst ist, dass fast ein Drittel sich aus Zulagen zusammensetzt.<br />

Diese Zulagen kommen durch Nachtarbeit, Zulagen kommen durch Wochenendarbeit,<br />

und es gibt eben die Diskussion in der politischen Welt, wie<br />

98


sieht es mit der Versteuerung dieser Zulagen aus. Aber es ist <strong>im</strong> Tarif eine<br />

Höhergruppierung vorgesehen für Leute, die eine Qualifikation wie die von<br />

Frau Mahlberg und von Frau Ernszt haben. Das gleicht natürlich noch nicht<br />

den Wegfall der Zulagen aus. Aber man muss fairerweise sagen, man macht<br />

diese Dienste ja auch nicht. Im neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes<br />

ist die Fachkrankenschwester für Psychiatrie oder für Gerontopsychiatrie<br />

vom Entgelt fast auf der Ebene angesiedelt wie der Sozialpädagoge mit<br />

Abschluss. Das heißt, auch diese Qualifikation, diese Leistung, kommt dort<br />

stärker zum Ausdruck und wird honoriert.<br />

Volker Panzer: Verlassen wir jetzt mal die Ebene des Geldes. Ich würde<br />

gerne Herrn Dr. von Cranach fragen und aufgreifen, was Herr Prof. Diefenbacher<br />

gesagt hat: Muss man die Institution <strong>Krankenhaus</strong> vielleicht tatsächlich<br />

neu überdenken? Also das <strong>Krankenhaus</strong> dezentralisieren, damit die<br />

<strong>Krankenhaus</strong>verweildauer möglichst gering ist, dafür aber Institutionen außerhalb<br />

des <strong>Krankenhaus</strong>es etablieren, die etwa bei best<strong>im</strong>mten gerontopsychiatrischen<br />

Auffälligkeiten zuständig sind?<br />

Dr. Michael von Cranach: Um <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalte zu verkürzen, hat<br />

man über billigere Lösungen schon nachgedacht. Kurzzeitpflegen, geriatrische<br />

Abteilungen sind ein billigeres Angebot als das <strong>Krankenhaus</strong>. Wir haben<br />

in Kaufbeuren versucht, <strong>im</strong> Vorfeld etwas zu tun und präventiv tätig zu<br />

sein. Die Psychiater sprechen seit vielen Jahrzehnten über Prävention, und<br />

es gibt ganz viele Bücher, aber praktische Modelle der Prävention gibt es<br />

ganz wenig. Die Gesetzeslage in Deutschland erlaubt es nicht, in systematischem<br />

Umfang präventiv tätig zu sein. In dieser Situation haben wir wieder<br />

mit Hilfe des Ministeriums ein Modell entwickelt und haben mitten in der<br />

Stadt Kaufbeuren in einem sehr schönen Jugendstilgebäude ein Zentrum<br />

eingerichtet, in dem wir verschiedene Angebote etabliert haben. Da sollen<br />

ältere <strong>Menschen</strong> hingehen können, die vielleicht schon leicht erkennbar<br />

psychische Probleme haben, Einsamkeit, Depressionen, Gedächtnisstörungen<br />

oder beginnende Demenzen, und dort bekommen sie und die Angehörigen<br />

eine ausführliche Beratung, Diagnostik und gleichzeitig ein Forum, wo<br />

sie über ihre Behinderung sprechen und in einer neuen Weise damit umgehen<br />

können. In diesem Gebäude gibt es oben eine Wohngemeinschaft für<br />

ältere <strong>Menschen</strong> mit psychischen Störungen. Die Erfahrung war, dass wir<br />

nach kurzer Zeit eigentlich überlaufen wurden und dass das eine sehr starke<br />

Eigendynamik genommen hat, dass es mittlerweile einen Verein gibt, einen<br />

Freundeskreis. Der zweite Vorsitzende des Vereins ist ein Patient mit einer<br />

99


Alzhe<strong>im</strong>er-Erkrankung, und es ist erstaunlich, wie konstruktiv er das - trotz<br />

seiner massivsten Gedächtnisstörungen - noch alles machen kann. Und die<br />

Idee ist, dass dieser Freundeskreis auch einmal Träger dieses Hauses, der<br />

„Blauen Blume“, wird, die jetzt noch eine gemeinnützige GmbH des Bezirks<br />

Schwaben ist, der in Bayern auch Träger der Psychiatrischen Einrichtungen<br />

ist. Dieser Freundeskreis diskutiert ganz stark eine neue Kultur des Altwerdens<br />

und des Behindertseins und dass es nicht nur darum geht, dass man<br />

integriert leben kann, das ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, sondern<br />

dass man auch eigenständig leben kann.<br />

Volker Panzer: Herr Wobbe, ist das ein Modell der Zukunft oder nur eine<br />

romantische Idee, es heißt ja nicht umsonst „Blaue Blume“? Muss man vielleicht<br />

das ganze Gesundheitssystem neu überdenken und vielleicht einen<br />

ganz neuen Zugang suchen? Muss man den Begriff „ganzheitlich“ auch<br />

politisch umsetzen?<br />

Werner Wobbe: Man kann solche Projekte, wie sie Herr Dr. von Cranach<br />

geschildert hat, nur durchführen, wenn man das entsprechende Engagement<br />

bei allen Beteiligten hat. Das fängt schon mit der Antragsstellung an<br />

und zieht sich durch die Verhandlungen mit unserem Ministerium. Bei einer<br />

dreijährigen Laufzeit empfehle ich <strong>im</strong>mer: Im ersten Jahr müssen die Kassen<br />

informiert werden, ab dem zweiten Jahr muss man sie einladen, und <strong>im</strong> dritten<br />

Jahr muss dann die Anschlussfinanzierung gesichert werden. So haben<br />

wir es in beiden Projekten, bei der „Blauen Blume“ und be<strong>im</strong> Konsiliar- und<br />

Liaisondienst, gemacht. Es genügt nicht, dass das irgendwo in eine Richtlinie<br />

aufgenommen wird, in eine Verordnung, in ein Gesetz oder Ähnliches,<br />

und dann muss das jeder machen; das funktioniert nicht. Nur bei diesem<br />

Engagement aller Beteiligten ist das möglich.<br />

Volker Panzer: Frau Fuhrmann, Sie haben sich heute Morgen ganz intensiv<br />

mit der Hinwendung zu Ihrer Mutter beschäftigt. Nun gibt es aber perspektivisch<br />

<strong>im</strong>mer weniger traditionelle Familien, in denen die Kinder dann auch<br />

die Alten pflegen. Auch der Liaisondienst ist offenbar vor allem bei alleinstehenden<br />

Frauen gefragt. Wird da nicht etwas ganz Neues auf uns zukommen,<br />

werden wir zukünftig mehr Institutionen brauchen, die so etwas abfedern?<br />

Und wie kann das finanziert werden?<br />

Ingrid Fuhrmann: Ich habe, denke ich, schon etwas anders gehandelt als<br />

es früher in Familien üblich war, denn meine Mutter hat nicht bei mir gewohnt,<br />

sondern ich habe sie in ihrem eigenen Zuhause gepflegt und sie<br />

100


dann in eine Einrichtung gegeben. Ich weiß aber, dass die Pflege in der<br />

Familie auch heute noch sehr, sehr vielfältig ist. Die meisten alten <strong>Menschen</strong><br />

werden noch zu Hause gepflegt, häufig von den Ehepartner/innen, die wohnen<br />

sowieso schon zusammen, und aus diesem Grunde pflegt der gesunde<br />

Partner den Kranken. Durch die Einzelhaushalte wird sicher ein Riesenproblem<br />

auf uns zu rollen. Wir haben <strong>im</strong>mer mehr Single-Haushalte, die Kinder,<br />

wenn überhaupt noch vorhanden, wohnen woanders als die Eltern, und es<br />

gibt noch keine passende Versorgungsmöglichkeit. Und das ist auch etwas,<br />

was wir, die Deutsche Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft, mit bearbeiten wollen.<br />

Volker Panzer: Frau Kirchen-Peters, was erwarten Sie denn als Sozialwissenschaftlerin<br />

von der Zukunft? Was wird mit den Krankenhäusern passieren,<br />

wenn jetzt schon in der Durchschnittsbelegung über die Hälfte der Patient/innen<br />

über 65 Jahre sind, darunter viele Demenzkranke? Wie wird sich<br />

das entwickeln? Diese demographische Bombe, wie man so schön sagt, ist<br />

ja nicht mehr wegzurechnen.<br />

Sabine Kirchen-Peters: Was die Zahl an Versorgungsbedürftigen <strong>im</strong> gerontopsychiatrischen<br />

Bereich angeht, das ist klar prognostiziert. Entwicklungspotentiale<br />

bestehen noch <strong>im</strong> Bereich der Versorgungsstrukturen, und da<br />

hoffe ich, dass durch solche Modellprogramme Impulse gesetzt werden, sich<br />

viele auf den Weg machen und die Dinge anpacken. Das betrifft nicht nur<br />

die Krankenhäuser, sondern auch Pflegeeinrichtungen, den ganzen Bereich<br />

der He<strong>im</strong>versorgung, die so auch nicht mehr zeitgemäß ist. Es gibt in den<br />

verschiedenen Bereichen Pioniermodelle, die hoffentlich Nachahmer finden.<br />

Es gibt aber meistens Finanzierungsprobleme. Ich habe eben bei Herrn<br />

Schiffer mit Interesse gehört, dass er von einer Schnittstellenbereinigung<br />

gesprochen hat. Ich denke, dieses isolierte Denken in Finanzierungstöpfen<br />

ist in Deutschland genau das, was neue Entwicklungen oft erschwert. Herr<br />

Gallinat hat eben von den betriebswirtschaftlichen Kosten berichtet; das hat<br />

aber nichts damit zu tun, was volkswirtschaftlich durch so ein Projekt an<br />

Einsparungen erzielt wird und welche unterschiedlichen Sozialversicherungen<br />

profitieren. Dieses zusammenzuführen und diese Schnittstellenbereinigung<br />

hinzubekommen, wäre von großer Wichtigkeit. Das würde meines<br />

Erachtens viele ermutigen, sich mehr in die Offensive zu begeben, was Innovationen<br />

anbelangt.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ich würde gerne noch zwei Dinge aufgreifen. Die<br />

erste Frage ist, wie regele ich es letztendlich inhaltlich zwischen zwei unter-<br />

101


schiedlichen Sozialversicherungszweigen. Da haben wir heute schon Vorbilder.<br />

Kostenträger können untereinander einen Ausgleich führen, das muss<br />

der einzelne Leistungsanbieter vor Ort gar nicht erfahren. Bei der „Blauen<br />

Blume“ muss man betonen, dass es sich um ein so genanntes niedrigschwelliges<br />

Betreuungsangebot handelt. Hier in NRW werden gerade an<br />

verschiedenen Standorten Kompetenzzentren aufgebaut, in denen Beratung<br />

für Betroffene und für Angehörige angeboten wird, und es ist ein Fernziel,<br />

dort auch Diagnostik zu betreiben. Das kann laufen, das ist alles nichts<br />

grundsätzlich Neues, wenn beispielsweise Ärzte in solchen, nennen wir sie<br />

mal Beratungs- und Auskunftsstellen, durch Ermächtigung tätig werden. Und<br />

dazu kommt, dass die Kassen heute schon, soweit es das SGB XI angeht,<br />

diese niedrigschwelligen Angebote finanziell fördern. Einen Partner dürfen<br />

wir nicht vergessen, der hier gar nicht zur Sprache gekommen ist, das sind<br />

nämlich die Kommunen. Die Kommunen und Gemeinden, die haben heute<br />

schon eine Verpflichtung, aus der sie sich mit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

zurückgezogen haben, <strong>im</strong> Rahmen der Daseinsfürsorge<br />

etwas für ihre alten <strong>Menschen</strong> zu tun. Ich denke, genau da muss man auch<br />

bei der Reform der Pflegeversicherung ansetzen, dass Kommunen mit anderen<br />

Trägern solche niedrigschwelligen Angebote vorhalten, weil sonst<br />

läuft das Ganze ins Leere, weil sich wieder jeder Kostenträger nur auf seinen<br />

Teil zurückzieht.<br />

Dr. Klaus Nißle (Plenum): Zum Abschluss, Herr Schiffer, hätte ich noch<br />

eine Frage. Wir haben in unserer täglichen Arbeit ein Riesenproblem, einerseits<br />

zwischen dem betriebswirtschaftlichen Erfordernis, dass wir das <strong>Krankenhaus</strong><br />

aufrechterhalten, und andererseits aber mit der Notwendigkeit, die<br />

ambulanten Strukturen auszubauen. Wir werden momentan für alle Tätigkeiten,<br />

die wir ambulant mehr machen, quasi bestraft, weil wir noch mehr stationäre<br />

Betten wegrationalisieren müssen. Das widerspricht eigentlich den<br />

gesundheitspolitischen Notwendigkeiten. Es gibt in letzter Zeit die Diskussion<br />

um regionale Psychiatriebudgets wie beispielsweise in Itzehoe. Da gibt<br />

es für eine Region mit einer best<strong>im</strong>mten Zahl psychisch Kranker ein festes<br />

Budget, und dann muss der Träger eben für die Versorgung der <strong>Menschen</strong><br />

mit diesem Geld umgehen, egal ob die stationär oder ambulant behandelt<br />

werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Ich sehe sie mit einem weinenden und mit einem<br />

lachenden Auge. Ich weiß nicht, ob es das Problem löst, wenn ich ein gemeinsames<br />

Budget für ambulante und stationäre Behandlung mache. Wenn<br />

102


das so käme, bliebe es sicherlich nicht auf den Personenkreis der psychiatrisch<br />

Erkrankten begrenzt. Ich verfolge einen anderen Ansatz, ich sage, wir<br />

müssen die Krankenhäuser viel mehr für ambulante Strukturen öffnen. Das<br />

ist in anderen Ländern gang und gäbe. Das tangiert berufliche Interessen,<br />

jeder schottet sich ab, und es wäre eine Aufgabe des Gesetzgebers festzulegen,<br />

dass die Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung teilnehmen.<br />

Und da bin ich wieder bei dem Thema der „Medizinischen Versorgungszentren“.<br />

Wir haben Probleme vor allem in den neuen Ländern, dass wir angeblich<br />

keine Ärzte, insbesondere <strong>im</strong> niedergelassenen Bereich, bekommen.<br />

Dann könnte man doch sagen, wir öffnen dort die Krankenhäuser für den<br />

ambulanten Bereich. Das ist natürlich ein Kraftakt des Gesetzgebers, das ist<br />

mir klar.<br />

Dr. Klaus Nißle (Plenum): Das ist ja das, was wir machen. Wir haben ca.<br />

tausend gerontopsychiatrisch erkrankte Patient/innen pro Quartal in unserer<br />

Ambulanz. Das sind enorme Zahlen, die wachsen ständig. Aber wir sind an<br />

einem Punkt angelangt, wo es schlichtweg betriebswirtschaftlich nicht mehr<br />

tragbar ist. Das ist das Problem. Und an diesem Punkt bitten wir einfach die<br />

Krankenkassen und auch die Politik um Hilfe, dass man das, was gesundheitspolitisch<br />

sinnvoll ist, auch volkswirtschaftlich sinnvoll wäre, weiterführen<br />

kann, weil wir sonst einfach aus betriebswirtschaftlichen Gründen das tun<br />

müssen, was wir medizinisch nicht sinnvoll finden.<br />

Paul-Jürgen Schiffer: Über solche Probleme kann man <strong>im</strong> Einzelfall reden,<br />

aber es müsste ja generell geregelt werden. Wenn wir inhaltlich davon überzeugt<br />

sind, und so habe ich auch das Fachministerium heute verstanden,<br />

dann muss der Weg mit allen Beteiligten geebnet werden. Wir können und<br />

werden das tun, was <strong>im</strong> Rahmen der bisherigen gesetzlichen Grundlagen<br />

möglich ist, aber beispielsweise eine generelle Öffnung, das geht eben nur<br />

über gesetzliche Regelungen.<br />

Volker Panzer: Also doch wieder neue Gesetze; aber wir wollen das jetzt<br />

nicht weiter vertiefen. Ich möchte jetzt Frau Kirchen-Peters die Gelegenheit<br />

geben, ein Schlusswort zu sprechen. Vielen Dank für die Teilnahme an der<br />

Diskussion.<br />

103


4. Schlusswort<br />

104<br />

Sabine Kirchen-Peters, iso-Institut e.V., Saarbrücken<br />

Meine Damen und Herren, ich möchte mich zunächst be<strong>im</strong> Bundesministerium<br />

für Gesundheit bedanken, das diese Veranstaltung erst ermöglicht hat.<br />

Mein Dank geht auch an die engagierten Referent/ innen und Moderatoren,<br />

und auch an Sie, ans Plenum, für Ihre engagierten Beiträge.<br />

Ich will ganz kurz den Tag rekapitulieren. Frau Fuhrmann hat uns heute<br />

Morgen den <strong>im</strong>mensen Handlungsbedarf bei der Versorgung älterer <strong>Krankenhaus</strong>patient/innen<br />

verdeutlicht, und es wurden Beispiele für Auswege<br />

aus dieser Misere dargestellt. Neben dem Kaufbeurenprojekt gibt es, wie wir<br />

gehört haben, auch andere Ansätze, wie z.B. in Krefeld. Prof. Diefenbacher<br />

hat die Debatte um weitere nationale und internationale Erfahrungen erweitert.<br />

Wir haben aber auch gehört, dass es noch zahlreiche Hemmnisse und Hürden<br />

gibt, bevor sich solche Konsiliar- und Liaisondienste in der Fläche ausbreiten<br />

können. Zum einen - und das haben die Modellbeteiligten aus Kaufbeuren<br />

sehr eindringlich geschildert - geht die Implementation solcher<br />

Dienste mit einem schwierigen Prozess der Organisationsentwicklung <strong>im</strong><br />

<strong>Krankenhaus</strong> einher. Hier sind mutige Pioniere gefordert, und man braucht<br />

einen „langen Atem“. Zum anderen gibt es komplexe fachliche Anforderungen<br />

an das Personal eines solchen Dienstes.<br />

Ich würde mich freuen, wenn es uns mit dieser Veranstaltung gelungen wäre,<br />

die Entscheidungsträger dahingehend zu sensibilisieren, dass die Träger<br />

vereinfachende Regelungen benötigen, um überhaupt Mut zu fassen, sich<br />

auf das Wagnis Konsiliar- und Liaisondienst einzulassen. Es müssen Schritte<br />

in Richtung einer Regelfinanzierung unternommen werden, und ich hoffe,<br />

die Tagung konnte in diesem Sinne auch ein paar Impulse setzen.<br />

Wir versprechen als iso-Institut eine schnelle Bearbeitung der Tagungsdokumentation.<br />

Ich hoffe, auch Sie als Teilnehmer/innen konnten einige Anregungen<br />

mitnehmen, und ich wünsche Ihnen eine gute He<strong>im</strong>reise.


5. Anhang (Tagungsmappe)<br />

105


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der<br />

Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober 2005 in Bonn<br />

Ingrid Fuhrmann<br />

Der <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt gerontopsychiatrisch erkrankter <strong>Menschen</strong>:<br />

Erfahrungen der pflegenden Angehörigen<br />

Ich war pflegende Angehörige einer alzhe<strong>im</strong>erkranken Mutter.<br />

Ich bin Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied der Deutschen Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft.<br />

Ich berichte von Erfahrungen und Beobachtungen <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> und stelle die<br />

Fragen:<br />

Ist ein <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt nicht für viele ältere <strong>Menschen</strong> ein Krisenerlebnis?<br />

Werden vermeintlich gerontopsychiatrisch <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> fachärztlich untersucht<br />

oder werden sie nach sehr fragwürdigen Kriterien eingeordnet?<br />

Werden Angehörige gewürdigt oder gelten sie als unerwünscht?<br />

Demenzkranke sind für viele Krankenhäuser Problemfälle <strong>im</strong> Ablauf der Behandlung<br />

und des Pflegealltags.<br />

Ohne Schulung über den Umgang, ohne Wissen über adäquate Versorgungsmöglichkeiten,<br />

ohne Einbeziehung pflegender Angehöriger ist ein Krisenerlebnis vorprogrammiert.<br />

Nicht nur das Pflegepersonal, sondern auch die Ärzte müssen sich darum bemühen,<br />

Demenzkranke in ihrem Verhalten zu verstehen und zu akzeptieren.<br />

Für die Kranken ist die Veränderung der Umgebung durch Einweisung in ein Akutkrankenhaus<br />

geradezu bedrohlich.<br />

Dem entgegenzuwirken, erfordert Verständnis, Einfühlungsvermögen und andere<br />

Formen der Betreuung.<br />

Darauf haben Demenzkranke einen Anspruch - ebenso wie auf eine gute medizinische<br />

Betreuung.<br />

Der Lebenswille eines Demenzkranken ist genauso zu respektieren wie der eines geistig<br />

gesunden Patienten.<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

iso 2005<br />

1


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der<br />

Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober 2005 in Bonn<br />

Sabine Kirchen-Peters<br />

Ergebnisse des Modellprojektes „<strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er Konsiliar- und<br />

Liaisondienst“ Kaufbeuren<br />

Altersbedingte psychische Erkrankungen erhalten durch die demographische Entwicklung<br />

zunehmende sozial- und gesundheitspolitische Relevanz. In den Allgemeinkrankenhäusern<br />

entfallen bereits 50 % der Pflegetage auf über 65-Jährige. 3 Insbesondere<br />

Abteilungen, deren Klientel <strong>im</strong> Schwerpunkt aus älteren Patient/innen besteht,<br />

wie z.B. Innere oder Orthopädische Stationen, haben mit gerontopsychiatrischen<br />

Erkrankungen zu tun. Dabei verstärkt sich der Druck vor allem hinsichtlich der<br />

Versorgung Demenzkranker, die in der Regel aufgrund somatischer Erkrankungen in<br />

die Kliniken eingewiesen werden. Die Demenz tritt dann bei der Behandlung dieser<br />

Erkrankungen als „Störfaktor“ auf und wird für die Mitarbeiter/innen und andere Patient/innen<br />

zum Problem.<br />

Um Eskalationen und Negativspiralen zu vermeiden, bedarf es professioneller Unterstützung,<br />

die insbesondere von speziellen (geronto-)psychiatrischen Fachdiensten<br />

geleistet werden kann. In der Fachliteratur werden verschiedene Organisationsformen<br />

dieser Dienste diskutiert. Während <strong>im</strong> Konsiliarmodell der meist ärztliche Berater<br />

lediglich bedarfsweise für einzelne Patient/innen hinzugezogen wird, ist dies <strong>im</strong> Kontraktmodell<br />

regelmäßig bei best<strong>im</strong>mten Patienten-, Diagnose- oder Problemgruppen<br />

der Fall. Die weitestreichende Form wird als Liaisonmodell bezeichnet. Es umfasst die<br />

anfrageunabhängige, regelmäßige Präsenz des Konsiliars in einer Behandlungseinheit.<br />

Im Oktober 2000 wurde erstmals ein Projekt zur Verbesserung der Versorgung gerontopsychiatrisch<br />

Erkrankter <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus in das Modellprogramm des<br />

Bundesgesundheitsministeriums aufgenommen. Träger der Maßnahme ist das Bezirkskrankenhaus<br />

(BKH) Kaufbeuren.<br />

Es handelt sich um einen gerontopsychiatrischen Konsiliar- und Liaisondienst, bestehend<br />

aus einem Facharzt (1,0), zwei Krankenschwestern für Psychiatrie (1,0), einer<br />

Ergotherapeutin (0,5) und einer Schreibkraft (0,5). Während der Facharzt in erster Linie<br />

die medizinischen Aufgabenbereiche abdecken soll (diagnostische Einordnung,<br />

Therapievorschlag), sind die Krankenschwestern vor allem als Ansprechpersonen für<br />

die Pflegekräfte auf den einzelnen Stationen gedacht. Sie sollen konkrete Hinweise<br />

zum Umgang mit gerontopsychiatrisch Erkrankten geben und <strong>im</strong> Rahmen gemein-<br />

3 Vgl. Bergener, Manfred (1998): Epidemiologie psychischer Störungen <strong>im</strong> höheren Lebensalter. In:<br />

Kruse, Andreas (1998): Psychosoziale Gerontologie. Bd. 1: Grundlagen. Jahrbuch der medizinischen<br />

Psychologie 15: 97.<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

iso 2005 1


samer Fallbesprechungen Veränderungen in den Verhaltensmustern kontinuierlich<br />

begleiten. Die Hauptaufgaben der Ergotherapeutin bestehen in der Einübung alltagspraktischer<br />

Fertigkeiten in Einzel- und Gruppentherapien und in der Tagesstrukturierung<br />

der Patient/innen.<br />

Kooperationspartner sind die Allgemeinkrankenhäuser „Gutermannstraße“ und<br />

„Heinzelmannstraße“, die gemeinsam alle medizinischen Fachdisziplinen abdecken<br />

und in Form eines <strong>Krankenhaus</strong>zweckverbandes zusammenarbeiten. Um eine stärkere<br />

Präsenz zu ermöglichen, hat man den Konsiliar- und Liaisondienst aus dem BKH<br />

ausgelagert und in einem Nebengebäude des <strong>Krankenhaus</strong>es „Gutermannstraße“<br />

untergebracht.<br />

Als modellhaft sind vor allem der multiprofessionelle Ansatz und der sukzessive Aufbau<br />

erweiterter liaisonpsychiatrischer Funktionen zu bewerten. Aufgrund seines Innovationspotentials<br />

wurde das Modell <strong>im</strong> Jahr 2001 von der WHO ausgezeichnet.<br />

Durch die Zusammenarbeit mit dem Fachdienst wurden in der Klinik insgesamt große<br />

Fortschritte erzielt:<br />

• Vor allem durch die frühzeitige Diagnostik, die gezielte Behandlung, qualifizierte<br />

Begleitung und sorgfältige Angehörigenbetreuung konnte die Lebensqualität der<br />

gerontopsychiatrischen Patient/innen gesteigert werden.<br />

• Be<strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>personal ist gerontopsychiatrische Kompetenz aufgebaut worden,<br />

was neben einer Erhöhung der Versorgungsqualität positive Auswirkungen<br />

auf die Arbeitsbelastung hat.<br />

• Es findet eine stärkere Vernetzung innerhalb der Klinik, aber auch zwischen krankenhausinternen<br />

und -externen Instanzen statt.<br />

• Insbesondere durch die Vermeidung unnötiger Verlegungen in die Psychiatrische<br />

Klinik oder in Pflegehe<strong>im</strong>e konnten finanzielle Einsparungen erzielt werden.<br />

Nach Abschluss der Modellmaßnahme am 30. September 2004 wurde das Projekt in<br />

die Dauerfinanzierung überführt. Es hat sich gezeigt, dass der gerontopsychiatrische<br />

Konsiliar- und Liaisondienst in der Lage war, dem Krisenerlebnis <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt<br />

seinen Schrecken zu nehmen. Im Gegenteil stellt er für die älteren Patient/innen<br />

in Kaufbeuren eine Chance dar <strong>im</strong> Sinne von Früherkennung und -behandlung sowie<br />

nachhaltiger Weichenstellungen für die Sicherstellung der häuslichen Versorgungssituation.<br />

Es gilt nun zu überprüfen, wie die gewonnenen Erkenntnisse bundesweit<br />

nutzbar gemacht werden könnten.<br />

2


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der<br />

Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober 2005 in Bonn<br />

Dr. med. Klaus Nißle; Andreas Eichhorn<br />

Die Bedeutung frühzeitiger Diagnostik und Behandlung am Beispiel<br />

des <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>en Zentrums Kaufbeuren<br />

Wie überall in der Bundesrepublik war die gerontopsychiatrische Versorgungssituation<br />

<strong>im</strong> Gebiet des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren erschwert durch eine wachsende<br />

Zahl psychisch kranker älterer <strong>Menschen</strong> und deren Angehöriger, die sich in der<br />

Betreuungssituation sowie durch unzureichende Angebote der ambulanten und teilstationären<br />

Altenhilfe in der Gerontopsychiatrie überfordert sahen.<br />

Durch die Initiative der <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>en Ambulanz <strong>im</strong> Sinne eines multiprofessionellen<br />

und gemeindenahen, aufsuchenden Ansatzes gelang es, viele Patienten<br />

nicht mehr stationär zu behandeln, sondern dort, wo sie ihren gewohnten Lebensmittelpunkt<br />

hatten. Das Stigma der Psychiatrie konnte somit in einem ersten Schritt abgebaut<br />

werden. Im gleichen Zeitraum wurde die stationäre Psychiatrie von 120 Betten<br />

auf 36 Betten reduziert, bei gleichzeitig wachsenden ambulanten Fallzahlen auf<br />

heute 950 <strong>Menschen</strong> pro Quartal.<br />

In einem weiteren Schritt wurde auch die Qualifizierung des Pflegepersonals der Altenhilfe<br />

durch ein für ganz Bayern gültiges Fort- und Weiterbildungscurriculum vorangebracht.<br />

Die Integrierte Versorgung <strong>im</strong> „Zentrum für Seelische Gesundheit <strong>im</strong> Alter“, Blaue Blume,<br />

hat eine Kooperation zwischen allen regionalen Akteuren <strong>im</strong> Bereich der Altersmedizin<br />

in die Wege geleitet. Durch diese besonders niederschwelligen Angebote<br />

hat sich eine möglichst frühe Erreichbarkeit vor allem bei <strong>Menschen</strong> mit Depressionen<br />

und Demenzerkrankungen und damit eine weitere Verbesserung erzielen lassen.<br />

Durch das <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>e Liaisonmodell konnte nun ein weiterer Baustein <strong>im</strong><br />

regionalen Versorgungsnetz erfolgreich integriert werden, über das Herr Eichhorn <strong>im</strong><br />

Folgenden informiert.<br />

Um sich die Bedeutung eines psychiatrischen Konsiliar- und Liaisondienstes in einem<br />

Allgemeinkrankenhaus bewusst zu machen, muss man sich nur den Anteil der älteren<br />

<strong>Menschen</strong> vergegenwärtigen, die neben ihren körperlichen Erkrankungen auch unter<br />

einer psychischen Beeinträchtigung leiden. Verschiedene Untersuchungen und<br />

Studienergebnisse der letzten Jahre kommen nahezu übereinst<strong>im</strong>mend zu dem<br />

Schluss, dass ca. ein Drittel aller Patienten, die 65 Jahre und älter sind, neben ihrer<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

iso 2005 1


körperlichen Erkrankung auch unter einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung<br />

leidet. Nur ein geringer Anteil dieser betroffenen <strong>Menschen</strong> sieht tatsächlich<br />

einen Psychiater. Seit Beginn des Modellprojekts Anfang Oktober 2000 wurden die<br />

anlässlich eines Konsils gestellten psychiatrischen Diagnosen gemäß der ICD-10 (Kapitel<br />

F) quartalsweise erfasst. Rund 46 % der gestellten Diagnosen entfielen auf „Organische,<br />

einschließlich symptomatischer psychischer Störungen“, 26% auf „Affektive<br />

Störungen“ und 13% auf „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“.<br />

Diese drei Hauptgruppen machten insgesamt rund 85 % aller Diagnosen aus. 5,5 %<br />

entfielen auf Verwirrtheitszustände (Delire) unterschiedlichster Genese.<br />

Es liegt auf der Hand, dass das Vorliegen einer Depression, eines Verwirrtheitszustandes<br />

oder dementiellen Syndroms den Genesungsprozess erheblich verzögern oder<br />

sogar scheitern lassen kann.<br />

Durch eine frühzeitige Diagnostik und interdisziplinäre Behandlung können Sekundärkomplikationen<br />

reduziert, eine Chronifizierung vermieden, Behandlungsbrüche verhindert<br />

und Handlungsabläufe opt<strong>im</strong>iert werden.<br />

2


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der<br />

Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober 2005 in Bonn<br />

Maria Mahlberg; Barbara Freiberg<br />

Die Rolle der gerontopsychiatrischen Pflege und der Ergotherapie<br />

Für ältere <strong>Menschen</strong> kann ein <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalt zu erheblichen Veränderungen<br />

und Einschränkungen führen. Neben dem häufigen Verlust an Selbstständigkeit, Unsicherheiten<br />

und Ängsten wegen der Erkrankung, dem Gefühl abhängig zu sein,<br />

kommen oft noch Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Orientierungsprobleme dazu.<br />

Dadurch sind massive Krisen bei diesen Patienten möglich, die sich durch Unruhe,<br />

aggressives Verhalten, Weglauftendenz oder Regression etc. äußern. Das Pflegepersonal<br />

steht diesem meist hilflos gegenüber, es kommt zu Fixierungen, schnelle Sedierungen<br />

werden gefordert, die Situation droht zu eskalieren. Ursache ist häufig Unsicherheit<br />

und Überforderung infolge mangelnden gerontopsychiatrischen Hintergrundwissens<br />

und hoher Arbeitsbelastung.<br />

Das Ziel der gerontopsychiatrischen Fachpflege <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus ist es, die<br />

Lebens- und Behandlungsqualität dieser Patienten zu steigern und dem Pflegepersonal<br />

als Experte mit einem ausgedehnten Spezialwissen zur Seite zu stehen, um mehr<br />

Handlungssicherheit <strong>im</strong> Umgang mit diesen Patienten zu erreichen.<br />

Die Aufgaben der Ergotherapie allgemein und speziell <strong>im</strong> gerontopsychiatrischen<br />

Bereich werden anhand der Probleme bei der Einführung des Projektes in einem<br />

Akutkrankenhaus dargestellt. Ergotherapie - inzwischen nichts mehr völlig Unbekanntes<br />

für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten - hat ihren Platz zwar gefunden, muss ihn<br />

aber ständig behaupten <strong>im</strong> stationären Alltag zwischen Operationen, notwendigen<br />

pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen, Visiten, Besuchszeiten u.v.m. Ein<br />

Beispiel zeigt auf, welche Chance diese Form der Therapie für den alten <strong>Menschen</strong><br />

in sich birgt.<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

iso 2005 1


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung <strong>im</strong> Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der<br />

Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober 2005 in Bonn<br />

Prof. Dr. med. Albert Diefenbacher<br />

Konsiliar- und Liaisondienste. Erfahrungen und Perspektiven<br />

Unkenntnis und Vorurteile sind, salopp formuliert, einer der Gründe, weshalb psychiatrisch-psychotherapeutische-Liaisondienste<br />

(<strong>im</strong> Folgenden: CL-Dienste) notwendig<br />

sind. So ist viel zu wenig bekannt, dass körperlich kranke <strong>Menschen</strong> ein erhöhtes Risiko<br />

haben, <strong>im</strong> Rahmen ihrer körperlichen Erkrankung zusätzlich eine psychische Erkrankung<br />

erleiden zu können. Diese so genannte somato-psychische Komorbidität,<br />

also z.B. das gleichzeitige Vorliegen einer depressiven Erkrankung nach einem erlittenen<br />

Herzinfarkt oder eines Delir bei einer Demenz, ist während eines Aufenthaltes <strong>im</strong><br />

Allgemeinkrankenhaus häufig. So geht man davon aus, dass ca. 20 % aller über 70jährigen<br />

Patienten <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus dort einen akuten Verwirrtheitszustand<br />

(Delir nach ICD-10 F05) entwickeln. Über alle Altersgruppen hinweg gehen vorsichtige<br />

Schätzungen davon aus, dass ca. 10 % aller <strong>Menschen</strong>, die pr<strong>im</strong>är wegen einer<br />

körperlichen Erkrankung <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus behandelt werden, während dieser<br />

Indexbehandlung zusätzlich einer gleichzeitigen psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />

Behandlung bedürfen. Einzelne Patientengruppen, so eben auch ältere <strong>Menschen</strong><br />

mit Demenzerkrankungen, sind dabei sehr empfindlich für die Entwicklung zusätzlicher<br />

psychischer Erkrankungen und weisen entsprechend höhere Häufigkeiten<br />

auf. Ebenfalls in den Bereich der Versorgung durch CL-Dienste gehören <strong>Menschen</strong>,<br />

die körperliche Symptome aufzeigen, ohne dass dafür eine körperliche Ursache vorliegt,<br />

aber auch Patienten nach Suizidversuchen.<br />

Gerade <strong>im</strong> Angesicht knapper Kassen wird dabei die Frage gestellt, ob es sich be<strong>im</strong><br />

Aufbau von CL-Diensten nicht etwa wieder einmal um eine sog. anbieterinduzierte<br />

Mengenausweitung an von den Krankenkassen zu bezahlenden Leistungen handelt,<br />

also inwieweit hier Psychiater und Psychotherapeuten nicht etwa eine Klientel identifiziert<br />

haben, die eigentlich keiner Behandlung bedürfe. Erfreulicherweise hat die Forschung<br />

der vergangenen 15 Jahre gezeigt, dass die gezielte psychiatrisch-psychotherapeutische<br />

Behandlung von somato-psychischer Komorbidität nicht nur zu einer<br />

Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten führt, sondern möglicherweise<br />

sogar mit Kosteneinsparungen einhergeht. Diese Forschungsansätze sind<br />

überwiegend <strong>im</strong> US-amerikanischen Bereich verfolgt worden, aber das Kaufbeurener<br />

Modell ist ein schönes Modell für derartige Effizienzforschung in Deutschland. Auch<br />

wenn noch weitere Forschungsanstrengungen in diesem sozioökonomischen Bereich<br />

zu verfolgen sind, so gibt es doch Hinweise darauf, dass somato-psychische Komorbidität<br />

mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität der betroffenen Patienten einhergeht,<br />

und möglicherweise auch zu z.B. verlängerten <strong>Krankenhaus</strong>aufenthalten<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

iso 2005 1


führt. Umgekehrt gibt es Hinweise darauf, dass psychiatrisch-psychotherapeutische<br />

Interventionen entsprechend zu einer Kostensenkung beitragen könnten. Hier sind<br />

die Forschungsergebnisse allerdings noch widersprüchlich. Wenn aber derartige Interventionen<br />

z.B. zu einer Verringerung von <strong>Krankenhaus</strong>verweildauern führen sollen,<br />

dann müssen diese offenbar in einem Liaisonansatz verfolgt werden.<br />

Der Unterschied zwischen einem psychiatrischen Liaisondienst bzw. einem Konsiliardienst<br />

ist folgender: be<strong>im</strong> klassischen Konsilmodell wird der Psychiater vom behandelnden<br />

somatischen Arzt gerufen, wogegen er be<strong>im</strong> Liaisonansatz von vorneherein<br />

auf einer definierten regulären Basis an der Versorgung somato-psychisch kranker<br />

Patienten teiln<strong>im</strong>mt. Der Vorteil des Liaisonansatzes liegt darin begründet, dass die<br />

somatischen Ärzte viel zu selten an die Möglichkeit einer psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />

Mitbetreuung denken: die relative Konsilrate ist, überraschenderweise<br />

weltweit, nämlich niedrig und liegt bei 1 bis 2 % (<strong>im</strong> Gegensatz zu den vermutlich erforderlichen<br />

10 %, wie dies weiter oben bereits ausgeführt wurde). Man könnte also<br />

sagen, dass <strong>im</strong> klassischen Konsilansatz lediglich die Spitze des Eisbergs psychiatrischer<br />

Komorbidität erkannt wird. Dies lässt sich z.B. am akuten Verwirrtheitszustand<br />

älterer <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus zeigen: dieser wird nämlich viel zu selten<br />

erkannt, wobei dann wiederum hauptsächlich das sog. hyperaktive Delir auffällt, also<br />

eine Delirform, bei der die Patienten umtriebig und z.B. aggressiv sind. Das ebenfalls<br />

häufige hypoaktive Delir, das sich dadurch auszeichnet, dass die Patienten eher ratlos<br />

<strong>im</strong> Bett liegen, wird dem gegenüber viel zu selten diagnostiziert und häufig als<br />

Depression verkannt. Hier ist die Aufgabe der psychiatrischen Liaisondienste nicht<br />

nur, die Diagnostik und Behandlung dieser Erkrankungsbilder zu verbessern, sondern<br />

durch eine Unterweisung der somatischen Ärzte, aber auch des Pflegepersonals, <strong>im</strong><br />

Gebrauch von einfachen Screening-Methoden frühzeitig auf die Diagnosestellung<br />

und damit bessere Behandelbarkeit solcher Krankheitsbilder vorzubereiten.<br />

Gleichzeitig geht es hierbei allerdings auch darum, Vorurteile gegenüber psychisch<br />

kranken <strong>Menschen</strong>, der Psychiatrie oder aber insgesamt gegenüber älteren <strong>Menschen</strong><br />

zu beseitigen. Einerseits glauben viele somatisch tätige Ärzte und Pflegekräfte<br />

<strong>im</strong>mer noch, dass Psychiatrie gleichzusetzen sei mit der Verwahrung von „auffälligen“<br />

Personen und dass die psychiatrischen Heilbehandlungen letztlich nicht über<br />

die Gabe von Beruhigungsspritzen und das Anlegen von Zwangsjacken hinausgehen.<br />

Hier ist bei vielen <strong>im</strong>mer noch als Modell der alte Film „Einer flog über das Kuckungsnest“<br />

präsent.<br />

Weitere Vorurteile sind aber auch, dass, wenn man selber etwa einen Herzinfarkt erlitten<br />

habe, man dann sicherlich auch depressiv sei. Dies aber ist durch Forschungsergebnisse<br />

eindeutig widerlegt: lediglich ein Prozentsatz von ca. 10 bis 20 % körperlich<br />

kranker Patienten wird <strong>im</strong> Laufe ihrer Erkrankung eine länger anhaltende depressive<br />

Störung erleben. Die Mehrzahl der körperlich kranken Patienten wird vielleicht mit<br />

Ängstlichkeit und trauriger Verst<strong>im</strong>mung auf die Mitteilung der Diagnose einer Krebserkrankung<br />

reagieren, ist dann aber in der Lage, unterstützt durch die eigene Familie,<br />

medizinisches Personal oder auch Selbsthilfegruppen, auch mit prekären Situationen<br />

kompetent und zielgerichtet umzugehen. Dennoch bleibt aber der o.g. Prozentsatz<br />

an Patienten, bei denen dann schließlich eine behandlungsbedürftige psychiatrische<br />

Diagnose gestellt werden muss. Und hier wiederum lässt sich sagen, dass es mittlerweile<br />

über hinreichend methodisch hoch qualifizierte Studien gelingt, die Wirksamkeit<br />

psychiatrisch-psychotherapeutischer, seien es pharmakologische, aber auch psychotherapeutische<br />

Methoden zu belegen.<br />

2


Vorurteile bleiben aber bestehen, etwa dergestalt, dass ältere <strong>Menschen</strong> irgendwann<br />

einmal einfach „verwirrt“ werden, was ebenfalls so nicht st<strong>im</strong>mt, wie etwa die<br />

Berliner Altersstudie gezeigt hat. Fatal aber ist es z.B., wenn Verhaltensauffälligkeiten<br />

wie Umtriebigkeiten oder Schlafstörungen allein dem Vorliegen einer (bekannten)<br />

Demenz zugeschrieben werden. Sehr häufig ist es so, dass Demenzpatienten aufgrund<br />

ihres empfindlicher reagierenden Gehirns be<strong>im</strong> Einfluss auf Umgebungsveränderungen,<br />

nach Operationen und Narkosen oder durch die Gabe von Medikamenten<br />

ein Delir entwickeln. Dieses Delir bei Demenz muss aber anders behandelt werden<br />

als eine Demenz allein. Wenn dies nicht erkannt wird, kann es zur Gefährdung<br />

der betroffenen Patienten führen, etwa zu einer Zunahme von Stürzen. Daraus resultiert<br />

wiederum eine Steigerung von Kosten, etwa <strong>im</strong> Sinne verlängerter oder wiederholter<br />

<strong>Krankenhaus</strong>behandlungen.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass psychiatrisch-psychotherapeutische CL-<br />

Dienste zu einer Veränderung der „Kultur“ des Umgangs mit somato-psychischer Komorbidität<br />

<strong>im</strong> Allgemeinkrankenhaus, aber auch in He<strong>im</strong>bereichen oder <strong>im</strong> ambulanten<br />

Bereich führen sollten. Es gilt, Kenntnisse zu verbessern, Vorurteile zu beseitigen<br />

und darüber Behandlungsstrategien nachhaltig zu <strong>im</strong>plementieren, die zu einer Verbesserung<br />

der Versorgung gerade geriatrisch-gerontopsychiatrischer bedürftiger<br />

<strong>Menschen</strong> führen. <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>e Kooperationsmodelle, wie eben z.B. das<br />

Kaufbeuren Modell, sind hier offenbar hilfreich. Die Zunahme des Anteils der älteren<br />

Bevölkerung weist darauf hin, dass wir uns vermehrt mit solchen Modellen beschäftigen<br />

müssen. Die internationale Forschung belegt, dass dies zu einer gesteigerten Effizienz<br />

in der Behandlung dieser Patientengruppe führen dürfte.<br />

_________________________________________________________________________________________<br />

3<br />

iso 2005


<strong>Gerontopsychiatrisch</strong> <strong>veränderte</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>:<br />

Krisenerlebnis oder Chance?<br />

Fachtagung am 12.10.2005 in Bonn<br />

Liste der Teilnehmer/innen<br />

1. Allert, Rochus, Prof. Dr., Marienhaus Kranken- und Pflegegesellschaft mbH, Postfach 1220,<br />

56588 Waldbreitbach, Tel.: 02638-9325-11; E-Mail: e.hasbach@st-elisabeth.de<br />

2. Allouch, Madlen, AGW Bildungswerk GmbH, Ringstraße 9, 32427 Minden; Tel.: 0571-64 57 01;<br />

E-Mail: m.allouch@agw-minden.de<br />

3. Bach, Matthias, Dr. med., Chefarzt der Geriatrischen Klinik, St. Elisabethen-<strong>Krankenhaus</strong>,<br />

Ginhe<strong>im</strong>er Straße 3, 60487 Frankfurt a.M.; Tel.: 069-7939-637<br />

4. Baumgarten, Jutta, Dr. med., Ltd. Ärztin der Geriatrischen Rehabilitationseinrichtung, Kreiskrankenhaus<br />

Mosbach, Knopfweg 1, 74821 Mosbach/Baden; Tel.: 06261-83-335;<br />

E-Mail: jutta.baumgarten@krankenhaus-mosbach.de<br />

5. Bieber, Daniel, Dr., Geschäftsführer, iso-Institut, Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken; Tel.: 0681-95424-12;<br />

E-Mail: bieber@iso-institut.de<br />

6. Blass, Kerstin, Dipl.-Soz., iso-Institut, Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken; Tel.: 0681-95424-32;<br />

E-Mail: blass@iso-institut.de<br />

7. Bonk, Sabine, DRK Kreisverband Wanne-Eickel – Tagespflege, Bergmannstraße 20, 44651 Herne;<br />

Tel.: 02325-969-450<br />

8. Diefenbacher, Albert, Prof. Dr., Ev. <strong>Krankenhaus</strong> Königin Elisabeth Herzberge (KEH gGmbH),<br />

Herzbergstraße 69, 10365 Berlin; Tel.: 030-5472-4802<br />

9. Dinsenbacher, Andreas, Dr. med., Chefarzt der Klinik für geriatrische Rehabilitation, St. Nikolaus<br />

Hospital Wallerfangen, Hospitalstraße 5, 66798 Wallerfangen; Tel.: 06831-962-0;<br />

E-Mail: a.dinsenbacher@sophienstiftung.de<br />

10. Dörner, Birgit, Pflegedirektorin, Alexianer-<strong>Krankenhaus</strong> Krefeld, Oberdießemer Straße 136,<br />

47805 Krefeld; Tel.: 02151-34-7211; E-Mail: birgit.doerner@alexianer-krefeld.de<br />

11. Dutzi, Ilona, Dipl.-Psych., Bethanien-<strong>Krankenhaus</strong>, Rohrbacher Straße 149, 69126 Heidelberg;<br />

Tel.: 06221-319-0; E-Mail: idutzi@bethanien-heidelberg.de<br />

12. Eichhorn, Andreas, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie; Klinische Geriatrie, Klinikum<br />

Kaufbeuren-Ostallgäu, <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er Konsiliar- und Liaisondienst, Dr.-Gutermann-Straße 2,<br />

87600 Kaufbeuren; Tel.: 08341-42-2901; E-Mail: liaisondienst@klinikum-kf-oal.de<br />

13. Emme von der Ahe, Hartmut, Projektleitung HilDe-Hilfen bei Demenz, Paritätischer Verein für freie<br />

Sozialarbeit, S<strong>im</strong>eonstraße 19, 32423 Minden; Tel.: 0571-8280216; E-Mail: info@hilfen-bei-Demenz.de<br />

14. Ernszt, Irmgard, Fachschwester für Gerontopsychiatrie, Klinikum Kaufbeuren-Ostallgäu, <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er<br />

Konsiliar- und Liaisondienst, Dr.-Gutermann-Straße 2, 87600 Kaufbeuren;<br />

Tel.: 08341-42-290; E-Mail: irmgard.ernszt@klinikum-kf-oal.de<br />

15. Fehrenbach, Rosa, Dr. med., Chefärztin der <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>en Klinik der SHG-Kliniken,<br />

Sonnenbergstraße, 66119 Saarbrücken; Tel.: 0681-889-2532; E-Mail: R.Fehrenbach.sb@shg-kliniken.de<br />

16. Fischer, Brigitte, Pflegedienstleitung, Stadtklinik Frankenthal, Elsa-Brandström-Straße 1,<br />

67227 Frankenthal; Tel.: 06233-771-3001; E-Mail: brigitte.fischer@skh-ft.de<br />

17. Fuhrmann, Ingrid, Deutsche Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft e.V., Friedrichstraße 236, 10969 Berlin;<br />

Tel.: 030-25 93 79 5-0; E-Mail: ingrid.fuhrmann@deutsche-alzhe<strong>im</strong>er.de<br />

18. Gallinat, Friedhelm, Vorstand Klinikum Kaufbeuren-Ostallgäu, Dr.-Gutermann-Straße 2,<br />

87600 Kaufbeuren; Tel.: 08341-42-3045; E-Mail: friedhelm.gallinat@klinikum-kf-oal.de<br />

1


19. Geiger, Manfred, Dr., iso-Institut, Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken; Tel.: 0681-95424-26;<br />

E-Mail: geiger@iso-institut.de<br />

20. Hartung-Klage, Bettina, Evangelisches <strong>Krankenhaus</strong> Bielefeld, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

in Bethel, Bethesdaweg 12, 33617 Bielefeld; Tel.: 0521-1444 779;<br />

E-Mail: Bettina.Hartung-Klages@evkb.de<br />

21. Herz-Silvestrini, Dorothea, cand. Dipl.-Psych., iso-institut, Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken;<br />

Tel.: 0681-95424-0; E-Mail: herz-silvestrini@iso-institut.de<br />

22. Hestermann, Ute, Dr. med., Bethanien-<strong>Krankenhaus</strong>, Rohrbacher Straße 149, 69126 Heidelberg;<br />

Tel.: 06221-319-0; E-Mail: uhestermann@bethanien-heidelberg.de<br />

23. Hopfeld, Manfred, M.A., Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, Stadttor 1, 40219 Düsseldorf;<br />

Tel.: 0211-837-1402; E-Mail: manfred.hopfeld@stk@nrw.de<br />

24. Horn, Andreas, Dr. med., Alexianer-<strong>Krankenhaus</strong> Krefeld, Oberdießemer Straße 136, 47805 Krefeld;<br />

Tel.: 02151-34-09<br />

25. Kirchen-Peters, Sabine, Dipl.-Soz., iso-Institut, Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken; Tel.: 0681-95424-25;<br />

E-Mail: kirchen-peters@iso-institut.de<br />

26. Kleina, Thomas, Dipl.-Pflegewirt, Institut für Pflegewissenschaft/Uni Bielefeld, An der Netter Heide 20,<br />

49090 Osnabrück; Tel.: 0541-750 1575; E-Mail: tkleina@web.de<br />

27. Kreutzer, Ludwig, He<strong>im</strong>leitung, BRK-Senioren Wohn- und Pflegehe<strong>im</strong>, Rotkreuzplatz 8, 92637 Weiden;<br />

Tel.: 0961-3915-0; E-Mail: kreutzer@ahweiden.brk.de<br />

28. Kuntz, Pierre, Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, Zentrum für Sozialpsychiatrie, Am Mönchberg 8,<br />

65589 Hadamar; Tel.: 06433-917-321<br />

29. Leuchte-Wetterling, Ursula, Referentin für Fort- und Weiterbildung, EDV-Beratung Pletowski,<br />

Beierthe<strong>im</strong>er Allee 7, 76137 Karlsruhe; Tel.: 0721-9473441; E-Mail: info@templus.de<br />

30. Mahlberg, Maria, Fachschwester für Psychiatrie, Klinikum Kaufbeuren-Ostallgäu, <strong>Gerontopsychiatrisch</strong>er<br />

Konsiliar- und Liaisondienst, Dr.-Gutermann-Straße 2, 87600 Kaufbeuren; Tel.: 08341-42-2901; E-<br />

Mail: maria.mahlberg@klinikum-kf-oal.de<br />

31. Meißnest, Bernd, Facharzt für Psychiatrie u. Neurologie, Klinische Geriatrie, Chefarzt der Abteilung<br />

Gerontopsychiatrie, Westfälische Klinik Gütersloh, Hermann-S<strong>im</strong>on-Straße 7, 3334 Gütersloh;<br />

Tel.: 05241-502-359; E-Mail: Bernd.Meissnest@wkp-lwl.org<br />

32. Niedermeier, Dr. med., Franz, Chefarzt der Inneren Abteilung der Stadtklinik Frankenthal,<br />

Elsa-Brandström-Straße 1, 67227 Frankenthal; Tel.: 06233-771-2110;<br />

E-Mail: franz.niedermeier@skh-ft.de<br />

33. Nißle, Klaus, Dr. med., Oberarzt, Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, Kemnater Straße 16, 87600 Kaufbeuren;<br />

Tel.: 08341-72-2032 oder -2033<br />

34. Noelle, Rüdiger, Evangelisches <strong>Krankenhaus</strong> Bielefeld, Kantensiek 19, 33617 Bielefeld;<br />

Tel.: 0521-144-09<br />

35. Nowicki, Michaela, Marienhaus Klinikum St. Antonius Waldbreitbach, Margaretha-Flesch-Straße 2-4<br />

56588 Waldbreitbach; Tel.: 02638-923-9<br />

36. Ostermann, Heinz, Marienhaus Klinikum St. Antonius Waldbreitbach, Margaretha-Flesch-Straße 2-4<br />

56588 Waldbreitbach; Tel.: 02638-923-9<br />

37. Panzer, Volker, HR-Kultur/Wissenschaft TB nachtstudio, 10887 Berlin; Tel.: 030-2099-1550;<br />

E-Mail: panzer.v@zdf.de<br />

38. Philippsen, Horst-Uwe, Bundesministerium für Gesundheit, Referat 234, Am Propsthof 78a,<br />

53121 Bonn; Tel.: 0228-941-3923; horst-uwe.philippsen@bmgs.bund.de<br />

39. Ross, Bernhard, Dr. med., Ltd. Oberarzt der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, St. Nikolaus<br />

Hospital Wallerfangen, Hospitalsraße 5, 66798 Wallerfangen; Tel.: 06831-962-502<br />

E-Mail: b.ross@sophienstiftung.de<br />

40. Sauder, Andreas, Demenz Verein Saarlouis e.V., Ludwigstraße 5, 66740 Saarlouis;<br />

Tel.: 06831-488-1814; E-Mail: info@demenz-saarlouis.de<br />

2


41. Schiffer, Paul-Jürgen, VdAK/AEV e.V. Frankfurter Straße 84, 53721 Siegburg; Tel.: 02241-108-0;<br />

E-Mail: kontakt@vdak-aev.de<br />

42. Schlichting, Ruth, Der Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf – Stabsstelle Altenhilfe, Im<br />

Lichtenholz 60, 35043 Marburg; Tel.: 06421-405-632; E-Mail: schlichting@marburg-biedenkopf.de<br />

43. Schmidt, Hans Georg, Geschäftsführender Pflegedirektor, Saarland Klinik kreuznacher diakonie<br />

Fliedner Neunkirchen, Theodor-Fliedner-Straße 12, 66538 Neunkirchen; Tel.: 06821-901-200;<br />

E-Mail: schmidtha@kreuznacherdiakonie.de<br />

44. Schneider, Erwin, PDL, Sunrise Senior Living Germany, Mainzer Straße 195, 53179 Bonn;<br />

Tel.: 0177-522 8234; camphausen.alc@sunriseseniorliving.com<br />

45. Schulz, Christel, Demenz-Servicezentrum Ruhr, Alzhe<strong>im</strong>er Gesellschaft Bochum e.V.,<br />

Universitätsstraße 77, 44789 Bochum; Tel.: 0234-33 77 72; E-Mail: info@alzhe<strong>im</strong>er-bochum.de<br />

46. Schüßler, Robert, RegDir, Bundesministerium für Gesundheit – Referat 234, Am Propsthof 78a,<br />

53121 Bonn; Tel.: 0228-941-3930; E-Mail: robert.schuessler@bmgs.bund.de<br />

47. Sellner, Bertram, Pflegedirektor, Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, Kemnater Straße 16,<br />

87600 Kaufbeuren; Tel.: 08341-72-1204 oder -1205<br />

48. Setz, Helga, VdAK/AEV e.V. – Landesvertretung Saarland, Talstraße 32, 66119 Saarbrücken;<br />

Tel.: 0681-92671-16; E-Mail: helga.setz@vdak-aev.de<br />

49. Sicking, Friedhelm, Geschäftsführer, Alexianer-<strong>Krankenhaus</strong> Krefeld, Oberdießemer Straße 136,<br />

47805 Krefeld; Tel.: 02151-34-7014; E-Mail: friedhelm.sicking@alexianer-krefeld.de<br />

50. Sioud, Sigrid, Abteilungsleitung Psychiatrie, Stadtklinik Frankenthal, Elsa-Brandström-Straße 1;<br />

Tel.: 06233-771-3006; E-Mail: sigrid.sioud@skh-ft.de<br />

51. Skowronek, Karin, Stadtklinik Frankenthal, Elsa-Brandström-Straße 1, 06233-771-1;<br />

E-Mail: karin.skowronek@skh-ft.de<br />

52. Stoltenhoff, Ursula, DRK-Kreisverband Wanne-Eickel – Tagespflege, Bergmannstraße 20, 44651 Herne;<br />

Tel.: 02325-969-450<br />

53. Straub, Dr. med., Friedrich, Chefarzt der Psychiatrischen Abteilung der Stadtklinik Frankenthal,<br />

Elsa-Brandström-Straße 1, 67227 Frankenthal; Tel.: 06233-771-2181; E-Mail: friedrich.straub@skh-ft.de<br />

54. Vollhardt, Bodo R., Oberarzt, Rheinische Kliniken Bonn, Kaiser-Karl-Ring 20, 53119 Bonn;<br />

Tel.: 0228-551-2538/-2262; E-Mail: b.vollhardt@lvr.de<br />

55. von Cranach, Michael, Dr., Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, Kemnater<br />

Straße 16, 87600 Kaufbeuren; Tel.: 08341-72-1101<br />

56. Walther, Ingrid, Marienhaus Klinikum St. Antonius Waldbreitbach, Margaretha-Flesch-Straße 2-4,<br />

56588 Waldbreitbach; Tel.: 02638- 923-9<br />

57. Wegmann, Mechthild, Stiftung Hospital St. Wendel, Hospitalstraße 35-37, 66606 St. Wendel;<br />

Tel.: 06851-8908-160; E-Mail: schreiner@stiftung-hospital.de<br />

58. Weidert, Sabine, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität<br />

Bochum, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1; Tel.: 0234-302-6918;<br />

E-Mail: sabine.weidert@bergmannsheil-bochum.de<br />

59. Winkler, Werner, Dr., Vorstandsmitglied der BAG „Mobile Rehabilitation“ e.V., Kleiststraße 13,<br />

53757 St. Augustin; Tel.: 02241-924124; E-Mail: wwink@1234@t-online.de<br />

60. Wippermann, Volker, Chefarzt der Abt. Gerontoneuropsychiatrie der Hans-Prinzhorn-Klinik Hemer,<br />

Frösberger Straße 71, 58675 Hemer; Tel.: 02372-861-636; E-Mail: Volker.Wippermann@wkp-lwl.org<br />

61. Wobbe, Werner, Bundesministerium für Gesundheit – Referat 234, Am Propsthof 78a, 53121 Bonn;<br />

Tel.: 0228-941-3922; E-Mail: werner.wobbe@bmgs.bund.de<br />

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